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3. Freie Träger – vogelfrei?

Im Verlauf des Jahres 1990 orientierten sich nahezu alle breitenkulturellen Einrichtungen der neuen Bundesländer, die die Wende von 1989 bis dahin überlebt hatten, der ungewissen Zukunft zugewandt am westdeutschen Koordinatensystem. Nie war der Begriff „Soziokultur" so wertvoll wie damals – ein Umstand, der abermals die „Neue Kulturpolitik" frohlocken ließ, die ihr bürgerschreckendes Lieblingskind unversehens frisch gewickelt sah. Unter den Haushaltstitel Soziokultur läßt sich, wie heute in den neuen Bundesländern demonstriert, alles fassen, was schwer zu fassen ist (Er findet sein – zuweilen ideologisches – Gegenstück in dem Sammeltitel „Heimatpflege"). Das macht seinen Vorteil ebenso aus wie seine Hypothek. Soziokultur hatte man sich in Deutschland West ausgedacht, um kulturelle Praxis anders zu gestalten, als Prinzip, das einmal die gesamte Kultur durchdringen wollte, vielfach aber nur in einem wohlgestalteten, gut vernetzten Ghetto gelandet ist.

Ein gemeinsamer Versuch der soziokulturellen Dachorganisationen, sich auf einen gesamtdeutschen Begriff zu verständigen, mündete denn auch 1991 mit der „Wiepersdorfer Erklärung" wiederum in den Konsens des alten Ideals:

„,Soziokultur’ bezeichnet eine kulturelle Praxis.

  • die den Zugang zu Kunst und Kultur erleichtert;
  • die statt ,Kulturkonsum die gestalterische Selbsttätigkeit möglichst vieler Menschen fördert und ihre ästhetischen, kommunikativen und sozialen Bedürfnisse und Fähigkeiten entfaltet;
  • die die alltägliche Lebenswelt einbezieht und
  • die zugleich eine Rückwirkung der so entstehenden Formen von Kunst und Kultur in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit anstrebt." (Strukturhilfe Soziokultur. Wiepersdorfer Erklärung vom 14./15. Oktober 1991, Dortmund/Unna/Essen/Remscheid/Hagen, Januar 1992, hier S. 6)

Ein sympathischer Katalog. Was der Rettungsanker Soziokultur denn sei, war schon im alternativen Altenteil der Bundesrepublik schwer zu definieren, faktisch am ehesten greifbar im Wachsen und Werden eines neuen Typus von Kultureinrichtung, dem „Soziokulturellen Zentrum". Darin sind die „Alternativen" nun überwiegend seßhaft und somit im (haushalts)politischen Ordnungssinn westdeutscher Kommunalpolitik wenigstens mit einer zuwendungsfähigen Schublade versehen.

Die erfolgreiche Institutionalisierung der Soziokultur veranlaßte Hans-Jörg Siewert zu der rhetorischen Frage, ob die Soziokultur West in den klassischen Zentrentypen des Gemischtwarenladens „erfolgreich gescheitert" sei und zu der Mahnung, sich wieder konsequenter auf das „Werkstattprinzip" zur Erschließung neuer Inhalte zu orientieren. Auch verweist er auf die Tendenz vieler Zentren, sich in ihrem Angebot in Konkurrenz zu kommerziellen Anbietern zu begeben, und auf die folglich schwindende Zuwendungsfähigkeit dieser Inhalte (Hans-Jörg Siewert: Profil Soziokultur. Soziokulturelle Zentren auf dem Weg zur alternativen Stadthalle? In: „rundbrief" nr. 18/1995 der LAG Soziokultur Niedersachsen, S. 15).

Trotz dieser Debatten, die seit einigen Jahren schon zu heftigen steuerrechtlichen Auseinandersetzungen führen, ist man in der Soziokultur-West stolz auf die Tradition des dornigen Weges zur Anerkennung und auf die angebliche basisdemokratische Selbstorganisation. Kein Wunder also, daß es zwischen West- und Ost-Soziokultur zum Teil bis heute erhebliche Verständigungsprobleme gibt, denn: Was ist basisdemokratisch an den Ost-Einrichtungen, die sich vom „Kreiskabinett für Kulturarbeit" in das „Soziokulturelle Zentrum des Kreises X" umgetauft haben, aus „Wessi"-Sicht ihre alte „Volkskulturstrecke" weiterfahren und die geheiligte „freie Trägerschaft" scheuen wie der Maulwurf das Gas? Ein gerechtes Urteil? Nehmen wir als Beispiel das Soziokulturelle Zentrum des Kreises Z.:

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3.1 Fallbeispiel: Das Sterben eines Soziokulturellen Zentrums

Mitte Dezember 1990 faßt der Landkreis Z den Beschluß, das bisherige „Kreiskabinett für Kulturarbeit" in ein „soziokulturelles Zentrum" umzuwandeln. Als Zielsetzung für die „multifunktionelle Kultur- und Kommunikationseinrichtung" wird ein „reichhaltiges Programm für kreative Eigeninitiative, Gruppenaktivitäten sowie Klub- und Vereinsarbeit unterschiedlichster Art" für alle Bevölkerungsschichten bestimmt und als Aufgabenstellung formuliert:

  • „Förderung und Unterstützung der inhaltlichen und künstlerischen Gestaltung des kulturellen Lebens in den Städten und Gemeinden des Landkreises.
  • Vermittlung von Musik und Künstlern zur Gestaltung von Festen und Feiern."

Das soziokulturelle Zentrum wird als gemeinnützige „eigenständige Einrichtung" des Landkreises sowie als „juristische Person und Haushaltsorganisation" beschrieben, die eine „institutionelle Förderung" vom Landkreis erhalte und im Rechtsverkehr durch seinen Direktor vertreten wird. Diese schon nach der Kommunalverfassung von 1990 unhaltbare Konstruktion eines Zwitters zwischen Eigenbetrieb und selbständiger Körperschaft zeigt beispielhaft die juristischen Probleme auf, die sich bei solchen Vorhaben noch weit bis in das Jahr 1991 hinein stellten.

Die (kommunal)rechtlichen Einordnungsschwierigkeiten beruhten darauf, daß in der DDR die MitarbeiterInnen der Kreiskulturkabinette Beschäftigte der Kreise waren, die Trägerschaft der Häuser jedoch häufig bei der „Fundament-Gesellschaft" lag, deren Besitz dem Treuhandvermögen zugeordnet wurde. Für die Liegenschaften war folglich ein Zuordnungsantrag zu stellen und zu begründen.

Mitte 1992 endlich übertrug das Direktorat für Kommunalvermögen der Treuhandanstalt Berlin die Liegenschaft „soziokulturelles Zentrum in Z." in das Eigentum des Landkreises. Mit der Übertragung waren u.a. die Auflagen verbunden,

  1. laufende Wirtschafts- und Nutzungsverhältnisse einschl. Verbindlichkeiten und offene Kredite sowie
  2. beschäftigte Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten aus den bisherigen Arbeitsverhältnissen zu übernehmen.

Die Zuordnung erfolgte mit der Begründung, daß dem Landkreis Z. die Liegenschaft aufgrund der nachgewiesenen Nutzung (= soziokulturelles Zentrum) als Verwaltungsvermögen zustehe. Mit dieser Zuordnungsvoraussetzung war also eine Zweckbindung verbunden, die sich auf die Sicherstellung des Nutzungszweckes sowie auf die Arbeitgeberpflichten unmittelbar auswirkt.

Die Vermögenszuordnung von 1992 war Voraussetzung, daß das soziokulturelle Zentrum über den Zuwendungsempfänger (Landkreis) aus Mitteln des kulturellen Infrastrukturprogrammes sowie mit weiteren Zuwendungen zum Zwecke der baulichen Sanierung staatlich gefördert werden konnte. Der Zuwendungsbescheid von 1993 führt in seinen Nebenbestimmungen ebenfalls eine Zweckbindung für die mit diesen Mitteln hergestellten Gebäude bzw. erworbene Gegenstände auf. Die Zweckbindung beträgt für die Gebäude 25 Jahre, für Gegenstände 10 Jahre. Erst nach Ablauf dieser Frist ist eine Verfügung über beschaffte Gegenstände möglich.

Im Herbst 1993 – die Gebietsreform und die Kommunalwahlen stehen bevor – vereinbaren der Landrat und der Vorsitzende des zwischenzeitlich gegründeten Fördervereins für das Zentrum die Überführung der Einrichtung in die freie Trägerschaft des Vereins. Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht der Wille, die Einrichtung so unbeschadet durch die Zusammenlegung mit einem Nachbarkreis zu bringen. Im Januar 1994 beschließt der Kreistag diese Überführung zum 1. 1. 1994. Im Vertrag mit dem Landkreis werden u. a. folgende Regelungen getroffen:

  • Der Verein übernimmt die Gebäude auf „Miet- bzw. Nutzungsbasis". Dazu sind gesonderte Miet- bzw. Nutzungsverträge abzuschließen. Das (zum Zeitpunkt der Überleitung vorhandene) Inventar wird mit der Überleitung in das Eigentum des Vereins überführt. Dieser hat es im Falle des Trägerwechsels bzw. einer Veränderung des Nutzungszweckes zurück in das Eigentum des Landkreises zu geben.
  • Der Verein tritt mit allen Rechten und Pflichten gemäß § 613 a BGB in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Ein Personalüberleitungsvertrag und eine Mitarbeiterliste sind als Bestandteile des Grundvertrages vermerkt. Der Verein wird verpflichtet, Weiterbildung und Qualifizierung der MitarbeiterInnen zu gewährleisten bzw. zu unterstützen. Der Landkreis hält den Verein ferner von allen Ansprüchen der Mitarbeiter frei, die sich aus der alten Trägerschaft ergeben.
  • Der Landkreis verpflichtet sich zur Zahlung eines Betriebskostenzuschusses „im Personal- und Sachkostenbereich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel", die der Verein unter dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu verwenden hat. Zugleich wird der Verein verpflichtet, Dritt-Fördermittel einzuwerben. Über die Zuschußhöhe soll jährlich neu verhandelt werden.
  • Der Landkreis verpflichtet sich vertraglich zur Übernahme der Gebäude- und Haftpflichtversicherungen (Verkehrssicherungspflicht), der Verein zum Abschluß aller anderen sich aus der Nutzungsart ergebenden Versicherungen.

Über Nacht ist der Verein Mieter, Arbeitgeber und kultureller Unternehmer. So startet der neue freie Träger Anfang 1994 mit Elan ein umfangreiches Programm in der Kreisstadt und einigen anderen Gemeinden, das von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gut angenommen wird. Anfang gut, alles gut? Mitnichten, denn noch im ersten Haushaltsjahr beginnen die Probleme mit dem leidigen Geld:

Schon bei der Überführung des soziokulturellen Zentrums in die freie Trägerschaft sind die Bemessungs- und Zuwendungsgrundlagen vertraglich nicht eindeutig geregelt und werden von den Vertragspartnern unterschiedlich interpretiert. Bei der Zuschußberechnung durch den Landkreis werden weder Gebäudeabgaben noch die künftige Miete einbezogen. Hierbei handelt es sich um eine fünfstellige Größenordnung. Da die Miete zwar zuwendungsfähig ist, jedoch wieder an den Landkreis zurückfließt, entsteht dem Trägerverein schon im ersten Rechnungsjahr ein rechnerisches „strukturelles Defizit" von nahezu 100 TDM. Dennoch verzichtet er nach einmaligem erfolglosen Versuch auf eine Nachforderung und läßt sich durch die hervorragende Entwicklung der Eigeneinnahmen blenden. Im Herbst 1995 aber kommt es zur Krise, da die Konten wiederholt keine Deckung aufweisen und auch im Haushaltsjahr 1995 die Zuschußbemessung weiter verringert wurde. Zugleich sind Strukturveränderungen erforderlich, die das bisherige Finanzierungsgefüge spürbar verändern werden. Denn angesichts der günstigen Einnahmenentwicklung in der Gastronomie muß hier eine Verselbständigung (voraussichtlich im Wege einer Verpachtung) erfolgen, da der Umsatz bei einer Ausweitung die Steuerfreigrenzen überschreiten könnte, zudem eigentlich auch das Personal mindestens anteilig dem steuerschädlichen Umsatz zugeordnet werden müßte.

Ausweglos ist die Lage des Trägervereins im Haushaltsjahr 1996: nachdem bereits 1995 vom Landkreis ein um 80 TDM geringerer Zuschuß als 1994 gezahlt wurde, ist der Ansatz für 1996 um weitere 100 TDM so gesenkt worden, daß für den Verein selbst nach überarbeitetem Haushalt noch eine Deckungslücke in Höhe von 125 TDM entsteht. Hinzu kommt das bereits aus den Vorjahren mitgeschleppte strukturelle Defizit, das beim Jahresabschluß 95 berechnet werden muß.

Dem Landkreis sind diese strukturellen Haushaltsprobleme spätestens seit Vorlage des Verwendungsnachweises 1994 bekannt. Außerdem sieht die Trägervereinssatzung vor, daß der Leiter des Kulturamtes des Landkreises den Vertragspartner als „geborenes" Mitglied im Vereinsvorstand vertritt, um auftretende Probleme schon im Vorfeld behandeln zu können. Trotz Kenntnis des Sachverhalts und aller Interventionen des Vereins gegenüber Verwaltung und Parteien bleibt der Landkreis bei der reduzierten Zuwendung. Da auch beantragte Zuschüsse der Kreisstadt nicht gewährt wurden, ist zum jetzigen Zeitpunkt abzusehen, daß der Vereins- und Einrichtungshaushalt 1996 nicht zu decken ist. Gefährdet ist damit zugleich ein kulturelles Angebot, das der Verein in einer benachbarten kreiszugehörigen Stadt mit deren finanzieller Projektförderung unterhält.

Wie zum Hohn verhandelt der Landkreis zu diesem Zeitpunkt über einen Verkauf der Liegenschaften an den Trägerverein, da angeblich ein Erbbaupacht-Modell rechtlich nicht möglich sei.

In dieser Situation versucht der Verein, den Rechtsweg einzuschlagen. Doch schon stellt sich das nächste Problem ein: Wogegen soll man klagen? Ein Zuwendungsbescheid, gegen den Widerspruch einzulegen wäre, wurde vom Landkreis nie erlassen, und die Aufforderung, einen solchen endlich dem Verein zukommen zu lassen, wird mit dem Hinweis auf den Vertrag abgelehnt. Dennoch wird vom Verein Ende 1996 Klage beim Verwaltungsgericht auf Erfüllung des Vertrages eingelegt. Doch das Verwaltungsgericht hat noch andere Fälle zu bearbeiten, und so kommt der Verein erst einmal in die Warteschleife.

Zwischenzeitlich wird von dem Verein versucht, den Konkurs bzw. die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Dabei ist das Personal besonders engagiert: Schon 1995 wurde auf die tarifliche Anpassung der Gehälter sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet. 1996 wurde auf weitere Gehaltsbestandteile verzichtet – es ging ja schließlich um die eigenen Arbeitsplätze. Als auch dieses nichts mehr half, mußten die ersten Kündigungen ausgesprochen werden. Die betroffenen Personen stellten nun fest, daß aus ihrem früheren Arbeitsverhältnis beim Landkreis keine Rechte mehr abzuleiten waren. Zwar waren die Personalakten nie dem Verein als neuem Arbeitgeber, der in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers eintreten sollte, übergeben worden. Und auch der Personalüberleitungsvertrag war nie formuliert, geschweige denn abgeschlossen worden. Doch die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung ergibt, daß hieraus für die Mitarbeiter keine Rechte abzuleiten sind. Sie sind nicht nur ihren Arbeitsplatz los, sondern werden zudem bei der Bemessung der Arbeitslosenunterstützung für ihren Gehaltsverzicht, mit dem sie doch ihren Arbeitsplatz retten wollten, noch einmal bestraft.

Im Herbst 1997 ist immer noch kein Termin beim Verwaltungsgericht abzusehen. An der grundsätzlichen Situation hat sich nichts geändert. Zwar hat der Landkreis die Mietzahlungen gestundet, jedoch um sie mit dem weiterhin nicht wieder erhöhten Zuschuß in 1998 zu verrechnen. In dieser Situation entschließt sich der Verein, eine einstweilige Anordnung bei Verwaltungsgericht zu beantragen. Im März 1998 kommt es zur Verhandlung vorm Verwaltungsgericht:

Die Vereinsvertreter erfahren nun, daß sich aus dem seinerzeitigen Vertragswerk keinerlei Rechte ableiten lassen. Die Verträge seien sehr nachlässig formuliert, jedoch gleichwohl gültig. Die als Zeugenaussage eingebrachte Absicht der seinerzeitigen Entscheidungsträger des Landkreises zur dauerhaften Absicherung des Trägervereins, wie sie der damalige Landrat darlegte, sei unerheblich, vielmehr sei das Verhalten des Landkreises durch die Verträge abgesichert. Das Gericht rate daher zu einer Rücknahme der Klage und einer außergerichtlichen Einigung.

Da vor einer Entscheidung eines Berufungsgerichtes der Verein bereits der Zwangsvollstreckung nicht mehr hätte ausweichen können, folgen die Vereinsvertreter dem richterlichen Ratschlag. Zwar erklärt sich der Landkreis bereit, beim Schuldenabbau mitzuwirken, bindet diese Zusage jedoch an die Verpflichtung des Vereins, seine Satzung derart zu ändern, daß künftig alle Vereinsbeschlüsse vor ihrer Ausführung der Zustimmung des Landkreises bedürfen.

Das hier geschilderte Horrorszenario ist authentisch und seit mehreren Jahren kennzeichnend für eine wachsende Zahl unterschiedlicher Einrichtungen in freier Trägerschaft. In nahezu allen Fällen gibt es Verträge, die eindeutig auf eine nachhaltige Sicherung der Einrichtungen zielen. Tatsache ist aber, daß sich die Zuschußhöhen der Gebietskörperschaften seit Jahren in immer stärkeren Maße verringern. Von manchen Kommunalverwaltungen wurden sogar die rechtlich vereinbarten, eindeutigen Zuwendungsgrundlagen nicht beachtet, selbst wenn diese eine „Nachschußpflicht" im Falle entstandener Defizite beinhalten. Umgekehrt haben die LeiterInnen solcher Einrichtungen selten den Mut, sich und den kommunalen Partnern die wachsenden strukturellen Defizite einzugestehen. Sie neigen im Gegenteil dazu, sich gesund zu rechnen und in die Haushaltsentwürfe fiktive Deckungsposten einzubauen (z. B. 70 TDM an Spenden und Sponsoring), die unter keinen Umständen zu erreichen sind. Viele Träger schleppen sich noch dahin, indem sie ein zeitweilig gefülltes Konto für „Liquidität" halten. Dieses Wechselspiel führt unweigerlich in den Konkurs oder zur Konkursverschleppung. Weder Kommunalverwaltungen noch die Vereinsvorstände werden, wenn sie den Kopf in den Sand stecken, ihren Fürsorgepflichten gerecht.

Die Versuche, Trägerkonkurse abzuwenden, sind nach unseren Erfahrungen äußerst problematisch und nur selten erfolgreich, auch wenn Arbeitsverwaltung, Versicherungen, Sozialversicherung und Finanzamt sich zeitweilig auf Stillhalteabkommen und Kompromisse einlassen. „Entschuldungsstrategien" sind für gemeinnützige Träger bei Defiziten in der geschilderten Größenordnung nahezu ausgeschlossen, da es entsprechende öffentlich finanzierte Entschuldungsprogramme nicht gibt. Selbst bei radikaler Verringerung des Personalbestandes, die meist von Arbeitsprozessen begleitet ist, und bei Aufnahme von Krediten – sofern die Banken dazu überhaupt bereit sind – würde sich eine Entschuldung über Jahre hinziehen, zumal projektgebundene und institutionelle Förderungen nur in geringem Maße zur Sanierung im Gemeinkostenbereich verwendet werden können bzw. dürfen.

Zudem treten meist zwei weitere Teufelskreise hinzu: Eine Personalverringerung führt unweigerlich zur meist drastischen Einschränkung des Angebotes und zieht eine sinkende Akzeptanz der Einrichtung nach sich. Außerdem neigen die fördernden Kommunen in solchen Situationen häufig dazu, den gemeinnützigen Träger zu einer Intensivierung steuerpflichtiger wirtschaftlicher Tätigkeiten (z. B. in der Gastronomie) zu drängen, ohne sich auch nur im Ansatz mit den Grundlagen der Gemeinnützigkeit zu befassen. Gerät die als „ideell" eingestufte steuerbegünstigte Arbeit bzw. der sogenannte „Zweckbetrieb" an Umfang und Umsatz ins Hintertreffen, entfällt die Gemeinnützigkeit und damit meist die entscheidende Zuwendungsvoraussetzung für die öffentliche Hand.

Bei aller Wertschätzung freier Trägerschaft und ihrer unbestrittenen Eignung für kreative kommunale Kulturarbeit: Vor dem Hintergrund dieses Beispiels, dem sich ständig neue hinzugesellen, verstehen wir die Angst kommunaler Einrichtungen vor einer solchen „Entlassung" in das Abwicklungsmodell „freie Trägerschaft" nur zu gut.

Nach diesem geballten Pessimismus dennoch ein Versuch aufklärender Hilfestellung für freie Träger und ihre politischen Schöpfer:

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3.2 Was heißt eigentlich „Freie Trägerschaft"?

Freie Trägerschaft ist keine „Privatisierung" in dem Sinne, daß ein „Investor" oder „Sponsor" die öffentliche Hand um eine Sorge erleichtert. Vielfach herrscht in Verwaltungen und Kommunalparlamenten die Meinung vor, die „Entlassung" einer Einrichtung in „freie" Trägerschaft komme einer finanziellen Lastenabwälzung auf Private gleich. Nur so ist es zu erklären, daß Vertragsentwürfe der Kommunen in vielen Fällen eine stark reduzierte oder über längere Zeiträume degressive öffentliche Förderung vorsehen und zugleich den künftigen Träger verpflichten wollen, mehr Eigenmittel zu „erwirtschaften" und sich „Sponsoren" zu suchen. Solches Wunschdenken vermengt nicht nur unvergleichbare Sachverhalte miteinander, sondern stellt vor allem die Realitäten bundesdeutscher Kulturfinanzierung auf den Kopf.

3.2.1 Subsidiarität in der Kulturförderung

Freie Trägerschaft beruht auf dem oft zitierten „Subsidiaritätsprinzip" (subsidium, lat., = „Hilfe"). Dies ist die Lehre, daß das Gemeinschaftsleben nur dann in rechter Weise geordnet sei, wenn die jeweils übergeordnete Gemeinschaft nur die Aufgaben an sich zieht, die von der untergeordneten nicht erfüllt werden können. Die Subsidiarität, die übrigens nach der katholischen Soziallehre als Strukturprinzip der Gesellschaft gilt, prägt heute den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland und die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Gemeinden, Ländern und dem Bund. Sie gilt in erster Linie auch für die anteilige Finanzierung öffentlicher Aufgaben. So war z. B. die sogenannte „Übergangsfinanzierung" für die ostdeutsche Kultur durch den Bund eine befristete subsidiäre Leistung, mit der die anfängliche Finanzschwäche der neuen Länder und der Kommunen kompensiert werden und der Umstrukturierungsprozeß ermöglicht werden sollte. Das Subsidiaritätsprinzip gilt – gleichgültig ob Pflichtaufgabe oder freiwillige Aufgabe – auch für die Förderung freier Träger durch die öffentliche Hand. Im Sozialrecht ist der Vorrang für subsidiäres Handeln gesetzlich festgelegt. Beispielsweise regelt § 4 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG), daß die öffentliche Jugendhilfe nicht tätig werden soll, wenn Maßnahmen durch anerkannte freie Träger durchgeführt werden können. Ziel dieser Gesetzgebung ist es, die Trägervielfalt und die Unabhängigkeit freier Träger sichern zu helfen. Auch wenn in der Kulturförderung vergleichbare Gesetze fehlen, so hat sich dieses Verständnis von Subsidiarität und das Prinzip, freien Trägern wo immer möglich den Vorzug einzuräumen, in Kulturpolitik und Kulturfinanzierung der Bundesrepublik ebenfalls durchgesetzt. Freie Trägerschaften und die öffentliche Unterstützung von Vereinen und Initiativen sind demnach im Ursprung keine Frage allein haushaltspolitischer Erwägungen. Sie beruhten vielmehr auf der Überzeugung, daß freiwilliges Engagement von Bürgerinnen und Bürgern das Gemeinwesen fördert und demokratische Vielfalt sichert. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entscheidung für freie Trägerschaften zu begrüßen. Als Beispiel für dieses Selbstverständnis noch einmal ein Auszug aus der „Wiepersdorfer Erklärung":

„Die Soziokultur ist traditionell eng verbunden mit den Ideen der Selbsthilfe und der Selbstbestimmung; sie nimmt die kulturellen Interessen und Ausdruckformen der Menschen ernst und will durch konkrete Initiativen und Projekte Hilfe zur kulturellen Selbsthilfe leisten, damit die Menschen ihre Interessen und Wünsche formulieren und umsetzen lernen. Kennzeichnend für diesen politischen Anspruch sind die drei Zentralbegriffe: Selbstbestimmung, Dezentralisierung und Kooperation. Sie markieren die Ziele der Soziokultur im Kontext einer weiteren Demokratisierung der Gesellschaft durch Kultur." (a.a.O., S. 7 f.)

3.2.2 Vorrang der öffentlichen Kulturförderung

Freie Trägerschaft wird häufig vor allem mit folgenden Vorstellungen verknüpft:

  • Kosteneinsparung,
  • Ausstieg aus (kultur)politischer Verantwortung,
  • Senkung der „Abwicklungsschwelle".

Subsidiarität beruht auf dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe". Dieses aber bedeutet, daß die öffentliche Hand im Rahmen ihrer Möglichkeiten freie Träger nicht nur ideell, sondern vor allem auch finanziell unterstützt. Eine deutliche Kostenreduzierung ist also mit freier Trägerschaft nur in seltenen Fällen verbunden, auch wenn eine „institutionelle Förderung" dem Träger einer Einrichtung den sogenannten „Fehlbetrag" im Haushaltsplan als Zuschuß gewährt. Freie Träger – zumal in der Kulturarbeit – sind nur selten in der Lage, sich überwiegend durch „Eigenmittel" (Beiträge, Spenden usw.) zu finanzieren. Derartige Erwartungen entbehren jeder Grundlage, denn private Kulturförderung hat in der Bundesrepublik mit einem Anteil von 4 bis höchstens 6 % im Vergleich zum Engagement der öffentlichen Hand untergeordnete Bedeutung. Dies wird sich auch bei anhaltenden Steigerungsraten nicht ändern, auch nicht durch Stiftungen, Sponsoring und andere Instrumentarien, in die von strapazierten Haushaltspolitikern und Vereinsfunktionären bei weitem übertriebene Hoffnungen gesetzt werden.

Zum Sponsoring folgende Literaturempfehlung: Olaf Zimmermann: Kunst und Kultur – Spenden- und Sponsoringmarkt der Zukunft? (Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing, 1997.

Die Tatsache, daß amerikanische Verhältnisse in der privaten Kulturförderung bei uns nicht in Sicht sind und auch private Förderer den Vorrang der öffentlichen Kulturförderung voraussetzen, macht deutlich, daß eine Trägerschaftsentscheidung die politische Entscheidung für oder gegen ein kulturelles Angebot nicht ersetzt. Ein freier Träger kann flexibler wirken und zum Teil kostengünstiger wirtschaften, da er von den Zwängen der Kameralistik (= in der öffentlichen Verwaltung übliche Form der Aufzeichnung von Kassenvorgängen. Zur Kontrolle werden getrennte Einnahme- und Ausgaberechnungen als in sich addierbare Rubriken geführt, von denen jede zwei Spalten zum fortlaufenden Vergleich zwischen Soll und tatsächlichem Bestand hat) und den mit ihr verbundenen umständlichen Entscheidungsprozessen befreit ist. Auch kann er besser als öffentliche „Regiebetriebe" Spenden und Zuwendungen Dritter einwerben. Zum „Nulltarif" aber nimmt er öffentlichen Trägern keine Leistung ab, schon gar nicht bei den „laufenden Kosten" (Personal, sonstige Betriebskosten)!

Unabhängig von finanziellen Erwägungen gibt es noch weitere Gründe, die – unter ungefährlichen Rahmenbedingungen – für eine freie Trägerschaft sprechen: solche privatrechtlichen Zusammenschlüsse bieten eine oft in der Lokal- und Regionalpolitik fehlende Artikulationsmöglichkeit für gemeinsame Interessen und sichern eine unabhängige Position im kulturellen und kulturpolitischen Diskurs. Zudem bietet der Verein eine flexible Struktur zur Ausgestaltung gemeinsamer Ziele, die im Vergleich zu anderen Betriebsformen relativ wenigen gesetzlichen Einschränkungen unterliegt.

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3.3 Ein freier Träger soll entstehen – was ist zu tun?

Die nachfolgenden Hinweise und Ratschläge beschränken sich auf die wesentlichen Schritte und immer wieder auftretenden Kenntnislücken. Sie ersetzen keinesfalls die nötige Beschäftigung mit weiterführender Fachliteratur sowie die Hinzuziehung etwa von Notaren und Steuerberatern in dieser Arbeitsphase. Dringend anzuraten sind auch Kontakte zu bereits bestehenden (vergleichbaren) freien Trägern am Ort oder in der Region, deren Erfahrung und Unterstützung viel Lehrgeld erspart und in „Durchhängephasen" oft entscheidend zur Weiterarbeit ermutigen kann.

3.3.1 Satzung und Gemeinnützigkeit

Ein Verein kann die jeweilige Einrichtung nur dann übernehmen, wenn er rechtsfähig und gemeinnützig ist. Dazu bedarf er einer Satzung (= Verfassung des Vereins), die den Erfordernissen des Vereinsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch und der Abgabenordnung (AO) genügt. Die Eintragung wird über einen Notar (der auch die Satzung noch einmal prüft) beim zuständigen Amtsgericht (Registergericht) vorgenommen, die Gemeinnützigkeit kann parallel dazu beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Wichtiger Hinweis: Die Eintragungsgebühr beim Amtsgericht ermäßigt sich, wenn der Verein gemeinnützig ist. Dies geschieht entweder durch Vorlage des sog. vorläufigen Freistellungsbescheides des Finanzamtes bei der Eintragung oder im Nachhinein, wobei die Gebührendifferenz dann erstattet wird. Es wird dringend empfohlen, sich bei der Formulierung der Satzung beraten zu lassen (sowohl juristisch als auch durch erfahrenes Personal vergleichbarer Träger oder von Dachverbänden). Nur so können die Bestimmungen speziell auf die Bedürfnisse des Vereins und seine Ziele zugeschnitten werden. Anschließend sollte der Satzungsentwurf sowohl den Rechtspflegern beim Registergericht als auch den zuständigen Bearbeitern beim Finanzamt zur Vorprüfung vorgelegt werden. Dies kann schriftlich geschehen, wobei Zeitverluste hinzunehmen sind, oder auch mündlich, wobei es sich empfiehlt, das Gespräch mit zwei Personen (Vorstandsmitglieder oder Beistand) zu führen. So können Mißverständnisse vermieden und nachträgliche (zeitraubende) Satzungsänderungen ausgeschlossen werden. Die Satzung sollte von der Mitglieder- bzw. Gründungsversammlung erst nach einer solchen Vorprüfung beschlossen werden. Die Gründungsversammlung kann aber auch beschließen, daß der vertretungsberechtigte Vorstand Änderungen, die Registergericht oder Finanzamt verlangen, redaktionell vornehmen darf. Enthält eine Satzung allerdings schwerwiegende formale Defizite und Regelungslücken, dann wird eine Überarbeitung nicht mehr als „redaktionell" betrachtet und erfordert eine erneute Mitgliederversammlung. Die Eintragung kann sich dadurch oft erheblich verzögern.

In jüngerer Zeit geraten viele neue Vereine auch deshalb mit ihren Plänen in Verzug, weil immer mehr Rechtspfleger/innen der Registergerichte eine Vorprüfung ablehnen. In den uns bekannten Fällen war unzweifelhaft festzustellen, daß der Zeit- und Vewaltungsaufwand der Registergerichte durch die dann nach Gründung erfolgenden Auseinandersetzungen spürbar erhöht wird. Deshalb ist zu hoffen, daß die Bereitschaft zur Vorprüfung wieder wächst oder aber entsprechende Weisungen diesen sinnvollen Service verbindlich regeln. Erfreulich ist hingegen, daß bei Finanzämtern die Hilfsbereitschaft gegenüber Vereinsgründern deutlich wächst.

Amtsgericht und Finanzamt achten jeweils auf ganz unterschiedliche Festlegungen und Formulierungen. Das Finanzamt interessiert sich in erster Linie für die Aussagen in den §§ 2 (Zweck und Aufgaben) und 13 (Auflösung und Liquidation) der Mustersatzung in Kapitel 4.1 (s. u.).

Maßgeblich für die Abfassung der Satzung und die „tatsächliche Geschäftsführung" des Vereins (= inhaltliche Tätigkeit und Haushaltsführung!) sind das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), 1. Buch, 1. Abschnitt, zweiter Titel „Juristische Personen", I. Vereine von § 21 bis § 79 sowie die Abgabenordnung (AO 1977) in ihrer jeweils geltenden Fassung, hier der Dritte Abschnitt „Steuerbegünstigte Zwecke" (§§ 51 bis 68). Taschenbuchausgaben des BGB und der Abgabenordnung sollten alle Geschäftsstellen freier Träger besitzen.

Die Gemeinnützigkeit wird von den Finanzämtern nur rückwirkend (im Regelfall für drei Geschäftsjahre) erteilt. Deshalb erhält ein neuer Verein anfangs einen befristeten „vorläufigen Freistellungsbescheid". Stellt sich bei einer Überprüfung der „tatsächlichen Geschäftsführung" heraus, daß der Verein innerhalb des fraglichen Zeitraumes Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nicht erfüllt hat, kann die Gemeinnützigkeit auch rückwirkend versagt und volle Steuerpflicht festgestellt werden. Dieser Umstand ist vielen Akteuren nicht bewußt und führt in der Praxis leicht zum Konkurs. Genauestens beachtet werden müssen auch die Vorgaben für die Spendenabwicklung. Für die Förderung von Kunst und Kultur gilt noch immer, daß Zuwendungen nur als „Durchlaufspende" über öffentlich-rechtliche Körperschaften an gemeinützige Kulturträger fließen dürfen. Dies kann entweder durch Direkteinzahlung an die Kommune mit Auflage zur Weiterleitung geschehen oder durch das häufig angewendete „Listenverfahren". Hierbei wandert die Spende – vereinfacht beschrieben – vom gesonderten Spendenkonto eines Vereins auf ein Verwahrkonto beispielsweise der Kommune und nach Erteilung der Spendenbescheinigung durch die Kommune zurück auf das Normalkonto des Vereins. Erst nach diesem kleinen Umweg (von manchmal mehreren Monaten) „gehört" die Spende rechtlich dem Verein. Noch komplizierter gestaltet sich die „Wäsche" einer Sachspende an kulturelle Träger. Das heute steuerrechtlich nicht mehr nachvollziehbare und die private Kulturförderung benachteiligende „Listenverfahren" dürfte mit der nächsten Steuerreform – so sie denn einmal politisch bewältigt wird – endlich der Vergangenheit angehören. Zuvor aber ist es ratsam, im Zweifelsfalle das zuständige Finanzamt zu konsultieren.

3.3.2 Verträge zwischen Kommune und Betreiber

Der eingetragene, rechtsfähige und gemeinnützige Verein schließt durch seinen vertretungsberechtigten Vorstand (§ 26 BGB) einen oder mehrere Verträge mit der jeweiligen Kommune ab, in denen die Modalitäten des Betriebs einer Einrichtung und der Förderung durch die Stadt geregelt werden. Die in Kapitel 8 (Anhang) abgedruckten Muster für Förder- und Überlassungsverträge beruhen auf langjährigen Erfahrungen in diesem Bereich. Sie können je nach Gegebenheiten ausgestaltet und auch zu einem einzigen Vertragswerk zusammengefaßt werden.

Oft legen Verwaltungen Vertragsentwürfe vor, die in Form und Inhalt eher einem geläufigen Mietvertrag ähneln und für eine Vereinbarung mit freien Trägern über den Betrieb einer Einrichtung sowie die kostenfreie Überlassung von Räumen, Gebäuden und Grundstücken ungeeignet sind. Daraus können beiden Parteien erhebliche Nachteile erwachsen. Wenn eine Kommune den freien Träger wirklich sachgerecht fördern und ihm ein optimales Wirken ermöglichen will, dann ist der Weg der kostenfreien (= miet- und pachtfreien) „Überlassung" einer Einrichtung am sinnvollsten. Andernfalls wäre eine Miet- oder Pachtzahlung wieder „zuwendungsfähig", d. h., sie würde von der Kommune erstattet. Dieser finanzielle „Verschiebebahnhof" kompliziert die Abläufe erheblich. Das Überlassungsmodell sichert dem Verein am ehesten eine Mitfinanzierung seiner ideellen Tätigkeit durch eigene Einnahmen, z. B. aus der sogenannten „Vermögensverwaltung". Darunter fallen Miet- und Pachteinnahmen, die dauerhafter Natur und somit steuerfrei sind. Andere Vermietungen an nicht gemeinnützige Anbieter gelten in der Regel als steuerschädlich, da sie – unabhängig von den Vereinszielen und der späteren Verwendung – auf Gewinnerzielung zielen (d. h., in Konkurrenz zu gewerblichen Anbietern stehen).

3.3.3 Haushaltsführung und Büroorganisation

Auf steuerrechtliche Fragen kann hier nur am Rande eingegangen werden. Freien Trägern wird empfohlen, in jedem Fall vor der Übernahme einer Einrichtung unter Einbeziehung eines Steuerberatungsbüros zu prüfen, welche Tätigkeiten steuerbegünstigt sind und welche nicht. Gemeinnützige Träger dürfen steuerpflichtige Einkünfte erzielen, sofern nicht der Charakter der Tätigkeit dadurch in den gewerblichen Bereich abgleitet oder Freibeträge (im Regelfall in Höhe von 60.000 DM im Jahr) überschritten werden. Über die wesentlichen steuerrechtlichen Grundlagen für gemeinnützige Vereine informieren u. a. die im Anhang aufgeführten Schriften. Gleiches gilt für die Form der Buchführung, die gewählt werden soll. Kosten für Steuerberatung und ggf. extern vorgenommene Buchungen, Rechnungslegung und Abschlußprüfung sparen erheblich an Verwaltungskraft. Sie sind bei größeren Haushalten und wenig Verwaltungspersonal ratsam und zuwendungsfähig. Dies sollte ggf. mit der fördernden Kommune ausdrücklich vereinbart werden.

Verein und Kommune müssen sich auf eine Haushalts- und Kontenplanstruktur für den Verein verständigen. Diese sollte sich nicht starr an gängigen Kontenplänen und der Kameralistik orientieren, da ansonsten alle Vorteile des privatrechtlichen Betriebes unnötig wieder eingeschränkt werden. Ein Muster findet sich unter in Kapitel 8 (Anhang).

Zuwendungsfähig sind auch die Kosten für abzuschließende Versicherungen, vor allem die Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft und Haftpflichtversicherungen. Viele öffentliche Zuwendungsgeber in den neuen Ländern zeigen hier erhebliche Kenntnislücken und verweigern beispielsweise die Zuwendungsfähigkeit der Berufsgenossenschaftsbeiträge.

Mit der Kommune sollte der Umfang der nötigen Versicherungspflicht geprüft werden. Es ist auch möglich, die Gebäudeversicherung und ggf. auch andere unabdingbare Versicherungen weiterhin über die Kommune laufen zu lassen, sofern sie solche abgeschlossen hat. Versicherungsabschlüsse sollten freien Trägern in keinem Fall verwehrt werden. Die Aufwendungen dafür sind weitaus geringer als eine Haftung (der Kommune) in Schadensfällen. Gerade in den neuen Bundesländern wird eine entsprechende kommunale Vorsorge nur schwer möglich sein und der Versicherungsweg deshalb vorgezogen werden. Vorsorglich sei darauf hingeweisen, daß alle Versicherungen, für die keine Abschlußpflicht besteht, vor allem bei institutionellen Landesförderungen nicht „zuwendungsfähig" sind, da sie eine „Besserstellung" gegenüber der in der Regel selbst aus Kostengründen nicht versicherten Landesverwaltung darstellen.

Besonderes Gewicht sollte jeder freie Träger von Beginn an auf die übersichtliche und effiziente Organisation seiner Verwaltungsabläufe legen. Eine institutionelle Förderung durch die öffentliche Hand setzt dies im übrigen voraus. Neben dem Rechnungswesen betrifft dies u. a. die Schriftgutverwaltung, die erfahrungsgemäß über lange Zeiträume hinweg vernachlässigt wird und deshalb vor allem bei Personalwechsel zu zeitraubenden Problemen führt. Aus diesem Grunde ist im Kapitel 8 (Anhang) ein Aktenplan-Muster abgedruckt, das sich leicht an das Organisationsprinzip einer Einrichtung angleichen läßt und zudem auch für die Bezeichnung von Computer-Dateien geeignet ist.

Aus der für die Eingruppierung (z. B. nach dem BAT) angelegten Stellenbeschreibung sollte ein Geschäftsverteilungsplan entwickelt werden, aus dem die Zuständigkeiten einzelner MitarbeiterInnen hervorgehen (in Stichworten). Für Vereinsgremien ist eine Geschäftsordnung weniger geeignet. Sie kann aber im Bedarfsfall dazu dienen, im Zusammenhang mit dem Geschäftsverteilungsplan die betriebsinternen Abläufe zu regeln (z. B. Posteingang und Bearbeitung). Wenn Geschäftsordnungen abgefaßt werden, muß darauf geachtet werden, daß sie nicht das Gegenteil zu den Satzungsbestimmungen enthalten und die Satzung auch nicht „kreativ" weiterentwickeln. So etwas begegnet uns in der Praxis durchaus.

Grundsätzlich gilt: Verwaltung ist nötig, um die Übersicht zu behalten und ohne Kraftaufwand steuern zu können. Selbstverwaltung zum Selbstzweck ist nicht ohne Tradition. Die Nischen für diese Beschäftigung mit sich selbst sind glücklicherweise im Schwinden. Das erforderliche Maß an Regelungen muß in der Praxis ausgetestet werden.

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3.4 Schöne heile Welt ade? Der Gesetzgeber ist gefragt!

So manche in den Seekarten für Kapitäne und Rudergänger freier Träger nicht oder nur sehr schemenhaft verzeichnete Untiefe haben wir in diesem Kapitel schon mit Signalen und „Heulbojen" versehen. Während dagegen die Immunabwehr immerhin durch Warnung und Belesenheit gestärkt werden kann, gibt es aber nebelumwölkte Sandbänke, in denen sich unbedarfte freie Träger und ihre entweder nicht ganz kundigen oder risokofreudigen Lotsen lebensgefährlich verfangen können. Dazu (wie immer anonymisiert) folgendes Beispiel, das uns selbst über Monate in Atem gehalten hat:

Ein Trägerverein, der seit Jahren zahlreiche öffentliche Förderungen erhalten hat, wird im Rahmen einer zuwendungsrechtlichen Prüfung daraufhin abgeklopft, ob er die Fördervoraussetzungen erfüllt. Die kommunale Körperschaft, die eine regelmäßige institutionelle Förderung gewährt, durfte zuvor davon ausgehen, daß es sich um einen eingetragenen und gemeinnützigen Verein handele. Der Blick der Prüfer in die nicht eben übersichtlich geführten Aktenordner läßt jedoch keine Zweifel daran zu, daß die Gemeinnützigkeit zwar beantragt, aber, trotz gelegentlichen Schriftwechsels mit dem Finanzamt, während des ganzen bisherigen Zuwendungszeitraumes nicht erteilt worden war. Zwar dürfen öffentliche Zuwenungen prinzipiell auch an nicht steuerbegünstigte Träger gezahlt werden, in diesem Falle aber war das gesamte Förderszenario eindeutig auf einen gemeinnützigen Träger und einen dementsprechenden steuerbegünstigten Zweckbetrieb ausgerichtet. Seiner Mitteilungspflicht, die Zuwendungsbehörden über diesen Umstand zu unterrichten, kam der Verein nicht nach. Vielmehr spiegelte er in allen Zuwendungsanträgen und Verwendungsnachweisen weiterhin einen gemeinnützigen Betrieb vor und wies dementsprechend die Fehlbeträge aus, die er von der öffentlichen Hand in Zuwendungsform gedeckt haben wollte.

Der fragliche Verein war zudem Träger eines Kulturbetriebes, der nach § 4 Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit war. Ein Ermessen sehen das Gesetz und die entsprechenden Umsatzsteuerrichtlinien nicht vor. Allerdings waren der Steuerberater dieses Vereins und das zuständige Finanzamt anderer Auffassung und unterzogen den Betrieb der Umsatzsteuer. Dieses hatte den Effekt, daß aufgrund des hohen öffentlichen Zuschusses, der umsatzsteuerbefreit ist, und der geringen Eigeneinnahmen der Verein regelmäßig Vorsteuererstattungen zu Lasten der Staatskasse in sechsstelliger Höhe bekam. Erst die zuständige Oberfinanzdirektion machte diesem merkwürdigen Umgang mit den Staatsfinanzen ein Ende.

Leider handelt es sich bei diesem Vorgang keineswegs um einen Einzelfall. Vielerorts in dieser Republik versucht eine eigenartige Koalition aus besonders kreativen Steuerberatern und Mitarbeitern der Finanzverwaltung gemeinnützigen Trägern dieses „Steuersparmodell" anzudienen. Manchmal kann das zu einem bösen Erwachen führen, wenn dann dem Verein neue Festsetzungsbescheide ins Haus flattern, die manchen Träger an den Rand des Konkurses führen.

Es wäre zunächst dringend erforderlich, seitens der obersten Finanzbehörden eine eindeutige Verwaltungspraxis in der Auslegung des Umsatzsteuerrechts sicherzustellen. Dies ist um so dringender, als gerade auch das Vokabular der Verwaltungsreform dazu angetan sein kann, neue umsatzsteuerliche Tatbestände zu schaffen. Mit „Produkt"-Definitionen und „Leistungs"-Kontrakten können nach dem Umsatzsteuerrecht aufgrund so definierter Leistungsaustausche die Zuwendungen an rechtlich selbständige Einrichtungen ggf. umsatzsteuerpflichtig werden! Diese Diskussion verfolgt uns bei der Implementierung von Verwaltungsreformbeschlüssen.

Vor Überraschungen sind auch diejenigen nicht gefeit, die einen Verein gründen wollen. Vertrauen sie bei der Formulierung ihrer Vereinssatzung auf Mustersatzungen, die von den Justizbehörden vorgehalten werden, dürften sie oft erleben, daß die Körperschaftssteuerstelle des Finanzamtes ihnen die Gemeinnützigkeit verweigert, weil entsprechende Formulierungen in der Satzung fehlen oder unzureichend ausgestaltet sind. Umgekehrt kann es aber genauso vorkommen, daß das Registergericht Formulierungen aus den Mustersatzungen des Finanzamtes beanstandet. Die Ursache für solche zeitraubenden und demotivierenden Hürdenläufe liegt nicht nur in der (leider gegenüber einer früher von uns überaus geschätzten Sachkenntnis!) unzureichenden Qualifikation mancher RechtspflegerInnen und FinanzbeamtInnen sowie unzureichenden Fortbildungen begründet, sondern vor allem in dem Umstand, daß insbesondere der § 21 BGB (nur „ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung...") und das Gemeinnützigkeitsrecht nicht aufeinander abgestimmt sind. Es wird Zeit, daß der Gesetzgeber diese unsinnige Parallelität aufhebt und eindeutige, aufeinander abgestimmte Regelungen schafft.

Unabhängig hiervon sind vor allem die Justizbehörden aufgefordert, die Aus- und Fortbildung der RechtspflegerInnen verbunden mit Handreichungen für die Interpretation von Zweifelsfällen so zu gestalten, daß zukünftig das Eintragungsverfahren nicht mehr von dem Zufall abhängig ist, welche/r RechtspflegerIn laut Geschäftsverteilungsplan gerade zuständig ist.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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