[Beilage 1 zu SM, Nr. 82, 1946]

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Vorwort.

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I. Einleitung

WÄHRUNGS- und Finanzfragen lassen sich schwer von den allgemeineren Fragen der Wirtschaft und Politik loslösen. Trotzdem haben wir in den folgenden Ausführungen versucht, Probleme des allgemeinen Wirtschaftsaufbaus und politische Probleme nur soweit zu behandeln, wie es uns im Zusammenhang mit der geplanten Währungs- und Finanzreform unumgänglich erschien. Umso wichtiger ist es, nie die Tatsache aus dem Auge zu verlieren, dass die Ingangsetzung und Steigerung der Produktion, ihre Erfassung und ihre gerechte Verteilung das Hauptproblem für Wirtschaft und Politik darstellen, und dass die Sanierung der Währung und Finanzen nur Hilfsdienste hierbei leisten kann.

Von entscheidender sozialer und politischer Bedeutung jedoch ist die Frage der Finanzreform insofern, als hier entschieden wird, auf welchen Schultern die wirtschaftliche Last der ruinierten Naziwirtschaft und des verlorenen Krieges ruhen soll. Sollen wieder einmal die kleinen Leute durch Verlust ihrer Ersparnisse und Herabminderung ihrer Realeinkommen die Hauptlast tragen, während die Sachwertbesitzer verhältnismässig frei ausgehen? Das ist die Frage, die von Sozialisten und Gewerkschaftern immer wieder beim Studium von Vorschlägen zur Währungs- und Finanzreform gestellt werden sollte. Ein guter Plan bedarf zugleich der Überwachung durch Gewerkschafter und Sozialisten; sie müssen in führenden Stellen der Wirtschaft darauf achten, dass er nicht auf dem Verwaltungswege verwässert wird.

Als Ansatzpunkt unserer Überlegungen mag ein Phänomen dienen, auf welches das von den Münchener Gewerkschaften verfasste Memorandum eindrucksvoll hinweist, ein Phänomen, "das an sich sehr rätselhaft ist: nämlich der völlige Abfall des Tempos und des Ausnützungsgrades der deutschen Wirtschaft zwischen Anfang 1945 vor der eigentlichen Eroberung des Reichsgebietes und heute. Damals lief die Wirtschaft auf vollen Touren, trotz der sich immer mehr steigernden Wucht des Bombenkrieges und der ... Entblössung der Heimat von Männern; auch die Rohstoffbeschaffung und Versorgung gelang immer wieder, jedenfalls feierte keine Hand, die irgendwie für die Kriegsproduktion und die schmale Zivil-Produktion arbeiten konnte."

Schon damals bestand ein unerhörter "Kaufkraftüberhang". Schon damals ging die Reichsschuld in die Hunderte von Milliarden. Schon damals war die Geldmenge grösser als je zuvor. Und trotzdem bestand damals keine "Inflation" in einem erschütternden und verhängnisvollen Ausmasse. Im grossen und ganzen waren die Preise stabil. Man kann

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sagen, dass schon damals eine Inflationsgefahr bestand. Aber eine Gefahr ist immerhin nicht dasselbe wie die Realität.

Wodurch hat sich die Inflationsgefahr so ungeheuer verschärft, dass heute die Realität der Inflation unmittelbar vor der Tür steht oder sogar bereits eingetreten ist? Die Antwort steht ausser Zweifel: nicht infolge einer weiteren Vermehrung des "Kaufkraftüberhangs", der Reichsschuld oder der Geldmenge; sondern infolge des Zusammenbruchs von Verwaltung und Produktion.

In den wenigen Teilgebieten, wo Verwaltung und Produktion noch (oder wieder) einigermassen funktionieren - wie z. B. im Ernährungssektor - sind die Preise gehalten worden, und das Geld hat somit seine Kaufkraft behalten. Diese unwiderlegliche Tatsache führt unserer Ansicht nach zu der zwingenden Schlussfolgerung, dass die Probleme von Inflation, Kaufkraft, Währung und Finanz nicht aus sich selber heraus gelöst werden können. Es soll nicht geleugnet werden, dass es möglich ist, von der Geldseite her wertvolle Hilfestellung für die Rehabilitierung von Produktion und Verwaltung zu leisten. Aber es wäre verhängnisvoll anzunehmen, dass Finanz- und Geldreform allein die schwere deutsche Wirtschaftskrankheit beheben könnten - eine Krankheit, für welche Erscheinungen wie Inflation lediglich als Symptome zu betrachten sind.

Es ergibt sich hieraus, dass die vordringlichste Aufgabe in der Welt der realen Güter - an der Produktion und organisierten Verteilung von Gütern und Dienstleistungen - zu lösen ist.

Die hier liegenden Probleme werden daher im folgenden an erster Stelle behandelt. An zweiter Stelle steht die Aufgabe, die wirksame Nachfrage, soweit sie aus laufendem Einkommen gespeist wird, aufs schärfste einzudämmen. An dritter Stelle steht die Aufgabe, möglichst weitgehend zu verhindern, dass die wirksame Nachfrage durch den Verzehr früherer Ersparnisse in unerträglichem Masse vergrössert wird. Hierher gehört das Problem der Reichsschuld und der Vermögensbesteuerung.

Das unmittelbare Ziel der Wirtschaftspolitik ist die Verhinderung der Inflation und der Wiederaufbau eines erträglichen Lebensstandards. Die Wahl des Weges zu diesem Ziel wird bestimmt durch eine Reihe von sozialpolitischen Grundsätzen, welche in Anlehnung an das Münchener Memorandum folgendermassen zusammengefasst werden können:

(1)

Ablehnung einer einseitigen Schädigung der Sozialversicherten und der Sparer.

(2)

Entschädigung der Opfer des Krieges und des politischen Terrors; Fortführung der Entschädigung für Fliegerschäden unter stärkerer Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte.

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(3)

Sparsamste Wirtschaftsführung der öffentlichen Hand.

(4)

Eine fortschrittliche Sozialpolitik.

(5)

Aktive Wirtschaftspolitik des Staates (Planwirtschaft).

Die wirtschaftspolitischen Methoden, die unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze zu dem gesteckten Ziel führen können, werden im folgenden erörtert.

II. Produktion und Verwaltung

Es liegt auf der Hand, dass das Missverhältnis zwischen wirksamer Nachfrage (zu gegebenen Preisen) und laufenden Güterangebot, welches die Grundursache zur Inflation ist, durch Steigerung des Angebots von Gütern, wenn nicht behoben, so doch gemildert werden kann. Allerdings muss hier auf die Tatsache hingewiesen werden, dass in Zeiten einer fast völligen Stillegung der laufenden Produktion die typischen Inflationserscheinungen - rapide steigende Preise und ausgedehnter Schwarzhandel - weniger markant in Erscheinung treten mögen, als in Zeiten eines gewissen (aber immer noch zu geringen) Produktionsaufschwungs. Denn wenn einfach keine Güter angeboten werden, gibt es auch keine Preise, die in die Höhe getrieben werden können, und also auch keinen Schwarzen Markt, auf welchem gehandelt werden könnte. Die typischen Inflationserscheinungen werden daher in Deutschland zunächst einmal stärker sichtbar werden, wenn sich die Produktion in geringem Ausmass erholt. Für diejenigen, die gewohnt sind, der Geldseite mehr Aufmerksamkeit zu widmen als der realen Güterseite, sind daher einige Enttäuschungen zu erwarten.

Es kommt also darauf an, die Produktion mit allen Mitteln zu steigern, denn Geld ist nichts anderes als ein Anrechtschein auf die Produkte menschlicher Arbeit. Solange das Gesamtangebot von Waren und Dienstleistungen so gering ist, dass auch bei der besten Verteilung ein erträglicher Lebensstandard nicht gewährleistet ist, sind alle sinnvollen Versuche der Inflationsverhütung oder -bekämpfung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Hungernden Menschen ist alles recht. Auch die geschicktesten Finanzpläne kommen zu nichts, wenn das Volk unter dem Druck massloser Not sich einfach an keine Bestimmungen und Verbote kehrt. Auch die totale Abschaffung allen Bargeldes und aller Geldtitel würde die Inflation nicht verhindern, sondern nur ihre Erscheinungsform ändern. An die Stelle der Güterabgabe gegen Geldzahlung tritt der Tauschhandel, bei dem der Anteil der Arbeiter, Angestellten und Beamten am Sozialprodukt stetig sinkt und derjenige der Sachwertbesitzer steigt.

Angenommen jedoch, dass eine leidliche Warenversorgung gewährleistet ist, wie kann eine einigermassen sinnvolle und gerechte Verteilung erreicht werden, so dass niemand unter dem Druck völliger

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Verzweiflung zu stehen braucht und somit die Grundlage irgendwelcher Wirtschaftsplanung gegeben ist, nämlich die Bereitschaft des Volkes, Anweisungen zu folgen und Verbote zu beachten? Eine solche Verteilung ist die erste Voraussetzung zur Inflationsbekämpfung, und die Inflationsbekämpfung ist die erste Voraussetzung für sinnvolle Verteilung. Es ist klar, dass wir hier einem Problem gegenüberstehen, das "sich selber in den Schwanz beisst". Wir können nicht sagen: "Organisiert nur einmal erst eine vernünftige Verteilung, dann wird sich das Inflationsproblem schon lösen lassen", denn bei einer wilden allgemeinen Preissteigerung ist die vernünftige Organisierung der Verteilung völlig unmöglich. Wir können aber auch nicht sagen: "Bekämpft erst einmal die Inflation, dann wird eine vernünftige Verteilung schon möglich werden", denn in Zeiten schwerster Knappheit ist die Inflationsbekämpfung selber völlig unmöglich ohne organisierte Verteilung. Es zeigt sich also, dass - angenommen ein Mindestmass von Produktion ist gewährleistet - Inflationsbekämpfung und Organisation der Verteilung praktisch dasselbe sind. Hieraus ergibt sich folgendes:

Wenn es nicht gelingt, sagen wir, Milch und Kohle zu festen Preisen ohne Schwarzmarktverlust zu verteilen, so ist die Kaufkraft des Geldes im Hinblick auf Milch und Kohle gesichert. Mag auch der Wert, d. h. die Kaufkraft des Geldes, im Hinblick auf alle sonstigen Güter einer rapiden Verminderung (infolge inflationistischer Preissteigerungen) unterliegen, Milch und Kohle würden eine Insel darstellen, auf der die Inflation wirksam bekämpft ist. Ziel der Wirtschaftspolitik muss sein, solche Inseln im Meer der Inflation zu schaffen und systematisch zu vergrössern. Gelingt es, ausser Milch und Kohle auch die anderen Güter des dringendsten Bedarfes zu festen Preisen, ohne bedeutenden Schwarzmarktverlust, zu verteilen, so ist das gefährlichste Inflationsproblem gemeistert.

Theoretisch gesprochen lässt sich folgendes sagen: Ausdrücke wie "Geldwert" oder "Kaufkraft des Geldes" oder "Inflation" sind Sammelbegriffe; sie bezeichnen statistische Durchschnitte. Das Bestehen solcher Sammelbegriffe darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die unzähligen Wirtschaftstatsachen, die hier in einem Begriff zusammengefasst werden, von sehr verschiedener sozialer und politischer Bedeutung sind. Wenn die Preise von Dürerbildern aufs zehnfache steigen, vermindert sich damit die Kaufkraft des Geldes; der "Geldwert" fällt und "Inflation" ist im Gange. Statistisch gesprochen ist dies durchaus richtig; aber politisch oder sozial gesprochen ist es irreführend. Es kommt eben entscheidend darauf an, welche Preise steigen oder fallen. Und alle "Sammelbegriffe" und Durchschnitte beherbergen die Gefahr, dass diese wesentlichen Unterscheidungen übersehen werden und unterbleiben.

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Es kommt im heutigen Deutschland nicht sonderlich darauf an, sämtliche Preise zu stabilisieren, und ein solches Vorhaben wäre auch gewiss zum Scheitern verurteilt. Möglich und dringend notwendig ist es, die Preise lebenswichtiger Waren zu stabilisieren, sodass das Geld als "Anspruchsschein" auf unabdingliche Existenzgüter seinen Wert behält.

Mit anderen Worten: In dem Masse, wie die Produktion steigt, muss mit stetig wachsender Kraft - und sogar rücksichtsloser Strenge - die Rationierung und die Bekämpfung des Schwarzhandels betrieben werden. Ein Abbau der sogenannten Zwangswirtschaft kommt für lange Zeit leider nicht in Frage.

Der leitende Gedanke dieser Ausführungen ist, dass der erste Schritt in der Inflationsbekämpfung in der Richtung von Rationierung und Ausmerzung des Schwarzhandels zu nehmen ist. Alle auf der Geldseite zu ergreifenden Massnahmen müssen danach bewertet werden, wie weit sie (1) der Ankurbelung der Produktivität und (2) der Durchführung wirksamer Rationierung dienlich oder schädlich sind.

III. Wirksame Nachfrage aus laufenden Einkommen

Die wirksame Nachfrage wird teilweise aus den laufenden Einkommen und teilweise aus früheren Ersparnissen gespeist. In diesem Abschnitt behandeln wir zunächst einmal nur die erstere Quelle.

Die laufenden Einkommen sind, im ganzen gesehen und grob gesprochen, der Gegenwert der laufenden Produktion plus gewisser Zahlungen, die wir hier nicht näher zu detaillieren brauchen. Die laufende Produktion jedoch stellt nur teilweise Güter her, die den Einkommensbeziehern zum Kauf angeboten werden; ein grosser Teil der laufenden Produktion zielt auf die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen hin, die nicht auf den Konsummarkt kommen, weil sie dort nicht hingehören. Aufräumungsarbeiten zum Beispiel oder öffentliche Gebäude oder Reparationen. Da nun für alle Produktion, ganz gleich auf welche Art, Löhne, Gehälter und andere Einkommenszahlungen geleistet werden, ist es klar, dass die Gesamtheit der laufenden Einkommen, einschliesslich der Unterstützungen u.s.w., zwangsläufig die Gesamtheit der zum Kauf zu gegebenen Preisen angebotenen Güter übersteigt, es sei denn, dass es gelingt, die verfügbaren Einkommen von vornherein durch Besteuerung aufs äusserste zu schmälern.

Alle kriegführenden Länder haben während der letzten sechs Jahre vor diesem Problem gestanden, und überall ist die Erfahrung gemacht worden, dass eine so krasse Besteuerung psychologisch nicht tragbar ist, obwohl sie das Inflationsproblem theoretisch vollständig lösen würde. Wenn eine solche Steuerlast der Wirtschaft auferlegt würde, so löste sie das

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Inflationsproblem praktisch doch nicht, da sie den Leistungswillen vermindern und damit im Zuge der Verkleinerung der wirksamen Nachfrage auch das Angebot herabdrücken würde. Ausserdem führt Besteuerung über ein als tragbar empfundenes Mass zu so viel Umgehungsversuchen, dass sich die Sache ganz einfach nicht lohnt.

Es zeigt sich also, dass auch nach der Erhebung der grösstmöglichen Steuern das Inflationsproblem fortbesteht: die aus dem laufenden (versteuerten) Einkommen gespeiste Nachfrage ist immer noch erheblich höher als der Gesamtwert der zu den bestehenden Preisen zum Kauf angebotenen Warenmenge. Es kommt also darauf an zu erreichen, dass die Einkommensbezieher fortfahren - genau wie sie es im Kriege getan haben - einen Teil ihrer laufenden Einkommen zu sparen. In einer normalen Volkswirtschaft ist immer ein gewisser Sparwille vorhanden, und es kommt daher nicht zur Inflation, obwohl der Einkommensstrom grösser ist als der Strom der verkaufsfähigen Konsumgüter. In einer von Inflation bedrohten Volkswirtschaft ist es die Inflationsgefahr selber, nämlich die Angst vor der Teuerung und die Flucht in die Sachwerte, die den Sparwillen lähmt und damit die Inflation herbeiführt. Wieder ein Problem, das "sich selber in den Schwanz beisst".

Die Bereitschaft zu sparen oder, was dasselbe ist, die Bereitschaft, von einer Flucht in die Sachwerte abzusehen, kann nur geschaffen werden, wenn man die oben erwähnten "Inseln" stabilen Geldwertes schafft, diese "Inseln" durch systematische Organisationsarbeit gegen Einbrüche der Inflation sichert, sie weiter und weiter ausdehnt und so allmählich das Meer der Inflation trockenlegt. Gelingt es, das Volk davon zu überzeugen, dass sein Geld über eine gewisse Anzahl lebensnotwendiger Waren eine feste Kaufkraft besitzt, und dass diese Anzahl in ständigem Wachsen begriffen ist, so wird das Volk sein Vertrauen ins Geld zurückgewinnen. Der Sparwille wird wieder steigen, und in dem Mass, wie er steigt, wird sich der Inflationsdruck von selber vermindern.

Der Anfang ist das schwerste. Im Anfang kann man dem Sparwilligen nur wenig Sicherheit versprechen, und es ist deshalb zu erwägen, ob nicht gewisse Zwangsmassnahmen unvermeidbar sind. Unserer Meinung nach wäre es z. B. empfehlenswert, einen gewissen, gestaffelten Prozentsatz aller Einkommen, welche eine festgesetzte Freigrenze übersteigen, überhaupt nicht in der Form von Bar- oder Scheckgeld auszubezahlen, sondern stattdessen nicht-übertragbare Reichsschuldscheine auszugeben, die für geraume Zeit nur in persönlichen Notfällen gegen Bargeld umgetauscht werden können. Nähere technische Einzelheiten hierüber folgen auf Seite [10], Ziffer 3.

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Auch die Supplementierung der Besteuerung durch die vorgeschlagene Methode des "Zwangssparens" wird nicht in der Lage sein, die verfügbaren Einkommen in genügendem Mass einzudämmen. Eine allgemeine Herabsetzung aller Löhne und Gehälter bietet keinen annehmbaren Ausweg, da sie sozial ungerecht sein und daher zu politischen Krisen und einer Herabsetzung des Leistungswillens führen würde. Was bleibt da übrig?

Es bleibt nichts übrig, als den Sparwillen der Bevölkerung mit allen Mitteln zu fördern und zu unterstützen. Dies haben wir bereits oben erwähnt, und wir kommen darauf zurück, weil es zu entscheidenden Schlussfolgerungen bezüglich der Bekämpfung des Schwarzhandels führt. In der von uns ins Auge gefassten Volkswirtschaft gibt es drei Märkte:

Erstens, den Markt in rationierten Waren, die zu einem festen Preis auf Grund der ausgegebenen Verteilungskarten abgegeben werden. Auf diesem Markte gibt es keine Inflation.

Zweitens, den Markt nicht rationierter Waren, die zu mehr oder minder freien Preisen abgegeben werden. Auf diesem Markt sind gewisse Inflationserscheinungen unvermeidlich. Sie werden zu sozialen Ungerechtigkeiten führen, welche jedoch nur dadurch behoben werden können, dass das Netz der Rationierung über eine immer grössere Anzahl von Warengattungen ausgedehnt wird.

Drittens, den Schwarzen Markt rationierter Waren, auf dem alle Transaktionen ungesetzlich und strafbar sind.

Es gilt, den Schwarzen Markt weitestgehend unmöglich zu machen, da alles, was ihm zufliesst, dem legalen Markt abgeht. Es ist ein Gebot der Klugheit, das Netz der Rationierung zwar so weit wie möglich, jedoch nicht weiter auszuwerfen, als es der Leistungsfähigkeit des Verwaltungsapparates entspricht.

Die Bekämpfung des Schwarzhandels kann von der Geldseite wirksam unterstützt werden. Umsätze auf dem Schwarzen Markt werden vorzugsweise in Bargeld getätigt, weil sie in dieser Form keine Spuren hinterlassen. Es ist deshalb wünschenswert, Kaufkraft in der Form von Bargeld möglichst knapp zu halten.

Die Menge verfügbaren Bargeldes, ebenso wie die Menge verfügbarer Kaufkraft, wird aus zwei Quellen gespeist: aus den laufenden Einkommen und aus früheren Ersparnissen. Uns beschäftigt im Augenblick lediglich die erstere.

Ein Monatseinkommen von, sagen wir, 1.000 Mark gibt dem Empfänger eine entsprechende Kaufkraft, ganz gleich ob es durch Barzahlung

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oder durch Kontobuchung übertragen wird. Die Art der Übertragung ist jedoch nicht gleichgültig für die Aktionsfähigkeit des Schwarzen Marktes. Es ist zweckdienlich, Bargeldauszahlungen möglichst einzuschränken und die im Umlauf befindliche Geldmenge möglichst gering zu halten, nicht weil damit die Gesamtkaufkraft verkleinert würde (was nicht der Fall ist), sondern weil damit den Schwarzhändlern ihr Geschäft erschwert wird. Sie können ihre illegalen Umsätze immer noch per Scheck tätigen; aber jede Scheckzahlung hinterlässt eine Spur.

Es ist von grösster Wichtigkeit, klar die Gründe zu erkennen, die für die verschiedenen Vorschläge sprechen. Bargeld ist eine ausserordentlich nützliche soziale Erfindung, die den Austausch von Waren und Dienstleistungen ungeheuer erleichtert und damit eine arbeitsteilige Wirtschaftsstruktur überhaupt erst möglich macht. Die im Umlauf befindliche Bargeldmenge ist nicht, als solche, ein verlässliches Symptom für Inflation, geschweige denn eine Ursache von Inflation. Sie ist das Resultat zahlreicher Umstände, die hier nicht erschöpfend erörtert werden können. Im grossen und ganzen ist Bargeld eine Sache der Bequemlichkeit, und es ist nicht die Aufgabe der Wirtschaftspolitiker, durch Einschränkung des Bargeldumlaufes und Erzwingung und Ausdehnung des Scheckverkehrs dem Wirtschaftsleben Unbequemlichkeiten zu verursachen. Der Vorschlag, den wir hier machen, ist nur dadurch zu rechtfertigen, dass gewisse Unbequemlichkeiten im legalen Wirtschaftsverkehr einen wirksamen Kampf gegen den Schwarzen Markt wesentlich erleichtern würden. Die Erzwingung von Scheck- anstatt Bargeldzahlungen wirkt anti-inflationistisch lediglich in dem Masse, wie sie die Unterdrückung des Schwarzhandels erleichtert.

Aus dem Gesagten ergibt sich folgender Vorschlag für die Gestaltung der Zahlung von Einkommen:

Die Bekämpfung des Schwarzhandels durch die Beschränkung des Bargeldverkehrs hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn im Verlauf der Geldzirkulation nicht zu grosse Löcher entstehen, durch welche das Bargeld aus dem legalen Markt in den Schwarzen Markt herüberfliesst. Es muss also sichergestellt werden, dass das ausgegebene Bargeld immer wieder seinen Weg zurück zu den Sparkassen und Banken findet. Eine Kontrolle hierüber ist verhältnismässig leicht möglich im Sektor des rationierten Kleinhandels, für den das Bargeld im wesentlichen gedacht ist. Genau so wie der Kleinhändler seine Waren nur gegen Abgabe der Lebensmittelkarten oder Bezugscheine erhält, könnte seine weitere Belieferung davon abhängig gemacht werden, dass er seine leicht kontrollierbaren Kasseneingänge an eine öffentliche Kasse oder Bank einzahlt; er kann den Grosshändler und andere Gläubiger mittels Scheck bezahlen, und für seine Angestellten und für sich selber steht ja der wöchentliche Bargeldbetrag zur Verfügung.

Der Rückfluss des Bargeldes muss aber auch in den Fällen gesichert werden, wo eine so leichte Kontrolle nicht möglich ist, z. B. bei privaten Transportunternehmungen, bei Ärzten, Mietenempfängern usw. Eine sehr wesentliche Verringerung des Bargeldsektors könnte vorgenommen werden, wenn man alle Mieten durch Scheck bezahlen liesse; dann müssten

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allerdings alle Lohnempfänger ein Scheckkonto haben. Welche Sonderregelungen für die verschiedenen Kategorien möglich und zweckmässig sind, hängt von örtlichen Verhältnissen, der Grösse und Zuverlässigkeit des Verwaltungsapparats und der allgemeinen Stimmung ab.

Zur Aufstöberung von Schleichhandelsgeschäften bleibt immer die Möglichkeit, in gewissen Zeitabständen das ausstehende Bargeld zum Umtausch aufzurufen. In der Regel wird es wahrscheinlich bereits genügen, die Möglichkeit eines solchen Schrittes öffentlich anzukünden.

Es liegt auf der Hand, dass eine erfolgreiche Rationierungspolitik mit weitestgehender Ausmerzung des Schwarzhandels nicht leicht durchzuführen ist. Sie hat anzufangen mit der energischsten Erfassung von rationierten Gütern beim Produzenten, in der Stadt wie auf dem Lande. Wir geben uns keinen Illusionen über die Schwierigkeiten hin, die dabei auftreten können. Aber wir glauben, darauf bestehen zu müssen, dass dies der einzige Weg einer Inflationsbekämpfung ist, welche der verzweifelten Wirtschaftslage Deutschlands auch nur annähernd unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte gerecht werden kann. Hier gibt es keinen Zauberschlüssel geldpolitischer Art. Auch wenn Deutschlands Geldumlauf zu 100 Prozent mit Gold "gedeckt" wäre, so würde dies das Inflationsproblem nicht im geringsten der Lösung näher bringen, wenn nicht Konsumgüter zu festen Preisen dafür erhältlich sind. Der einzige Weg liegt in harter Arbeit, straffer Disziplin und einer Wirtschaftsführung, die das Volk ins Vertrauen nimmt. dass in der bestehenden unerhörten Notlage nicht ohne Zwangsmassnahmen auszukommen ist, ist bedauerlich, aber nicht zu ändern. Dem Einzelnen heute wirtschaftliche Freiheiten und Kaufmöglichkeiten zu geben, die die wirtschaftlich Schwachen zum Tode oder zur völligen Verelendung verurteilen würden, wäre unverantwortlich.

IV. Wirksame Nachfrage aus früheren Ersparnissen

Die wirksame Nachfrage wird nicht nur aus laufenden Einkommen, sondern auch aus früheren Ersparnissen gespeist. Diesen letzteren müssen wir uns jetzt zuwenden.

Der Einzelne hält seine Ersparnisse in den verschiedensten Formen. Vielleicht trägt er sie bei sich in der Form von Bargeld. Vielleicht hat er sie auf eine Bank oder ein anderes Kreditinstitut getragen, wo sie ihm auf Konto gutgeschrieben worden sind. Vielleicht hat er sie in einem Haus, einem Grundstück oder einer Fabrik angelegt. Vielleicht ist er auch Besitzer von Reichsanleihen. In welcher Form immer er seine Ersparnisse "angelegt" oder auch nicht angelegt hat, er hat normalerweise immer die Möglichkeit zu "entsparen", d. h. er kann sein gespartes Bargeld ausgeben; er kann

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sich Bargeld zu Lasten seines Sparkontos bei der Bank abholen; er kann Haus, Grundstück oder Fabrik veräussern oder belasten; er kann Reichsanleihe (oder sonstige Papiere) ebenfalls veräussern oder belasten. Dies wird er tun, wann immer seine dringenden Bedürfnisse nicht aus seinem laufenden Einkommen bestreiten kann. Wenn er es tut, wird die wirksame Nachfrage durch "entsparen" vergrössert.

Wir haben bereits gesehen, dass ernste Inflationsgefahr besteht, sobald die Einkommensbezieher den Versuch unternehmen, auch nur ihr gesamtes laufendes Einkommen auszugeben. Die Gefahr wird um so ernster, wenn sie darüber hinaus auch noch den Versuch unternehmen, zu "entsparen". Die Schwindsucht der Inflation wird dann zur galoppierenden Schwindsucht. Hierin liegt das Problem des sogenannten "Kaufkraftüberhangs".

Streng genommen besteht in jeder Marktwirtschaft ein solcher "Kaufkraftüberhang". Alle Vermögen, alle Ersparnisse sind so zu bezeichnen. Er ist geradezu ein - wenn auch verzerrter - Masstab des individuellen Reichtums. In der normalen Wirtschaft jedoch stehen diesem Kaufkraftüberhang eine Menge Konsumgüter "auf Lager" sowie eine erhebliche Menge produktiver oder sonstwie nützlicher "Kapitalgüter" gegenüber. Und hinter ihm steht keine verzweiflungsvolle Not, die ihn zu wirksamer Nachfrage macht. Er schafft kaum die Wahrscheinlichkeit einer inflationistischen Entwicklung, jedenfalls keine Gefahr und erst recht keine Realität.

Der Kaufkraftüberhang stellt einen doppelten Anspruch seiner Besitzer an das Sozialprodukt dar: erstens, den Anspruch, aus dem Sozialprodukt laufend Güter und Dienstleistungen zu empfangen, ohne durch eigene Arbeit selber das Sozialprodukt zu vergrössern, - den Anspruch auf Zinsen, Dividenden, Mieten; und zweitens, den Anspruch, dem Sozialprodukt einmalig Güter und Dienstleistungen ohne Gegenleistung zu entnehmen, den Anspruch auf Rückzahlung. In einem verarmten Deutschland können diese Ansprüche auf absehbare Zeit nicht voll erfüllt werden. Krieg und Niederlage waren zu kostspielig. Auf Jahre hinaus wird die Arbeit aller benötigt und muss die Konsumption aller auf ein Mindestmass eingeschränkt werden. Es hat daher keinen Sinn, die Gesamtheit der auf dem Papier stehenden Ansprüche als Quelle dauernder Irreleitung und sozialer Spannungen aufrechtzuerhalten.

Eine drastische Abschreibung ist daher das Gebot der Stunde. Sie dient in erster Linie der Klarstellung der realen wirtschaftlichen Lage Deutschlands in den Augen des gesamten Volkes und nur in zweiter Linie der Inflationsbekämpfung. Der einzige mit unseren Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit vereinbare Weg hierzu ist die Erhebung einer einmaligen

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schweren, progressiv gestaffelten Kriegslastenabgabe, der jeder Deutsche unterliegt. Dies bedeutet, dass alle Privatvermögen, in welcher Weise sie auch "angelegt" oder nicht angelegt sind, veranschlagt werden müssen, was unweigerlich erhebliche Zeit beanspruchen wird. Ein Zahlenbeispiel für die Art der von uns vorgeschlagenen Vermögensbesteuerung ist im Anhang 2 gegeben. Der nicht auszumerzende Zeitfaktor in einer solchen Operation kann und muss durch grob berechnete Vorauszahlungen vermindert werden; er bleibt jedoch von so entscheidender Bedeutung, dass hierdurch die Kriegslastenabgabe als Mittel der sofortigen Inflationsbekämpfung in Frage gestellt wird.

In zweierlei Hinsicht jedoch kann auch von dieser Seite her der Inflationsbekämpfung Hilfe geleistet werden.

Erstens: Ein Teil der angesammelten Ersparnisse besteht aus gehorteten Banknoten. Aus Gründen der Bekämpfung des Schwarzhandels ist es zweckdienlich, diese Notenhorte privaten Hände zu entziehen. Während auf der einen Seite kein Grund vorhanden ist, den Besitz von Notenhorten durch besondere Steuern oder Abgaben zu bestrafen, so besteht auf der anderen Seite gewiss auch kein Grund dafür, Notenhorte von der allgemeinen Vermögensabgabe zu befreien. Alles in privater Hand befindliche Bargeld sollte daher zu einem bestimmten Stichtag aufgerufen werden, mit der Anweisung, dass es binnen einer Woche auf ein Scheckkonto des Besitzers eingezahlt oder - zu geringen, vorher festgesetzten Beträgen - in neues Geld umgetauscht werden muss. Am Ende der Woche wird nur noch das neue Geld gesetzliches Zahlungsmittel sein, und Bargeld wird nur noch im Rahmen der im vorigen Kapitel erwähnten Freigrenze ausgezahlt. Ein solcher Umtausch in neues Geld oder in Scheckguthaben ist nicht mit einer einseitigen Besteuerung der Geldbesitzer zu verwechseln. Er dient der allgemeinen Politik der Knapphaltung von Bargeld zum Zwecke der Schwarzhandelsbekämpfung. Der Handel in Papieren und Sachkapitalien kann weitergeführt werden; jedoch sind die dabei erzielten Erlöse nicht für laufende Ausgaben verwendbar.

Zweitens: Da sich Deutschland den Unterhalt arbeitsfähiger, jedoch nicht arbeitender Rentner nicht leisten kann, sollten alle über die oben erwähnte Freigrenze gehenden Profit-, Zins- und Mieteinkommen privater Personen "zwangsgespart" werden. Ihre Auszahlung sollte daher weder in Form von Bargeld noch auf freies Scheckkonto, sondern in der Form von unverzinslichen Reichsschuldtiteln erfolgen. Bei Personen, welche ein Arbeitseinkommen und ein Renteneinkommen besitzen, dürfte die Freigrenze selbstverständlich nur einmal in Anspruch genommen werden. Es bleibt zu erwägen, ob die Freigrenze im Falle von arbeitslosem Einkommen bei arbeitsfähigen Personen gestrichen werden sollte.

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Dem Einwand gegenüber, dass eine solche Kriegslastenabgabe produktionsstörend wirkt, möchten wir darauf hinweisen, dass ein Eingriff in die tatsächliche Produktion weder beabsichtigt noch zu erwarten ist. Was wir beabsichtigen, ist eine Verschiebung der Eigentumsverhältnisse zugunsten der Kriegsgeschädigten und des Staates, eine "Abschreibung" der tatsächlichen, materiellen Kriegsverluste und deren sozial gerechte Verteilung. Die Produktionsanlagen bleiben, wo sie sind, und werden in den meisten Fällen von denselben Leuten in Gang gehalten wie vorher. Was sich verändert, ist lediglich, dass ein Aktienpaket oder ein Schuldtitel in Staatsbesitz übergeht oder dass ein Haus oder ein Stück Land zusätzlich belastet wird.

Es würde zu weit führen, alle mit dieser Kriegslastenabgabe verbundenen Einzelfragen zu erörtern. Immerhin seien hier noch einige Probleme der Bewertung der Vermögen behandelt sowie die Frage der "Zahlung" der Kriegslastenabgabe.

Wahrscheinlich kann nur ein sehr kleiner Teil der Kriegslastenabgabe in Bargeld oder durch Überweisung vom Scheckkonto geleistet werden, da ja grössere Vermögen selten in dieser Form "angelegt" sind. Sie bestehen meist aus Land- und Hausbesitz, aus Fabriken oder Anteilscheinen - Aktien - an Fabriken und sonstigen Produktionsanlagen. Für die Bewertung schlagen wir die Methode der Selbsteinschätzung vor, verbunden mit der Einziehung der Kriegslasten-Abgabe seitens einer besonders dazu geschaffenen staatlichen Treuhand-Stelle ("Kriegslasten-Ausgleichskasse" ist als Benennung vorgeschlagen). Dieser Treuhandstelle müsste das Recht eingeräumt werden, aus der selbsteingeschätzten Vermögensaufstellung diejenigen Posten herauszusuchen, die nach Ansicht der staatlichen Treuhandstelle für die Übertragung besonders geeignet erscheinen. Zu niedrige Selbsteinschätzung würde also für den Vermögensinhaber immer die Gefahr einschliessen, einen kostbaren Vermögensposten zum Preise seiner eigenen Bewertung an die Treuhandstelle übertragen zu müssen.

Im allgemeinen jedoch wird die Kriegslasten-Ausgleichskasse versuchen, soweit wie möglich Bargeld, Bankgeld und Reichsschuldtitel einzuziehen, weil dadurch die innere Reichsschuld auf direktem Wege verringert und die Arbeit der Treuhandstelle weitgehend vereinfacht wird. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass diese Treuhandstelle Aktienpakete, Hypotheken oder andere Schuldtitel mehr privater Natur wieder abstösst oder Darlehen zur Zahlung der Kriegslastenabgabe vermittelt.

Ob ausser dieser Kriegslasten eine Besteuerung des seit 1932 erzielten Vermögenszuwachses erfolgen soll, ob man also Rüstungs- und Kriegsgewinnler besonders heranziehen soll, ist mehr eine politische als

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eine ökonomische Frage. Wenn die Feststellung des 1932 vorhandenen Vermögens auf nicht zu grosse Schwierigkeiten stösst und keinen zu grossen Verwaltungsapparat beansprucht, so ist eine zusätzliche Heranziehung des Vermögenszuwachses durchaus am Platze. Da es sich hier jedoch mehr um eine politische Entscheidung handelt, möchten wir zu bedenken geben, ob es nicht klarer und darum vorzugswürdiger ist, führende Nazis oder ausgesprochene Nutzniesser des Nazi-Systems vollkommen zu enteignen und sie jedenfalls nicht besser zu stellen als jene unschuldigen Rückkehrer, die als Soldaten im Felde keine Gelegenheit hatten, an den Segnungen der Nazi-Wirtschaft teilzunehmen.

Die Gesamtheit der erwähnten Massnahmen würde unseres Ermessens eine wirksame Politik der Inflationsbekämpfung darstellen. Wenn auf diese Weise der Kaufkraftüberhang sowie der Einkommensüberfluss weitgehend immobilisiert werden, ist von der Geldseite her alles getan, was sich zum Zweck der Inflationsbekämpfung praktisch durchführen lässt. Der Ausbau der Rationierung und die Unterdrückung des Schwarzhandels dürften dann keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten.

Wenn wir hier von der "Gesamtheit" der Massnahmen sprechen, so meinen wir allerdings auch die geographische Gesamtheit. Eine Sanierung lässt sich z. B. nicht allein in einem Land oder einer Zone durchführen, es sei denn, man gibt jede Hoffnung auf eine gesamtdeutsche Lösung aller politischen und wirtschaftlichen Fragen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte auf. Die Durchführung unseres und jedes anderen Stabilisierungs-Planes für Bayern allein würde bedeuten, dass man eine Bayernmark schafft, die nur in Bayern gesetzliches Zahlungsmittel ist; man müsste die Grenzen um Bayern ebenso von der Aussenwelt abschliessen, wie sich heute souveräne Staaten voneinander abschliessen, mit allen den bekannten Beschränkungen des Verkehrs von Personen und Gütern, mit Devisenverordnungen und Passvorschriften. Andernfalls wird der beste Plan zur Finanzsanierung von aussen her durchlöchert.

V. Einige Einzelfragen

I. "Ausgeglichene" Budgets

Es versteht sich von selber, dass die Öffentliche Hand die ihr zugewiesenen Aufgaben mit äusserster Sparsamkeit durchführen muss. Jede Verschwendung von Arbeitskraft oder von realen Gütern im heutigen Deutschland ist unverantwortlich, ganz gleichgültig ob von öffentlicher oder privater Hand betrieben. Daraus folgt jedoch nicht, dass heute die Finanzgebarung der Öffentlichen Hand notwendigerweise an ausgeglichene Budgets gebunden sein muss. Im Gegenteil: Die Gesichtspunkte, die das

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Niveau der Steuern, und diejenigen, die das Niveau der öffentlichen Ausgaben bestimmen, sind verschiedene, und es besteht kein notwendiger logischer Zusammenhang zwischen ihnen. Die Steuerschraube muss aufs äusserste angezogen werden; nicht weil das Reich Geld braucht, sondern weil es aus Gründen des allgemeinen Warenmangels und zum Zweck der Inflationsbekämpfung notwendig ist, die verfügbaren laufenden Einkommen zu schmälern. Die öffentlichen Ausgaben, auf der anderen Seite, werden durch das Ausmass der Aufgaben bestimmt, die der Öffentlichen Hand zugewiesen werden. Diese Aufgaben besitzen gerade jetzt höchste gesamtwirtschaftliche Dringlichkeit (nur solche kommen vorerst überhaupt in Frage) und dürfen nicht aus rein finanztechnischen Gründen vernachlässig werden.

Solange es als erstes Ziel der Finanzpolitik gilt, das Budget auszugleichen, ist es unvermeidlich, dass entweder zu viele oder zu wenige Steuern erhoben werden; oder dass die Ausgaben der Öffentlichen Hand entweder in schädlichem Masse reduziert oder ohne besondere Dringlichkeit ausgeweitet werden. Mit der orthodoxen Finanzpolitik ist eine zweckdienliche und fortschrittliche Wirtschaftspolitik nicht ohne weiteres vereinbar.

2. Die Staatsschuld

Wir haben oben dargelegt, dass es im Zuge der Inflationsbekämpfung notwendig sein wird, die Bevölkerung zum Sparen zu veranlassen. Solche Ersparnisse müssen in irgend welcher Form gehalten werden. Eine Aufbewahrung von Ersparnissen in Bargeld ist unerwünscht, da der Ausstand grosser Bargeldsummen in privater Hand die Unterdrückung des Schwarzhandels ausserordentlich erschwert. Also müssen die laufend erzielten privaten Ersparnisse eine andere Form finden. In der normalen Wirtschaft werden sie weitgehend in Industrieunternehmungen und anderen realen Kapitalgütern "investiert". Die Möglichkeit, solche Realkapitalien für privaten Besitz zu schaffen, wird wegen Arbeiter- und Materialmangels in Deutschland vorerst beschränkt sein. Hieraus ergibt sich zwingend, dass ein grosser Teil der laufenden Ersparnisse in der Form von Reichsschuldtiteln (oder anderen öffentlichen Schuldtiteln) gehalten werden müssen. Da das laufende Sparen selber anti-inflationistisch wirkt, braucht die Ausgabe von Reichsschuldtiteln an die Sparer keine Sorge zu machen. Sie fördert nicht die Inflation, sondern ist im Gegenteil ein notwendiges Nebenprodukt der Inflationsbekämpfung.

Es ist die Aufgabe der vorgeschlagenen Kriegslastenabgabe, die volkswirtschaftliche Bilanz Deutschlands zu bereinigen. Die Kriegslastenabgabe selber, die an das Reich abgeführt wird, führt zu einer weitgehenden Tilgung der Reichsschuld. Eine spezielle und einseitige weitere

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Enteignung oder Schädigung derjenigen, die ihre ersparten Vermögen in Reichsanleihen angelegt haben, wäre weder gerecht noch wirtschaftlich nützlich. Im Gegenteil, eine solche Politik wäre ausserordentlich schädlich, da sie als Beweis dafür aufgefasst werden würde, dass das Anlegen von laufenden Ersparnissen in Reichsanleihen unklug ist. Sie würde den Sparwillen lähmen, die Flucht in die Sachwerte fördern und ganz allgemein die Sachwertbesitzer gegenüber den Geldwertbesitzern begünstigen. Das bestehende Moratorium hinsichtlich der Reichsschuld ist daher möglichst schnell zu beendigen. Es ist jedoch nicht unbedingt erwünscht, dass das Reich die bestehende Reichsschuld in genau der jetzigen Form übernimmt und anerkennt. Alle ausstehenden Reichsschuldpapiere sollten in einheitliche, nichtdatierte und jederzeit seitens des Reiches rückzahlbare Bonds verwandelt werden, auf welche bis auf weiteres 1% Zinsen gezahlt werden könnte. Umtausch solcher Papiere in Bar oder Scheckgeld wäre nur mit besonderer Genehmigung möglich.

Über das Fortbestehen einer erheblichen Reichsschuld, auch nach der vorgesehenen schweren Kriegslastenabgabe, sollte man keine zu grossen Sorgen machen. Interne Schulden sind keine entscheidende Belastung einer Volkswirtschaft; der Einzelne ist der Gläubiger, und die Gesamtheit, die ja doch aus Einzelnen besteht, ist der Schuldner. Sorgen wegen einer phantastisch angewachsenen inneren Verschuldung der Gesamtheit an die Einzelnen sind Sorgen um Zahlen, die auf dem Papier stehen.. Sorgen um Produktion, Organisation, Rationierung und Schwarzhandel sind Sorgen um Tod und Leben des Volkes. Das Entscheidende an jeder Art innerer Verschuldung ist nicht die absolute Höhe, sondern die Art der Verteilung. Wäre der Besitz einer Reichsschuld von, sagen wir, 500 Milliarden Mark gleichmässig unter 50 Millionen Menschen verteilt, so besässe jedermann Reichsobligationen im Nominalwerte von 10.000 Mark, welche ihm bei 1% Zinsen ein Renteneinkommen von zwei Mark pro Woche sichern würden. Aus so etwas könnten niemals gefährliche inflationistische Komplikationen entstehen, solange die Veräusserung oder Belastung der Obligationen einigermassen überwacht wird. Wenn sich jedoch der Besitz einer solchen Reichsschuld unter, sagen wir, nur 1.000.000 Obligationären aufteilte, so hätte ein jeder 500.000 Mark und bezöge ein Renteneinkommen von 100 Mark pro Woche. Auf diese Weise würden sich dann möglicherweise 1.000.000 Menschen der Arbeitsleistung entziehen, was die Inflationsgefahr von der Produktionsseite her verschärfen würde. Nun, für die Abschreibung der Reichsschuld muss die Einnahme aus der Kriegslastenabgabe sorgen; für die gleichmässigere Verteilung des verbleibenden Besitzes an Reichsschuldtiteln ist gesorgt, wenn, unserer Empfehlung gemäss, die Kriegslastenabgabe straff progressiv gestaffelt wird.

[Seite im Original:] - 19 -

3. Die Höhe des Zinssatzes

Wir haben in den vorhergehenden Betrachtungen von einer sehr bescheidenen Verzinsung gesprochen. Wir glauben, dass eine Verzinsung aller nach der Kriegslastenabgabe noch verbleibenden Staatspapiere mit 1% besser ist als eine Abwertung der Staatschuld oder gar die Erklärung des Staatsbankrotts. In den angelsächsischen Ländern hat sich von Regierungsseite her immer mehr die Politik des "cheap money", d.h. einer niedrigen Verzinsung des für Staatszwecke nötigen Geldes durchgesetzt. In England ist dieser Zinssatz jetzt etwa 1,5%. Die Entwicklung zu diesem Zinsfuss musste allerdings langsam vor sich gehen, weil sonst zu heftige Rückwirkungen auf anderen Gebieten der Volkswirtschaft, z. B. in Hinblick auf die Bewertung anderer verzinslicher Werte (Aktien, Bodenwert, Immobilien) erfolgt wären. In Deutschland hingegen brauchen wir auf diese Entwicklung keine Rücksicht zu nehmen. Hier haben wir sowieso alles neu aufzubauen."

Erfahrungsgemäss hat ein niedriger Zinssatz keinen lähmenden Einfluss auf den Sparwillen, wie das häufig (meistens von interessierten Bankkreisen) behauptet wird. Was den normalen Menschen zum Sparen bewegt, sind ganz andere Gründe als die Aussicht auf eine hohe Verzinsung. Viel wichtiger ist für ihn die Gewissheit, dass die Ersparnisse nach einer Zeit immer noch dieselbe Kaufkraft haben. Die Stabilität der Währung ist also wichtiger als die Aufrechterhaltung eines hohen Zinssatzes.

Eine andere Rückwirkung einer Politik des niedrigen Zinses sollte jedoch erwähnt werden, d. i. die Wahrscheinlichkeit, dass zinsen- oder profitbringende Vermögen (andere als Staatspapiere) an Kapitalwert gewinnen. Wirft ein Unternehmen jährlich, sagen wir 10.000 RM ab, so ist sein kapitalisierter Wert unter Zugrundelegung einer 5%igen Verzinsung 200.000 RM, dagegen bei Zugrundelegung einer 1%igen Verzinsung 1.000.000 RM. Das braucht uns jedoch weiter keine Sorgen zu bereiten. Ob 5% oder 1% : Eine Fabrik bleibt dadurch immer noch dieselbe Fabrik, und der erzielte Profit bleibt auch ungefähr derselbe.

VI. Zusammenfassung

Stabilisierung der Währung

Der Wert des Geldes wird erhalten durch die Schaffung und systematische Ausdehnung von "Inseln" stabiler Kaufkraft. Hierzu sind nötig:

[Seite im Original:] - 20 -

Reduzierung der wirksamen Nachfrage

Die wirksame Nachfrage wird überdies auf der Geldseite eingedämmt durch:

Bekämpfung des Schwarzhandels

Der Schwarzhandel wird bekämpft einerseits durch direkte Organisation und Polizeimassnahmen; andererseits durch Knapphaltung des Bargeldes

Bereinigung der volkswirtschaftlichen Bilanz

Diese erfolgt durch eine progressiv gestaffelte Kriegslastenabgabe auf Grund einer Veranschlagung aller privaten Vermögen, Obligationen, Sparkonten, Reichsanleihen usw. sowie von Hauseigentum, Wohnungseinrichtungen und Kapitalgütern jeder Art.

*

Mehr kann man von der Geldseite her kaum tun. Die vielfach vorgeschlagenen "einfachen" Patentlösungen, die durchweg von irrtümlichen theoretischen Vorstellungen ausgehen, führen nur tiefer ins Chaos. Aber auch die hier vorgeschlagenen Massnahmen werden erfolglos bleiben, wenn nicht zugleich durch äusserste Leistungen an Arbeit und Organisationskunst die reale Produktion wieder in Schwung gebracht wird. Gesundes Geld in kranker Wirtschaft gibt es nicht.

*

Anhang 1.
Zahlenmässige Illustration der Einkommens-Aufteilung in Auszahlungen (bar und Scheck) und Abzüge (Steuern und Sparen).

Freigrenze,

bis zu der alle Auszahlungen in bar und ohne Steuer- oder Spar-Abzüge erfolgen:

für Ledige bzw. Alleinstehende

RM

30,00

p.

Woche

für Verheiratete bzw. 2 Personen im Haushalt*

"

45,00

"

"

für 3 Personen im Haushalt*

"

55,00

"

"

für 4 Personen im Haushalt*

"

62,50

"

"

für 5 Personen im Haushalt*

"

70,00

"

"

für jede weitere Person erhöht sich dieser Betrag um

"

7,50

"

"

* Vorausgesetzt, dass nur eine Person im Haushalt ein Einkommen hat.

[Seite im Original:] - 21 -

Einkommensteuer.

Nachdem vom Wochenlohn das unter der Freigrenze liegende Bargeld ausgezahlt bzw. abgezogen ist, wird in allen Fällen der Rest wie folgt versteuert:

Die ersten

20 RM

p. Woche

oder

Teile

davon

mit

10%

weitere

30 RM

"

"

"

"

"

25%

weitere

20 RM

"

"

"

"

"

40%

alles darüber hinaus gehende Einkommen

"

"

50%

Zwangssparen.

Der allgemein geltende Satz ist 5 RM p. Woche zuzüglich der Hälfte des für Einkommensteuer errechneten Betrages. In einigen Fällen, in denen das Wocheneinkommen weniger als 5 RM über der Freigrenze liegt, ist der Satz für das Zwangssparen geringer (siehe Diagramm).





[Seite im Original:] - 22 -

Beispiele.

Wochenein-
kommen:
RM

Einkommen-
steuer:
RM

Zwangs-
sparen:
RM

Bar-Aus-
zahlung:
RM

Scheck-
geld:
RM

Alleinstehende

30,00

---

---

30,00

---

40,00

1,00

5,50

30,00

3,50

50,00

2,00

6,00

30,00

12,00

60,00

4,50

7,25

30,00

18,25

70,00

7,00

8,50

30,00

24,50

Verheiratet, keine Kinder (2 Personen im Haushalt)

45,00

---

---

45,00

-

50,00

0,50

4,50

45,00

-

60,00

1,50

5,75

45,00

7,75

70,00

3,25

6,63

45,00

15,12

80,00

5,75

7,88

45,00

21,37

Verheiratet, ein Kind (3 Personen im Haushalt)

55,00

---

---

55,00

---

60,00

0,50

4,50

55,00

---

70,00

1,50

5,75

55,00

7,75

80,00

3,25

6,63

55,00

15,12

90,00

5,75

7,88

55,00

21,37

Der Einfachheit halber sind Abzüge zur Sozial-Versicherung hier ausser acht gelassen.

Anhang 2.
Zahlenmässige Illustration zur Kriegslasten-Abgabe.

Nur private Vermögen werden versteuert. Es handelt sich um eine einmalige Abgabe zur gerechten Verteilung der Kriegslasten. Das Vermögen von Familienmitgliedern, soweit sie in einem Haushalt zusammenleben, wird als Vermögens-Einheit behandelt.

Vom Vermögen bleiben die ersten 5 Tausend RM abgabefrei;

der

5

Td. RM

übersteigende

Teil

ist

bis

15

Td. RM zu

10%

abgabepflichtig;

"

15

"

"

"

"

"

40

"

20%

"

"

40

"

"

"

"

"

60

"

40%

"

"

60

"

"

"

"

"

100

"

60%

"

"

100

"

"

"

"

"

1 Million

80%

"

"

1 Million

"

"

"

 

---

"

90%

"



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Beispiele.

Vermögen in
RM

Abgabe in
RM

Abgabe in
v.H.

Verbleibendes
Vermögen

4.000

-

-

4.000

5.000

-

-

5.000

10.000

500

5

9.500

15.000

1.000

6

14.000

30.000

4.000

13

26.000

40.000

6.000

15

34.000

50.000

10.000

20

40.000

60.000

14.000

24

46.000

80.000

26.000

32

54.000

100.000

38.000

38

62.000

250.000

158.000

63

92.000

500.000

358.000

72

142.000

1.000.000

758.000

76

242.000

10.000.000

8.858.000

89

1.142.000






Editorische Anmerkungen


1 - Das Memorandum konnte nicht nachgewiesen werden.



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