Nr. 29 - 1941 |
1. September |
Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England | |
This newsletter is published for the information of Social Democratic |
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Die zehnte Woche des russischen Feldzuges, die nach der Voraussage des deutschen Generalstabs die siegreiche Beendigung der Kampagne bringen sollte, ist vorüber. Noch immer werden Leningrad, Moskau und Kiew von der Roten Armee und der Bevölkerung verteidigt, noch immer ist ein Ende des Kampfes nicht abzusehen, wenn auch die westliche Ukraine, die vielbegehrte "Kornkammer", von den Nazis besetzt und die östliche Ukraine, das grosse Industriegebiet der Sowjetunion, von ihnen bedroht ist. Man weiss nicht, ob die Angreifer Schätze oder nur Gebiete erobert haben. Man weiss nicht, wieviel die Verteidiger zerstört haben, bevor sie sich zurückzogen. Das Ausmass der Verwüstungen ist kaum vorstellbar, unvorstellbar sind die Opfer der Bevölkerung in den überrannten und umkämpften Gebieten, und die Opfer, die von den kämpfenden Armeen gebracht wurden, dürften schon jetzt in die Millionen gehen. Wenn es gelingt, die Reihen der Verteidiger über die nächsten Wochen intakt zu halten, und Hitlers Armee sich bereit machen muss, den russischen Winter im Felde zu verbringen, dann ist sie in die schwerste, ja in die erste schwere Krise seit Beginn dieses Krieges geraten, und die Folgen für ihr weiteres Schicksal und für die Entwicklung der innerdeutschen Verhältnisse und der schon jetzt durch Ereignisse wie das Versailler Attentat auf Laval[1] immer deutlicher werdenden Spannungen in den besetzten Ländern des Kontinents können beträchtlich sein.
So verfrüht und gefährlich jede übertrieben optimistische Beurteilung der Kriegslage ist und so klar wir uns darüber sein müssen, dass die Nazi-Propaganda noch weiter den ihr ausgelieferten Massen das Bild eines von Sieg zu
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Sieg eilenden Regimes vor Augen halten kann, so ermutigend ist am Ende des zweiten Kriegsjahres ein Rückblick auf die Wendung, die das grosse Ringen zwischen Demokratie und Diktatur in den letzten zwölf Monaten genommen hat. Damals schien es, als stände das britische Reich allein und verlassen im Kampfe mit einem Deutschland, das sich über fast ganz Europa ausgedehnt hat. Damals schien es, als gäbe es gegen Hitlers Angriffe keinen wirksamen Widerstand. Damals begann in manchen Köpfen sogar der Sinn dieses Krieges sich zu verwirren, den sie als Krieg zwischen zwei Nationen auffassen wollten oder, beeinflusst von unseliger Propaganda, als imperialistischen Krieg um Territorien und Märkte und Machtgebiete zu deuten geneigt waren. Wir aber haben nie dran gezweifelt, dass das britische Reich, weil es für die Sache der Menschheit standhielt, wieder Verbündete finden werde, wir haben nie die Hoffnung verloren, dass die Tyrannenmacht eine Grenze finden werde, und wir haben nie vergessen, dass dieser Krieg ein Kampf um die Zukunft der Welt und um ihre Befreiung ist.
Und wir haben erlebt, wie England zäh und gefasst die Luftschlacht im Herbst überstand, haben erlebt, wie trotz aller mörderischen U-Boot- und Luftangriffe der Weg über den Atlantik freigehalten wurde, wie die Hilfe Amerikas Schritt für Schritt näher kam und wirksamer wurde, wie inzwischen die Offensiven der Italiener in Afrika und auf dem Balkan zusammenbrachen, wie selbst die Hilfe deutscher Truppen nicht vermochte, den Durchbruch zum Suezkanal zu erzwingen, wie Hitlers Pläne in Syrien und im Irak scheiterten, und wie er schliesslich seine ganze Macht nach Osten wenden musste und die Sowjetunion angriff, deren wohlwollende Neutralität einer der stärksten Trümpfe in seinem Spiel gewesen war. Und wer noch immer nach dem Sinn und der Ziel des grossen Kampfes fragte, dem hat die grosse und stolze Erklärung, die jüngst von den Repräsentanten der beiden demokratischen Westmächte, von Churchill und Roosevelt, bei ihrer Zusammenkunft auf dem Atlantik erlassen wurde, die Antwort gegeben: Hier ist klargemacht, dass es nicht um territoriale Gewinne oder wirtschaftliche Vorteile geht, sondern um den Sieg einer Demokratie, die willens ist, den Völkern der Welt eine gerechte Ordnung und ein friedliches Zusammenleben zu sichern, befreit von Hass und Not und geschützt gegen ein Wiederaufleben der mörderischen Bewegung, die diesen Krieg verschuldete.
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Die feierliche Erklärung, die vom Frieden nach der "endgültigen Vernichtung der Nazi-Tyrannei" spricht, ist eine Verheissung für alle unterdrückten, verfolgten und kämpfenden Opfer der Tyrannei. Sie ist zugleich eine indirekte Kampfansage der Vereinigten Staaten an Hitler-Deutschland und seine Verbündeten.
Sie kann zum Ausgang einer zielklaren Propaganda-Kampagne werden, die im Verein mit der militärischen und wirtschaftlichen Kriegsführung gegen die faschistischen Mächte eines Tages zum Zusammenbruch der Hitler-Diktatur und ihres blutigen, zerstörerischen und freiheitsmordenden Kriegsapparats führen wird. Gegen Hitlers "Neue Ordnung" hat sich die Neue Ordnung der Weltdemokratie erhoben, und gegen seinen "Kreuzzug" wird der Befreiungskampf der Menschheit geführt.
Wie lange er dauern wird und welche Opfer er noch fordern wird, kann niemand voraussagen. Wir gehen ins dritte Jahr eines Weltkrieges, an dem kein Erdteil mehr unbeteiligt ist und bei dem alles auf dem Spiele steht. Jeder Tag kann ein neues Schlachtfeld schaffen. Die britischen und russischen Truppen sind ohne Kampf im Iran einmarschiert,[2] um eine gemeinsame Verteidigungsstellung gegen einen neuen Vorstoss Hitlers im Nahen Osten zu sichern, der durch die Türkei oder übers Schwarze Meer führen könnte. Die Japaner stehen in Indochina, und man wird sehen, wohin sie der nächste Schritt führen wird und ob und wann sie ihn wagen werden. An der Grenze Nordafrikas und im Mittelmeer können neue Schlachten aufflammen, und der Luftkrieg an der Westfront, der jetzt von der britischen Luftflotte Nacht für Nacht in deutsches Gebiet getragen wird, kann Gegenangriffe auslösen. Nirgends darf deshalb die Bereitschaft und Wachsamkeit erlahmen und die Gewissheit, dass es keinen Frieden geben kann, bevor die Hitler-Tyrannei endgültig vernichtet ist.
An unsere Leser und Gesinnungsfreunde
richten wir die Bitte, uns die weitere Herausgabe dieser "Sozialistischen Mitteilungen" zu ermöglichen und Gelder einzusenden. Viele Freunde in valutaarmen Ländern, Unterstützungsempfänger, Frauen internierter Genossen usw. konnten nur geringe Mittel einsenden. Wir belieferten bisher Freunde ohne Rücksicht auf eine Geldeinsendung, müssen aber jetzt um die Rückerstattung unserer Auslagen bitten.
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Die englisch-amerikanische Erklärung
über gemeinsame Zukunftsziele, die von Präsident Roosevelt und, im Namen der britischen Regierung, von Winston Churchill bei ihrer historischen Begegnung auf dem Atlantischen Ozean abgegeben wurde, hat folgenden Wortlaut:
"Der Präsident der Vereinigten Staaten und der Premierminister, Mr. Churchill, als Vertreter der Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreich, haben es, als sie einander begegneten, für richtig erachtet, gewisse gemeinsame Prinzipien der Politik ihrer beiden Länden bekannt zu geben, auf welchen sie ihre Hoffnungen auf eine bessere Zukunft der Welt gründen.
1. Ihre Länder suchen keine territoriale oder sonstige Vergrösserung.
2. Sie wünschen keine territorialen Veränderungen zu sehen, die nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der betreffenden Völker übereinstimmen.
3. Sie respektieren das Recht aller Völker, die Art der Regierung zu wählen, unter der sie leben wollen; und sie wünschen, dass die Souveränitätsrechte und die Selbstregierung denen wiedergegeben werden, die ihrer gewaltsam beraubt wurden.
4. Sie werden sich bemühen, unter gehöriger Beachtung ihrer bestehenden Verpflichtungen, den Genuss aller Staaten, ob gross, ob klein, ob Sieger oder Besiegte, am gleichberechtigten Zugang zum Welthandel und zu den Rohstoffen der Welt zu fördern, die sie für ihr wirtschaftliches Gedeihen benötigen.
5. Sie wünschen, die grösstmögliche Zusammenarbeit zwischen allen Nationen auf wirtschaftlichem Gebiete herbeizuführen, mit dem Ziel, für alle verbesserte Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Sicherheit zu garantieren.
6. Nach der endgültigen Vernichtung der Nazi-Tyrannei hoffen sie, die Begründung eines Friedens zu sehen, der allen Nationen die Mittel ermöglichen wird, sicher innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu leben und der die Garantie geben wird, dass alle Menschen in allen Ländern ihr Leben frei von Furcht und [...]Not werden leben können.
7. Ein solcher Friede muss alle Menschen in die Lage versetzen, ungehindert über die grossen Meere und Ozeane reisen zu können.
8. Sie glauben, alle Nationen der Welt müssen aus reali-
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stischen und aus geistigen Gründen dazu kommen, die Anwend[un]g von Gewalt aufzugeben. Da kein künftiger Friede erhalten werden kann, wenn Land-, See- und Luft-Rüstungen weiter von Nationen unterhalten werden, die mit Angriff ausserhalb ihrer Grenzen drohen oder drohen können, so glauben sie, dass, bis ein umfassenderes und dauerndes System allgemeiner Sicherheit errichtet wird, die Abrüstung solcher Nationen notwendig ist. Sie werden auch alle anderen anwendbaren Massnahmen unterstützen und ermutigen, die für friedensliebende Völker die drückende Last der Rüstungen erleichtern werden."[3]
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Nach seiner Rückkehr von der atlantischen Konferenz gab Präsident Roosevelt eine Erklärung ab, in der er sagte, dass bei obiger Erklärung ein Punkt übersehen worden sei. Nach seiner Meinung hätte ein Hinweis auf die Zustände in den von der Tyrannei beherrschten Ländern erfolgen sollen, um die Welt auf die Gefahren aufmerksam zu machen.
Inzwischen hat der britische Arbeitsminister Ernest Bevin in einer Rede darauf hingewiesen, dass nach seiner Meinung der gleichberechtigte Zugang aller Staaten zu den Rohstoffen der Welt auch den Zugang zu den Nahrungsmitteln bedeuten müsse.
Winston Churchill bemerkte in seiner grossen Rundfunkrede vom 24. August über die atlantische Konferenz u.a.: "Zwei deutliche und betonte Unterschiede bestehen zwischen dieser Erklärung und der Haltung der Alliierten während des letzten Teiles des vergangenen Krieges, und niemand sollte sie übersehen. Die Vereinigten Staaten und Grossbritannien nehmen nicht an, dass es nie wieder Krieg geben wird. Im Gegenteil, wir wollen ausreichende Vorkehrungen treffen, um seine Wiederkehr zu irgendeiner Zeit zu verhindern, indem wir die schuldigen Nationen wirksam entwaffnen, während wir selbst genügend geschützt bleiben. Der zweite Unterschied ist: dass wir, statt zu versuchen, den deutschen Handel durch alle Arten von Barrieren und Hindernissen zu ruinieren, wie es die Stimmung von 1917 war, wir entschieden die Meinung angenommen haben, dass es im Interesse der Welt und unserer beiden Länder ist, dass jede grosse Nation für sich und ihr Volk einen anständigen Lebensunterhalt durch ihre Industrie und ihren Unternehmungsgeist erwerben soll."
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Die britische Arbeiterbewegung, der Krieg und die Kommunistische Partei
Der britische Gewerkschaftskongress und die Labour Party haben am 31. Juli die folgende offizielle Erklärung veröffentlicht: "Der Trades Union Congress und die Labour Party bekennen ihre warme Anerkennung der grossen Bemühungen der Sowjetunion in dem gemeinsamen Kampfe gegen den Hitlerismus. Sie begrüssen die völlige Zusammenarbeit, die sich zwischen Grossbritannien und der Sowjetunion entwickelt hat. Sie betonen ihre Ueberzeugung, dass die Weiterentwickelung dieser Zusammenarbeit zum Sturze des Hitlerismus führen wird und zur Erreichung der gemeinsamen Verständigung zwischen den Völkern, die eine notwendige Bedingung eines dauernden Friedens ist.
Es sind Vorschläge für eine gemeinsame Aktion der Labour-Bewegung und der Kommunistischen Partei Grossbritanniens gemacht worden. Der Trades Union Congress und die Labour Party haben diesen Vorschlägen sorgfältige Beachtung gewidmet. Sie sehen nichts in der Situation, was eine solche Zusammenarbeit rechtfertigen würde.
Das Britische Commonwealth hat seit fast zwei Jahren die Last dieses titanischen Kampfes getragen. In der Stunde der gemeinsamen Gefahr war die Einigkeit der britischen Völker in der Verteidigung ihrer demokratischen Freiheiten und Einrichtungen ohnegleichen in der Geschichte. Alle Schichten der Gemeinschaft haben freiwillig ihr Aeusserstes zur Förderung der gemeinsamen Sache getan.
Die einzige auffällige Ausnahme ist die Kommunistische Partei gewesen.
Am 2. September 1939 hatte jene Partei ihre Entschlossenheit zum Widerstand gegen den Hitlerismus erklärt. Ein wenig später hat sie plötzlich und ohne ihre Mitglieder zu fragen, ihre Politik widerrufen. Sie hat dann erklärt, dass der Kampf gegen den Nazismus ein imperialistischer Krieg wäre, der gestoppt werden müsse. Seitdem hat die Kommunistische Partei jede Möglichkeit benützt, die Anstrengungen der Nation zu behindern und zu schwächen. Sie hat die Ziele der Labour-Bewegung beim Kampfe gegen den Hitlerismus falsch dargestellt und verzerrt.
Als am Sonntag, den 22. Juni 1941, Hitler ohne Ankündigung und unprovoziert Sowjetrussland angriff, hat die Kommunistische Partei Gr[oss]br[itanniens], wieder ohne Befragung ihrer
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Mitglieder, ihre Politik geändert. Sie hat verkündet, dass der Kampf nicht mehr ein 'imperialistischer Krieg' sei. Die Kommunistische Partei hat so während des Krieges wieder ihren unverantwortlichen und instabilen Charakter demonstriert. Die Leiden des britischen Volkes [unter dem Druck] der fast dauernden Nazi-Luftangriffe liessen sie ungerührt und unbeeinflusst. Kein Zeichen der Sympathie für das britische Volk oder für die Sache, für die Britannien kämpft, ist in den kommunistischen Erklärungen erschienen.
Im Unterschied zur britischen Labour-Bewegung ist ihre Politik nicht von demokratischen Methoden bestimmt und nie bestimmt gewesen und auch nicht von Rücksicht auf die Bedürfnisse und Ziele des britischen Volkes.
Deshalb kommen der Trades Union Congress und die Labour Party zu dem Schluss, dass keine Gemeinschaft mit der kommunistischen Partei möglich ist."
Die "neue Linie" der deutschen Kommunisten
Die deutschen Kommunisten haben die Schwenkung der Komintern nach dem 22. Juni natürlich mitgemacht. Auch für sie ist der Krieg seit diesem Tage kein "imperialistischer Krieg" mehr, sondern ein allgemeiner Verteidigungskrieg gegen Hitler. Diese Erkenntnis kommt zwar sehr spät, aber sie ist trotzdem löblich. Die Kommunisten erkennen damit die Richtigkeit der Politik aller Freunde der Freiheit der Völker und der Demokratie an, die seit zwei Jahren die Niederlage Hitlers und die Beseitigung des Hitlersystems in Deutschl[and] anstrebt.
Es liegt im Zuge dieser Politik, dass heute alle Freunde der Demokratie und der Freiheit sich einig sind in dem Willen, der Sowjetunion in ihrem heldenhaften Widerstand gegen den niederträchtigen und heimtückischen Ueberfall durch die Hitlerarmeen jede mögliche moralische und materielle Hilfe zu leisten. Neu ist nur der Umstand, dass die Kommunisten jetzt auch ihren Anhängern klar machen müssen, dass es in diesem Kampf um Freiheit und Demokratie in Europa eine sehr enge Interessengemeinschaft zwischen der Sowjetunion und den westlichen Demokratien gibt.
Im übrigen aber liegen keine Anzeichen dafür vor, dass sich das Wesen und die Zielsetzung der Kommunistischen Parteien grundsätzlich geändert haben.
Die Leitung der KPD hat am 24. Juni ein Manifest beschlossen, das in der in London erscheinenden kommunistischen
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"World News"[4] veröffentlicht wurde. Darin wird das deutsche Volk aufgerufen, an der Seite der Roten Armee gegen Hitler zu kämpfen. Wir finden aber in diesem Manifest weder das Wort noch den Begriff Demokratie. Wir finden in ihm auch keinen Hinweis auf den opferreichen Kampf Englands, nichts über die Haltung der USA. Die grossen Demokratien des Westens existieren für die KPD nicht, ebenso wenig das Ziel der Erkämpfung und der Sicherung d[er] europäischen Demokratie. - Dagegen ist das Manifest ein eindeutiger Beweis dafür, dass die KPD nach wie vor nichts anderes ist als ein willenloses Instrument der Aussenpolitik der Sowjetunion. Das Manifest verteidigt den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 u[nd] behauptet, dass dieser dem einheitlichen Willen des deutsch[en] Volkes entsprochen habe. Gleichzeitig wird deutlich, dass ein deutsch-russisches Bündnis die zentrale Vorstellung der Kommunisten für die Aussenpolitik des kommenden Deutschl[and] bildet. Die KPD kehrt damit zu jener Periode ihrer Politik in der Weimarer Republik zurück, in der sie in engster Tuchführung mit dem deutschen Nationalismus und unter Uebernahme vieler seiner Gedankengänge und Schlagworte unter der Parole "Bündnis mit Sowjetrussland" Deutschland vom demokratischen Westen trennen und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund verhindern wollte. Auch heute trägt diese Parole den unzweideutigen Charakter einer Absage an die westlichen Demokratien. Hier die Zusammenarbeit aller nach dem Krieg auf dem Boden der Demokratie - dort die machtpolitische Konzeption des deutsch-russischen Bündnisses.
Darüber hinaus wollen wir, dass Deutschland nach dem Sturz Hitlers zu einer Demokratie wird. Wir wollen den demokratischen Gedanken im deutschen Volke wieder erwecken und ausbreiten. Wir wollen wieder demokratische Einrichtungen in Deutschland ins Leben rufen. Wir wollen die grossen freiheitlichen Grundrechte in Deutschland zur Geltung bringen. Wir wollen die Zusammenarbeit mit den grossen westl[ichen] Demokratien und deshalb wollen wir nicht, dass der nach der Niederlage Hitlers wiedererstehenden Arbeiterbewegung eine Richtung gegen die westlichen Demokratien gegeben werde.
Das alles ist klar. Ebenso klar ist, dass unter diesen Umständen die Leitung der deutschen Sozialdemokratie keine Veranlassung sieht, auf die jetzige Einheitsfrontaktion der deutschen Kommunisten einzugehen.[5]
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Eine im Juli erschienene Schrift der "Planning"-Serie, die von "PEP" (Political and Economic Planning)[6] herausgegeben wird, einer "völlig unabhängigen Organisation", mit dem Ziel, eine "die Tatsachen untersuchende und unparteiliche Haltung gegenüber Problemen des öffentlichen Lebens" zu vertreten, beschäftigt sich mit dem Problem der Zukunft Deutschlands. Wir versuchen im Folgenden, unseren Lesern einen Ueberblick über die Analysen und Schlussfolgerungen dieser Untersuch[un]g zu geben, ohne zu ihr Stellung zu nehmen.
Die infolge der bisherigen Kriegsereignisse entstandene Situation wird dahin charakterisiert, dass die Deutschen ihre Kampagne im Jahre 1940 aus einem Gebiet, in dem sie in der Mehrheit waren, in ein grosses europäisches Gebiet geführt haben, in dem die nicht-deutsche Bevölkerung eine Mehrheit von mindestens 4:1 hat. Als Folge dieser Entwicklung wird ein Erlahmen des Schwunges der Nazi-Tendenz festgestellt, eine ideologische Verwirrung derer, die an die Mission des Nazismus glaubten, eine Verwirrung, die durch den Kontakt von Millionen Nazis mit Nicht-Nazis ausserhalb Deutschlands gefördert wird, und ein Wechsel vom aggressiven Geist der Bekämpfung einer alten Ordnung zum defensiven Geist der Verteidigung einer noch fragwürdigeren "Neuen Ordnung". dass es den Nazis gelang, mit überraschender Schnelligkeit schwache und korrupte Systeme zu zerschlagen, hat ihnen andererseits eine Fülle schwieriger und dringender Probleme des Wiederaufbaus eingebracht und den Anlass zu neuen bedrohlichen Volksbewegungen geschaffen, die für den Nazismus weit gefährlicher werden können als die Demokratien.
Um diese Entwicklung zu einem kritischen Punkte zu treiben, ist eine Folge militärischer Niederlagen der Nazis notwendig, bei denen Widerstandsbewegungen in den besetzten Gebieten ihre Rolle spielen können. Militärische Niederlagen können das deutsche Volk zu der Ueberzeugung bringen, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen kann, und können alle jene, deren Interessen mit dem Nazismus am wenigsten verbunden sind, zum Nachdenken darüber veranlassen, ob nicht ein Sieg der Alliierten für sie von Vorteil wäre. Schliesslich wären auch Zwistigkeiten zwischen Gruppen innerhalb Deutschlands (Nazipartei und Armee, Armee und Luftwaffe, Arbeitsfront und Unternehmern) zu erwarten.
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Eine deutsche militärische Niederlage (die vielleicht nicht einmal grosse Schlachten erfordern würde, sondern nur Rückschläge, die den Glauben an die deutsche Führung erschüttern und den Sieg Deutschlands als unmöglich erkennen lassen) würde sicher den Sturz des Nazi-Systems zur Folge haben. Aber man dürfe kaum annehmen, dass "zumindest innerhalb der nächsten drei Jahre" eine erfolgreiche revolutionäre Bewegung in Deutschland stattfinden könne. "Ein besiegtes Deutschland wird wahrscheinlich dem Frankreich Pétains ähneln." "Die Geschichte lehrt, dass erfolgreiche Revolutionen lange und ausgedehnte Vorbereitungen erfordern." Eine illegale Bewegung, wie sie in Deutschland existiert, kann ein völlig etabliertes Regime nicht ersetzen, wenn sich dieses Regime nicht als völlig unfähig erweist, oder wenn die Bewegung nicht militärische und politische Unterstützung von ausserhalb erhält.
Es ist kaum anzunehmen, dass die Nazis sich die Macht durch Mangel an Geschicklichkeit und Brutalität entreissen lassen werden, und es ist ihnen zuzutrauen, dass sie auch zu bolschewistischen Massnahmen greifen werden, wenn ihnen das zur Erhaltung ihrer Macht nötig erscheint. Der Krieg mit Russland dürfte ebenfalls keine revolutionäre Wirkung auslösen, schon weil die russische Regierung kein Interesse daran hat, eine gegen die westliche Demokratie gerichtete Bewegung zu unterstützen, auch wenn es ihr gelingt, militärisch erfolgreich standzuhalten. Aus all diesen Gründen wird gefolgert, dass man weder vor noch nach der militärischen Niederlage Deutschlands mit einer heftigen revolutionären Bewegung in Deutschland rechnen kann, dass vielmehr wachsende Widerstandsbewegungen in besetzten Gebieten zu erwarten sind, die viel mehr als irgendeine innerdeutsche Entwickelung zur Veränderung der Verhältnisse in einem besiegten Deutschland beitragen werden.
"Es ist schwer, irgendeine Parallele zu dieser Situation zu finden, obwohl das Ende der napoleonischen Kriege gewisse Aehnlichkeiten aufweist." Aber während damals die Bourbonen noch Wurzeln in Frankreich hatten, wäre es unmöglich, sich bei der Bildung einer neuen deutschen Regierung auf Ueberreste der Weimarer Zeit zu stützen. "Wenn eine Nation besiegt und ihre Regierung gestürzt ist, gibt es normalerweise vier Methoden, nach denen die Verwaltung geführt werden kann. Entweder kann man die Aufgabe anerkannten Oppositionsführern anvertrauen, oder eine starke illegale Bewe-
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gung kann neue revolutionäre Führer an die Spitze bringen, oder eine Emigranten-Regierung kann vom Ausland importiert werden oder die Siegermächte können zeitweilig oder für die Dauer die Kontrolle übernehmen. In Falle einer Nazi-Niederlage sind die drei ersten Möglichkeiten sehr begrenzt."
Es wird darauf hingewiesen, dass sicherlich in dem Augenblick, in dem das deutsche Oberkommando die Unvermeidlichkeit einer Niederlage erkennen wird, die für die Alliierten am wenigsten annehmbaren Führer beseitigt werden und "gemässigten" Generalen, Wirtschaftsführern und "Gewerkschaftern" Platz machen werden, die um Waffenstillstand ersuchen würden.
Aber solchen, mit der bisherigen Regierung in Zusammenhang stehenden Politikern sei nicht zu trauen. "Zweifellos gibt es in Deutschland noch tapfere und ehrenhafte Leute, die, wenn der Augenblick gekommen ist, in den Vordergrund treten werden, aber das muss einige Zeit dauern, und es ist schwer, eine praktische Alternative für die vierte Methode (Kontrolle, Besetzung) zu finden." Es wird als "höchstwahrscheinlich" bezeichnet, dass auf den Sieg die zeitliche Uebernahme der Regierungsgewalt in Deutschland durch die Alliierten erfolgen muss, aber nur, um die Lücke zwischen dem Sturz des Naziregimes und einer neuen Selbstregierung Deutschlands auszufüllen, die zu den Prinzipien gehört, für welche die Alliierten kämpfen.
Das Problem wird mehr ein wirtschaftliches als politisches sein. Es wird nur die Wahl geben, Deutschland einem Zustand des Chaos, der Demoralisierung und der Not zu überlassen, der weit schlimmer als der Zustand Vichy-Frankreichs wäre - oder eine zeitweilige Verwaltung einzurichten, vielleicht in Form einer Wiederaufbau-Kommission, die von einer Sicherheitstruppe unterstützt würde und deren Aufgabe es wäre, die Bildung deutscher Verwaltungskörperschaften für einzelne Gebiete und bestimmte Aufgaben zu fördern.
Die Wiederaufbau-Kommission könnte den Deutschen und ihren Nachbarvölkern Lebensmittelvorräte auf der Basis der Gleichberechtigung verfügbar machen und so die Wiederkehr der verbitternden Hunger- und Epidemie-Periode von 1919 verhindern. Sie könnte nicht nur die Farce eines Waffenstillstandes, sondern auch eine hastige und von angeblichen "Uebermenschen" veranstaltete Friedenskonferenz vermeidlich machen.
"Sie würde auch die Tatsache deutlich machen, dass eine neue europäische Ordnung errichtet werden muss, nicht indem man aus dem besiegten Feinde einen Sündenbock macht, sondern
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durch konstruktive Vereinbarungen zwischen den Staaten, wobei die Sieger den Anfang machen sollen, die zunächst einmal untereinander Frieden machen müssen und eine Konstruktion schaffen müssen, die zwei Forderungen erfüllt: Deutschland hat einen Anreiz zu geben, beim Frieden mitzuhelfen, und Abschreckungsmassnahmen dagegen, ihn zu brechen."
Sehr wichtig wird dafür eine englisch-amerikanische Verständigung sein. Die Nachkriegs-Entwicklung Deutschlands sollte sich in vier Etappen vollziehen:
1. Vertreibung oder Auflösung d[er] Streitkräfte u[nd] d[er] Gestapo,
2. Errichtung einer militärischen Not-Verwaltung,
3. Uebergabe aller zivilen Angelegenheiten an eine Wiederaufbau-Kommission, an der nach Möglichkeit auch Amerikaner teilnehmen sollen und die politische, wirtschaftliche und medizinische Abteilungen haben soll,
4. Schrittweise Entwicklung deutscher Selbstverwaltungskörperschaften u[nd] schrittw[eise] Uebertragung der Reg[ierungs]gew[alt] an sie.
Notwendig wäre eine Befreiung aller jener besetzten Gebiete, die nicht grosse deutsche Einwohnerschaften enthalten, in Einzelfällen auch Bevölkerungs-Transfer.
"Die Frage der Reparationen im alten Sinne würde sich nicht erheben, da jetzt die Unmöglichkeit finanzieller Tribute allgemein zugegeben wird."
Die Wiederaufbau-Kommission sollte für Sach-Reparationen in einem Rahmen sorgen, der Deutschland und alle verwüsteten Gebiete Europas umspannt.
Am Ende wird das Dilemma erörtert, das durch die beiden Behauptungen entsteht, dass entweder man dem deutschen Volke nicht trauen kann oder dass jede Lösung, die das deutsche Volk diskriminiert, zu einem neuen Krieg führen wird. "Wir müssen", wird gesagt, "der Versuchung widerstehen, die Deutschen für ein unheilbar wildes Volk zu halten, das immer nur nach Gewalt dürstet."
Die Lösung liegt in einer Neu-Organisation Europas, die militärische und industrielle Macht von nationalen Gebieten trennt, in einer Weltkontrolle der Rohstoffe und Verkehrswege. Umfang und Zukunft des deutschen Volkes sollten von der freien Entscheidung der Völker abhängen, die für eine Aufnahme in ihn [sic!] in Frage kommen; dauernder Friede kann nur auf soziale und ökonomische Möglichkeiten und Sicherheit gegründet sein, und für dieses Ziel ist die Initiative Englands, die Zusammenarbeit mit der Mehrheit Europas, mit [den] USA und den Dominions notwendig.
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Die totalen Reichseinnahmen der Hitler-Regierung in den 8 Jahren von April [19]33 bis März [19]41 betrugen RM 119,2 Milliarden. In der gleichen Zeit stieg die gesamte Reichsschuld um RM 78,5 Milliarden auf RM 89,7 Milliarden. Nimmt man an, dass in den kommenden Monaten die Kriegsausgaben die gleiche Höhe beibehalten werden, dann würde die gesamte Reichsschuld am Ende des lfd. Finanzjahres, also noch vor dem Ende des dritten Kriegsjahres auf rund RM 150 Milliarden anwachsen. Am Ende des vergangenen (4-jährigen) Krieges betrug die gesamte Reichsschuld RM 153,2 Milliarden.
Bis vor kurzem waren die Nazis sehr stolz darauf, dass der grössere Teil der Kriegsausgaben durch Steuern gedeckt werden konnte. Sie verschwiegen allerdings, dass die Abzüge vom Arbeitslohn und die grosse Anzahl erhöhter Verbrauchssteuern, gar nicht zu reden von dem 50%igen Kriegszuschlag, eine noch nie dagewesene Belastung des Arbeiterhaushaltes darstellte. Im Verlaufe des Finanzjahres 1940/41 ist es jedoch klar geworden, dass der grössere Teil der Kriegsausgaben nicht mehr durch Steuern gedeckt werden kann. Die folg[en]d[e] Zahlenreihe spricht für sich. In Milliarden RM:
Reichsein- |
Verwaltungs-Einn[ahmen] |
Anlei- |
Gesamt- |
|
1937/38 | 14,0 |
3,0 |
2,7 |
19,7 |
1938/39 |
18,2 |
4,0 |
11,1 |
33,3 |
1939/40 |
23,6 |
4,8 |
21,2 |
49,6 |
1940/41 |
27,2 |
5,4 |
38,0 |
70,6 |
Der Anteil der lang- und kurzfristigen Anleihen stieg von 13,7% in 1937/38 auf 53% in 1940/41. Wenn Reichseinnahmen und Anleihen in der gleichen Weise steigen, wird der Anteil der Anleihen im Finanzjahr 1941/42 auf zwei Drittel der Gesamteinnahmen steigen.
Die Politik, die Kriegsausgaben hauptsächlich durch Steuereinnahmen zu decken, ist also bereits zusammengebrochen. Im Verlaufe der ersten Kriegsjahre konnten die Nazis überdies gewaltige Kapitalien aus den besetzten Gebieten herausholen. Die Kriegsbeute an Nahrungsmitteln und Maschinen in Sowjetrussland dürfte sehr gering sein im Verhältnis zum Verlust des eigenen Materials. Die Zahlen bekommen erst ihre richtige Bedeutung, wenn man bedenkt, dass direkte Kriegsausgaben in den eigentlichen Kämpfen in Westdeutschland und auf dem Balkan durch die Raubpolitik gedeckt werden konnten.
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Der Anteil der kurzfristigen Schulden hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Er betrug nur 12% im März 1933, im März 1939 war er auf 21,5% gestiegen und Ende Mai 1941 hatte er bereits 50% überstiegen (am Ende des letzten Krieges betrug er nur 36%). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Finanzbeamten des III. Reiches unruhig geworden sind und wiederholt die Versicherung abgegeben haben, dass keinerlei Inflationsgefahr besteht.
Die Finanzpolitik des III. Reiches glaubt, mit Hilfe der totalen Rationierung, der Lohn- und Preiskontrolle den grösseren Teil des Volkseinkommens für Kriegszwecke beschlagnahmen zu können. Diese Politik ist bisher erfolgreich gewesen. Sie kann erfolgreich bleiben, solange weder Menschen noch produktives Kapital, d.h. Fabriken, Industriewerke u[nd] fertige Produktion vernichtet werden. Am Ende des vergangenen Krieges war die Inflation unvermeidlich, weil die gewaltige Kapitalvernichtung in über 4 Jahren sich in Form von Staatsschulden darstellte. Eine ähnliche Kapitalvernichtung hat erst jetzt in Deutschland begonnen. Mangel an Arbeitern und Rohstoffen verhindert genau wie im verg[angenen] Kriege den rechtzeitigen Ersatz von Maschinen und Anlagen.
Das sind die ersten Anzeichen des beginnenden industriellen und landwirtschaftl[ichen] Raubbaues. Gleichzeitig werden auf den Schlachtfeldern Russlands Menschen und Material massenweise vernichtet. Kurzum, die Reichsschulden repräsentieren mehr und mehr nichts anderes als totale Verluste.
Wenn diese Verluste nicht wieder gut gemacht werden können durch Raub und Kontributionen, beginnt die Inflation, deren Zweck es ist, die Staatsschuld aus der Welt zu schaffen. Die Sparguthaben und alle nominellen Kapitalreserven verschwinden gleichzeitig, weil sie Werte repräsentieren, die im Verlaufe des Krieges vernichtet worden sind.
Die Form, in der dies geschehen wird, kann jedoch wesentlich anders sein als in den Jahren 1918 bis 1924.
Die tatsächliche wirtschaftl[iche] Kraft des III. Reiches ist durch die Eroberungen eines wesentlichen Teils Europas grösser als die des Kaiserlichen Deutschlands. Die wirtschaftl[iche] Ausbeutung der eroberten Länder ist erfolgreicher als im vergangenen Kriege. Wenn das III. Reich nicht mehr imstande sein sollte, die eroberten Länder wirtschaftlich auszubeuten, wenn überdies der Krieg gegen die Sowjetunion keine wirtschaftlichen Vorteile einbringen sollte, dürfte sich die Wirtschafts- u[nd] Finanzkraft d[er] Nazis bald erschöpfen.
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One of our friends who returned recently from Australia has written a report on the life of interned refugees in Australian camps. In the following we give an extract from this report:
"I was one of the refugees interned in England and then sent to Australia on board the 'Dunera'[7], an experience which I do not intend to describe as it has been made known by the court martial against the officers of that ship.
When we landed at Melbourne, 30 men were selected and sent, together with the interned Nazis, to the Tatura camp. We were a very mixed company: Jewish and political refugees, survivors of the 'Arandora Star', Nazi-seamen and Nazi civilian internees. While the other Dunera-'passengers' went to Sydney (and from there to the Hay camp), we travelled by railway and bus to Tatura camp No 2.
The camp was surrounded by three rows of barbed wire and consisted od huts of corrugated iron. The Nazis were in the majority, but we refugees could obtain separate huts.
Although food was good, we were hungry after the Dunera-voyage [so]that it took a long time before we overcame the results of that experience. There were frictions between us and the Nazis - who were in the majority - elected the camp speaker. But the Commandant refused to recognize a second spokesman. He regarded all of us as prisoners of war without making distinctions. After three weeks, however, the Anti-Nazis were moved to another camp, Tatura No 3. This camp was slightly better than No 2. Not 28 but only 24 men were accommodated in one hut, and two internees lived in each "cubicle". Here there were baths, showers and other facilities.
The Commandant and his officers and soldiers showed sympathy for our position but they were not able to alter the fact that the Melbourne authorities continued to regard us as prisoners of war. Very depressing was the fact that we were not allowed to send airmail-letters or cables, only ordinary letters which took 3 months to arrive.
Assistance was given to the interned refugees by the Jewish Welfare Committee and the Victorian International Refugee Emergency Council.
Visitors were sometimes admitted to the camp, but the representatives of the Committees were treated as 'private
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visitors' and could, therefore, get in touch with individual internees only.
The Swiss Consul, however, as representative of the 'German interests', was freely admitted to the camp. It was an advantage that the Justice of Peace of the district came to see us regularly, and he listened to our complaints and tried to improve our life.
The organisation of the camp became excellent. Internees ran the kitchen, cleaned and repaired the buildings and did gardening in the camp. With the assistance of the Refugee Committees we were able to found a camp library, which soon consisted of about a thousand volumes. Indirect financial assistance was given to us by Jewish refugees who had been interned in Malaya and Singapore and transferred from there to Australia. They had some means, spent money in the canteen, and the profits of the canteen were used for the benefit of us all.
In spite of all this, our feelings were rather depressed, as we did not see the chance of returning to England, but learnt that the Australian authorities and newspapers regarded and described us either as prisoners of war or as 'Fifth Columnists' who had tried to set fire to the 'Dunera'. Besides, many of us had lost our last personal belongings, including all our papers and even American visas, on board the 'Dunera'. The Australian authorities had provided us with shoes, underwear, pullovers, socks and camp-dress. But these things could not replace the lost articles.
It was a great relief for us when at last Major Layton came over on behalf of the Home Office. He could not promise very much, but he did even more than he promised. Very soon the transport to England was being organised, and after ten days in the most miserable camp I have ever seen we sailed from Sydney by devious routes, finishing our journey in a mighty convoy.
I should like to thank all those in Australia who tried to help us and the British authorities for their attempt to correct the mistakes which were made owing to haste, muddle and hostility. I can state that the vast majority of internees in Australia are longing for an early return to England, and that every letter from this country is received by them as an encouraging sign of sympathy."
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Das neue amerikanische Einwanderungsverfahren,
über das wir bereits in Nummer 27 unserer SM berichteten, sieht bekanntlich eine Kontrolle darüber vor, ob der Antragsteller Verwandte in Deutschland oder den besetzten Gebieten hat. Aus dem Studium der Veröffentlichungen der USA-Presse geht hervor, dass die Nachprüfung und die Entscheidung über den Visa-Antrag in Washington erfolgt, wohin jeder Antrag gerichtet werden muss und wohin ihn auch die amerikanischen Konsuln, bei denen Anträge gestellt werden, zu richten haben.
Beim Staatsdepartment in Washington sind Komitees zur Prüfung der Visa-Anträge eingesetzt worden, in denen Vertreter des Kriegs- und Marine-Ministeriums, der Einwanderungsabteilung des Justizministeriums und des Federal Bureau of Investigation sitzen. Diese Komitees (die bisher etwa 100 Anträge tägl[ich] erledigt haben) prüfen die Frage, ob die Einwanderung des Antragstellers als erwünscht zu betrachten ist.
Sie scheinen dabei an den Wortlaut der neuen Visa-Bestimmungen nicht streng gebunden sein.
Für jeden Visa-Antrag ist ein Formular auszufüllen. Diese Formulare können von Freunden oder Komitees in [den] USA beantragt werden. Die Adresse, an die ein Antrag auf Ausgabe eines Fragebogens zu richten ist, lautet: Immigration Section, Visa Division, Department of State, Washington, D.C. An Personen, die das Staatsdepartment für unbefugte Vermittler hält oder an Antragsteller, die Verwandte in Deutschland oder den bes[etzten] Gebieten haben, werden Fragebogen nicht gesandt.
Es wird versucht, bei der Erledigung der Visa-Anträge Personen zu bevorzugen, die bereits Schiffsplätze für die nächsten zwei Monate gesichert haben, und Personen, deren Visum abgelaufen ist und die lediglich die Erneuerung des Visums (Formular B) zu beantragen brauchen.
Die Rückkehr Internierter aus Australien,
die wir bereits in Nr. 27 unserer SM angekündigt hatten, ist nun erfolgt. Auf dem ersten, Anfang August eingetroffenen Schiffe befanden sich 135 Internierte, von denen der grösste Teil zunächst nach der Isle of Man gebracht wurde. Die 35 Internierten des zweiten Schiffes wurden nach der Landung sämtlich freigelassen, ein weiterer Transport ist unterwegs. Der Zeitpunkt des Eintreffens dieses Schiffes ist unbekannt. Wir berichten in dieser Nr. der SM über die Erfahrungen eines unserer Freunde in englischer Sprache.
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Vom illegalen Kampf in Frankreich und Polen
berichten einige kürzlich in England erschienene Broschüren, deren Lektüre wir allen Freunden empfehlen, weil sie uns ein Bild von den furchtbaren Leiden geben, die die von den Nazis unterdrückten Völker zu ertragen haben, aber [auch] von dem Heldentum der Widerstandsbewegung, das mit dem Heroismus der Illegalen in Deutschland selbst wetteifert.
"France and Britain" ist eine von dem "Anglo-French Cooperation Committee" der Fabian Society herausgegebene Sondernummer (Preis 3 d)[8], die auf die Bedeutung der freifranzösischen Bewegung und ihrer Armeen aufmerksam macht und Berichte aus Frankreich bringt, darunter ein von französischen Gewerkschaftern bei einer Zusammenkunft im besetzten Gebiet verfasstes Dokument, das in Form eines Manifestes Grundsätze für die Weiterarbeit der französischen Gewerkschaftsbewegung und für ihre zukünftige Entwicklung gibt. Besonders bemerkenswert ist, dass bei der Abfassung des Manifests auch Vertreter der christl[ichen] Gewerkschaften mitwirkten, dass die Ueberwindung des kapitalistischen Systems, die Ablehnung des Rassen-Vorurteiles, die Anerkennung der Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Gewerkschaftsbewegung vom Staate als Grundsätze verkündet werden.
"Slavery under Hitler's New Order", mit einem Vorwort von Sir Walter Citrine (Preis 1d)[9] und "Underground Poland Speaks", mit einem Vorwort von Noel Baker (Preis 2d)[10] sind von "Liberty Publications" (11 Waterloo Place, London, SW1) herausgegebene Broschüren, die erschütternde Dokumente für die Leiden des polnischen Volkes bringen.
Die zuletzt angeführte Broschüre ist illustriert und enthält ein von den Führern der illegalen Bewegung in Polen an die Völker der Welt gerichtetes Manifest, das von den Massenhinrichtungen, Volksvertreibungen, Unterdrückungsmassnahmen gegen Juden und Polen und von dem unermüdlichen und entschlossenen Kampfe der Illegalen berichtet und mit einem ergreifenden Appell an alle Völker der Welt, auch an das deutsche und italienische Volk, schliesst, - einem Appell, der ein Gelöbnis weiteren Kampfes ist, ein Bekenntnis zu dem Kriege, der zur Verteidigung der Zivilisation und der Menschenrechte gegen die Diktatoren gekämpft wird, und eine Mahnung, die illegalen Kämpfer in diesem Kriege nicht zu vergessen.
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Eine Beileidskundgebung zum Tode Marx Dormoys
hat im Namen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Hans Vogel an die in England lebenden französischen Genossen gerichtet. Das Schreiben lautet:
"Mit schmerzlicher Bewegung haben wir deutschen Sozialdemokraten, die in Grossbritannien im Exil leben, die abscheuliche Ermordung unseres Freundes Marx Dormoy[11] erfahren.
Wir richten an euch französische Sozialisten der Gruppe Jean Jaurès[12], die ihr zeitweilig unsere Gefährten im Exil geworden seid, diese Botschaft inniger Anteilnahme, mit der Hoffnung, dass es euch möglich sein wird, die französischen Arbeiter wissen zu lassen, dass die deutschen Feinde des Hitler-Regimes eure Empörung und euren Schmerz teilen.
Der Name Marx-Dormoy verlängert die schon allzu lange Liste der Opfer des internationalen Faschismus. Aber solche Opfer können nur die Wirkung haben, den Zorn der Arbeiter zu erhöhen, ihre Kräfte zu stärken und so die Stunde ihrer Befreiung zu beschleunigen.
Für jene unter uns deutschen Sozialisten, die aus Frankreich hierhergekommen sind, ist die Erinnerung an Marx-Dormoy besonders teuer geblieben, Wir werden nie vergessen, wie Marx-Dormoy in Fortsetzung der verständnisvollen und humanen Politik des bedauernswerten Genossen Roger Salengro[13] als Innenminister unter der Volksfrontregierung eine verständnisvolle und humane Politik den Flüchtlingen gegenüber befolgt hat, eine Politik, die würdig der schönsten Traditionen der französischen Republik war.
Wir erinnern uns tiefbewegt, wie er sich in den schwersten Stunden der Hitler-Invasion im Mai und Juni 1940 bemühte, zu unseren Gunsten gewisse von der Panik diktierte Polizeimassnahmen zu korrigieren.
Wir gedenken schliesslich einer rührenden Begebenheit, die sein Vertrauen in den Endsieg der Demokratien und zugleich seine internationale sozialistische Gesinnung beweist: Eine Solidaritätsbotschaft an die Arbeiter Frankreichs wurde von unserem Parteivorstand an euren gerichtet, bevor die deutschen Armeen sich Paris näherten, und sie brachte unseren Glauben an die schliessliche Niederlage Hitlers zum Ausdruck. Sie wurde von den Defätisten der Zensur verboten. Nur Marx-Dormoy wagte es, sich darüber hinwegzusetzen, und er veröffentlichte sie im "Courrier Socialiste" in Monluçon[14].
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Das war einer seiner letzten Glaubensakte als freier französischer Bürger. Wir hielten es für richtig, ihn bei diesem traurigen Anlass zu erwähnen. Nehmt, liebe Genossen, die Versicherung unserer brüderlichen Gesinnung entgegen."
Die zweite Nummer des "News Letter" _ [und weitere Hinweise]
wurde im August von der Union deutscher sozialistischer Organisationen in Grossbritannien in englischer Sprache herausgegeben. Sie enthält zahlreiche Mitteilungen über innerdeutsche Zustände, Berichte aus Frankreich und Belgien und Originalberichte über die Tätigkeit der Nazipropaganda in Bolivien.
Eine neue Monatsschrift "Renaissance"
wird von Willi Eichler herausgegeben, deren erste Nummer Beiträge über aktuelle politische Fragen in deutscher und englischer Sprache enthielt.[15]
"Die deutsche Walpurgisnacht"
Unter diesem Titel ist von Dosio Koffler[16] ein dramatischer Versuch im Verlage Lincolns-Prager (Preis sh 3/6) erschienen, zu dem Wickham Steed[17] ein Vorwort geschrieben hat. Der Verfasser lässt Goethe, Schiller und Nietzsche das Dritte Reich besuchen und teils mit echten, teils mit erfundenen Aussprüchen ihrem Ekel über das heutige Deutschland Ausdruck geben, wozu Mephisto den Kommentar liefert. Wie weit es dem Verfasser geglückt ist, die echten Zitate mit den Aeusserungen "im Stile" Goethes, Schillers und Nietzsches zu harmonisieren, bleibt dem Urteil der Literaturkritik überlassen, und es soll hier auch nicht gefragt werden, ob die Verbindung Nietzsches mit Goethe und Schiller überzeugend ist. - Wir verweisen auf diese Veröffentlichung auch deshalb, weil es die erste deutschsprachige Erscheinung in England seit Kriegsausbruch ist.
An unsere Leser! |
Wir benötigen noch einzelne gut erhaltene Nummern dieser "Sozialistischen Mitteilungen", insbes. die Nummern 1 und 19.
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Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London NW7.
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Briefe vom europäischen Kontinent
erreichen uns oft erst 3 Monate nach ihrer Absendung. Trotzdem behalten sie oft ein grosses Interesse und bilden eine wertvolle Ergänzung der Mitteilungen in Briefen aus Uebersee. Nachstehend bringen wir einige Auszüge aus Briefen:
Aus der Schweiz: (geschrieben Anfang Mai 1941)
"... In den vergangenen Monaten haben wir oft an Euch in London gedacht und immer gewünscht, öfter ein Lebenszeichen zu erhalten. Ich kann euch versichern, dass die ganze Schweiz England und seine Bewohner, besonders in den Städten, geradezu bewundert und fiebernd auf den Moment wartet, dass England zu schweren Schlägen ausholen kann. Dass dieser Moment bald einmal kommt, daran zweifelt hier kein Mensch, wie auch jedermann im Bilde darüber ist, was für Anstrengungen England mit seinem Commonwealth unternimmt, damit Europa von diesen Barbaren und dem von ihnen hervorgerufenen Alpdruck befreit wird ..."
Aus Istanbul-Türkei: (geschrieben Mitte Mai 1941)
"... Es ist schwer, in der heutigen Zeit Briefe zu schreiben. Briefe sind so lange unterwegs, dass sich vieles geändert haben kann, bevor der Brief ankommt ... Bis jetzt hat sich unsere Situation hier nicht geändert, und es geht uns sehr gut. Obwohl der Krieg bis an die Grenzen unseres Landes gekommen ist, ist das Leben vom Kriege noch nicht beeinflusst; es gibt weder Rationierung noch sonst eine Einschränkung. Aber die Türkei ist selbstverständlich gegen jeden Angriff vorbereitet. Hier zweifelt niemand an dem Endsieg des britischen Reiches. Dass der Krieg mit der Vernichtung des Nazismus enden wird, ist eine Banalität, denn es kann kein Zweifel darüber sein, dass es ohne die Vernichtung des Nazismus keinen Frieden in der Welt geben kann. Ich fürchte aber, der Kampf wird sehr lange dauern, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika nicht in den Krieg eintreten ... Täglich hören wir die Nachrichten aus London, und wir denken immer an euch in England."
Aus Schweden: (geschrieben Mitte Mai 1941)
"... Wir arbeiten hier noch wie zuvor. Was mich als Mann anbetrifft, geniesse ich ja in Bezug auf Arbeit eine gewisse Bevorzugung; denn alle Männer hier im Lande stehen in
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einer dauernden Bereitschaft, zum Militär eingezogen zu werden, soweit sie sicht nicht schon darin befinden. Ihr kennt ja sicher diesen Betrieb viel besser aus der Praxis, während hier an solchen 'Einberufungstagen' doch etwas Spannung in der Luft liegt. Selbstverständlich ist man selbst auch etwas nervös. Im übrigen ist die Stimmung trotz der schwierigen Lage des Landes eindeutig: nicht Dänemark, nicht Norwegen, sondern organisierter Widerstand gegen Verletzungen der schwedischen Grenze. Im übrigen ist die allgem[eine] Stimmung absolut englandfreundlich ... Natürlich sind die Preise wesentlich hochgegangen, die Löhne hinken dagegen den Preissteigerungen nach. Aber noch dürfte der Lebensstandard der Bevölkerung von ganz Europa am höchsten bei uns sein ...
[Die] Regierung und alle verantwortlichen Körperschaften haben bisher alles gemacht, um die Einheit des Landes zusammenzuhalten. Die Gerüchte, die oft im Ausland verbreitet wurden, die Schweden im Ansehen als selbstverständigen Staat herabzusetzen versuchen, sind mit grosser Vorsicht aufzunehmen. dass sich das Land vor den grössten Schwierigkeiten in jeder Hinsicht befindet, dürfte nicht so schwer zu ersehen sein ..."
Dr. Robert Klein[18], der einstige Gen[eral]-Sekretär des Einheitsverbandes der Privatangestellten in der CSR, der sich auch um unsere deutschen Flüchtlinge in Prag grosse Verdienste erworben hat, ist nach zweijähriger Haft im Konzentrationslager Buchenwald in geistiger Umnachtung gestorben. Vor Monaten ist auch sein engster Mitarbeiter in Prag, Robert Weil[19], als Opfer Hitlers aus dem Leben geschieden. Er hat nach seiner Flucht in Palästina Selbstmord verübt.
Erst jetzt erreichte uns die traurige Nachricht, dass unser Genosse Toni Reissner[20] mit seiner tapferen Frau und Tochter in den Tagen des Hitlereinmarsches in Holland den Freitod wählte. Reissner war in Deutschland Vorsitzender des Gesamtverbandes[21] und sozialdemokratisches Mitglied des Reichstages. Auch in der Emigration in Holland hat Toni Reissner als Redakteur der "Gewerkschaftszeitung" (vom IGB in Paris herausgegeben) seinen Anteil am Freiheitskampf der sozialdemokratischen Emigration an verantwortlicher Stelle geleistet. Die sozialdemokratische Emigration ist diesen toten Genossen grossen Dank schuldig.