Das dritte Asien-Europa-Treffen–
Was folgt aus ASEM III? 

Peter Mayer, Friedrich-Ebert-Stiftung Korea
Januar 2001

Zusammenfassung

Das ASEM-Treffen alle zwei Jahre bietet eine regelmäßige und wichtige Gelegenheit für einen Meinungsaustausch der Staats- und Regierungschefs 10 asiatischer, 
15 europäischer Länder und des Präsidenten der EU-Kommission. Treffen der Außen-, Wirtschafts-, Finanz-, Forschungs- und zukünftig Umweltminister und Treffen von hohen Beamten in regelmäßigen Abständen ergänzen den konstruktiven Dialog

Die bisherige Fokussierung des ASEM-Prozesses auf wirtschaftliche Fragen ist langfristig nicht angemessen und erwünscht, in den nächsten Jahren soll der politische Dialog vertieft werden. Die vereinbarte Aufnahme sicherheitspolitischer Fragen in das Themenspektrum kann als wichtiger Fortschritt gesehen werden. 

Die Liste neuer im Rahmen von ASEM zu behandelnden Themen ist lang. Die Ausweitung birgt aber auch die Gefahr, dass zu viel mit zu wenig Tiefgang und nachhaltiger Wirkung behandelt wird. Eine Analyse der bisher durchgeführten Projekte zeigt die Notwendigkeit der Überprüfung entstandener Strukturen und gewählter Verfahrensweisen. 

Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen fordern einen sozialen Dialog als „vierte Säule“ neben den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Säulen des ASEM-Prozesses. 

I. Der institutionalisierte Dialog zwischen 10 asiatischen 
und 15 europäischen Ländern hat sich bewährt und stärkt das partnerschaftliche Verhältnis der Regionen

Das dritte Asia-Europe-Meeting (ASEM), das nach Bangkok im Jahr 1996 und London im Jahr 1998 im Oktober 2000 in Seoul stattfand, brachte Staats- und Regierungschefs aus 25 Staaten und den Präsidenten der EU zu zweitägigen Beratungen zusammen. 

Mitglieder des Asia-Europe-Meetings:
 
Brunei
China
Indonesien
Japan
Malaysia
Philippinen
Singapur
Südkorea
Thailand
Vietnam
Europäische Kommission
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Großbritannien
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Spanien
Schweden
Das Zusammentreffen und auch die Gelegenheit zu zahlreichen bilateralen Treffen  im Zwei-Jahres-Rhythmus stellt eine wichtige und nützliche Form der Begegnung und des Aufbaus vertrauensvoller Beziehungen zwischen Staaten Asiens und Europas dar. ASEM füllt hier eine ehemals große Lücke, und hat sowohl für die asiatische als auch europäische Seite einen hohen Wert. 
 

II. Die zukünftige Ausrichtung des ASEM-Prozesses wird breiter sein

Wirtschaftliche Fragen haben im bisherigen ASEM-Prozess im Vordergrund gestanden. Handelsliberalisierung, Öffnung der Märkte für Direktinvestitionen, die Ausgestaltung der internationalen Finanzarchitektur spielten eine erhebliche Rolle in den zahlreichen Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister oder hohen Beamten der Ministerien. Zudem war ASEM II in London von der Finanz- und Währungskrise geprägt worden, die mehrere asiatische Staaten 1997 bis 1998 schwer erschüttert hatte. Eine zu starke Gewichtung 
der wirtschaftlichen Säule wird von den Mitgliedsländern 
nicht als ausreichend erachtet. 

Der ASEM-Gipfel in Seoul verabschiedete einen Asien-Europa-Kooperationsrahmen, welcher für die 
künftigen Jahre die Arbeitsthemen festlegt. 

  • Deutlich erkennbar ist der Wunsch beziehungsweise die Bereitschaft der Mitglieder, den politischen Dialog auszubauen. Sicherheitspolitische Fragen wie Abrüstung und Nicht-Weiterverbreitung von Waffen, illegaler Waffenhandel sollen zukünftig im Rahmen der ASEM-Strukturen behandelt werden. 
  • Der Dialog zu umweltpolitischen Themen soll intensiviert werden. 
  • Trotz mancher deutlicher Unterschiede in der Interessenlage einigte man sich auf eine allgemeine Erklärung zur Unterstützung der Fortsetzung der Handelsliberalisierung, der weiteren Öffnung der Märkte für Direktinvestitionen und der Verbesserung der nationalen Bankensysteme. 
  • Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen der beiden Regionen soll intensiviert, die kulturellen Austauschbeziehungen sollen durch verschiedene Programme gefördert werden.


Mit der Verabschiedung des Rahmenabkommens sind eine Vielzahl von Themen hinzugekommen, die im Rahmen der ASEM-Strukur aufgegriffen werden sollen. Diese 
thematische Erweiterung entsprach auch den Wünschen zahlreicher Interessengruppen. Die im Vorfeld von einigen Beobachtern angemahnte Beschränkung und Fokussierung hat sich nicht durchgesetzt. Eine kritische Bewertung bisheriger ASEM-Projekte (u. a. durchgeführt von der Asia-Europe-Foundation (ASEF) in Singapur oder im Rahmen des merkwürdigerweise von der Weltbank gemanagten ASEM-Trust-Funds zeigt deutlich die Gefahren einer zu großen thematischen Breite ohne nachhaltige Wirkung der einzelnen Aktivitäten. Eine Evaluierung würde hier sicher Ansätze zur Verbesserung aufzeigen können. 

III. Eine soziale Säule wird gefordert

Unter dem Dach des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften und des Europäischen Gewerkschaftsbundes kamen europäische und asiatische Gewerkschaften zu einer eigenen ASEM-Konferenz zusammen und forderten die Einbeziehung von Arbeitnehmerrechten und Fragen der Beschäftigungspolitik 
in den Dialog der Regierungen. Sie forderten neben der wirtschaftlichen, der politischen und der kulturellen Säule die Etablierung eines viertes Standbeines: Eine soziale Säule soll den Dialog über soziale Fragen institutionalisieren. 

Auch Nichtregierungsorganisationen in einem von ihnen veranstalteten eigenen ASEM-Forum forderten in ihrer „People Vision“ die Schaffung eines „sozialen Forums“, um über soziale Herausforderungen zu reflektieren. Nichtregierungsorganisationen konnten erstmals in einem Zusammentreffen mit Vertretern der ASEM-Mitgliedsstaaten ihre Vorstellungen präsentieren. Sie fordern die Öffnung des ASEM-Prozesses für Inputs der Nichtregierungsorganisationen. Während die europäische Seite durchaus gesprächsbereit war, waren manche asiatischen Länder, die zuhause nur eine geringe Offenheit für Nichtregierungsorganisationen zeigen, zu Zugeständnissen nicht bereit.

Erstmals trafen sich auch Parlamentarier aus Asien und Europa und forderten für das Jahr 2002 ein Treffen der Parlamentarier der ASEM-Mitgliedsländern. Treffen der Volksvertreter der Mitgliedsländer sollen zur Vertiefung des politischen Dialoges beitragen und die Legitimität und die Rückkoppelung der Dialoge in den nationalen Kontext stärken. Auch hat das Argument, das Treffen der hohen Beamten der Ministerien könne nicht wirklich als „politischer Dialog“ verstanden werden, durchaus Überzeugungskraft.

IV. Die Arbeitsfähigkeit erhalten

Im ASEM-Rahmen muss verstärkt reflektiert werden, welche zusätzlichen Aufgaben ASEM übernimmt und an sich zieht. Manche Aufgaben werden bereits von anderen internationalen Organisationen wie WTO, IWF oder im Rahmen anderer Treffen wie etwa der ASEAN+3-Länder mit der EU abgedeckt, eine weitere Befassung ist nicht erforderlich und sorgt eher für eine Überlastung. Auch zeigen zahlreiche Erfahrungen, z. B. auch des Asia-Europe-Business Forums, dass manches besser in bilateralen Strukturen aufgehoben ist. Das Subsidiaritätsprinzip ist anzuwenden: Nur jene Aufgaben sollten von ASEM aufgenommen werden, die nicht von anderen Ebenen besser bearbeitet werden. 

Mehrere Staaten in Europa und Asien haben Interesse an einer ASEM-Mitgliedschaft bekundet. Die bisherigen Mitglieder einigten sich darauf, dass zunächst in den jeweiligen Regionen ein Konsens über neue Mitgliedsländer erzielt wird und anschließend alle ASEM-Mitglieder im Konsens darüber entscheiden. Zu bedenken ist freilich auch der Erhalt der Arbeitsfähigkeit eines dann erweiterten Forums. Die Replikation des Millenniumsgipfels auf etwas kleinerer Ebene kann nicht das Ziel sein. Schon jetzt besteht die Gefahr, dass Mitglieder nur vorbereitete Statements vortragen, und es nicht zu dem informellen, vertraulichen und vertrauensbildenden Meinungsaustausch kommt.

V. Aktuelle Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel beeinflussten den ASEM-Gipfel

Die sich abzeichnende Entspannung zwischen Nord- und Südkoreas, die Politik des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jungs und die Entscheidung Deutschlands und Großbritanniens, diplomatische Beziehungen zu Nordkorea aufzunehmen, waren wichtige Themen der Konferenz. In der „Seoul Declaration for Peace on the Korean Peninsula“ wurde die Unterstützung der Mitgliedsländer für die Fortführung der Entspannungspolitik bekundet.

Die Parallelität des ASEM-Gipfels und der Neuformierung der außenpolitischen Beziehungen mit Nordkorea hatte 
einen wichtigen Nebeneffekt: Sie verschaffte dem ASEM-Gipfel, der ohne dieses Thema von den Medien weniger wahrgenommen worden wäre, besondere internationale Publizität. 

VI. Szenarien für die Zukunft von ASEM

Im Vorfeld des ASEM III-Gipfels gab es eine Vielzahl von Entwürfen zur Zukunft von ASEM. Manches wurde geklärt, vieles bleibt aber auch nach dem Gipfel offen. Klar ist, dass ASEM eine Katalysatorrolle im Prozess der Intensivierung der wirtschaftlichen,  politischen, kulturellen und sozialen Beziehungen der beiden Regionen spielen kann. Die Bereitschaft der Europäer, das Potential Asiens wahrzunehmen ist in den letzten Jahren gewachsen. Auch umgekehrt ist die Wahrnehmung der Besonderheiten Europas gewachsen, die Wertschätzung europäischer Positionen zu Globalisierung, Sozialstaat etc. als Gegengewicht zu US-amerikanischen Positionen wird deutlicher als früher gesehen. Schließlich bietet der regelmässige Kontakt mit dem erfolgreichen Integrationsprozess Europas auch Anregungen für die Entwicklung eigener regionalpolitischer Perspektiven. 

Wichtig ist nun, dass systematisch an der Ausfüllung des geschaffenen Rahmens gearbeitet wird, die Zeit bis zu dem nächsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen im Jahr 2002 genutzt wird. Das optimale Ergebnis wird dann erzielt, wenn die Regierungen, die Parlamente, die Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften, die Nichtregierungsorganisationen und Medien mit Kontinuität an dem Thema arbeiten. Bisher war dies nicht 
der Fall, vielmehr herrschte jeweils kurz vor dem Gipfel hektische Betriebsamkeit, die nach dem Gipfel schnell wieder abbrach. Mehr Kontinuität würde den Dialog der Regionen, das Verständnis von Partnerschaft stärken.