FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]


Link zum Gutachten


Zehn Jahre Basler Übereinkommen : internationaler Handel mit gefährlichen Abfällen ; Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung ; Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen / von Matthias Buck ; Carsten Helm. - Bonn, 1999. - 9 S. = 41 Kb, Text
Electronic ed.: Bonn: FES Library, 1999

© Friedrich-Ebert-Stiftung



Link zum GUTACHTEN


INHALT




[Seite der Druckausg.: 1]

Next Item

Kurzzusammenfassung:

Das zehnjährige Jubiläum der Unterzeichnung des „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung" sowie die bevorstehende Vertragsstaatenkonferenz im Dezember 1999 in Basel sind Anlaß, Bilanz zu ziehen. Insgesamt darf die Basler Konvention als Erfolgsfall der globalen Umweltpolitik bewertet werden. Sie hat eine beachtliche Dynamik entwickelt und hinsichtlich ihres primären Ziels – der Kontrolle der Abfallexporte aus Industrie- in Entwicklungsländer – ein umfassendes internationales Regelungssystem errichtet. Jedoch machen gerade die Erfolge bei der Kontrolle der Verbringung gefährlicher Abfälle aus Industrie- in Entwicklungsländer deutlich, daß hierdurch allein der Problembereich „gefährliche Abfälle" nicht gelöst werden kann. Die zunehmende Bedeutung des Süd-Süd-Handels mit gefährlichen Abfällen, verstärkte Maßnahmen des „Capacity-Buildings" für den Umgang mit gefährlichen Abfällen (Technologie-Transfer) sowie die problemgerechte Formulierung von Haftungsbestimmungen sind drei Bereiche, in denen das Regelungsgefüge der Basler Konvention weiterentwickelt werden muß. Übergeordnete Aufgabe aber bleibt eine konsequente Politik der Abfallvermeidung und des Stoffstrommanagements.

[Seite der Druckausg.: 2]

Previous Item Page Top Next Item

1. Einleitung

In den siebziger und Anfang der achtziger Jahre führten einige schwere Unfälle mit gefährlichen Abfällen und das gesteigerte Umweltbewußtsein in den OECD-Ländern zu einer Verschärfung staatlicher Schutzbestimmungen. Gleichzeitig stießen Planungen für Müllverbrennungsanlagen oder Lagerstätten für gefährliche Abfälle auf entschiedenen Widerstand der betroffenen Gemeinden und waren, wenn überhaupt, nur zu stark gestiegenen Kosten zu realisieren.

Statt einer entschiedenen Politik der Abfallvermeidung durch Umstellung der Produktionsprozesse und Konsummuster lieferte der Export der Abfälle – nicht zuletzt in Entwicklungsländer – ein bequemeres Ventil zur Linderung des nationalen Problemdrucks. Doch mit der Zunahme der Exporte gefährlicher Abfälle ließen schwere Umweltunfälle nicht lange auf sich warten. Den Entwicklungsländern fehlten oftmals die institutionellen Kapazitäten zu einer effektiven Kontrolle der Entsorgung. Es waren vor allem diese symbolträchtigen Skandalfälle, die dem Thema eine breite Medienpräsenz bescherten und den politischen Handlungsdruck für einen globalen Kontrollrahmen erzeugten.

Der internationale Verhandlungsprozeß begann 1987 und führte im März 1989 zur Unterzeichnung des „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung". Im Gegensatz zur Forderung vieler Entwicklungsländer und Nichtregierungsorganisationen sah die sogenannte „Basler Konvention" jedoch kein allgemeines Verbot des internationalen Handels mit gefährlichen Abfällen vor, sondern errichtete lediglich einen internationalen Kooperationsrahmen zu dessen Kontrolle. Zentrales Element war die Verpflichtung des Exportstaates, vor einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung die schriftliche Zustimmung des Importstaates sowie gegebenenfalls von Durchfuhrstaaten einzuholen.

Viele Entwicklungsländer, die ihre Schutzinteressen durch diesen Regelungsansatz nicht gewahrt sahen, unterzeichneten oder ratifizierten die Basler Konvention von 1989 nicht. Statt dessen verhängten sie unilaterale Einfuhrverbote für gefährliche Abfälle und schlossen regionale Abkommen mit wesentlich strikteren Regelungen ab. Parallel hierzu kam es zu einer Verschärfung der Bestimmungen der Basler Konvention selbst. Als symbolträchtiger Wendepunkt gilt der 1994 auf der Zweiten Vertragsstaatenkonferenz gefaßte Beschluß, den Export gefährlicher Abfälle von Industriestaaten in Entwicklungsländer zu untersagen. Dies wurde 1995 auf der Dritten Vertragsstaatenkonferenz durch eine formelle Ergänzung der Basler Konvention bestätigt, die allerdings bisher nur von wenigen Staaten ratifiziert worden ist. Daher läßt sich schwer abschätzen, ob und wann das Exportverbot rechtskräftig wird.

In Anbetracht der grundsätzlichen Schwierigkeiten, eine effektive internationale Koordination nationaler Politikmuster zu erreichen, wurden im ersten Jahrzehnt der Basler Konvention bedeutende Fortschritte erzielt. Gleichwohl bleiben wesentliche Probleme ungelöst. In den kommenden Jahren muß ein stärkerer Schwerpunkt auf Abfallvermeidung und ein umfassenden Stoffstrommanagement gelegt werden. Nur so läßt sich die Basler Konvention in Richtung einer globalen Abfallwirtschaftskonvention weiterentwickeln. Hierfür ist vor allem eine stärkere Bereitschaft der Industriestaaten zum Transfer fortschrittlicher Abfallvermeidungs- und -behandlungstechnologien sowie zur Unterstützung beim Aufbau der Kapazitäten für einen umwelt- und gesundheitsgerechten Umgang

[Seite der Druckausg.: 3]

mit gefährlichen Abfällen in den Staaten Osteuropas, Afrikas, Lateinamerikas und Asiens erforderlich.

Previous Item Page Top Next Item

2. Grundlegende Zusammenhänge des internationalen Handels mit gefährlichen Abfällen

Aus umweltpolitischer und ökonomischer Perspektive besteht die Besonderheit gefährlicher Abfälle vor allem darin, daß sie mit substantiellen Externalitäten verbunden sind. Dies erfordert ein korrigierendes staatliches Eingreifen auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Eine umweltökonomische Analyse des internationalen Handels mit gefährlichen Abfällen kommt hier zu folgenden Ergebnissen:

Wenn Staaten alle externen Effekte in Betracht ziehen und durch angemessene Maßnahmen korrigieren – wie Abgaben auf Mülldeponien und umfassende Haftungsregeln – dann kann internationaler Handel mit gefährlichen Abfällen durchaus im gegenseitigen Interesse sein. Schließlich bedeutet ein Exportverbot immer auch eine Beschneidung der souveränen Entscheidung des Importlandes, die Einnahmen aus dem Handelsgeschäft für wertvoller zu erachten als die damit verbundenen Kosten und Risiken.

Wenn allerdings eine solche ‚optimale‘ Politik nicht durchführbar ist, weil sie an Informationsproblemen scheitert oder die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen nicht effektiv kontrolliert werden kann, dann können Handelsbeschränkungen bis hin zu Import- oder Exportverboten durchaus wohlfahrtssteigernd wirken. Die praktische Relevanz dieser Argumentation wird schnell deutlich, wenn man die wesentlichen Unterschiede von Abfallexporten in OECD-Länder gegenüber jenen in Entwicklungsländer betrachtet (Logan 1991, 61). Die OECD-Länder verfügen in der Regel:

  1. über wesentlich bessere Informationen über die Beschaffenheit und Gefährlichkeit der Stoffe,
  2. ein funktionierendes Rechtssystem zur Kontrolle der Abfallverbringung,
  3. die notwendigen Technologien zur angemessenen Endlagerung oder Weiterverarbeitung gefährlicher Abfälle,
  4. die notwendigen Kapazitäten, um die heimliche und illegale Abfallverbringung zu kontrollieren.


Previous Item Page Top Next Item

3. Zur Quantifizierung internationaler Abfallströme

Informationen über die internationale Abfallverbringung sind spärlich. Zudem leiden der Vergleich zwischen verschiedenen Ländern und die Analyse zeitlicher Trends an der ungenügenden Standardisierung der vorhandenen Daten. Daher sollte man bei der Interpretation des statistischen Materials große Vorsicht walten lassen, insbesondere wenn es um das Ableiten von Handlungsempfehlungen geht.

Informationen über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle beruhen zum einen auf allgemeinen Statistiken über den Warenhandel, die von den einzelnen Staaten erhoben und anschließend von internationalen Institutionen wie UNCTAD oder EUROSTAT zusammengefaßt und ausgewertet werden. Die dort verwendete Klassifizierung erlaubt jedoch oftmals keine Unterscheidung der gefährlichen Abfälle von anderen Stoffen in derselben statistischen Kategorie.

Die zweite Informationsquelle sind Daten, die speziell für die Quantifizierung der internationalen Verbringung gefährlicher Abfälle erhoben wurden; zumeist um den Berichtspflichten entsprechend des Basler Übereinkommens, der EG-Abfallverbringungsverordnung oder des OECD-Ratsbeschlusses nachzukommen. Besonders im Rahmen der Basler Konvention ist

[Seite der Druckausg.: 4]

die Bereitstellung von Informationen bisher allerdings ungenügend, was in den Entwicklungsländern oftmals mit fehlenden Kapazitäten zusammenhängt.

Unter dem Vorbehalt der angesprochenen Unzulänglichkeiten des Datenmaterials lassen sich aus ihnen folgende Tendenzen ablesen: Der weitaus größte Teil des internationalen Handels mit gefährlichen Abfällen erfolgt innerhalb der OECD. Allerdings sind sowohl der absolute Umfang der Exporte als auch ihr Anteil an der Gesamtproduktion gefährlicher Abfälle leicht rückläufig. Gleichzeitig nimmt der Anteil der zur Weiterverarbeitung bestimmten Abfälle zu.

Demgegenüber ist das Ausmaß der Verbringung gefährlicher Abfälle aus OECD- in Nicht OECD-Staaten eher gering. Dies gilt auch für den Zeitraum der siebziger und achtziger Jahre. Die Importe aus den Entwicklungsländern übersteigen sogar die Exporte dorthin. Allerdings läßt sich der Umfang der besonders problematischen illegalen Abfallverbringung naturgemäß nur sehr schwer bestimmen. Dennoch erscheint folgende Einschätzung von Laura Strohm (1993, 129) heute noch genauso zutreffend wie zu Beginn der neunziger Jahre: „To date, the international trade in toxic wastes has caused more significant political damage than actual environmental degradation."

Der Handel mit gefährlichen Abfällen innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer ist noch relativ gering, weist jedoch die größten Zuwachsraten auf. Da dieser Bereich bisher am wenigsten reguliert ist, könnten hier in Zukunft die größten Probleme auftreten.

Previous Item Page Top Next Item

4. Die Basler Konvention

Aufbauend auf Vorarbeiten im Rahmen der OECD, des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und der Europäischen Union wurde 1989 das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung" unterzeichnet. Ihr Ziel ist es, „die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor den nachteiligen Folgen zu schützen, die sich aus der Erzeugung und Behandlung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle ergeben können." Hervorzuheben ist, daß dies nicht nur durch eine Begrenzung und Kontrolle grenzüberschreitender Abfallverbringungen erreicht werden soll, sondern auch durch Maßnahmen, die auf eine Verminderung der erzeugten Abfallmengen abzielen. Dieser umfassende Ansatz der Basler Konvention bestätigt sich beim Blick auf die verschiedenen durch die Konvention aufgestellten „Allgemeinen Verpflichtungen", wie:

  • sicherzustellen, daß die Erzeugung gefährlicher Abfälle auf ein Mindestmaß beschränkt wird;
  • notwendige Vorkehrungen zu treffen, um Gefahren für Umwelt und Gesundheit im Umgang mit gefährlichen Abfällen zu verhindern;
  • grenzüberschreitende Verbringungen von gefährlichen und anderen Abfällen zu kontrollieren sowie die Anzahl grenzüberschreitender Abfallverbringungen dadurch zu verringern, daß umweltgerechte Entsorgungskapazitäten möglichst dicht am Entstehungsort geschaffen werden;
  • eine illegale Verbringung gefährlicher Abfälle zu verhindern, wobei Abfallverbringungen zwischen Parteien der Basler Konvention und Nicht-Vertragsparteien immer als illegal gelten.

Ein zentrales Element ist die Errichtung eines Systems zur Regulierung und Überwachung des internationalen Abfallhandels. Jede vorgesehene grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle ist über die zuständige Behörde des Ausfuhrstaates den von der Verbringung betroffenen Staaten schriftlich mitzuteilen. Diese schriftliche Mitteilung muß unter anderem Angaben über den

[Seite der Druckausg.: 5]

Zweck der Verbringung, die an der Erzeugung und Verbringung der gefährlichen Abfälle beteiligten natürlichen und juristischen Personen, die Beschaffenheit des Abfalls sowie über Details des beabsichtigten Transports enthalten. Der Ausfuhrstaat darf erst dann die Erlaubnis zu einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung erteilen, wenn die notifizierende Stelle die schriftliche Zustimmung zur Abfallverbringung des Einfuhrstaats und gegebenenfalls von Durchfuhrstaaten erhalten hat (sogenanntes ‚Prior Informed Consent‘).

Previous Item Page Top Next Item

5. Verbot der Verbringung gefährlicher Abfälle von Industriestaaten in Entwicklungsländer

Bereits im Verhandlungsprozeß zur Basler Konvention von 1989 hatten Vertreter von Entwicklungsländern und Nichtregierungsorganisationen ein vollständiges Exportverbot für gefährliche Abfälle von Industriestaaten in Entwicklungsländer gefordert. Sie argumentierten, daß die Einführung eines ‚Prior Informed Consent‘ (PIC) Ansatzes in Staaten mit geringen administrativen, finanziellen und technischen Kapazitäten keinen wirksamen Schutz vor ungewollten Abfalleinfuhren gewähren könne.

Die Zweite Konferenz der Vertragsparteien im Dezember 1994 in Genf beschloß schließlich „mit sofortiger Wirkung" den Export gefährlicher Abfälle zur Entsorgung aus OECD- in Nicht-OECD-Staaten zu verbieten und ab dem 1. Januar 1998 auch alle Exporte gefährlicher Abfälle zur Verwertung einzustellen. Auf der Dritten Konferenz der Vertragsparteien im September 1995 in Genf wurde dies einstimmig durch eine formelle Ergänzung der Basler Konvention bestätigt. Dieses Exportverbot bezieht sich allerdings nur auf Verbringungen gefährlicher Abfälle aus Staaten, die in einer neuen Anlage VII zum Basler Übereinkommen aufgeführt sind (derzeit OECD, EG, Liechtenstein), in solche Staaten, die dort nicht genannt werden.

Diese Klassifizierung folgt der Annahme, daß die Verbringung gefährlicher Abfälle in Entwicklungsländer grundsätzlich ein beträchtliches Risiko der nicht umweltverträglichen Behandlung beinhaltet. Die Abgrenzung der Anlage-VII-Staaten allein aufgrund von ökonomischen Kriterien vernachlässigt jedoch die teilweise beträchtlichen Unterschiede innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer hinsichtlich ihrer Kapazitäten zur umweltverträglichen Behandlung gefährlicher Abfälle und ihrer Einbindung in die globalen Handelsströme. Die beobachtete geringe Bereitschaft zu einer Ratifikation des Exportverbots gründet sich wahrscheinlich wesentlich auf der mangelnden Klarheit, ob, wie und unter Zugrundelegung welcher Kriterien ein Nicht-Anlage-VII-Staat in Anlage VII des Basler Übereinkommens aufgenommen werden kann.

Oberstes Ziel der Basler Konvention ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der natürlichen Umwelt vor Schäden aus der Erzeugung und Behandlung gefährlicher Abfälle. Dementsprechend sollte als Kriterium für eine Aufnahme in Anlage VII dienen, ob ein Staat einen umweltverträglichen Umgang mit gefährlichen Abfällen gewährleisten kann. Die Schwierigkeiten, ein solches Kriterium für die Praxis zu operationalisieren, sind allerdings enorm. So befinden sich die Arbeiten zur Konkretisierung des Maßstabes für einen „umweltgerechten Umgang mit gefährlichen Abfällen" noch im Anfangsstadium.

Eventuell sollte man eine Sonderregelung für solche Fälle der Abfallverbringung in Nicht-Anlage-VII-Staaten schaffen, die mit einem gleichzeitigen Transfer der Technologien und des Know-hows zur umweltgerechten Be-

[Seite der Druckausg.: 6]

handlung der Abfälle einhergehen. Denn dies würde letztlich auch die Kapazitäten für den Umgang mit im Inland erzeugten oder aus anderen Staaten importierten Abfällen stärken. Ohne solche Anreize für einen verstärkten Technologietransfer ist zu befürchten, daß man trotz Handelsrestriktionen dem eigentlichen Schutzziel der Basler Konvention kaum näher kommt.

Ebenfalls problematisch und ungeklärt ist das Verhältnis des Exportverbots zu der unter Artikel 11 Basler Übereinkommen eröffneten Möglichkeit von Vertragsparteien, regionale Übereinkünfte über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle zu schließen. Einerseits läßt sich argumentieren, das Exportverbot stelle eine Konkretisierung des von den Vertragsparteien erwünschten „Maßstabes für eine umweltgerechte Behandlung gefährlicher Abfälle" dar – bezogen auf Abfallverbringungen von Industrieländern in Entwicklungsländer. Diese Interpretation wird beispielsweise von der EU vertreten. Sie bedeutet, daß eine nach der Konvention unzulässige Abfallverbringung nicht dadurch zulässig werden kann, daß zwischen den entsprechenden Staaten ein Abkommen im Sinne von Artikel 11 Basler Übereinkommen besteht oder geschlossen wird.

Andererseits läßt sich argumentieren, das Verhältnis zwischen Artikel 11 und dem Exportverbot müsse genauso verstanden werden wie das Verhältnis zwischen Artikel 11 und Artikel 4 Absatz 5 Basler Übereinkommen. Letzterer verbietet zwar im Prinzip die Ausfuhr gefährlicher Abfälle in Nichtvertragsparteien. Dieses Verbot gilt jedoch nicht, wenn die Ausfuhr im Rahmen von bi- oder multilateralen Abkommen gemäß Artikel 11 stattfinden. Diese zweite Auffassung wird beispielsweise von Australien vertreten.

Previous Item Page Top Next Item

6. Arbeiten zur Definition „gefährlicher Abfälle"

Zur Frage, ob ein Abfall als „gefährlich" einzustufen ist, gibt die Basler Konvention in ihrer Fassung von 1989 lediglich ein Klassifizierungsverfahren vor. Anlage I listet 19 zu kontrollierende Stoffströme sowie 26 nach Inhaltsstoffen zu erfassende Abfälle auf. Bei den zu kontrollierenden Stoffströmen handelt es sich unter anderem um solche aus der Herstellung von Pharmazeutika, Holzschutzmitteln, Farben und Lacken sowie um verschiedene gebrauchte Stoffe wie Altöle. Als gefährliche Inhaltsstoffe sind Bestandteile wie Arsen, Quecksilber oder Blei genannt. Unter die in Anlage III aufgeführten gefährlichen Eigenschaften fallen beispielsweise: explosiv, entzündbar, giftig, infektiös und ätzend.

Dieses Klassifizierungsverfahren stellt Abfallbesitzer und Behördenvertreter gleichermaßen vor Probleme bei der Einschätzung, ob ein Abfall „gefährlich" im Sinne der Konvention ist oder nicht. Daher wurde auf der Vierten Konferenz der Vertragsparteien im Februar 1998 beschlossen, die Konvention um zwei Abfallisten zu ergänzen: Die neue Anlage VIII (Liste A) umfaßt Abfälle, die eindeutig als ‚gefährlich‘ einzustufen sind, und die neue Anlage IX (Liste B) solche Abfälle, die nicht als ‚gefährlich‘ eingestuft sind. Zugleich wurde deutlich gemacht, daß diese neuen Anlagen den Gebrauch des bereits bestehenden Klassifizierungsverfahrens lediglich erleichtern, das Klassifizierungsverfahren aber nicht verdrängen sollen.

Zukünftig geht es darum, die noch ausstehende begriffliche Konkretisierung für verschiedene „gefährliche Eigenschaften" in Anlage III zu leisten und ein alltagstaugliches Verfahren für die Aktualisierung der in den Anlagen VIII und IX aufgelisteten Abfälle zu schaffen.

[Seite der Druckausg.: 7]

Previous Item Page Top Next Item

7. Allgemeine Grundsätze für eine umweltverträgliche Behandlung gefährlicher Abfälle

Der Erarbeitung allgemeiner Grundsätze für eine umweltverträgliche Behandlung gefährlicher Abfälle kommt für eine effektive Anwendung der Basler Konvention und ihren weiteren Ausbau eine Schlüsselrolle zu. Die Zulässigkeit von Abfallexporten ist bisher von einem Mangel an Kapazitäten für eine umweltverträgliche Behandlung von Abfällen im Ausfuhrstaat und dem Vorhandenseins solcher Kapazitäten im Einfuhrstaat abhängig. In Zukunft ist eine Konkretisierung dieser Grundsätze erforderlich, auch um die Zulässigkeit regionaler Abkommen nach Artikel 11 Basler Übereinkommen beurteilen zu können. Zudem erscheint es sinnvoll, die Kapazitäten für eine umweltverträgliche Behandlung gefährlicher Abfälle als wesentliches Kriterium für die Aufnahme einzelner Staaten in Anlage VII Basler Übereinkommen heranzuziehen. Mit der Etablierung von entsprechenden Grundsätzen würde die Konvention einen wichtigen Entwicklungsschritt weg von einem bloßen Instrument zur Kontrolle des internationalen Abfallhandels hin zu einer globalen Abfallwirtschaftskonvention machen.

Bei der Erarbeitung technischer Leitlinien für eine umweltverträgliche Behandlung gefährlicher Abfälle ging die enstrechende Arbeitsgruppe teilweise stoffstrombezogen und teilweise verfahrensbezogen vor. Bisher konnten beispielsweise Leitlinien für die Lagerung gefährlicher Abfälle, für die Verbrennung zu Lande sowie für die Wiederaufarbeitung und Wiederverwendung von Altölen vorgelegt werden. Von einer umfassenden Regelung ist man jedoch noch weit entfernt.

Weiterhin handelt es sich bei den Leitlinien um typische „End-of-the-pipe"-Ansätze. Im Sinne eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes sollten jedoch gefährliche Abfälle gar nicht erst entstehen. Deshalb sollte zukünftig ein verstärktes Augenmerk auf die Etablierung internationaler Mindeststandards für ein umweltverträgliches Stoffstrommanagement gerichtet werden.

Previous Item Page Top Next Item

8. Maßnahmen der Kapazitätsbildung

Eine effektive Implementierung der Basler Konvention hängt nicht nur vom entsprechenden politischen Willen ab, sondern auch von den Umsetzungskapazitäten. Vor diesem Hintergrund unterstützt das Sekretariat der Basler Konvention die einzelnen Vertragsparteien und sonstige interessierte Gruppen durch die Zusammenstellung und Übermittlung von Informationen. Außerdem wurden regionale und subregionale Zentren eingerichtet. Zu deren Aufgaben zählen Schulungen im Umgang mit gefährlichen Abfällen sowie der Transfer von fortschrittlichen Technologien zur Abfallvermeidung und für einen umweltgerechten Umgang mit gefährlichen Abfällen.

Derartige Maßnahmen zur Stärkung nationaler Kapazitäten stehen im Rahmen der Basler Konvention jedoch noch ganz am Anfang. Die Möglichkeit einer Verknüpfung von Abfallexporten mit dem entsprechenden Transfer von Technologien zu ihrer Verarbeitung wurde als Instrument des verstärkten Capacity Building bereits erwähnt. Wenn die Aufnahme in Anlage VII von der Kapazität zur umweltverträglichen Behandlung gefährlicher Abfälle abhängig gemacht würde, könnte auch das Exportverbot zu einem verstärkten Engagement für Maßnahmen der Kapazitätsbildung führen. Denn nur so ließen sich Exportmöglichkeiten für gefährliche Abfälle in Entwicklungsländer „wiedereröffnen".

[Seite der Druckausg.: 8]

Previous Item Page Top Next Item

9. Haftungsregeln für die Risiken gefährlicher Abfälle

Der Abschluß eines Protokolls für Haftungsfragen und eines Kompensationsmechanismus würde die Basler Konvention zu einem der wenigen globalen Umweltabkommen mit „harten" Haftungsregeln machen. Insofern kommt den Bemühungen um ein Haftungsprotokoll eine erhebliche Bedeutung für die Weiterentwicklung der internationalen Umweltpolitik und des Umweltvölkerrechts zu. Gerade vor diesem Hintergrund sind folgende Aspekte in den derzeit verhandelten Entwürfen besonders problematisch:

Eine Verengung des Anwendungsbereichs des Haftungsprotokolls auf den eigentlichen Transportvorgang würde die ganz überwiegende Zahl von Umwelt- und Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit gefährlichen Abfällen nicht erfassen. Diese geschehen nämlich durch eine unsachgemäße Behandlung und Lagerung gefährlicher Abfälle im Einfuhrstaat. Zwar ließe sich argumentieren, die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Behandlung und Lagerung gefährlicher Abfälle müsse in jedem Falle bei dem Einfuhrstaat liegen, denn nur dieser könne effektiv die Einhaltung internationaler Standards für eine „umweltgerechte Behandlung gefährlicher Abfälle" überwachen. Jedoch würde ein solches verkürztes Haftungsprotokoll mit genau derselben fehlerhaften Unterstellung arbeiten, die bereits zur Unzulänglichkeit des PIC-Regimes geführt hat: Daß abfallimportierende Entwicklungsländer in der Lage sind, die ordnungsgemäße Behandlung und Lagerung gefährlicher Abfälle wirksam zu überwachen.

Eine umfassende Verschiebung der Haftung auf den Exporteur, die auch Schäden aus der unsachgemäßen Behandlung und Lagerung der gefährlichen Abfälle einschließt, erscheint jedoch ebenfalls ungeeignet. Denn für den Importeur würde sich der Anreiz für einen sorgfältigen Umgang mit den Abfällen verringern, wenn er den Exporteur für die Kosten möglicher Schäden haftbar machen könnte. Zudem wären die Risiken für den Exporteur weitgehend außerhalb seiner Kontrolle und somit unkalkulierbar, was zu einer Einschränkung des internationalen Handels über das gewünschte Maß hinaus führen könnte.

Ein Kompromiß zwischen diesen beiden Extremen könnte eine Aufteilung der Haftung auf die beteiligten Akteure sein. Außerdem könnte ein spezielles Zertifizierungssystem für Entsorgungs- und weiterverarbeitende Betriebe eingeführt werden, anhand dessen der Exporteur seine Sorgfalt bei der Auswahl des importierenden Unternehmens nachweisen könnte.

Ungeachtet dieser Probleme ist der grundsätzliche Ansatz eines Haftungsprotokolls jedoch sehr zu begrüßen. Er liefert nicht nur einen Anreiz für den sorgfältigen Umgang mit gefährlichen Abfällen und stellt Mittel für den Schadensfall bereit. Die Haftbarkeit schafft zudem Anreize, bereits beim Design von Produkten und Produktionsprozessen mögliche Folgekosten für Gesundheit und Umwelt zu berücksichtigen.

Previous Item Page Top

10. Die Basler Konvention und die Bestimmungen des Welthandelsrechts

Die Basler Konvention besitzt zahlreiche politische und rechtliche Bezüge zu anderen internationalen Kooperationsprozessen. Von besonderem Interesse ist das Verhältnis zu den Bestimmungen des Welthandelsrechts, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der anstehenden Verhandlungsrunde über eine weitere Liberalisierung des internationalen Handels in Seattle.

Das Diskrimierungsverbot in Artikel I des Allgemeine Zoll- und Handelsabkommens (GATT) verlangt, daß Handelsvorteile für eine Ware in gleichem Maße für alle Vertragsparteien gelten müssen. Artikel

[Seite der Druckausg.: 9]

XI verbietet Handelsbeschränkungen in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen.

Beide Bestimmungen werden von der Basler Konvention verletzt. Allerdings können sich deren Vertragsparteien hierbei auf die „Allgemeinen Ausnahmen" in Artikel XX(b) des GATT berufen. Denn dieser erlaubt umwelt- und gesundheitsschutzmotivierte Handelsbeschränkungen. Voraussetzung ist, daß sie notwendig sind und zu keiner willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen

Handels führen.

Ein Konflikt ließe sich am ehesten aus einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot konstruieren, besonders im Lichte der jüngsten Rechtsprechung der WTO-Streitschlichtungsgremien. Diese haben zwar im Prinzip die Anwendbarkeit von dem Umweltschutz dienenden Handelsbeschränkungen sukzessive ausgedehnt – insbesondere auf solche, die sich auf extraterritoriale Umweltgüter oder Produktionsmethoden beziehen. Im konkreten Konfliktfall wurden US-amerikanischen Handelsbeschränkungen zum Schutz von Meeresschildkröten jedoch als „willkürliche und ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen" und folglich als Verstoß gegen den Chapeau des Art. XX bewertet.

Vor diesem Hintergrund erscheinen vor allem Handelsbeschränkungen auf der Grundlage des Exportverbotsbeschlusses als problematisch. Zwar ist das Exportverbot von den Vertragsparteien als Konkretisierung des durch die Basler Konvention aufgestellten Erfordernisses einer umweltgerechten Behandlung gefährlicher Abfälle beschlossen worden. Wenn aber ein Nicht-Anlage-VII-Staat hinreichende Kapazitäten für eine umweltgerechte Behandlung gefährlicher Abfälle nachweist, dann könnte ein WTO Streitschlichtungspanel die Zweck-Mittel-Relation des Exportverbotsbeschlusses in Frage stellen.

Denn vor dem Schutzziel der Basler Konvention ist es kaum nachvollziehbar, warum ein Staat, der einen umweltgerechten Umgang mit gefährlichen Abfällen gewährleisten kann, nur deshalb von dem internationalen Abfallhandel abgeschnitten wird, weil er nicht zur OECD gehört. Insgesamt ist die Unterscheidung Industriestaat versus Nicht-Industriestaat kein taugliches Abgrenzungskriterium. Statt dessen müßte Nicht-Anlage-VII-Staaten die Möglichkeit gegeben werden, unter Nachweis ihrer Fähigkeiten zu einer umweltgerechten Behandlung gefährlicher Abfälle eine Aufnahme in Anlage VII zu erwirken oder mit Anlage-VII-Staaten ein Abkommen nach Artikel 11 Basler Übereinkommen abzuschließen. Beide Optionen setzen, wie oben dargestellt, eine rasche Konkretisierung des Begriffs einer umweltgerechten Behandlung gefährlicher Abfälle voraus.

Allerdings muß bei einer Einschätzung des Konfliktpotentials berücksichtigt werden, daß die WTO stets einen multilateralen Ansatz zur Lösung grenzüberschreitender Umweltprobleme befürwortet hat. Auch wurde bisher keine einzige Klage eingereicht, in der die Bestimmungen eines internationalen Umweltübereinkommens als Verstoß gegen geltendes WTO-Recht gerügt wurden.

Logan, B. I. 1991. An Assessment of the Environmental and Economic Implications of Toxic-Waste Disposal in Sub-Saharan Africa. Journal of World Trade 25, S. 61-76.

Strohm, L. A. 1993. The Environmental Politics of the International Waste Trade. Journal of Environment & Development 2(2), S. 129-151.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999