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SOZIALISTISCHE MITTEILUNGEN

News for German Socialists in England

This newsletter is published for the information of Social Democratic
refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind.

Nr. 70 / 71 - 1945

Januar - Februar

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Das Londoner Deutsche Wochenblatt "Die Zeitung" brachte am 2. Februar zwei Beiträge zum Thema "Freies Deutschland"[1]. Wir bringen nachstehend die Antwort des Gen. Erich Ollenhauer (Vorstandsmitglied der SPD) auf den Artikel Wilh. Koenens (Mitgl[ied] der Zentrale d[er] KPD).

"Wilhelm Koenen sieht in der Existenz und der Aktivität der Bewegung 'Freies Deutschland' den bisher bedeutsamsten und erfolgreichsten Versuch deutscher Antifaschisten im Ausland, gemeinsam mitzuhelfen, den Krieg zu verkürzen, die Hitlerdiktatur zu stürzen und den Aufbau eines neuen Deutschland vorzubereiten.

Ich sehe weder in der Form noch in der Zielsetzung dieser Bewegung die geeigneten Grundlagen für eine positive politische Zusammenarbeit der deutschen demokratischen und antifaschistischen Kräfte in den Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft.

Das Kernstück dieser Bewegung ist das Komitee 'Freies Deutschland' in Moskau. Seine Mitglieder sind deutsche Kriegsgefangene aller militärischen Grade und deutsche Kommunisten, die in Moskau als politische Flüchtlinge leben. Die Kriegsgefangenen werden in der Propaganda vorgestellt in allen Schattierungen, vom 'alten Kämpfer' der SA und der SS bis zu alten Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Alle - mit Ausnahme der Kommunisten - handeln als Einzelpersonen. Es entzieht sich jeder Kontrolle, ob und in welchem Ausmass sie die politischen Gruppierungen repräsentieren, denen sie in Deutschland angehörten.

Die Bewegung, repräsentiert durch das Moskauer Komitee, ist daher weder eine Bewegung, noch ist sie umfassend. Noch weniger gilt das für die Londoner Gruppe. Sie hat nicht die Aktionsmöglichkeiten des Moskauer Komitees, ist ausschliesslich ein Zusammenschluss von in England

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lebenden Flüchtlingen, der die Ideen des Komitees in Moskau propagiert. Auch in der Londoner Gruppe sind Flüchtlinge verschiedener politischer Schattierungen vertreten, aber nur eine einzige Gruppe der politischen Emigration in England betrachtet sich offiziell in dem Komitee vertreten: die Kommunisten.

Die erste Frage, ob die Komitees 'Freies Deutschland' in ihrer heutigen Verfassung als die Repräsentation der gesamten anti-hitlerischen deutschen Emigration angesehen werden können, muss daher verneint werden.

Die zweite Frage ist, ob diese Komitees der Ansatzpunkt einer solchen Gesamtvertretung werden können. Ich gehöre zu denen, die auch diese zweite Frage verneinen.

Warum? Ich will zunächst alle die Fragen ausscheiden, über die es im Grossen und Ganzen keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Wir sind uns im unmittelbaren Ziel einig: die schnelle Beendigung des Krieges durch die Niederlage und den Sturz der Hitlerdiktatur. Wir sind uns einig über die trostlose Lage, die jedes Regime in Deutschland [nach Hitler vorfinden wird, das Deutschland] wieder aufbauen und in die Gemeinschaft der europäischen Nationen durch friedliche Mittel zurückführen will. Wir sind uns einig über die Notwendigkeit realer Friedenssicherungen, die Pflicht der Wiedergutmachung, soweit es menschenmöglich ist, über die Notwendigkeit, eine wirklich demokratische und friedliche Haltung in grossen Teilen des deutschen Volkes wieder oder neu zu entwickeln. Der Unterschied liegt in der Beurteilung des Komitees 'Freies Deutschland' als ein Mittel - oder wie Koenen es sieht - als das Mittel zur Durchführung einer solchen Politik.

Sehen wir uns die Resultate der 'gemeinsamen Willensbildung' des Moskauer und Londoner Komitees an.

Man hat sich in Moskau zunächst auf ein gemeinsames Symbol geeinigt. Es sind die Farben schwarzweissrot. Sie sind auf jeder Nummer der Zeitung des Komitees zu finden. Das Londoner Komitee hat sie ebenfalls stolz auf seiner kürzlichen Ausstellung gezeigt.[2]

Unter diesen Farben kämpft man nach dem Programm für die Schaffung eines wahrhaften demokratischen Deutschland für die Ausrottung des Nationalismus, des preussisch-deutschen Militarismus, des Geistes der Aggression nach aussen, des Kadavergehorsams und der Knechtseligkeit nach innen. Und mit wem wollen diese Ziele durchgesetzt werden? Nach Koenen mit allen, vom Arbeiter bis

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zum Unternehmer und bis zu den Generalen. Es soll nicht geleugnet werden, dass die bitteren Erfahrungen mit dem Abenteurer Hitler manchen Reaktionär bedenklich gemacht haben mögen, aber anzunehmen, dass sie nun bereit sind, aus 'nationaler Einsicht' den Ast selbst abzusägen, auf dem sie sitzen, dazu muss man die tiefe Gläubigkeit eines Anhängers der 'Freien Deutschen' haben.

Ein solches Opfer wird aber auch gar nicht verlangt. Das Programm des Moskauer Komitees sichert das Privateigentum, es verspricht neben der vollen Amnestie die Aufrechterhaltung der alten sozialen Ordnung für alle diejenigen, die noch rechtzeitig vor dem Ende mit Hitler brechen. Koenen nennt ausdrücklich als Programmpunkt die vorbehaltlose Anerkennung jeder Massnahme der Friedenssicherung, die die Alliierten für notwendig halten. Wir [alle] sind uns einig über die Notwendigkeit von Friedenssicherungen, aber es kann sein, dass deutsche Demokraten und Sozialisten andere Vorstellungen über die besten Mittel zur Sicherung dieses Zieles haben als die eine oder andere alliierte Regierung. 'Unconditional surrender' für die deutsche Kriegsmaschine: ja; als Voraussetzung für die 'nationale Einheitsfront' der 'Freien Deutschen': nein.

Das Londoner Komitee hat durch seine Haltung in der Frage der Annexion deutschen Gebietes schon vor Monaten bewiesen, dass es diese innere Freiheit der Entscheidung nicht hat. Wilhelm Koenen unterstreicht diese Bindung erneut, und akzeptiert in diesem Zusammenhang die militärische Besetzung - die als Sicherheitsmassnahme unbestritten ist - als pädagogisches Mittel, um 'das deutsche Volk zur Entfaltung einer demokratischen Entwicklung zu bringen'.

In der Vernichtung des deutschen Nationalsozialismus und des deutschen Militarismus gibt es eine gemeinsame Aufgabe der deutschen Demokraten und der Alliierten, aber eine neue deutsche Demokratie muss getragen und gegen ihre inneren Feinde behauptet werden aus ihrer eigenen Kraft, wenn sie von Dauer sein soll.

Und damit komme ich zum Wesentlichen. Es wird in Deutschland nach dem Krieg eine nationale Not und es wird eine nationale Aufgabe geben. Diese Aufgabe kann aber nicht gelöst werden im Bunde mit Militaristen und Nationalisten, auch wenn sie heute 'neue Hitlergegner' sind. Sie kann nur gelöst werden im Kampfe der deutschen Demokratie gegen ihre Erzfeinde, die deutschen Nationalisten und Militaristen aller Schattierungen. Das wirkliche nationale Interesse

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des kommenden Deutschlands erfordert nicht die Einheitsfront der 'Freien Deutschen', sondern die eindeutige und kompromisslose Kampfstellung und ständige Kampfbereitschaft der deutschen Demokraten gegen den deutschen Nationalismus. Auch der Junker, der heute als deutscher Offizier 'Nieder mit Hitler' ruft, muss aus seiner sozialen Machtstellung geworfen werden. Die Gefahr eines neuen Militarismus kann man nicht dadurch verhindern, dass man den Pakt von 1918, von dem Koenen schreibt, diesmal schon jetzt in Moskau zwischen W. Pieck und General von Seidlitz[3] abschliesst. Das Programm des Freien Deutschen stärkt nicht die wirklich demokratischen Kräfte im deutschen Volk, sondern verwirrt. Es ist ein Programm, das dem echten neuen Hitlergegner, der den Betrug Hitlers mit den Begriffen von Nation und Sozialismus erkannt hat, keine Antwort auf die wirkliche Schicksalsfrage zu geben vermag, auf welchem Wege das deutsche Volk zu einer neuen sozialen Ordnung und zu nationaler Befriedung nach innen und aussen kommen kann.

K[oenen] spricht von dem Mut zur Verantwortung. Die verzweifelte Lage des deutschen Volks erfordert vor allem auch den Mut, offen zu sagen, dass es nach dem Krieg für jeden Demokraten und jeden Friedensfreund nur einen Weg zu Frieden und Freiheit gibt: den unerbittlichen Kampf gegen alle Kräfte im deutschen Volk, die durch ihre soziale Stellung und durch ihre politische Macht Hitler und seine Politik in vollem Umfang mitzuverantworten haben. Im Kampf um das kommende Deutschland gibt es keine 'nationale Einheitsfront', es gibt nur einen Kampf der deutschen Demokratie für die wahren Interessen der Nation gegen die Nationalisten und Militaristen.

Auf dieser Basis allein kann auch eine fruchtbare Zusammenarbeit politischer Gruppierungen in der Emigration nützlich sein. Der Rahmen einer solchen Arbeitsgemeinschaft würde viel enger sein als der der Freien Deutschen, aber das würde nur der Wirklichkeit entsprechen. Heute sind wir deutschen Demokraten und Friedensfreunde nur eine Minderheit. Wir sind aber überzeugt, dass wir in harter Arbeit die Mehrheit des deutschen Volkes für eine solche Politik des Friedens und der sozialen Neuordnung gewinnen können. Die Bewegung 'Freies Deutschland' kann nach Form und Inhalt das Zentrum einer solchen Sammlung der deutschen Demokraten nicht sein. Sie ist ein echtes Kriegskind, das auch durch das schwarzweissrote Umschlagtuch nicht schöner wird."

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Wir bringen nachstehend in annähernd wörtlicher Wiedergabe 13 von der Alliierten Militär-Regierung dem deutschen Volke durch Rundfunk bekanntgegebene Verlautbarungen, deren Inhalt im Laufe der letzten beiden Monate auch in einigen englischen Zeitungen auszugsweise veröffentlicht worden ist[4]

1. Der Befehlshaber der Besatzungstruppen ist nach den Bestimmungen des Völkerrechts in den besetzten Gebieten Träger der höchsten vollziehenden, gesetzgebenden und rechtsprechenden Gewalt. Diese dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Streitkräfte in seiner Eigenschaft als Militärgouverneur zustehenden Machtbefugnisse werden von ihm ausgeübt werden im Einklang mit den Geboten der Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Zivilisation.

2. Die Militärregierung im besetzten Deutschland wird streng und entschlossen gehandhabt werden, aber gerecht. Ihr Ziel wird die Zerstörung des Nazisystems sein und die Zerstörung des von Angriffsgeist getragenen deutschen Militarismus.

3. Die Militärregierung wird ausgeübt werden auf Grund schriftlich niedergelegter Rechtssatzungen. Die Alliierte Militärregierung wird die deutsche Bevölkerung schützen vor Korruption, Habgier, vor unlauteren Machenschaften und vor allen Terrormassnahmen der jetzigen nationalsozialistischen Führer.

4. Die Gesetze der Militärregierung werden ausgefertigt und verkündet werden. Jeder soll den Inhalt des Gesetzes kennen. Soweit die bestehenden Gesetze nicht den von der Militärregierung verkündeten Gesetzen zuwiderlaufen, bleiben sie in Kraft. Die Militärregierung wird für genaueste Durchführung ihrer Gesetze sorgen. Der Sinn dieser Gesetze wird eindeutig klar sein. Jeder muss diese Gesetze sofort befolgen.

5. Das Verfahren vor den von der MR eingesetzten Gerichtshöfen wird gerecht [und] ohne Verzögerung erfolgen. Alle Rechtsverstösse werden im ordentl[ichen] Ger[ichts]-Verfahren rasch geahndet werden.

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1. Die Hoffnungen des deutschen Volkes, den wirtschaftlichen Zusammenbruch nach der Niederlage zu vermeiden, hängen weitgehend davon ab, inwieweit sich das deutsche Volk den Plänen der Nazis widersetzt, deutsches Eigentum und deutsche Bodenschätze vor Besetzung durch die vordringenden alliierten Truppen zu vernichten. Die Politik der "brennenden Erde" [!] trifft nicht die Alliierten, denn die Alliierten bringen ihre eigenen Vorräte mit. Dem deutschen Volk aber muss diese Politik schwere Leiden bringen.

2. Die Militärregierung wird keinen Ersatz für von Deutschen auf Grund der Politik der "brennenden Erde" zerstörten Versorgungsbetriebe, Gebäude, Materialvorräte oder Bergwerks- und Industrieanlagen [leisten].

3. Solange die deutsche Wehrmacht die Befehle die Nazis befolgt, den sinnlos gewordenen Widerstand fortzusetzen, ist es unvermeidlich, dass Luft- und Landstreitkräfte der Alliierten schwere Sachschäden in Deutschland verursachen. Die dadurch entstehenden Leiden und Härten werden sich vervielfachen, wenn das deutsche Volk die Pläne der Nazis, Deutschland in eine Wüste zu verwandeln, selbst in die Tat umsetzt.

4. Lebensmittelvorräte, Saatgut, Düngemittel und landwirtschaftliche Maschinen müssen vor allem gerettet werden, wenn nicht Hunger der Niederlage folgen soll, und deutsche Landwirte müssen auf jede mögliche Weise verhindern, dass beim Vorrücken der alliierten Armeen Vieh von den Nazis fortgetrieben wird. Sie müssen alles tun, um ihre Wirtschaft in Ordnung zu halten und Höchstleistungen zu erzielen. Das deutsche Volk kann nicht damit rechnen, von der MR Lebensmittel, Brennstoffe oder Kleidung zu erhalten. Es muss sich auf seine eigenen Hilfsquellen verlassen.

5. Hamstern von Lebensmittel und Schleichhandel sind unter der Naziherrschaft verständlich und können sogar dazu beitragen, die Nazi-Kriegsmaschine zu schwächen und das Ende des Blutvergiessens zu beschleunigen. Unter der alliierten Besatzung darf es weder Hamstern noch Schleichhandel geben. Die MR wird über den ordnungsmässigen Bedarf hinausgehende Vorräte an Lebensmitteln und anderen Gütern beschlagnahmen und an Bedürftige verteilen lassen. Landwirte werden daher gut daran tun,

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bisher verborgene Vorräte an die von der MR eingerichteten Märkte zu bringen und dort zu den amtlichen Preisen zu verkaufen, um eine gerechte Verteilung zu sichern.

6. Die Alliierten Streitkräfte werden das Gros ihres eigenen Bedarfs selbst einführen. Sollten sie der Bevölkerung Europas Hilfe zuteil werden lassen, so wird diese Hilfe in erster Linie der Bevölkerung der von den deutschen Armeen verwüsteten und geplünderten Länder zugute kommen. Das deutsche Volk wird von seinen eigenen Hilfsquellen abhängen. Es ist von grösster Wichtigkeit, dass diese Hilfsquellen nicht durch die Nazipolitik der "brennenden Erde" vernichtet werden.

1. Deutschland und die Welt müssen ein für alle Mal vom Nationalsozialismus befreit werden. Die Nationalsozialistische Partei und alle ihre Gliederungen werden aufgelöst werden. Die Führer der Partei, Angehörige der Gestapo und alle Personen, die der Teilnahme an Kriegsverbrechen verdächtig sind oder der Teilnahme an Terrorakten auf Weisung der Partei, werden verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Wenn die Angeklagten in einem ordentlichen Gerichtsverfahren für schuldig befunden sind, wird sie die volle Strenge des Gesetzes treffen, in den schwersten Fällen die Todesstrafe.

2. Es wird Pflicht jedes Deutschen sein, bei der Ergreifung dieser Kriegsverbrecher mitzuhelfen und sie der Alliierten Militär-Regierung zu überantworten.

3. Die MR wird alle nationalsozialistischen Organisationen auflösen, die geschaffen wurden, um jeden einzelnen Staatsbürger, Betriebe jeder Art und das gesamte Staatsgefüge gleichzuschalten.

4. Die Kassen und sonstigen Vermögenswerte all dieser Organisationen werden beschlagnahmt und nach Ermessen der Alliierten MR in Deutschland Verwendung finden. Alle von Mitgliedern der Nationalsozialistischen Partei unrechtmässig erworbenen Vermögenswerte in Deutschland oder im Ausland werden von der Alliierten MR beschlagnahmt und nach Ermessen des Obersten Befehlshabers verwendet. Jeder Versuch, die Durchführung dieser Massnahmen durch Verheimlichung solcher Vermögenswerte oder durch geheime Uebertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt zu unterbinden, unterliegt schwerer Bestrafung.

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5. Alle Beamten, einschl[iesslich] der Justizbeamten sowie der Beamten und Angestellten der öffentlichen Dienste, müssen auf ihren Posten bleiben und sind zur Fortführung ihres Amtes verpflichtet, soweit nichts Anderweitiges verfügt wird. Beamte, die nicht Mitglieder der Nazis waren und die Partei nicht tätig unterstützt haben, haben nichts zu befürchten, sofern sie ihre Amtspflicht nicht verletzen.

6. Aus allen Schlüsselstellungen der öffentlichen Dienste werden Nazis rücksichtslos entlassen und durch befähigtes Verwaltungspersonal ersetzt werden.

7. Bei der Besetzung von Beamtenstellen wird die MR keine politischen oder religiösen Gruppen bevorzugen. Bei jeder Ernennung wird die politische Vergangenheit jedes einzelnen Anwärters in Betracht gezogen werden.

1. Oberste Pflicht eines jeden Deutschen wird es ein, Ruhe und Ordnung zu wahren. Jeder gehe seiner rechtmässigen Beschäftigung nach. Die Operationen der Besatzungstruppen oder die Massnahmen der MR dürfen unter keinen Umständen behindert werden.

2. Die Freiheit aller gesetzestreuen Staatsbürger wird gewährleistet. Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Verhaftungen, die sich als notwendig erweisen sollten, werden nicht willkürlich erfolgen, sondern im Einklang mit den Bestimmungen des Kriegsrechtes und nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit. Personen, die im ordentlichen Verfahren eines Verstosses gegen die Rechtsordnung für schuldig befunden wurden, werden entsprechend der Schwere ihrer Tat bestraft werden.

3. Das Eigentum wird gewährleistet - vorbehaltlich bes[onderer] Bestimmungen der MR. Niemand jedoch darf Vermögenswerte behalten, die rechtmässigerweise einem anderen zustehen.

4. Diese Vorrechte haben indessen keine Geltung für Personen, die tätigen Anteil nahmen an der Nazi-Partei oder ihren Gliederungen. Die Nationalsozialist[ische] Partei und alle ihre Einrichtungen werden zerstört werden.

5. Jeder Deutsche ist verpflichtet, der MR Beistand zu leisten bei der Ausschaltung aktiver Nazis.

6. Jeder muss sich von dem Verdacht freihalten, er begün-

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stige geheime Vorhaben oder Versuche der Nazis, das Wirken der Alliierten MR zu stören. Wer Störungshandlungen dieser Art sachlich oder persönlich begünstigt, hat schwere Bestrafungen zu gewärtigen. Wer Einschüchterungsversuche nationalsozialistischer Agenten zur Kenntnis der Behörde bringt, steht unter dem Schutz der Besatzungsbehörden.

7. Oberste Pflicht aber ist es, sich unter keinen Umständen zur Teilnahme an irgendeiner organisierten oder nicht organisierten Handlung verführen zu lassen, die gegen die Besatzungstruppen oder die MR gerichtet ist.

1. Der Beitritt zu militärisch aufgezogenen Organisationen ist untersagt. Das gleiche gilt für die Verleitung anderer Personen zum Eintritt in derartige Organisationen. Jeder Versuch, durch solche oder ähnliche Mittel den deutschen Militarismus am Leben zu erhalten, der unter allen Umständen ausgerottet werden muss, wird von der MR schwer bestraft werden.

2. Durch besondere Verordnungen und Verfügungen der MR wird die Ablieferung bestimmter Gegenstände verlangt werden, die von militärischer Bedeutung sind, so z.B. von Waffen, Munition, Sprengstoffen, Rundfunk-Sendegeräten. Alle Vorschriften über unerlaubten Besitz dieser Gegenstände sind unbedingt zu beachten und genau zu befolgen. Zuwiderhandlungen unterliegen schwerer Bestrafung.

3. Zusammenarbeit mit der Alliierten MR bei Durchführung dieser für die Entmilitarisierung Deutschlands erforderlichen Massnahmen gewährleistet gerechte Behandlung seitens der Alliierten MR bei Durchführung der ihr obliegenden Massnahmen zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Sicherheit und geordneten Zuständen in Deutschland.

1. In Deutschland muss die Herrschaft des Rechts wieder aufgerichtet werden. Vor dem Gesetz muss jeder gleich sein. Im Verfahren vor den Gerichtshöfen der MR, deren Aufgabe es ist, die Gesetze der MR anzuwenden und Verstösse gegen die Interessen der Alliierten Streitkräfte und der Vereinten Nationen zu ahnden, hat der Angeschul-

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digte vor der Hauptverhandlung einen Anspruch auf Aushändigung der Anklageschrift. In der Hauptverhandlung selbst hat der Angeklagte das Recht, auf die Anklage zu erwidern und etwaige Zeugen zu befragen. Der Angeklagte kann vor der Hauptverhandlung rechtskundigen Rat einholen und einen Verteidiger bestellen, Beweisanträge stellen und im Falle seiner Verurteilung bei der zuständigen Behörde der MR ein Rechtsmittel einlegen. Kein Todesurteil wird ohne schriftliche Bestätigung des Obersten Befehlshabers oder seines Stellvertreters vollstreckt werden.

2. Die ordentlichen deutschen Zivil- und Strafgerichte werden nach Entfernung der nationalsozialistischen Beamten und anderer unerwünschter Elemente zu gegebener Zeit unter Ueberwachung und Kontrolle ihre Tätigkeit wieder aufnehmen dürfen. Diese deutschen Gerichte werden grundsätzl[ich] zuständig sein für alle Verstösse gegen deutsche Gesetze, begangen von Deutschen und Ausländern, es sei denn, dass sich das Verfahren gegen Angehörige der Alliierten Streitkräfte richten würde oder gegen zwangsverschickte Staatsangehörige der Vereinten Nationen mit Aufenthaltsort in Deutschland.

3. Durch den Nationalsozialismus geschaffene Sondergerichte, einschl[iesslich] des Volksgerichtshofs und der Polizeigerichte der SS, werden abgeschafft werden.

4. Alle Rechtssatzungen zur Durchsetzung nationalsozialistischer Anschauungen und Methoden werden ausser Kraft gesetzt. Alle von deutschen Gerichten verhängten Körperstrafen, einschl[iesslich] der Todesstrafe, dürfen nicht vollstreckt werden bis zur Nachprüfung durch die MR. Andere deutsche Rechtssatzungen werden weitergelten, soweit sie nicht im Widerspruch stehen mit der Gesetzgebung und den Grundsätzen der Alliierten Militär-Regierung.

5. Jeder deutsche Richter, Staatsanwalt, Notar oder Rechtsanwalt wird folgenden Eid leisten müssen:

"Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, dass ich die Gesetze jederzeit zu niemandes Vorteil und zu niemandes Nachteil, mit Gerechtigkeit und Billigkeit gegenüber Jedermann, ohne Rücksicht auf Religion, Rasse, Abstammung oder politische Ueberzeugung anwenden und handhaben werde; dass ich die deutschen Gesetze und alle Rechtsvorschriften der MR sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinne nach befolgen werde und dass ich stets mein bestes tun werde, um die Gleich-

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heit aller vor dem Gesetz zu wahren. So wahr mir Gott helfe!"

6. Beauftragte der MR sind ermächtigt, den Sitzungen aller deutschen Gerichte beizuwohnen. Die Beauftragten der MR sind ermächtigt, jede richterliche Verfügung, jeden Beschluss und jedes Urteil aufzuheben, auszusetzen, umzuwandeln oder abzuändern. Sie sind ermächtigt, jeden Richter und alle beamteten Organe der Rechtspflege zu entlassen oder zeitweilig ihres Amtes zu entheben. Sie sind ferner ermächtigt, jeden Rechtsfall einem Gericht der Militär-Regierung vorzulegen.

7. Kein von einem deutschen Gericht verkündetes Todesurteil darf vollstreckt werden ohne vorhergehende Bestätigung durch die Militärregierung.

1. Ueber zehn Jahre lang hat das deutsche Volk unter einer Regierung gelebt, die entgegen den Grundsätzen des Rechts die Verfolgung Unschuldiger zum Gesetz gemacht hat. Derartige Gesetze widersprechen dem Begriff der Gerechtigkeit. Sie werden von der Alliierten MR ausgemerzt werden.

2. Die MR wird alle nationalsozialistischen Gesetze abschaffen, die eine Person oder eine Personengruppe wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit, Rasse oder Nationalität, Sprache oder politischen Ueberzeugung unterschiedlich behandeln oder benachteiligen.

3. Das Recht auf ungestörte Religionsausübung wird dem deutschen Volke von der Alliierten MR erneut zuerkannt. Dem Gottesdienst geweihte Stätten werden wieder geöffnet werden und offen bleiben. Es ist am deutschen Volk, dafür Sorge zu tragen, dass die Heiligkeit des Gottesdienstes gewahrt bleibe, und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Grundrecht jedes Menschen nicht missbraucht werde. Das deutsche Volk würde dieses Recht verwirken, wenn es zuliesse, dass religiöse Versammlungen zu politischen Zwecken nutzbar gemacht werden.

4. Die MR wird die berechtigten Ansprüche der Religionsgesellschaften [!] auf Rückerstattung von Eigentum jeder Art anerkennen, das von Nazi-Organisationen oder von Einzelpersonen unter dem Vorwand eines rechtlichen Anspruchs oder auf sonstige Art diesen Religionsgesellschaften entwendet wurde.

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5. Nazis, die in einer Religionsgesellschaft ein Amt an sich gerissen haben, werden ihres Amtes enthoben und die Kirchen von jedem Nazi-Einfluss gesäubert werden. Das deutsche Volk wird das Recht auf freie Religionsausübung erhalten, unbehindert durch geheimen Terror und hemmende Einflüsse irgendwelcher Art.

6. Nicht nur die Gesetze werden beseitigt, sondern auch die Einrichtungen und die mannigfachen Methoden, die [geeignet sind,] ihre Verfolgungspolitik zu verwirklichen, gerichtet gegen unschuldige Opfer[: um] ihrer Rasse oder Religion willen oder wegen ihrer Nationalität oder politischen Ueberzeugung.

1. Unter der Alliierten MR bleibt die Reichsmark gesetzliches Zahlungsmittel im Rahmen der deutschen gesetzl[ichen] Bestimmungen. Ausserdem wird eine alliierte Militärmark zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt werden. Für die Militärmark besteht Annahmezwang wie für die Reichsmark. Es ist strafbar, zwischen der alliierten Militärmark und den deutschen gesetzlichen Zahlungsmitteln einen Unterschied zu machen. Das britische Pfund Sterling und der amerikan[ische Dollar] sind keine gesetzl[ichen] Zahlungsmittel in Deutschland.

2. Gesetze, Verordnungen und Massnahmen, durch die Personen wegen ihrer Rasse, ihrer Religion oder ihrer politischen Ueberzeugung in Finanz- und Steuerangelegenheiten benachteiligt wurden, werden abgeschafft. Jeder wird vor dem Gesetze gleich sein.

3. Die deutschen Verwaltungsbehörden sind weiterhin ermächtigt, Steuern zu erheben und zulässige öffentliche Ausgaben zu decken, soweit dadurch nicht die Massnahmen der Militärregierung beeinträchtigt werden.

4. Die deutschen Beamten werden Anweisung erhalten, die deutschen Bestimmungen zur Bekämpfung einer Inflation weiter durchzuführen. Insbesondere gilt das von Massnahmen für Zwangswirtschaft, Preisüberwachung und Verbot des Schleichhandels. Aber die Wirksamkeit derartiger Massnahmen ist immer abhängig von dem Geist, in dem sie durchgeführt werden. Das deutsche Volk wird zeigen müssen, ob es eine Inflation verhindern kann und will, die nur den Ruin des deutschen Volkes selbst herbeiführen würde.

5. Die MR hat nicht die Absicht, Finanzinstitute zu schliessen. Banken werden nur geschlossen werden, wenn

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es unbedingt notwendig ist, und nur solange, bis ausreichende Ueberwachungsmassnahmen eingeführt und angemessene Einrichtungen für die Zwecke der Militärbehörden getroffen sind und die Befolgung von Anordnungen und Verfügungen der Militär-Regierung sichergestellt ist.

6. Wie unter der deutschen Verwaltung, so wird auch unter der MR Devisenzwangswirtschaft durchgeführt. Es ist die Absicht der MR, keine Aenderung in strittigen Eigentums- oder Besitzverhältnissen zuzulassen bis zur ordnungsmässigen Klärung der Rechtslage. Zuwiderhandelnde werden von den Gerichten der MR abgeurteilt. Dies gilt insbesondere für Personen, die über diese Vermögenswerte verfügen oder sie an sich bringen.

7. Zusammenfassend wird festgestellt: Die Alliierte MR setzt sich die Aufgabe, auf dem Gebiete der Finanzen für die Ordnung zu sorgen und die rechtmässigen Eigentümer von Vermögen und Vermögenswerten zu schützen.

1. Die Alliierte MR beabsichtigt, das gesamte Vermögen der NSDAP, ihrer leitenden Beamten und Funktionäre bis zur Entscheidung über die künftige Verwendung dieser Vermögenswerte sicherzustellen. Da jede Handlung, insb[esondere] jede Verwendung von Vermögenswerten zum Zwecke der Fortführung oder Wiederbelegung nationalsozialistischer Bestrebungen, als ein schweres Verbrechen angesehen wird, wird es verboten, für derartige Zwecke Einrichtungen des Geld- und Kreditverkehrs zu benutzen.

2. Wer eingefrorene Vermögenswerteder in Ziffer 1 genannten Art verheimlicht, oder auf sonstige Weise ihre Sicherstellung durch die Alliierte MR verhindert, hat schwere Strafe zu gewärtigen. Bestraft wird jeder, der an einer derartigen Handlung teilnimmt. Der Versuch ist strafbar.

3. Der normale Geschäftsverkehr wird nicht behindert.

4. Das Eigentum oder sonstige Vermögenswerte jedes zu den Vereinten Nationen gehörenden Staates oder seiner Staatsangehörigen werden unter Schutz gestellt und für den rechtmässigen Eigentümer sichergestellt.

5. Zusammenfassend wird festgestellt: Die Alliierte MR wird Eigentum und sonstige Vermögenswerte schützen [und] sicherstellen, damit alle Fragen der Rechtmässigkeit und der rechtmässigen Benutzung von Eigentum, das die NSDAP,

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ihre Gliederungen und Mitglieder beschlagnahmt haben bezw. erworben, in ordnungsmässigen Verfahren nach Recht und Billigkeit geregelt und entschieden werden können.

1. Die von den Nazis errichteten Konzentrationslager werden unverzüglich übernommen und nach Freilassung der unschuldigen Lagerinsassen als Lager für verhaftete Nazis Verwendung finden.

2. Die MR wird unverzüglich Sonderausschüsse einsetzen, um jeden einzelnen Haftfall zu überprüfen. Alle durch die Nazis grundlos Verhafteten werden aus den Konzentrationslagern entlassen.

3. Während die Ermittlungen der Sonderausschüsse im Gange sind, werden die KZ von alliierten Truppen überwacht.

4. Die MR übernimmt die Aufsicht über alle Strafanstalten. Alle nationalsozialistischen oder sonstwie belasteten Strafanstaltsbeamten werden ihrer Posten enthoben.

5. Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Deutschland trägt grundsätzlich die deutsche Ortspolizei unter Ueberwachung durch die MR.

6. Die SS-Polizei und die Gestapo werden sofort aufgelöst. Bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben werden alle nationalsozialistischen Grundsätze und Methoden abgeschafft.

7. Für die deutsche Polizei wird keine militärische Ausbildung zugelassen. Die deutsche Polizei darf keine Waffen führen. Nur in besonderen Notstandsfällen werden besondere Polizeiverbände die Erlaubnis haben, Kleinwaffen zu tragen.

8. Die deutsche Polizei wird dezentralisiert und auf regionaler und örtlicher Grundlage neu organisiert, um für das gesamte Staatsgebiet geltende Bestimmungen zur Durchführung zu bringen in Fällen, in denen eine Uebertragung an die Gemeindebehörden zweckmässigerweise nicht erfolgen kann.

9. Die dezentralisierte Ortspolizei untersteht bei der Durchführung ihrer Aufgaben einem Beamten, dessen Ernennung der Genehmigung der Militär-Regierung bedarf. Die allgemeine Verantwortung für die Verwaltung der Ortspolizei trägt der deutsche Leiter der Stadtverwaltung oder des jeweiligen Verwaltungsbezirkes.

10. Die Kriminalpolizei wird als Sonderzweig der staat-

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lichen Polizei abgeschafft. Ihre Aufgaben werden dem Aufgabenkreis der Ortspolizei übertragen. Die schwerbewaffneten Verbände der Schutzpolizei werden aufgelöst werden. Die Polizeilaufbahn steht jedem deutschen Staatsbürger offen. Bei der Neueinstellung in den Polizeidienst gibt es keine Bevorzugung für ehemalige Soldaten oder Beamte.

11. Die Landwacht und die Stadtwacht werden aufgelöst.

12. Beauftragte der MR sowie die alliierte Militärpolizei werden darüber wachen, dass die Ausübung der deutschen Polizeigewalt mit den vom Alliierten Obersten Befehlshaber festgelegten Richtlinien im Einklang steht. Sie werden vor allem dafür sorgen, dass die anerkannten Rechte und Freiheiten der Einzelpersonen von der deutschen Polizei nicht verletzt werden.

1. Kunstgegenstände und Gegenstände von wissenschaftl. oder geschichtlicher Bedeutung, die von Deutschland aus alliierten Ländern geraubt wurden, werden nach Feststellung an ihrem neuen Aufbewahrungsort dem rechtmässigen Eigentümer zurückerstattet. Jeder Deutsche, der das von Deutschland begangene Unrecht wieder gutzumachen bestrebt ist, hat die Pflicht, bei der Feststellung dieser Gegenstände mitzuhelfen und für ihre Ablieferung an die Militär-Regierung wieder Sorge zu trgen.

2. Alle Verkäufe und sonstigen Verfügungen über Gegenstände dieser Art werden verboten. Zerstörung oder Verheimlichung dieser Gegenstände unterliegt schweren Strafen.

3. Alle nur erdenklichen Massnahmen werden getroffen werden, soweit die Durchführung militärischer Aufgaben es gestattet, um zu vermeiden, dass Gebäude, Denkmäler, Dokumente oder andere Gegenstände von kultureller, künstlerischer, archäologischer oder geschichtlicher Bedeutung beschädigt werden, die im rechtmässigen Eigentum deutscher Staatsangehöriger stehen.

4. Die MR hat eine Liste der Denkmäler aufgestellt, die militärischen Zwecken nicht nutzbar gemacht werden sollen, sofern sich der Militärbefehlshaber an Ort und Stelle nicht gezwungen sieht, auf Grund militärischer Notwendigkeiten Ausnahmen zu machen. Die alliierten Befehlshaber werden grundsätzlich anordnen, dass die unter diese

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Vorschrift fallenden Gebäude von alliierten Truppen nicht betreten werden dürfen.

5. Zur Erhaltung aller wichtigen deutschen Urkunden, Register und Archive werden die erforderlichen Massnahmen getroffen werden.

6. Es ist Pflicht eines jeden Deutschen, sich an der von den Nazis geplanten Politik der "brennenden Erde" nicht zu beteiligen. Diese Politik setzt einen Rückzug voraus. Wohin will sich das deutsche Volk zurückziehen?

1. Die deutschen Arbeiter werden sich, sobald die Umstände es gestatten, in demokratischen Gewerkschaften zusammenschliessen dürfen. Die Deutsche Arbeits-Front und andere Gliederungen der Nationalsozialistischen Partei werden sofort aufgelöst. Alle Formen freier wirtschaftl[icher] Vereinigungen und Zusammenschlüsse der Arbeiter werden zugelassen, sofern sie nicht politische oder militärische Tendenzen haben oder annehmen.

2. Die Wiederherstellung dieses Grundrechtes der Vereinigungsfreiheit, das von den Nazis beseitigt wurde, wird den Arbeitern die Möglichkeit geben, mit Arbeitgebern Kollektivverträge abzuschliessen. Streiks, die mittelbar oder unmittelbar die militärische Sicherheit gefährden, werden verboten. Das gleiche gilt von Aussperrungen.

3. Die bisher geltenden deutschen Lohnfestsetzungen bleiben in Kraft.

4. Alle Lohnabzüge und Zwangsbeiträge zugunsten der NSDAP oder einer ihrer aufgelösten Gliederungen werden sofort eingestellt. Abzüge für soziale Versicherungen, Arbeitslosen- und Unfallversicherungen werden fortgesetzt. Das gleiche gilt für Steuerabzüge.

5. Bestehende Gesetze, Verordnungen und Verfügungen betr. die Arbeitsmeldepflicht, bleiben als Notstandsbestimmungen einstweilen in Kraft. Das Arbeitsverhältnis und die Art der Beschäftigung jedes einzelnen Arbeiters werden überprüft und registriert werden. Arbeitsbücher müssen zur Einsicht und Neuregistrierung eingereicht werden. Alle männlichen und weiblichen Arbeitskräfte, gleichviel ob sie in Arbeit stehen oder nicht, müssen sich beim Arbeitsamt ihres Wohnbezirks zur Anmeldung bezw. Neuanmeldung einstellen.

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6. Bei der Arbeitszuweisung werden zwangsweise verschickte Staatsangehörige der Vereinten Nationen mit Aufenthaltsort in Deutschland vorzugsweise behandelt, sofern sie arbeitslos sind und Neubeschäftigung wünschen.

7. Bei der Zuweisung von Arbeitskräften haben die Besatzungstruppen für ihren Bedarf an Zivilarbeitern den Vorrang. Hierbei wird jedoch weitgehend Rücksicht genommen auf die Bedürfnisse der öffentlichen Dienste und lebenswichtigen Industrien an hochqualifizierten Arbeitskräften in unabkömmlichen Stellungen. Alle dann noch verbleibenden Arbeitskräfte können für Arbeitszwecke verwandt werden, die von der MR gebilligt sind.

8. Der Alliierte Oberste Befehlshaber hat es sich zur Aufgabe gesetzt, dafür Sorge zu tragen, dass angemessene und gerechte Arbeitsbedingungen für alle Deutschen gewährleistet sind, die ihre Bereitwilligkeit zeigen, den Anforderungen der Besatzungsbehörden voll nachzukommen.

1. Die restlose Ausmerzung des Nationalsozialismus und des Militarismus in allen ihren Erscheinungsformen aus dem deutschen Erziehungswesen ist die Politik des Obersten Alliierten Befehlshabers. Jeder aktive Nationalsozialist, jeder aktive Anhänger des Nationalsozialismus, jeder, der seiner Einstellung und Haltung nach Anhänger des deutschen Militarismus ist, wird aus dem Erziehungswesen ausgemerzt werden. Alle Erziehungsanstalten, mit Ausnahme von Heimschulen, Schulheimen und Waisenhäusern, werden geschlossen werden, bis dieser Reinigungsprozess durchgeführt ist.

2. Als erste werden Grundschulen wieder eröffnet. Schulräume und Lehrgerät sind deutscherseits be[re]i[t]zustellen. Das bestehende deutsche Erziehungssystem wird nach Möglichkeit beibehalten, unter Aufsicht der MR und nach Ausmerzung aller nationalsozialistischen und militaristischen Elemente. Keine Neu- oder Wiederernennung innerhalb des deutschen Erziehungswesens ist als endgültig zu betrachten.

3. Alle übrigen Erziehungs-, Fortbildungs- und Lehranstalten werden wiedereröffnet werden, sobald es möglich ist und zweckmässig erscheint. Die notwendigen Wiederinstandsetzungsarbeiten an Schulgebäuden sind auf Anordnung

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der Militär-Regierung deutscherseits durchzuführen.

4. Alle Organisationen der NSDAP und ihre Gliederungen auf dem Gebiet des Lehr- und Erziehungswesens werden aufgelöst. Hierunter fallen auch die Adolf-Hitler-Schulen und Ordensburgen, ferner sämtliche nationalsozialistischen Jugendorganisationen einschl[iesslich] Jungvolk, Hitlerjugend, Jungmädel und Bund Deutscher Mädel sowie das Deutsche Volksbildungswerk. Keinerlei neue Organisationen dürfen ohne besondere Erlaubnis der Alliierten MR geschaffen werden.

5. Jeder deutsche Lehrer wird Anweisung erhalten, aus dem Lehrstoff auszumerzen:

6. Die Alliierte Militär-Regierung wird sich nicht in die Fragen der Bekenntnisschulen in Deutschland oder die Frage des Religionsunterrichts einmischen, es sei denn, eine solche Einmischung wäre erforderlich, um sicherzustellen, dass der Religionsunterricht und die Verwaltung der Bekenntnisschulen im Einklang stehen mit den Vorschriften, die für den gesamten Lehrstoff und alle Schulen bereits Gültigkeit haben oder noch erlassen werden.




erhalten durch die BBC die Möglichkeit, über die Sender London, Luxemburg und Algier täglich zweimal (19 [und] 23 Uhr) auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle zu ihren Angehörigen in Deutschland zu sprechen.

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Aus der vom Gen. Kurt Heinig in Stockholm herausgegebenen "Information" bringen wir einen Auszug aus einem Artikel, der obige Ueberschrift trägt:

"... In der Weimarer Republik blieb die Gemeindeverfassung Sache der deutschen Bundesstaaten. Die Gemeinden wurden jetzt neben den deutschen Gewerkschaften zu der grossen Schule der Selbstverwaltung. Die sozialdemokratische Partei war naturgemäss positiv eingestellt zu der Beteiligung der Arbeiterfunktionäre an der kommunalen Selbstverwaltung, sie war die Selbstverwaltungspartei vor allen anderen Parteien.

Die Diktaturparteien, vor allem die KPD und die NSDAP, benutzten die Gemeindeorgane und Stadtparlamente zumeist nur zur Propaganda, wenn nicht zur Aufführung von agitatorischen Rüpelszenen. Sie verneinten die Selbstverwaltung aus Prinzip. In den letzten Jahren der Weimarer Republik wurden die Städte und Gemeinden durch kurzsichtige Reichspolitik und durch die ungerecht hohe Belastung mit den aus der Arbeitslosigkeit entstehenden Wohlfahrtsausgaben schwer misshandelt. Die Machtübernahme Hitlers bedeutete das Ende der kommunalen Selbstverwaltung.

Die preussische Göring-Regierung fertigte bereits am 15. Dezember 1933 ein Gemeindeverfassungs- und Finanzgesetz aus, das strengste Gleichschaltung und Zwangsadministration durch den Staat bedeutete. Das Reich folgte. Am 30. Januar 1935 veröffentlichte Hitler die neue nazistische 'Deutsche Gemeindeordnung'. Die Selbstverwaltung ist dahin, die Gemeinden sind den 'Zielen der Staatsführung' unterworfen. Der Bürgermeister wird 'Führer', er bedarf des Vertrauens von Nazipartei und Staat. Nach amtlichen Schätzungen wurden 50.000 bewährte Bürgermeister in Stadt und Land abgesetzt. Die feudalen preussischen Grossgüter wurden 'gemeindefreie Gutsbezirke'; das heisst, sie wurden von allen Gemeindelasten befreit. Als Ersatz für die unterdrückten Gemeindeparlamente wurden sogenannte Gemeinderäte eingeführt, die sich nur 'einstimmig' äussern dürfen, wenn der Bürgermeister-Führer es wünscht.

Die Gemeindesteuern wurden praktisch zu Reichssteuern. Viele deutsche Landgemeinden sind finanziell völlig am Ende, sie werden durch das Landratsamt mitverwaltet.

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Den gewaltigen Sachschäden stehen die Städte völlig machtlos gegenüber. Dabei werden den Gemeinden immer weitere staatliche Aufgaben 'zur Erfüllung nach Anweisung' aufgezwungen.

Der Zustand, in welchem sich die meisten deutschen Gemeinden und Städte nach dem Kriege befinden werden, wird noch ärger sein als nach dem Dreissigjährigen Kriege. Die Gemeindevermögen zertrümmert, das Gemeindepersonal seiner besten Kräfte beraubt, der Gemeindekredit ein Abgrund von Schulden - dazu die Reparationen, das wird das Erbe sein, das uns der Nationalsozialismus hinterlässt. Man wird wieder von vorne anfangen müssen. Am Anfang wird die Wiederaufrichtung der Selbstverwaltung stehen müssen. Ohne gesunde Gemeinden und Städte kann der Staat nicht wieder aufgerichtet werden. Die Freiheit des arbeitenden Volkes muss unten, in den fundamentalen Institutionen gesichert sein, wenn sie in der leitenden Instanz wirksam werden soll. Hier liegt eine der Hauptaufgaben der wiedererstandenen deutschen Arbeiterbewegung ..."

Zum zwölften Jahrestag von Hitlers Machtantritt sprach Thomas Mann über den deutschen Rundfunk der BBC in London am 30. Januar 1945 zum deutschen Volke über die grässlichste und schamvollste Periode der deutschen Geschichte, über die unermessliche Blutschuld und die ungeheuren wirtschaftlichen und moralischen Verbrechen des Hitler-Regimes am deutschen Volk, an Europa und der ganzen Menschheit. Danach sagte er, er wolle nicht über die Schuld des deutschen Volkes sprechen, diese sei verschränkt mit vieler Schuld der Welt, aber die Verantwortlichkeit des ganzen deutschen Volkes, die etwas anderes sei als die Schuld, sei klar: verantwortlich seien alle Deutschen!

Das Problem Schuld und Verantwortlichkeit des deutschen Volkes behandelte auch unser Freund Friedrich Stampfer in einem Artikel der New Yorker Volkszeitung, dem wir folgende Zeilen entnehmen: "... Was die Verantwortlichkeit des deutschen Volkes über [!] die Taten der Hitler-Regierung betrifft, so hätte man jeden Streit über sie vermeiden können, wenn man sorgfältig zwischen Schuld und Verantwortung unterschieden hätte. Es besteht ein sehr grosser

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Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen. Es ist ein Teil des deutschen Volkes, der eine Schuld auf sich geladen hat wie noch nie Menschen zuvor. Es ist das ganze deutsche Volk, das die Verantwortung dafür zu tragen hat.

Dieser Verantwortung ausweichen zu wollen, wäre eine Feigheit, und wir hoffen, dass das deutsche Volk, wenn es einmal wieder reden kann, diese Feigheit nicht begehen wird. Alle Deutschen, auch die besten unter ihnen, tragen vor der Welt mit an der Verantwortung dafür, dass eine Regierung wie die gegenwärtige deutsche möglich geworden ist und dass sie die Taten begehen konnte, die sie begangen hat. Deutschland hatte, bevor diese Regierung zur Macht kam, eine freie Verfassung. Hätten die Deutschen von ihr den rechten Gebrauch gemacht, so hätte es nie einen Hitler und nie einen solchen Krieg gegeben. Sie waren, zum ersten Mal in ihrer Geschichte, Herren ihres eigenen Schicksals. Sie haben von dieser Freiheit einen schlechten Gebrauch gemacht zu ihrem eigenen Unglück und zum Unglück der ganzen Welt. Wir deutschen Sozialdemokraten sehnen den Tag herbei, an dem wir das nicht nur den englischen Genossen, sondern unseren deutschen Landsleuten selbst sagen könnten mit jener Kraft der Beredsamkeit, mit der einst die grossen Bussprediger und Propheten zu ihren Völkern gesprochen haben.

Wir sind damit einverstanden, dass man die Schuldigen bestraft und die Verantwortlichen zur Verantwortung zieht. Aber wir verwahren uns dagegen, dass man diejenigen, die sich zu ihrer Verantwortung bekennen, als Schuldige behandelt. Wir wollen, dass ein Unterschied gemacht wird zwischen der beispiellosen Verworfenheit des gegenwärtigen deutschen Regimes und der tragischen Verirrung des deutschen Volks, die ein solches Regime möglich gemacht hat. ... Einigen wir uns auf dieser Grundlage, dann wird auch über die Frage der Verantwortung des deutschen Volkes kein Streit sein. Wir leugnen diese Verantwortung nicht, wir betonen sie. Wir wollen, dass sich das deutsche Volk zu ihr bekennen soll. Es soll sich bereit erklären, seine letzte Kraft herzugeben, um die Sünden seiner einstigen Beherrscher wieder gutzumachen und das Seine beizutragen zum Aufbau einer besseren und glücklicheren Welt. Aber ein versklavtes Volk kann solche Leistungen niemals vollbringen, das kann nur ein Volk freier Arbeiter ..."

(Neue Volkszeitung, Nr. 50, 9. Dez. 44)

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Unter diesem Titel hat der Europa Verlag Zürich - New York - einen von Wilhelm Dittmann verfassten politischen Atlas mit zahlreichen Tabellen und Farbenbildern [!] veröffentlicht, der eine Lücke der politischen Literatur über das Deutschland der Weimarer Zeit ausfüllt.[5] Dittmann, Mitglied des Parteivorstandes und des Deutschen Reichstages von 1912 bis 1933, hat nach amtlichem Material des Statistischen Reichsamtes in Berlin eine fleissige und übersichtliche Arbeit geleistet. Nach einem kurzen Ueberblick über die politischen Parteien in der Weimarer Republik folgt eine Tafel, die über alle 22 deutschen Reichsregierungen von November 1918 bis Januar 1933, ihre Lebensdauer und Zusammensetzung Auskunft gibt. Es folgt eine geographische Uebersichtskarte der 35 deutschen Reichstags-Wahlkreise und Farbenbilder und Zahlentabellen dieser Wahlkreise von 1924 bis 1933 mit den Wahlresultaten für die Deutsche National-Versammlung 1919 und die acht Reichstagswahlen bis 1933.

Die Ziffern und Tabellen geben reichlichen Stoff zu politischen und organisatorischen Betrachtungen. Sie zeigen zum Beispiel, wie falsch die immer wieder im Auslande auftauchende Auffassung ist, dass alle politischen Parteien in Deutschland von der Nazi-Partei aufgesogen worden seien und dass die Arbeiter Hitler gewählt hätten. Unwiderlegbar ist, dass das Zentrum, die SPD und die KPD, also die Massenparteien des Volkes, gegenüber Hitlers Demagogie immun geblieben sind. Diese drei Parteien zusammen erhielten bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 noch 17.516.000 oder 44,62 %, während die Nazis es nur auf 17.265.00 oder 43,9 % brachten. Im Reichstag erhielt Hitler nur dadurch eine Mehrheit für sich, dass ihm Hugenberg jene Abgeordneten zuführte, die von den 3.132.000 deutschnationalen Wählern (8 %) in den Reichstag entsandt wurden.

Nicht die Wählermassen der Mitte und der Linken, sondern nur die Wähler der autoritär eingestellten Parteien (Deutschnationale, Volkspartei sowie die Wähler der kleinen Parteien) sind in Scharen zu Hitler übergelaufen. Dies erklärt den katastrophalen Zusammenbruch all dieser Parteien. Ausserdem haben die Nicht- und die Neuwähler die Aufblähung der Hitler-Partei herbeigeführt.

Gegenüber dem zusammengewehten Flugsand der nationalsozi-

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alistischen Wählerschichten handelt es sich bei den standfest gebliebenen Wählerschichten der grossen Parteien der Mitte und der Linken um Massen mit fester Weltanschauung, Ideologien, traditioneller Bindung und ausgebauten Organisationen, die sich wieder elementar auswirken werden, sowie der Druck des auf ihnen lastenden Terrors aufhört.

Auch eine andere Ueberlegung drängt sich bei der Lektüre der Ziffern, Bilder und Tabellen auf. Die Kurve der Entwickelung der nationalsozialistischen Bewegung verläuft parallel mit der Wirtschaftskurve des Deutschen Reiches. Im Inflations-Reichstag vom 4. Mai 1924 sind die Nazis zum ersten Male mit 6,5 % der abgegebenen Stimmen vertreten. Der Prozentsatz sank nach der Währungsstabilisierung bei der Wahl am 7. Dezember 1924 auf 3 % und in der Zeit der Prosperität bei der Wahl vom 20. Mai 1928 sogar auf 2,6 % der gesamten Wählerschaft. Erst mit der 1929 einsetzenden Welt-Wirtschaftskrise begann das zahlenmässige Anwachsen der Hitlerpartei als Ausdruck der sich verschärfenden Wirtschaftsnot.

Dieses Anwachsen offenbarte sich zum erstenmal bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 mit 18,3 %. Mit dem Anwachsen der Massenarbeitslosigkeit stieg der Anteil bei der Wahl vom 31. Juli 1932 auf 37,3 %. Er fiel bei der Wahl vom 6. November 1932 mit 2 Millionen Stimmenverlust und 34 Mandaten wieder auf 33,1 % und erreichte bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 den Höchststand mit 43,9 %. Von der Mehrheit waren die Nazis immer noch mit 6,1 % entfernt. Gibt es einen besseren Beweis für die Tatsache, dass die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland zu einem grossen Teil durch die schwere Weltwirtschaftskrise zu einer Massenbewegung wurde? Wer sich mit den Problemen des neuen Deutschland beschäftigen will, wird immer wieder dies wichtige und anschauliche Buch nachschlagen müssen. (Preis sh 12/6)




[Spendenaufruf]


Diese SOZIALISTISCHEN MITTEILUNGEN
können nur dann weiter verbreitet und unseren Freunden in die verschiedenen Länder verschickt werden, wenn jeder Leser auch für das Jahr 1945 einen freiwilligen Beitrag sendet.

Geldsendungen erbeten an: Wilhelm Sander
33, Fernside Avenue, London, N.W.7.

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(von Ulrich von Hutten[7] bis Karl Kraus[8]) vermittelt ein im Verlag Lindsay Drummond, London (sh 16/-) erschienenes Buch 'In tyrannos' über das die Sendung "England diese Woche" der BBC u.a. folgendes sagte: "...Das Buch enthält 15 Aufsätze von 15 deutschen Schriftstellern, die alle auf dem Kontinent aktiven Anteil hatten am Kampf gegen Hitler ... Ihr Buch 'In Tyrannos' ist als ein Beitrag zu der allgemeinen Diskussion in England gedacht, die sich mit den Aufgaben der Nachkriegszeit beschäftigt. Das Werk will vor allem zeigen, dass das deutsche Volk nicht immer eine Herde von Schafen war, wie Hitler das in 'Mein Kampf' behauptet. Seit Jahrhunderten hat es immer Deutsche gegeben, die den Mut hatten, gegen Tyrannei zu kämpfen, mit Taten oder mit Worten. Der erste Aufsatz über Ulrich von Hutten kommt zu den Schluss, es sei nicht so wichtig, ob Hutten mit seiner Politik im Recht oder im Unrecht war: Hauptsache sei, dass er gewagt und gehandelt hätte. Die gleiche Idee wird auch in dem Aufsatz über Thomas Münzer[9] und die Bauernkriege vertreten. Weitere Aufsätze entwickeln die Ideen von Leibniz[10], Lessing[11] und Hegel[12], andere sind Börne[13] und Heine gewidmet. Wieder andere befassen sich mit dem Freiheitskampf an den deutschen Universitäten, mit der demokratischen Revolution des Jahres 1848, mit den deutschen Arbeiterführern Marx, Lassalle, Bebel und den beiden Liebknechts ..."

Unter den Mitarbeitern des Buches befinden sich Fischer[14], Rehfisch[15], Karl Wolff[16], W. Sternfeld[17], Friedrich Burschell[18], Monty Jacobs[19], Alfred Unger[20], Wilhelm Necker[21] und die ehemalige Reichstagsabgeordnete Adele Schreiber[22]. Mehr als 20 gute Kupfertiefdrucke (darunter Bilder von Heine, Marx, Engels, Lassalle, Bebel und Liebknecht) geben dem Buch ein buchhändlerisch würdiges Gesicht.

Dr. Otto Kahn-Feund[23]: "Beiträge zum Neuaufbau des deutschen Arbeitsrechts" (Renaissance Publishing Co.).
"Die Zweite Republik Oesterreich" Beiträge von Karl Czernetz, Oscar Pollak und W. Rosenzweig[24] (Preis 1/6).
Dr. H. Ebeling: The caste (Die politische Rolle des deutschen Generalstabs zwischen 1918 und 1938)[25] (sh 2/6).




Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7.






Editorische Anmerkungen


1 - Vgl. Wilhelm Koenen: Bewegung "Freies Deutschland", und Erich Ollenhauer: Grenzen der Einheit, in "Die Zeitung" ("Londoner Deutsches Wochenblatt") vom 2.2.1943.

2 - Die Ausstellung "Bewegung Freies Deutschland" war am 13.1.1945 in London eröffnet worden.

3 - Walther von Seydlitz (1888 - 1976), kommandierender General eines Armeekorps, der 1943 von der Roten Armee gefangengenommen wurde, später Vorsitzender des Bundes Deutscher Offiziere, der eng mit dem Nationalkomitee Freies Deutschland zusammen arbeitete. Im Sommer 1950 von einem sowjetischen Militärgericht wegen angeblicher Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt, Urteil verändert zu 25 Jahren Zwangsarbeit, 1955 nach Deutschland entlassen.

4 - Die im folgenden wiedergegebenen Punkte entsprechen inhaltlich der Proklamation an das deutsche Volk vom 28.9.1944, in der General Eisenhower Anordnungen für die deutschen Gebiete erlassen hatte, die von den anglo-amerikanischen Streitkräften besetzt würden. SM (Willi Sander) lag ein hektographiertes Manuskript vor, das handschriftlich die Überschrift "Eisenhower Punkte" trägt und mit dem 23.2.1945 datiert ist.

5 - Wilhelm Dittmann: Das politische Deutschland vor Hitler. Nach dem amtlichen Material des Statistischen Reichsamtes in Berlin, Zürich/New York 1945.

6 - In Tyrannos. Four Centuries of Struggle against Tyranny in Germany. A Symposium edited by Hans J. Rehfisch, London 1944.

7 - Ulrich Reichsritter von Hutten (1488 - 1523), Humanist und Publizist.

8 - Karl Kraus (1874 - 1936), österreichischer Schriftsteller und Publizist.

9 - Thomas Münzer/Müntzer (1468 oder 1489/90 - 1525), erst Lutheraner, dann religiös-sozialer Revolutionär, Organisator des Bauernaufstands in Thüringen, hingerichtet.

10 - Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716), Mathematiker und Philosoph.

11 - Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781), Schriftsteller, Kritiker und Philosoph.

12 - Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831), Philosoph.

13 - Ludwig Börne (1786 - 1837), Schriftsteller und radikalliberaler Publizist.

14 - Hugo Fischer (1897 - 1975), Philosophieprofessor und Essayist, NS-Gegner, ab 1938 Exil in Norwegen, 1940 Großbritannien. 1956 Rückkehr nach Deutschland, Professur an der Münchener Universität.

15 - Hans José Rehfisch (1891 - 1960), Schriftsteller, 1933 nach kurzer Haft Emigration nach Österreich, 1938 Großbritannien, 1939 ausgebürgert; 1947 in die USA, 1950 Rückkehr nach Deutschland.
Vgl. auch Anm. 6.

16 - Karl Wolff (1876 - 1952), Dramaturg und Autor, 1918-1933 künstlerischer Leiter des Dresdener Schauspielhauses, 1939-1942 Exil in Frankreich, dann Großbritannien, keine Rückkehr. In dem rezensierten Buch (in Tyrannos) wird der Name mit K. Wolff wiedergegeben. Er selbst schrieb sich aber "Wollf".

17 - Wilhelm Sternfeld (1888 - 1973), Journalist und Schriftsteller, seit 1916 SPD-Mitglied, 1933 Exil in Frankreich, 1935 in der CSR, 1939 Großbritannien, Sammler von deutschsprachiger Exilliteratur. Vgl. Wilhelm Sternfeld / Eva Tiedemann: Deutsche Exil-Literatur. 1933-1945. Eine Bio-Bibliographie. Mit einem Vorwort von Hanns W. Eppelsheimer, Heidelberg/Darmstadt 1962.

18 - Friedrich Burschell (1889 - 1970), Journalist, Autor und Übersetzer, 1933 Exil in Frankreich, 1934 CSR, 1938 Großbritannien, im selben Jahr ausgebürgert; 1954 Rückkehr nach Deutschland.

19 - Monty Jacobs (1875 - 1945), Journalist und Publizist, Theaterkritiker, ab 1921 Kulturredakteur der "Vossischen Zeitung", 1934 entlassen, 1937 Schreibverbot, 1938 Exil in Großbritannien, Mitarbeit an "Die Zeitung".

20 - Alfred Unger (geb. 1902), Autor und von 1924 bis 1933 Chefdramaturg der Ufa, 1933 entlassen und Schreibverbot, 1934 verhaftet, 1937 Exil in Großbritannien.

21 - Wilhelm Necker (1897 - 1977), Journalist, 1918 USPD, 1920 SPD, 1925-1928 KPD; 1933 Exil in der CSR, 1938 Großbritannien, 1942 ausgebürgert, Mitarbeit an "Die Zeitung"; Secret Service; später OSS.

22 - Adele Schreiber-Krieger (1872 - 1957), Frauenrechtlerin, sozialdemokratische Politikerin, 1920-1924 und 1928-1932 SPD-MdR; 1933 Emigration in die Schweiz, 1939 Großbritannien, im selben Jahr ausgebürgert, Ende 1943 wegen Mitgliedschaft in der Freien Deutschen Bewegung aus der SPD ausgeschlossen, 1944-1945 Kurse für deutsche Kriegsgefangene in England. 1946 in die Schweiz, 1951 in der Bundesrepublik wiedereingebürgert.

23 - Otto Kahn-Freund: Beiträge zum Neuaufbau des deutschen Arbeitsrecht, Welwyn Garden City 1944. Hektographiert.

24 - Die Zweite Republik Österreich. Karl Czernetz: Die sozialistische Partei Österreichs. Oscar Pollak: Die Außenpolitik des neuen Österreich. W. Rosenzweig: Der Aufbau der Zweiten Republik, London 1944.
Wilhelm Rosenzweig (1908 - 1992), österreichischer Rechtsanwalt, 1938 Berufsverbot und zeitweise Haft, dann im selben Jahr Exil in Großbritannien. 1945 Rückkehr nach Österreich, SPÖ-Mitglied, 1958 Verfassungsrichter.

25 - H. Ebeling: The Caste. The Political Role of the German General Staff between 1918 and 1938, London 1945.




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