Machtwechsel in Indonesien

Hans-Joachim Esderts, Friedrich-Ebert-Stiftung Indonesien
Juli 2001

Zusammenfassung

· Indonesien hat am 24.07.01 einen bemerkenswerten Machtwechsel vollzogen.

· Der angesehene liberale und tolerante Demokrat, Präsident Abdurrahman Wahid, genannt „Gus Dur“, wurde durch eine Sondersitzung der Beratenden Volksversammlung (MPR) des Amtes enthoben. Die Vorwürfe gegen Wahid lauteten auf Korruption und Unfähigkeit im Amt.

· Dem Amtsenthebungsverfahren (impeachment) ging der Versuch des Präsidenten voraus, durch die Ausrufung des Notstands und die Auflösung der beiden Kammern des Parlaments das Verfahren zu verhindern. 

· Die Vorsitzende der PDI-P, Megawati Sukarnoputri, älteste Tochter des früheren Präsidenten Sukarno und Gewinnerin der ersten freien demokratischen Wahlen von 1999, wurde wenige Stunden nach dem Notstandserlass mit überwältigender Mehrheit zur Präsidentin gewählt.

· Wenige Minuten zuvor war Gus Dur mit der Mehrheit aller 591 Stimmen das Mandat, das er 21 Monate zuvor vom gleichen Gremium erhalten hatte, entzogen worden.

· Am 26.07.2001 wurde nach mehreren Wahlgängen der Vorsitzende der PPP (Vereinigte Partei der Entwicklung; islamische Partei der Zentralaxis), Hamzah Haz zum Vizepräsidenten gewählt, der bereits in den Wahlen von 1999 um das Vizepräsidentenamt gegen Megawati angetreten war und ihr unterlag. 

· Der Machttransfer verlief in der ersten Phase zwar konfliktträchtig, war jedoch nicht, wie vielfach befürchtet, mit Gewaltanwendung wie in der Vergangenheit verbunden.
 

Vorbemerkung

Der Konflikt zwischen Präsident Wahid und dem Parlament schwelte schon seit mehr als einem Jahr, als er das Parlament einen Kindergarten nannte. Das gerade um seine Anerkennung als verantwortliche 

politische Instanz bemühte Parlament (DPR), das während der Suharto-Ära lediglich der Akklamation der von der autoritären Suharto-Regierung präsentierten Gesetze diente, reagierte auf Wahids Arroganz äußerst empfindlich. Das Parlament wurde von seinem Vorsitzenden

Akbar Tandjung, dem Chef der alten Regierungspartei Suhartos, GOLKAR, auf Konfliktkurs gegen Wahid als Vertreter einer demokratischen  Reform des Landes gesteuert. Diese Politik führte bis zur direkten Einmischung in die Tagespolitik des Präsidenten, schließlich zu mehrfachen Vorladungen, Befragungen und Verwarnungen sowie zur Nichtbehandlung von etwa 160 Gesetzesvorlagen der Regierung. Einen weiteren Konflikt mit zahlreichen ursprünglichen Verbündeten des islamischen Lagers löste die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit Israel und die Aufhebung des Verbots des Studiums marxistischer und kommunistischer Literatur aus. Vorläufiger Höhepunkt schließlich war die Entscheidung der DPR, eine Sondersitzung der MPR zu empfehlen, um das Amtsenthebungsverfahren in Gang zu setzen.

Mehrfach hatte Gus Dur gewarnt, er werde den Notstand verkünden und das Parlament auflösen, wenn man keinen politischen Kompromiss zur Abwendung des Verfahrens auf der Basis einer Machtteilung zwischen seiner Vizepräsidentin Megawati und ihm finden würde. Dass er über keine Machtbasis mehr verfügte, um seine Drohung auch durchzusetzen, scheint ihm nicht bewusst gewesen zu sein.
 

Leistungsbilanz der Regierung Wahid 

Als durchaus positiv zu bewertende Aspekte der knapp zwei Jahre dauernden Regierung war die Auflösung des die Medien kontrollierenden und zensierenden Informationsministeriums mit etwa 55 000 Mitarbeitern sowie die Auflösung des enormen Sicherheitsapparats (Barkorstanas). Beide dienten der Suharto-Regierung als systemstabilisierende Kontroll- und Sicherheitsagenturen und passten nicht mehr in das Bild einer sich reformierenden demokratischen Gesellschaft.

Demokratie und Partizipation der Bevölkerung fördernd war prinzipiell auch die Implementierung der Gesetze zur regionalen Autonomie, in der Praxis ihrer Durchführung gab es jedoch bisher zahlreiche als unüberwindlich erscheinende Schwierigkeiten, die auch durch Gus Dur’s Untätigkeit in diesem Bereich verursacht worden waren. Der Rücktritt seines Ministers für regionale Autonomie war nur ein Indikator dafür.

Die erste Regierung von Präsident Wahid war eine Allparteienregierung, die wenig effizient war und sehr bald erste Auflösungserscheinungen zeigte. Spätestens nachdem der Präsident zwei Kabinettsmitglieder der PDI-P (Kwik und Laksmana) wegen Korruption entließ, den Nachweis darüber jedoch schuldig blieb, richtete sich die Parteibasis der PDI-P mehrheitlich gegen den Präsidenten und die untergeordnete Rolle ihrer Partei in der Koalition.

Eine weitere umfassende Regierungsumbildung im August 2000 führte zu einem Kabinett der persönlichen Freunde und zuverlässiger Mitglieder der eigenen Partei (PKB). Leider mangelte es an hinreichender Qualifikation und Erfahrung bei vielen Ministern. Gus Dur selbst fehlte jede Erfahrung im Management einer so großen Nation. Seine persönlichen Behinderungen (über 80% Sehschwäche, sehr limitierte Bewegungsfähigkeit, erratischer Führungsstil und Widersprüchlichkeit in seinen Aussagen und Anordnungen) bilden nur einen Teil der Erklärungen, warum während seiner fast zweijährigen Regierungszeit sehr wenig Erfolge zu verzeichnen sind. Darüber hinaus beanspruchten die Anfeindungen seiner politischen Gegner einen Teil seiner Arbeitszeit, einen weiteren verbrachte er mit dem Besuch von zahlreichen Ländern (50), ohne vorzeigbare Erfolge zur Verbesserung der internationalen Beziehungen Indonesiens.

Die politische Instabilität nahm zu, die Wirtschaftskrise von 1997, die in den Nachbarländern bereits nach einem Jahr der Durchführung von Wirtschafts- und Strukturreformen Erholungstendenzen zeigte,  hält in Indonesien bis heute an. Die Sicherheitslage in zahlreichen Provinzen des Landes und die beträchtliche Anzahl von Bombenanschlägen in Jakarta verstärkten die Unsicherheit. Darüber hinaus diskreditierte sie die demokratische Regierung,  die für die Sicherheitsmängel verantwortlich gemacht wurde.

Die eigentlichen Akteure und Unterstützer waren jedoch vielfach in den Kreisen des konservativen Militärs zu finden, die bestrebt sind, die Demokratie in Indonesien als funktionsunfähig und deshalb als ungeeignete Regierungsform erscheinen zu lassen.
Die Wiedergewinnung der Macht sollte diesmal ohne Militärputsch und großes Blutvergießen, quasi demokratisch vorgenommen werden. Die PDI-P als größte demokratisch gewählte Partei bietet sich hierzu an und ist hervorragend für die Rolle des demokratischen Mantels für die alten, neuen Machthaber geeignet.

Die Leistungsbilanz der Regierung Gus Dur muss als ungenügend bezeichnet werden. Trotz seiner Offenheit und demokratischen Gesinnung ist es Wahid und seiner Regierung kaum gelungen, eines der angekündigten Reformziele zu erreichen: Weder die Verwaltungs-, Rechts- oder Wirtschaftsreform, noch die Verbesserung der Sicherheitslage und Erarbeitung eines akzeptablen Zukunftskonzepts als Basis zur Beendigung des blutigen Aceh-Konflikts konnten auf seinem Konto positiv verbucht werden. 
 

Amtsenthebung und Inthronisierung

Hauptakteur im Prozess der Amtsenthebung des Präsidenten war Amien Rais, Vorsitzender der Partei PAN, der als Präsident der Beratenden Volksversammlung MPR das dritthöchste Staatsamt bekleidet und dem selbst Ambitionen auf das oberste Staatsamt nachgesagt werden. Er bemühte sich um die Vorverlegung der Sondersitzung der MPR. Auslösendes Ereignis hierzu war die Ungeschicklichkeit des Präsidenten, einen neuen Polizeipräsidenten zu vereidigen, ohne die erforderliche Zustimmung der DPR einzuholen. Wahid versuchte die Sitzung zu verhindern indem er ein Dekret erließ, das den Notstand erklärte, die Parlamente DPR und MPR auflöste, Neuwahlen innerhalb eines Jahres ankündigte und die GOLKAR suspendierte. Gleichzeitig wies er als oberster Befehlshaber die Polizei und das Militär an, die zur Durchführung der Notstandsverordnung erforderlichen Schritte zur Sicherheit  zu tun.

Beide, Polizei sowie Militär, hatten bereits bei seinen Notstandsankündigungen erklärt, dass sie dafür nicht zur Verfügung stehen würden. Sie widersetzten sich den Anweisungen und folgten der Aufforderung der  MPR, für eine gesicherte Durchführung der Sondersitzung zu sorgen. Amien Rais, sich selbst in die Rolle des Oberbefehlshaber der Streitkräfte versetzend,  verkündete: “To all chiefs of the military and the Indonesian police, there is no need to pay attention to the decree.“ Das von ihm angekündigte Szenario, für das er bereits die notwendigen Beschlussvorlagen erarbeitet hatte, trat ein: Wahid wurde des Amtes enthoben, ohne dass er den geforderten Rechenschaftsbericht präsentierte und Frau Megawati Sukarnoputri wurde Minuten später zur Nachfolgerin gewählt. Hamzah Haz konnte sich nach mehreren Wahlgängen gegen seine Mitbewerber Akbar Tandjung und General Susilo Bambang Yudhoyono (von Gus Dur entlassener Sicherheitsminister) mit 340 Stimmen schließlich behaupten. Damit ist es möglich, die beiden starken Strömungen des Landes, Nationalismus und Islam unter einer gemeinsamen Führung zu vereinigen und ein potenzielles Konfliktfeld zu entschärfen.
 

Die Rolle des Militärs - staatstragend 
oder Befehl verweigernd?

Eine der Errungenschaften der Reformperiode war die Anerkennung des Prinzips des Primats der Politik über das Militär und die Polizei. Oberster Befehlshaber der Streitkräfte und der Polizei ist der Präsident. Formalrechtlich haben beide Befehlsempfänger die Ausführung der Befehle verweigert. Hat sich dadurch das Militär dem geltenden Recht widersetzt und selbst, wie früher in politische Prozesse eingegriffen?

Umgekehrt kann argumentiert werden:
Vom Ergebnis her, hat sich das Militär (TNI) korrekt verhalten, da es in einer Nicht-Notsituation der Ausrufung des Notstands und der Auflösung demokratisch gewählter Institutionen (DPR, MPR) und Parteien (GOLKAR) widerstanden und somit die Sicherheit beim Übergang der Macht garantiert hat. Es ist nicht die Aufgabe der Sicherheitskräfte, dem Anspruch eines Machtinhabers auf Sicherung seiner Position im Amt zu genügen, sondern einen rechtmäßigen Machtwechsel zuzulassen und auch die dafür notwendige Ruhe und Ordnung zu garantieren. Die Mehrheit der Beobachter und zahlreiche Medien unterstützen die letztere Position, insbesondere unter Berücksichtigung der chaotischen Verhältnisse, die bisherige Machtwechsel mit sich gebracht haben (1965/66, 1997/98). Leider ist die Verfassung nicht nur in der Frage des Präsidentenwechsels so unklar formuliert, dass sich mehrere Seiten in der Beurteilung dieses Problems auf die Verfassungsmäßigkeit berufen können.

Die unterstützende Rolle von Militär und Polizei bei der Absetzung Gus Dur’s durch die MPR signalisiert jedoch einen weiteren Schritt der TNI zurück zum Zentrum der Macht. Der eigentliche Machtwechsel, so sehen es aufmerksame Beobachter im Lande, ist nicht der Wechsel von Gus Dur zu Megawati, sondern besteht in der gestärkten Rolle, die die Militärs dabei gespielt haben und in der Zukunft spielen werden. Im Namen der Wiederherstellung von Ruhe und Sicherheit könnten auch wieder verstärkt Repressalien gegen Opponenten, Abtrünnige und politische Dissidenten  stattfinden.
Viel hängt davon ab, ob sich Präsidentin Megawati zum Sprachrohr der Militärs degradieren lässt oder die begonnenen Militär- und Polizeireformen energisch vorantreibt. Letzteres darf angesichts der guten Beziehungen, die sie zu den Streitkräften unterhält, bezweifelt werden. 
 

Die weiteren Aussichten

Der Reformstau unter der  Regierung Wahid und die Unfähigkeit bzw. der Unwillen mancher Verantwortlicher in der Justiz bei der Aufarbeitung und Strafverfolgung massiver Menschenrechtsverletzungen der jüngsten Vergangenheit haben sicherlich wesentlich zum Machtverlust Wahids beigetragen. Gleichermaßen trugen die anhaltende politische Instabilität, die durch die erratische Regierungsführung Wahids verursacht wurde, die herrschende Rechtsunsicherheit und die durch die früher herrschenden Mächte provozierten Konflikte zu Wahids politischem Ende bei. Analysiert man die verschiedenen Faktoren und wägt ihre Relevanz für diesen Machtwechsel ab, kommt man zum Ergebnis, dass es nicht diejenigen Kräfte waren, denen der Reformprozess zu langsam ging, sondern diejenigen, die Nutznießer des alten Regimes waren und dieses restaurieren wollen: Die politische Ebene vertreten durch GOLKAR und  das Militär, die die Unterordnung unter eine zivile Führung nicht ertrugen und schon seit geraumer Zeit in der Praxis nicht mehr umsetzten. Hinzu kommen all jene, denen durch die verschärfte Gangart des Präsidenten und des neuen Generalstaatsanwalts Strafverfolgung wegen Korruption und Amtsmissbrauch drohte. 

Der Beginn einer neuen Phase der Nach-Suharto-Ära unter der Führung der PDI-P-Vorsitzenden Megawati Sukarnoputri und ihres Vizepräsidenten Hamzah Haz, der bisher als einer der schärfsten Vertreter gegen die Wahl einer Frau in das höchste Amt galt, ist von großen Hoffnungen und Erwartungen vieler gesellschaftlicher Gruppen gekennzeichnet. Die Überwindung der multidimensionalen Krise des Landes erfordert eine gewaltige gemeinsame Kraftanstrengung.

Der politische Islam, der geeint durch geschicktes Manövrieren des PAN – Chefs und MPR-Vorsitzenden Amien Rais eine führende Rolle im Lande inne hatte, ist nunmehr durch die Abwesenheit der PKB (Wahid’s Partei) gespalten. Über den Chef der PPP (Vereinigte Partei der Entwicklung) und jetzigen Vizepräsidenten Hamzah Haz bleibt dem politischen Islam jedoch ein erhebliches Maß an Macht und Einfluss erhalten. Die säkularen Kräfte, zu denen auch die PDI-P, wesentliche Teile der Militärs und der Bürokratie gehören, werden versuchen, in der neuen Regierung einen Teil ihres früheren Einflusses und den Zugang zu den Geldquellen zurückzugewinnen.

Von der Regierungsbildung wird es abhängen, ob sich hinreichender Sachverstand und  Führungsqualität in produktive Regierungsarbeit umsetzen lässt. Erste Andeutungen weisen auf ein Allparteienkabinett hin, mit dem bereits Gus Dur seine ersten negativen Erfahrungen sammeln musste. Megawati selbst wird zeigen müssen, dass sie das ihr unterstellte Hausfrauenimage abstreifen kann und in der Lage ist, sich auch zu Sachfragen zu äußern.

Je schwächer sie in ihrer Führung ist, desto stärker werden GOLKAR/TNI und PPP das Ruder in die Hand nehmen. Nicht unbegründete Spekulationen gehen dahin, dass man Megawati als demokratisches Aushängeschild der neuen Regierung benutzt, die alten, erfahrenen Kräfte der Suharto-Ära, Golkar und TNI (Militär) die Richtung bestimmen und das Management der Regierung innehaben werden. Von einer kritisch wachen Zivilgesellschaft und den Mitgliedern der PDI-P selbst wird  abhängen, ob sie dies zulassen. Der Drang der alten Kräfte zurück zur Macht war und ist weiterhin erheblich. Es erscheint, dass sie dabei einen entscheidenden Schritt vorangekommen sind.

Erste Anzeichen an den Geld- und Devisenmärkten und der Jakarta Börse signalisieren Zustimmung zum Machtwechsel und positive Erwartungen der Wirtschaft. Die Weltbank und der IMF ermunterten Indonesiens neue Führung bereits, auf dem Wege der ernsthaften Umsetzung von Wirtschaftsreformen fortzufahren, und gegen die Korruption kompromisslos vorzugehen. Weitere finanzielle Hilfe wurde in Aussicht gestellt.

Voraussehbar ist allerdings auch, dass sich der Demokratisierungsprozess im Lande erheblich verlangsamen und die Reformen von Polizei und Militär auf Eis gelegt werden könnten. Der Einfluss des Militärs auf Megawati, deren starke Bindung an TNI unübersehbar ist, lässt diese Einschätzung als realistisch erscheinen. Aus diesem Grunde ist zu vermuten, dass es zu keiner weiteren Verfolgung der Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen und anderer Verbrechen während der Suharto-Regierung kommen wird.

Die Auswirkungen auf den von indonesischer Seite keineswegs gelösten Konflikt um die vormalige Provinz Osttimor könnten in neuen militärischen Auseinandersetzungen an der Grenze und im Einsatz der zahlreich vorhandenen Milizen zum Guerillakrieg gegen die verlorene vormalige Provinz führen. Die Militärs haben sich nicht mit der Niederlage abgefunden und die Präsidentin hat aus ihrer nationalistischen und einheitsstaatlichen Sichtweise immer gegen die Unabhängigkeit der Provinz und ein Mehr an Autonomie anderer Provinzen argumentiert. Sie hat es in der Vergangenheit stets abgelehnt, hochrangige Führer aus Timor wie Ramos Horta oder Gusmao zu empfangen. Erste Scharmützel mit zwei Toten hat es bereits wenige Tage nach ihrer Ernennung gegeben. Der osttimoresische Milizenführer Eurico Guterres, der verdächtigt wird, für zahlreiche Tote nach der Abstimmung über die Unabhängigkeit Timors verantwortlich zu sein, ist noch immer der gewählte Anführer des Jugendflügels der PDI-P, aus dem sich unter der Führung des Ehemanns von Megawati, einem reichen Unternehmer, eine Art Parteimiliz entwickelt. 

Fraglich ist auch, ob der Strukturreformprozess, der durch die Einführung der regionalen Autonomie gerade erst vor sechs Monaten begonnen hat, weitergehen wird. Megawati ist, dem Ansatz ihres Vaters folgend, eine Vertreterin eines einheitlichen, von Jakarta aus regierten Zentralstaates. Dies widerspricht den Dezentralisierungsintentionen der beiden Gesetze zur regionalen Autonomie aus der Zeit Habibis. Im Sinne der unbedingten Bewahrung der Einheit des Landes werden auch die nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen Aceh, Riau, Südmolukken und Papua mit aller Macht (auch militärischer) im Staatsverband gehalten werden. Dies könnte zu verschärften Konflikten (wie etwa in Aceh) in den genannten Provinzen führen.

Der Regierungserklärung wird zu entnehmen sein, welche Ziele Megawati wirklich anstrebt und wo sie Schwerpunkte setzen wird. Sollte sie sich nicht auf wenige, realistischerweise bis 2004 erreichbare Ziele konzentrieren und dies im Regierungsprogramm deutlich machen, könnte ihr aufgrund der Enttäuschung der Bevölkerung das gleiche Schicksal widerfahren, wie Gus Dur vor wenigen Tagen.

Der Kampf um die Macht wird für kurze Zeit weniger intensiv geführt werden, jedoch werden Amien Rais und weitere Verbündete in der islamisch orientierten Zentralaxis weiterhin in die höchsten Schaltstellen der Macht streben. Magawati wird sichtbare Erfolge für die breite Masse der Bevölkerung vorweisen müssen, wenn sie bei den Neuwahlen 2004 ein ähnlich gutes Ergebnis wie 1999 erzielen will.
 

Erläuterungen der wichtigsten verwendeten Abkürzungen:

DPR- Dewan Perwakilan Rakyat, Nationales Parlament
MPR-Majilis Permusyawaratan Rakyat, Beratende Volksversammlung, mit verfassungsgebenderKompetenz, 
  Wählt und entlässt den Präsidenten und Vizepräsidenten und legt die Grundlagen der Politik (GBHN) fest.
PDI-P-Partai Demokrasi Indonesia-Perjuangan, Demokratische Partei Indonesien – Kampf
PAN- Partai Amanat Nasional, Nationale Mandatspartei
PKB- Partai Kebangkitan Bangsa, Nationale Erweckungspartei
Zentralaxis – Koalition der islamischen Parteien
GOLKAR- Partai Golongan Karya, Partei der funktionellen Gruppen; Regierungspartei z.Z. Suhartos
PPP- Partai Persatuan Pembangunan, Vereinigte Partei der Entwicklung
TNI- Tentara Nasional Indonesia, Indonesische Streitkräfte

© Friedrich Ebert Stiftung | net edition: Roland Feicht | Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Asien