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[Seite der Druckausg.: 23]


5. Ansatzpunkte und Handlungsspielräume für NGOs


Zivilgesellschaftliche Organisationen können im internationalen Folgeprozeß des Weltsozialgipfels hauptsächlich folgende drei Aufgaben übernehmen:

  • Das Monitoring, d.h. die kritische Begleitung, des offiziellen Folgeprozesses und die Vermittlung der daraus gewonnenen Informationen an Medien und Öffentlichkeit.
  • Die Entwicklung eigener Konzepte und Initiativen für sozial- und entwicklungspolitische Fortschritte im Folgeprozeß.
  • Die Lobbyarbeit gegenüber den Regierungen.

Ausgangspunkt für die Aktivitäten von NGOs im internationalen Folgeprozeß muß die nationale Ebene sein. Denn was die Generalversammlung, der ECOSOC, UNDP oder die Weltbank beschließen, wird größtenteils nicht in New York oder Genf entschieden, sondern in den Hauptstädten ihrer Mitgliedsstaaten.

Die kontinuierliche Beobachtung der Regierungspolitik gegenüber den internationalen Institutionen und der fortgesetzte Dialog mit den Vertretern der zuständigen Ministerien sind notwendige Voraussetzungen für die effektive Partizipation von NGOs im internationalen Follow-up.

Für deutsche NGOs sind dies keine leichten Aufgaben, denn die Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung sind breit gestreut. Zwar hat das Arbeitsministerium weiterhin formal die Federführung für den Kopenhagen-Prozeß, in praxi ist es jedoch lediglich für die ILO und das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte federführend zuständig. Für die Generalversammlung und den ECOSOC, in denen die Entscheidungen zum Sozialgipfel-Follow-up gefällt werden, ist das Auswärtige Amt zuständig, für Weltbank und UNDP liegt die Federführung beim BMZ, die WTO wird vom Wirtschaftsministerium, der IWF vom Finanzministerium federführend 'betreut'. Die deutsche Delegation für die Sozialentwicklungskommission wird vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Jugend und Senioren geleitet.

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Zuständigkeiten in der Bundesregierung

Generalversammlung, 3. Hauptausschuß (Sozialfragen)
ECOSOC (politische und soziale Fragen):
Auswärtiges Amt Referat VN 11
Postfach 1148
53001 Bonn Tel.:0228-17-0

Internationale Arbeitsorganisation (ILO)
Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte:
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
Referat VII b 3
Postfach 14 02 80
53107 Bonn
Tel.: 0228-527-0

Kommission für soziale Entwicklung:
Bundesministerium für Familie, Frauen, Jugend und Senioren
Abteilung Grundsatzfragen der Frauenpolitik
Rochusstraße 8-10
53123 Bonn
Tel.: 0228-930-0

Weltbank:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Referat 212 (Weltbank)
Friedrich-Ebert-Allee 40
53113 Bonn
Tel.: 0228-535-0

UNDP:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Referat 210 (Vereinte Nationen)
Friedrich-Ebert-Allee 40
53113 Bonn
Tel.: 0228-535-0

Internationaler Währungsfonds:
Bundesfinanzministerium
Referat IX B 1 (Internationale Währungsfragen)
Graurheindorfer Straße 108
53117 Bonn
Tel.: 0228-682-0

Welthandelsorganisation (WTO):
Bundesministerium für Wirtschaft
Abteilung für Außenwirtschaftspolitik
Unterabteilung V A 1
Villemombler Straße 76
53123 Bonn
Tel.:0228-615-0




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Ansatzpunkte für die direkte Beteiligung von NGOs im internationalen Folgeprozeß gibt es in jeder der beteiligten Institutionen. Die Handlungsspielräume und Interventionsmöglichkeiten differieren allerdings erheblich.

Bei IWF und WTO bestehen bislang keine formellen Partizipationsmöglichkeiten für NGOs. Monitoring und Lobbying muß hier hauptsächlich 'von außen' erfolgen.

In der Weltbank findet gegenwärtig, u.a. auf Initiative ihres neuen Präsidenten Wolfensohn, eine graduelle Öffnung für NGOs statt. Ob dies zu substantiellen Änderungen führt, kann bereits bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank 1996 überprüft werden. Dort wird es unter anderem um die Einführung eines Fonds zur Reduzierung der multilateralen Schulden (Multilateral Debt Facility) gehen.

Die ILO bietet aufgrund ihrer traditionell dreigliedrigen Struktur in allen Entscheidungsgremien weitestgehende Mitwirkungsmöglichkeiten für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Die Beteiligung von NGOs ist dagegen begrenzt.

UNDP versucht im Folgeprozeß des Weltsozialgipfels auch die Kooperation mit NGOs im Norden zu verbessern. Dazu sollen u.a. sogenannte Human Development Partnerships mit nationalen NGO-Netzwerken aufgebaut werden. Eine derartige 'Partnerschaft' besteht bereits mit dem britischen NGO-Zusammenschluß UNED-UK, in Frankreich und Italien wird sie zur Zeit vorbereitet, und auch mit deutschen NGOs fanden bereits erste Gespräche statt.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten beim Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle

Rechte könnten für deutsche NGOs besonders 1996 interessant sein. Bei der Tagung des Komitees im Frühjahr 1996 wird die Bundesregierung erstmals einen umfassenden nationalen Bericht über die Verwirklichung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in Deutschland vorlegen. NGOs mit Konsultativ- oder Rosterstatus beim ECOSOC haben die Möglichkeit, parallel dazu ihre Berichte als offizielle UNO-Doku-mente zirkulieren zu lassen.

Bei der Koordination und Überwachung des Kopenhagen-Prozesses wird, wie oben ausgeführt, die Kommission für soziale Entwicklung vermutlich eine Schlüsselrolle spielen. Als Fachkommission des ECOSOC bietet sie für NGOs relativ weitgehende Partizipationsmöglichkeiten. Voraussetzung für die aktive Teilnahme einer NGO ist allerdings auch hier der Konsultativ- oder Rosterstatus beim ECOSOC.

Derzeit haben rund 1600 nationale und internationale NGOs Konsultativstatus l, II oder den Rosterstatus. NGOs, die lediglich für den Weltsozialgipfel akkreditiert waren, haben keine Zugangsberechtigung. Sie müssen erneut die Akkreditierung beim ECOSOC beantragen. Das relativ aufwendige Prüfverfahren dauert in der Regel 2-3 Jahre.

Informationen über die Akkreditierung von NGOs beimECOSOC sind erhältlich bei:

FaridaAyoub.Chief
NGO Section, DPCSD
United Nations Room DC1 - 1076
New York, N.Y. 10017
Fax:001-212-963-4968


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Die Konsultativregelungen für NGOs werden gegenwärtig im Rahmen einer Arbeitsgruppe des ECOSOC reformiert. Dabei kann es möglicherweise gelingen, die Akkreditierungsverfahren auch für die "Weltsozialgipfel-NGOs" zu erleichtern.

Welche praktischen Partizipationsmöglichkeiten die akkreditierten NGOs in der Kommission für soziale Entwicklung erhalten, wird voraussichtlich auf der Sondersitzung der Kommission (21.-30.5,1996) bestimmt. Als Modell könnte die Praxis der CSD dienen, in der sich vergleichsweise weitreichende Dialog- und Kooperationsformen entwickelt haben.

Dazu zählen z.B. regelmäßige gemeinsame Veranstaltungen von Regierungen und NGOs während der Kommissionstagungen, die Durchführung von Panels mit NGO-Beteiligung im Rahmen des offiziellen Programms und die Öffnung der informellen Sitzungen, in denen die eigentlichen Verhandlungen stattfinden, für NGOs.

Für NGOs können die Tagungen der Kommission noch eine weitere Funktion haben: Sie bieten die Gelegenheit, außerhalb des offiziellen Tagungsprogramms Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame inhaltliche Positionen zu erarbeiten, Lobbystrategien zu diskutieren, Kooperationen zu vereinbaren und in Briefings oder Workshops Themen zu erörtern, die über die offizielle Tagesordnung der Kommission hinausgehen können.

Denn es wäre fatal, wenn sich die NGOs im internationalen Folgeprozeß des Weltsozialgipfels allein an der Tagesordnung der Regierungen orientieren würden und in ihren Aktivitäten über den Referenzrahmen des Kopenhagener Minimalkonsenses nicht hinausgingen. Eine besondere Herausforderung wird für NGOs im Folgeprozeß auch auf internationaler Ebene darin bestehen, unabhängig vom Umsetzungstempo der Regierungen das Aktionsprogramm von Kopenhagen weiterzuentwickeln, und entsprechende Vorschläge in die internationale Debatte einzubringen. Die Kommission für soziale Entwicklung könnte der rechte Ort dafür sein.

Dies schließt nicht aus, daß NGOs gleichzeitig eng an die offizielle Agenda angelehnt die Fort- (bzw. Rück-)schritte der Regierungen bei der Umsetzung der Kopenhagener Verpflichtungen kritisch analysieren. Eine bemerkenswerte Initiative in diese Richtung hat die niederländische Entwicklungsorganisation Novib gestartet. Unter dem Motto "Social Watch" schlägt sie vor, anhand einheitlicher quantitativer und qualitativer Indikatoren zu überprüfen, wieweit die Regierungen ihre Verpflichtungen im Bereich Armutsbekämpfung erfüllen. Die notwendigen Untersuchungen sollten von NGOs auf nationaler Ebene durchgeführt und auf internationaler Ebene zusammengefaßt und publik gemacht werden. Auch hierfür könnte die Kommission für soziale Entwicklung ein geeigneter Ort sein.

Die politische Wirksamkeit all dieser Aktivitäten der NGOs im internationalen Folgeprozeß von Kopenhagen wird auch davon abhängen, wie weit die NGOs selbst zu einer koordinierten Zusammenarbeit fähig sind. Zwar existieren im sektoralen und regionalen Bereich funktionierende Zusammenschlüsse, wie insbesondere der International CounciI on Social Welfare (ICSW). Eine sektor- und regionenübergreifende Kommunikation und Koordination der NGOs findet im Kopenhagen-Follow-up bislang jedoch nicht statt. Es ist an der Zeit, daß NGOs nicht nur von Regierungen und UNO sichtbare Schritte bei der Umsetzung der Kopenhagen-Beschlüsse einfordern, sondern auch eigene gemeinsame Schritte im internationalen Folgeprozeß unternehmen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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