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Soziale Gerechtigkeit und Demokratie : auf der Suche nach dem Zusammenhang / Wolfgang Merkel ; Mirko Krück - [Electronic ed.] - Bonn, 2003 - 16 S. = 161 KB, Text . - (Globalisierung und Gerechtigkeit) - ISBN 3-89892-229-4
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT


Demokratie: Der Begriff

Soziale Gerechtigkeit I: Die normative Diskussion

Soziale Gerechtigkeit II: Die Reformulierung des Begriffs

Soziale Gerechtigkeit III: Die Operationalisierung des Begriffs

Soziale Gerechtigkeit und Demokratie

Literatur

[Umschlag-Rückseite:]
Wolfgang Merkel & Mirko Krück: Soziale Gerechtigkeit und Demokratie:
Auf der Suche nach dem Zusammenhang

Über wenige Begriffe ist in den letzten 25 Jahren in Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft mehr geschrieben worden als über Demokratie und Gerechtigkeit. Umfang und analytische Schärfe der theoretischen Reflexionen und empirischen Untersuchungen sind beeindruckend. Der Eindruck verflüchtigt sich jedoch, richtet sich der Blick auf die theoretischen und empirischen Abhandlungen zur Wechselbeziehung beider Phänomene, also darauf, was Demokratie und (soziale) Gerechtigkeit verbindet oder trennt, treibt oder behindert.

Schon eine kursorische Durchsicht der Forschungsliteratur zeigt einen eigentümlichen Unterschied zwischen den angelsächsischen Publikationen einerseits und den deutschen oder lateinamerikanischen Schriften andererseits. Auch wenn es Ausnahmen geben mag, zeichnen sich letztere Transformations- und Demokratiestudien, die sich mit dem Problem der sozialen Gerechtigkeit beschäftigen, meist durch Begriffs- und Ahnungslosigkeit aus.(1) Da wird der Begriff soziale Gerechtigkeit im Titel annonciert, aber Ungleichheit beschrieben; da taucht der Begriff der sozialen Ungleichheit auf, aber gemeint ist die Ungleichheit von Einkommen; Unterschiede zwischen Ergebnisgleichheit und Chancengleichheit werden nicht thematisiert. Die Begriffe soziale Gerechtigkeit, justicia social, soziale Gleichheit, Einkommensungleichheit, soziale Entwicklung, A-priori-Gerechtigkeit der Startbedingungen und Ex-post-Ergebnisgleichheit oder Verteilungsgerechtigkeit werden zwar genannt, verschwimmen aber im Nebel der implizierten Synonymität. Ein Blick in die Literaturlisten zeigt, dass die Autoren sich weder von Rawls noch von Hayek, Walzer oder Sen, Brian Barry oder Ronald Dworkin begrifflichen Rat eingeholt haben.

Die angelsächsische Transformations- und Demokratieforschung ist in der Regel vorsichtiger und präziser. Social justice and democracy werden begrifflich kaum in Verbindung gesetzt. Und wo dies doch geschieht, wird präziser von distributive inequality, oder noch konkreter von income inequality and democracy gesprochen. Die große Gerechtigkeitsfrage wird kleingearbeitet, und es werden konkrete Indikatoren wie Einkommensungleichheit, Armutsraten, Bildungsquoten oder Beschäftigungsziffern in ihren Wechselverhältnissen und Korrelationssignifikanzen getestet. Dies ist eine nachvollziehbare Eingrenzung und klare Benennung der Untersuchungsthematik. Sie ist legitim, heuristisch sinnvoll und analytisch klar.

Soll man es aber dabei belassen? Können wir uns zusätzliche Einsichten in die Demokratie- und Gesellschaftsentwicklung verschaffen, wenn wir versuchen, einen so sperrigen, kontroversen und normativ aufgeladenen Begriff wie jenen der sozialen Gerechtigkeit in die Demokratiediskussion einzuführen? Geben wir dann wissenschaftliche Bescheidenheit und analytische Klarheit auf? Immerhin ist der Terminus ,,Soziale Gerechtigkeit" in der Demokratieforschung längst präsent. Allerdings ist er theoretisch kaum fundiert und analytisch wenig differenziert. Deshalb ist es legitim, die Chancen, Grenzen und möglichen Aporien des Zusammenhangs von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu erkunden. Manches hat explorativen Charakter, auch um das mögliche Forschungsfeld abzustecken. Dabei gehen wir von der in zahlreichen theoretischen wie empirischen Studien vorgetragenen These aus, dass die soziale Gerechtigkeit und die Qualität der Demokratie eines Landes in einer sich wechselseitig verstärkenden Beziehung zueinander stehen.

Die Erkundung wird von folgenden Schritten geleitet:

  • Welcher Demokratiebegriff sollte den Untersuchungen zugrunde liegen?
  • Soziale Gerechtigkeit I: Die normative Diskussion
  • Soziale Gerechtigkeit II: Die Reformulierung des Begriffs
  • Soziale Gerechtigkeit III: Die Operationalisierung des Begriffs
  • Demokratie und soziale Gerechtigkeit I: Korrelationen
  • Demokratie und soziale Gerechtigkeit II: Gerechtigkeit als abhängige Variable

Demokratie: Der Begriff

Hier soll keine grundsätzliche Debatte darüber geführt werden, welcher der eigentliche, authentische und wahre Demokratiebegriff ist.(2) Wir verhalten uns in dieser normativen Debatte zunächst agnostisch. Wir folgen der Auffassung, dass Demokratien mit je unterschiedlichen Adjektiven auch unterschiedliche politische Regime beschreiben. Aus der Vielzahl solcher adjektivierter Demokratien - Collier und Levitsky (1997) zählen über 500 - stellen wir zunächst drei vor, von denen wir annehmen, dass sie unterschiedliche analytische Einsichten liefern können.

  • Electoral democracy: Für sie gilt die Etablierung allgemeiner, freier, geheimer und ausreichend fairer Wahlen als notwendiges und hinreichendes Kriterium. Die Verwendung dieses Demokratiebegriffs ist in Untersuchungen gerechtfertigt, in denen wir große Fallzahlen haben und Korrelationsanalysen durchführen. Mit ihnen lassen sich globale Trends erkennen, regionale Muster feststellen, besonders erklärungskräftige Variablen herausfiltern und Hypothesen für weitere tiefenschärfere Analysen generieren. Freedom House hat diesen minimalistischen Demokratiebegriff für alle Länder mit Daten unterlegt.
  • Der Demokratiebegriff wird in einen allgemeinen Regimebegriff aufgelöst. Wir nehmen keine exakten definierenden Kriterien oder Schwellenwerte(3) für Autokratien und Demokratien an, sondern ziehen Messskalen für den Polyarchiegrad eines politischen Systems heran. Die Palette verfügbarer Daten reicht hier von Polity I-IV über Vanhanen (1989) bis zu Freedom House (vgl. Schmidt 2000). Wir entscheiden uns - trotz mancher methodischer Kritik (u.a. Lauth 2002) für die Daten von Freedom House, weil wir damit das Schwellenproblem (Demokratie - Autokratie) umgehen können. Darüber hinaus gibt Freedom House selbst über die Auswertung der Political-rights-Dimension auch diejenigen Länder an, die noch unter electoral democracies gefasst werden können.
  • Es lässt sich auch ein anspruchsvollerer Begriff der Demokratie für qualitative Studien wählen. Wir haben diesen in unseren Untersuchungen zur defekten Demokratie normativ als rechtsstaatliche liberale Demokratie und analytisch als embedded democracy ausgewiesen (Merkel 1999; Merkel/ Croissant 2000; Merkel/ Puhle et al. 2003). Die Verwendung eines solchen Demokratiebegriffs beschränkt die Fallzahl und definiert die Art der Analyse. Dann werden nicht mehr Korrelationen gemessen, sondern Kausalitäten untersucht. Es ist eine über die ausgewiesenen Untersuchungsvariablen disziplinierte Analyse, die über dichte Beschreibungen hinausgeht, aber dennoch singuläre Kontexte berücksichtigt, länderspezische Pfadabhängigkeiten zu zeichnen in der Lage ist und kausale Relationen zu ermitteln vermag.

Alle drei Zugänge zur konzeptionellen Erfassung der Demokratie können als analytische Kategorien Legitimität beanspruchen. Nur müssen sie klar definiert werden und sollten nicht schlicht mit der unausgewiesenen Benennung ,,Demokratie" verwendet werden. Idealiter sollte ein Forschungsprozess, der den Zusammenhang von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit untersucht, zwei Stufen umfassen: zunächst eine Korrelationsanalyse mit hohen Fallzahlen, um Trends und Hypothesen herauszufiltern; danach können die Hypothesen in einer detaillierteren Kausalanalyse mit kleinen Fallzahlen tiefenschärfer geprüft werden. Ein most dissimilar cases design erscheint dafür besonders ergiebig. Allerdings wollen wir uns in der vorliegenden Analyse auf den ersten Schritt beschränken. Aber auch für diesen gilt es, den zweiten Begriff, jenen der sozialen Gerechtigkeit, zu klären.

Soziale Gerechtigkeit I: Die normative Diskussion

In der längst unüberschaubaren Diskussion über die Theorien der Gerechtigkeit(4) beschränken wir uns auf die kursorische Durchsicht von vier zeitgenössischen Gerechtigkeitstheorien: jene von F.A. von Hayek, John Rawls, Michael Walzer und Amartya Sen. Wir tun dies selektiv, eklektisch und allein an unserem Untersuchungsziel ausgerichtet. Uns geht es darum, einen Begriff von sozialer Gerechtigkeit zu definieren, der sich einerseits vom theoretischen Diskurs belehren lässt, aber gleichzeitig hilft, über die reine Theoriedebatte hinaus eine begründete Auswahl von Gerechtigkeitsindikatoren zu treffen, die sich für empirisch-vergleichende Analysen eignen. Die Auswahl der vier genannten Gerechtigkeitstheorien ist nicht zufällig. Sie verdankt sich neben dem Einfluss der vier berühmten Theoretiker auf die Gerechtigkeitsdebatte, v. a. auch deren zeitgenössischen Zuschnitt. Insbesondere lassen sie sich in einer Vier-Felder-Matrix, die durch die Vertikale ,,verteilungssensitiv versus verteilungsavers" und die Horizontale ,,Individuum versus Gemeinschaft" auf drei Quadranten verteilen. Allein der Quadrant rechts oben ,,verteilungsavers" und ,,gemeinschaftsorientiert" bleibt aus einsehbaren Gründen der logischen Inkonsistenz unbesetzt.

Abb. 1:



Die libertäre Position: von Hayek(5)

Bei von Hayek (1971; 1996) ist, wie bei allen liberalen und libertären Gerechtigkeitsphilosophien, die individuelle Autonomie der öffentlichen Arena politischer Entscheidungen normativ vor- und übergeordnet. Begrenzungen dieser Autonomie etwa durch sozialstaatliche Einmischungen sind deshalb besonderen Rechtfertigungsprüfungen zu unterziehen. So hält nach von Hayek das Motiv sozialstaatlich institutionalisierter Umverteilung zur Korrektur von Marktergebnissen aus mindestens drei Gründen nicht stand.

Das logische Argument: Die sich in der Gesellschaft manifestierenden Tauschergebnisse des Marktes sind die nichtintendierten Ergebnisse individuellen Handelns. Da Intentionalität und daher Folgenverantwortlichkeit nicht gegeben sind, liegen sie begriffslogisch außerhalb jeder gerechtigkeitstheoretischen Bewertung.

Das kognitive Argument: Der Markt führt zu einer ,,spontanen Ordnung in der Gesellschaft". Aus dieser freiwilligen Kooperation entstehen Traditionen und Institutionen, die ihre eigene ,,evolutionäre Moral" ausbilden. ,,Diese Moralregeln übersteigen die Fähigkeiten der Vernunft" (von Hayek 1996: 6). Sie sollten deshalb weder durch politische Mehrheiten, noch nach deduzierten Vernunftprinzipien korrigiert werden.

Das ökonomische Argument: Der Markt ist die Sphäre unerreichbarer Effizienz. Er ist kumulativ, und nicht durch ein rationalistisches Design entstanden. Zudem verdankt der Mensch manche seiner größten Erfolge der Vergangenheit dem Umstand, dass er nicht imstande war, das gesellschaftliche Leben bewusst zu lenken (von Hayek 1971: 48).

Das logische, kognitive und ökonomische Argument führen von Hayek zu einer klaren Ablehnung sozialstaatlicher Korrektur von marktinduzierten Eigentums-, Einkommens- und Wohlfahrtsverhältnissen in der Gesellschaft. Von Hayek empfiehlt eine Gesellschaft der Rechtsgleichheit plus maximale Vertragsfreiheit (auf dem Markt), sekundiert von einer transfergestützten Minimalsicherung. Weiter gehende Einschränkungen der Freiheit auf dem Markt haben freiheitsabträgliche Wirkung und können deshalb nicht mehr legitimiert werden. Es dominiert das über den Markt sich durchsetzende ,,meritokratische" Verteilungsprinzip.

Die sozialliberale Position: John Rawls

Für Rawls (1975; 1993) taugt der Markt nicht als Schiedsrichter sozialer Gerechtigkeit. Er besitzt zwar die Eigenschaften einer unübertroffenen Allokationseffizienz, aber die Herstellung gerechter gesellschaftlicher Zustände gehört nicht zu seinen Stärken. Der Hauptgrund für diese ethische Blindheit liegt in den ungleichen und ungerechten Zugangsbedingungen zum Markt. Es kommt Rawls deshalb darauf an, die Individuen mit einem gleichen Set an Grundgütern auszustatten, welche die Ungleichheit der sozialen Startbedingungen korrigieren. In die politische, wirtschaftliche und soziale Verfassung einer Gesellschaft müssen deshalb Institutionen eingeschrieben werden, die jene Grundgüter fair verteilen, die für gerechte Startchancen bedeutsam sind. Zu solchen fundamentalen Gütern zählt Rawls Rechte, Freiheiten und Chancen, aber auch Einkommen und Vermögen sowie insbesondere die sozialen Bedingungen der Selbstachtung.

Die Verteilung der Grundgüter soll zwei entscheidenden Regeln folgen. Die erste, übergeordnete Verteilungsregel verlangt die absolut gleiche Verteilung von Grundfreiheiten und politischen Rechten. Dies ist nicht umstritten und in den rechtsstaatlich verfassten Demokratien weitgehend gewährleistet. Das gilt allerdings nicht für ,,electoral polyarchies", wo der Rechtsstaat sowohl territorial als auch klassenspezifisch meist nur partikuläre Gültigkeit hat.(6)

Umstritten ist die zweite Verteilungsregel. Sie entwirft einen Grundsatz der sozio-ökonomischen Gerechtigkeit. Demnach sind soziale und ökonomische Ungleichheiten nur dann zulässig, wenn diese insbesondere den weniger Begünstigten zum Vorteil gereichen. Rawls' Ziel ist die Befreiung der individuellen Lebenschancen von den Zufälligkeiten der sozialen Herkunft, des Geschlechts und der natürlichen Begabung.

Die kommunitaristische Position: Michael Walzer

Michael Walzer (1983; 1988; 1998), der wohl einflussreichste Kommunitarist,(7) versucht, den Universalismus eines einzelnen Gerechtigkeitsprinzips zu vermeiden. Sein Credo lautet: Es gibt eine große Anzahl von Verteilungsarenen und Verteilungskriterien. Dasselbe gilt für die Fülle der zu verteilenden Güter und Ressourcen. Es kann und darf keine übergreifende Verteilungslogik für so verschiedene Sphären wie die (staats)bürgerliche ,,Zugehörigkeit", ,,soziale Sicherheit und Wohlfahrt", ,,Geld und Waren", ,,Erziehung" und ,,politische Macht" geben. Die Feststellung lautet: Jede Güter- und Lebenssphäre hat ihre eigenen Verteilungsregeln. Der Imperativ heißt: Keine Verteilungsregel darf in eine andere Sphäre ,,hineinregieren" (1998: 161). Dies gilt insbesondere für die Sphäre des Geldes. Es muss aus Gründen der Gerechtigkeit Güter geben, deren Verteilung nicht vom Geld abhängt. Dazu zählen in erster Linie Gesundheit und Bildung. Deren Verteilung muss sich am Gleichheitsgrundsatz und an der Bedürftigkeit orientieren. Auch wenn Walzer nicht die theoretische Stringenz von Rawls erreicht, auch wenn er die letztinstanzliche Begründungspflicht gegenüber dem Individuum zugunsten einer weniger klar definierten Gemeinschaft aufgibt, kommt er in manchen relevanten Verteilungssphären zu vergleichbaren Distributionsregeln wie Rawls. Allerdings gibt er der ,,Kontextsensitivität" Vorrang vor einem allgemein gültigen Verteilungsprinzip. Es ist in letzter Instanz die jeweilige Gemeinschaft, welche die Verteilungsregeln zu bestimmen hat.

Die ,,aktivierende" Position: Amartya Sens ,,capabilities"

Seit Mitte der 70er Jahre entwickelte Amartya Sen ein Konzept, das die geeigneten Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft für jedermann öffnen soll (Sen 2000). Für Sen ist individuelles, selbstbestimmtes Handeln das zentrale Mittel zur Beseitigung von persönlichem Elend und für die Herstellung sozialer Gerechtigkeit. Es geht ihm im aristotelischen Rückgriff um die ,,tätige Seite" des Individuums, um wirtschaftliche, soziale und politische Teilhabe. Die Menschen müssen als ,,Agenten" ihrer eigenen Interessen befähigt werden.

Individuelles Handeln ist für Sen grundsätzlich durch soziale, politische und wirtschaftliche Restriktionen begrenzt. Erst die Abschaffung gewichtiger Handlungsbeschränkungen und Unfreiheiten eröffnet dem Individuum die grundlegende Voraussetzung zur Befähigung (,,capability of a person"), Lebenschancen zu erkennen, wahrzunehmen und zu verwirklichen. Capabilities sind die Möglichkeiten eines Individuums, verschiedene ,,beings and doings" zu realisieren: ,,Capability is, a set of vectors of functionings (beings and doings), reflecting the person's freedom to lead one type of life or another" (Sen 1992: 40). Die individuelle Befähigung ist der Kern von Sens Gerechtigkeitsbegriff. Sie fügt der klassisch-liberalen ,,negativen Freiheit" von etwas (von Zwang und Einmischung durch den Staat oder Dritte) die ,,positive Freiheit",(8) etwas tun zu können, hinzu. Konsequent definiert Sen soziale Gerechtigkeit als ,,equality of capabilities, ... or the elimination of unambiguous inequalities in capabilities, since capability comparisons are typically incomplete" (ibid: 7).

Sen (2000: 50) unterscheidet im Bereich der Grundbefähigungen grundsätzlich zwei Freiheiten: die ,,konstitutiven" und die ,,instrumentellen". Die konstitutiven Freiheiten schließen elementare Freiheiten ein, die ,,an sich" schon intrinsischen Wert haben (Sen 1999: 37). Ihre Erweiterung vergrößert aber zusätzlich die Chance eines Menschen, Lebenspläne zu entwickeln, Lebensoptionen zu erweitern und diese nach eigener Wahl umzusetzen (Sen 2000: 30). Die selbstbestimmte Wahl, zu der die Individuen befähigt werden sollen, ist für Sens Gerechtigkeitsbegriff von elementarer Bedeutung. Zu den konstitutiven bzw. substantiellen Freiheiten zählen für Sen u.a. ,,die Möglichkeit Hunger, Unterernährung, heilbare Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden, wie auch jene Freiheiten, die darin bestehen, lesen und schreiben zu können, am politischen Geschehen zu partizipieren, seine Meinung unzensiert zu äußern, usw." (ebd.: 50). Während die instrumentellen Freiheiten in ihrer abstrakten Formulierung für Gesellschaften aller Entwicklungsstufen gelten, zielen die ,,konstitutiven" Freiheiten insbesondere auf die Gesellschaften der dritten Welt.(9) Die Erlangung der konstitutiven Freiheiten ist jedoch weitgehend von den instrumentellen Freiheiten abhängig. In der Sprache von Rawls muss also Letzteren die lexikalische Vorrangregel eingeräumt werden.

Die intrinsische Bedeutung substantieller Freiheit als konstitutiver Bestandteil sozialer Gerechtigkeit ist zwar von der ,,instrumentellen" Wirksamkeit der Freiheit bei der Förderung sozialer Gerechtigkeit zu unterscheiden, dennoch sind beide funktional miteinander verflochten. ,,Politische Freiheiten, ökonomische Vorteile bzw. Einrichtungen, soziale Chancen, Garantien für Transparenz und soziale Sicherheit" (Sen 2000: 30 u. 52 ff.) sind der institutionelle Kern zur Entwicklung der capabilities. Erst diese eröffnen dem Individuum selbstbestimmte Lebenschancen.

Freiheit bedeutet bei Sen zweierlei: Zum einen sollen Verfahren etabliert werden, die gleiche formale Handlungs- und Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Diese sind Rawls' Grundgütern eng verwandt. Zum anderen sollen aber über Rawls hinaus die realen Chancen, die Menschen angesichts ihrer persönlichen und sozialen Umstände haben, nicht nur in fairer Weise angeglichen, sondern insbesondere auch entwickelt werden. Damit soll verhindert werden, dass trotz der konstitutionellen Existenz von abstrakt gerechten Normen und Institutionen die Menschen individuell ungleiche und unzulängliche Chancen haben, um ihre eigene Situation zu verbessern. Während Rawls bis zu einem gewissen Grad außer Acht lässt, in welcher Weise die Individuen die gleich zu verteilenden primary goods nutzen können, geht es Sen gerade darum, dass die Menschen diese Güter nutzen und in Lebenschancen transformieren können. Dabei löst er die universalistischen Gerechtigkeitsprinzipien von Rawls nicht wie die Kommunitaristen in der Kontingenz partikularer Gemeinschaften auf, sondern bewahrt und bettet sie kontextsensitiv in die jeweils konkreten Umstände ein. Sen entwickelt einen Gerechtigkeitsbegriff, der in den Prinzipien universalistisch, inhaltlich gesättigt, aber kulturell nicht festgelegt ist. Für einen ,,interkulturellen Vergleich" eignet sich deshalb sein Gerechtigkeitsbegriff in besonderem Maße.

Soziale Gerechtigkeit II: Die Reformulierung des Begriffs

Unser Gerechtigkeitsbegriff stützt sich auf John Rawls und Amartya Sen. Bei aller Überzeugungskraft von Rawls' abstrakten Gerechtigkeitsprinzipien sehen wir dennoch in seiner Theorie zwei Lücken, die wir durch die Verknüpfungen mit Sens Überlegungen schließen wollen. Erstens die aktivierende Komponente, die in Sens Konzept der Befähigung der Individuen steckt. Zweitens die größere Kontextsensibilität, die Rawls' stärker auf die entwickelten Gesellschaften ausgerichtete Theorie für Gesellschaften jedweder Entwicklungsstufe öffnet. Folgende zentralen Prinzipien legen wir unserem Begriff von sozialer Gerechtigkeit zugrunde:

  • Gleichverteilung des Zugangs zu den notwendigen Grundgütern für die individuell zu entscheidende Entfaltung von Lebenschancen.
  • Stärkung der individuellen Fähigkeiten (capabilities), die persönliche Autonomie, Würde, Entscheidungsfreiheit, Lebenschancen und Optionsvielfalt schützen, sichern und erweitern. Sie sind eine wichtige Garantie des vollen Schutzes und des ungehinderten Zugangs zur ,,negativen" wie ,,positiven" Freiheit.
  • Unser Begriff sozialer Gerechtigkeit ist stark ,,a priori", d.h. auf die gerechte (hier: gleiche) Verteilung, von Zugangschancen gerichtet. Ex-post-Umverteilungen durch passive sozialstaatliche Maßnahmen sind bei Ressourcenknappheit ersterer unterzuordnen, da sie weniger geeignet sind, Klassenstrukturen zu brechen, Lebenschancen zu erweitern und Armutsfallen zu vermeiden.
  • Tritt trotz einer gegebenen, sicherlich nur theoretisch erreichbaren Chancengerechtigkeit Armut auf, ist sie allerdings durch Ex-post-Umverteilung mit hoher politischer Präferenz zu bekämpfen, da Armut die individuelle Autonomie und Würde des Menschen beschädigt und zu einer Falle für die nachfolgenden Generationen in armen Familien werden kann.
  • Darüber hinausgehende Umverteilung ist nicht mehr dem Prinzip sozialer Gerechtigkeit unterworfen, sondern dem normativ schwächeren Prinzip der Solidarität (Höffe 2002: 119). Aber auch bei der subsidiär organisierten Solidarität muss die Leitlinie ,,Hilfe zu Selbsthilfe" sein und darf nur in letzter Instanz paternalistische Fürsorge sein.
  • Ungleichheiten in der Ex-post-Verteilung materieller Güter können akzeptiert werden, wenn gleiche Startchancen gewährleistet sind und Armut sowie ,,low intensity citizenship" vermieden werden.
  • Sowohl die ,,konstitutiven" als auch ,,instrumentellen Freiheiten" Sens werden mit unterschiedlichen Indikatoren zu fassen sein.

Soziale Gerechtigkeit III: Die Operationalisierung des Begriffs

Aus den genannten allgemeinen Prinzipien unseres reformierten Gerechtigkeitsbegriffs haben wir fünf Dimensionen abgeleitet, die wir wiederum in Indikatoren für die empirische Untersuchung übersetzt haben. Abbildung 2 stellt die Dimensionen und die ihnen zugewiesenen Indikatoren im Zusammenhang dar.

Abb. 2:

Dimensionen und Indikatoren sozialer Gerechtigkeit

Dimension

Indikator

(Originalbezeichnung wie erhoben)

Vermeidung von Armut im substantiellen Sinne (vor allem von Hunger, Unterernährung und heilbaren Krankheiten)

Untergewicht bei Kindern

(Infants with low birth weight (%)

Unterernährung (Undernourished people as % of total population)

Kindersterblichkeit

(Under 5 mortality rate per 1000)

Lebenserwartung (Life expectancy at birth, in years both sexes)

Soziale Chancen durch Bildung

Bildungsausgaben (Public education expenditure as % of GDP)

Anteil Studierende

(Students per 100.000 inhabitants)

UN-Education Index

Soziale Chancen durch einen integrativen Markt

GINI-Index

Erwerbsquote

(Labour force participation rate (%))

Ökonomische Abhängigkeitsquote (Number of economically inactive per 100 active)

Berücksichtigung der besonderen Rolle der Frau (Gender Equality)

Erwerbsquote (Frauen)

(Female Economic Activity rate)

Alphabetisierungsgrad (Frauen)

(Adult literacy rate female)

Höhere Bildung (Frauen) (Tertiary education, gross enrolment ratio (%))

Soziale Sicherung

Gesundheitsausgaben (Public Health expenditure as a % of GDP)

Sozialausgaben (Total social security expenditure as % of GDP)

Im Bereich der ersten Dimension, der Vermeidung von Armut, sind der Anteil untergewichtiger Kinder an der gesamten Anzahl Neugeborener und der unterernährte Anteil der Bevölkerung geeignete Indikatoren, um festzustellen, ob die Vermeidung von Hunger in einer Gesellschaft erfolgreich ist oder nicht. Quoten, die massiv über den Durchschnitten anderer Gesellschaften liegen, deuten auf Probleme in dieser Dimension hin. Ähnlich verhält es sich mit der Kindersterblichkeit und Lebenserwartung. Geringe Lebenserwartung und hohe Sterblichkeitsraten bei Kindern unter fünf Jahren deuten darauf hin, dass Hygiene und die Versorgung mit Medikamenten, aber auch die Anzahl an Ärzten oder die Ernährung unterdurchschnittlich gewährleistet sind.

Die zweite Dimension, in der die Bereitstellung von Lebenschancen über den Zugang zu Bildung erfasst wird, wird zunächst allgemein über den Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen. Daneben soll die Anzahl an Studenten in einer Gesellschaft zeigen, wie weit auch weiterführende Bildung für die Mitglieder einer Gesellschaft zu erreichen ist. Zudem wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nation Development Program) mit dem ,,Education-Index"(10) ein Indikator erhoben, der den generellen Bildungsstand über unterschiedliche Teilnahmequoten, aber auch Ergebnisindikatoren misst. Alle drei Indikatoren zusammen sind in der Lage, ein Bild von der Bildungssituation in einem Land zu zeichnen. Auch hier gilt, dass weit unterdurchschnittliche Ergebnisse auf Verteilungsprobleme in einem Bereich verweisen, der für die Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung ist.

Die dritte Dimension befasst sich mit der Integrationsfähigkeit der jeweiligen nationalen Märkte. Die Beschäftigungsquote und der Anteil der ökonomisch nicht aktiven Bevölkerung soll darüber Aufschluss geben, inwieweit die Arbeitsmärkte inklusiv sind. Inklusivität, bzw. eine hohe Beschäftigungsquote gibt Hinweise auf einen Arbeitsmarkt, der nicht ausgrenzt, sondern integriert und damit Erwerbs- und Lebenschancen fairer verteilt als Arbeitsmärkte mit niedrigen Erwerbsquoten. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass eine nicht zu weit gespreizte Einkommensverteilung, gemessen am ,,GINI-Index"(11), Aussagen über Verteilungsmechanismen der Märkte und des Staates zulässt. Hohe Beschäftigungsquoten, ein geringer Anteil der ökonomisch inaktiven Bevölkerung und eine relativ gleiche Einkommensverteilung lassen Rückschlüsse auf eine ,,faire" Verteilung der Lebenschancen zu. Sie sind aus der Perspektive sozialer Gerechtigkeit positiv zu bewerten.

In der vierten Dimension, welche sich der Rolle der Frau widmet und sich dabei vor allem auf die Eröffnung von Chancen durch Bildung und Integration in den Marktmechanismus konzentriert, sollen die ,,Female Economic Activity rate"(12), der weibliche Alphabetisierungsgrad und der Anteil von Frauen in höherer Bildung Hinweise auf die Geschlechtergerechtigkeit geben. Unterdurchschnittliche Ergebnisse dieser Indikatoren deuten darauf hin, dass die Lebenschancen von Frauen im Vergleich zu anderen Gesellschaften geringer sind.

Die fünfte Dimension befasst sich mit der sozialen Sicherung. Hier sollen Gesundheitsausgaben und Ausgaben für soziale Sicherheit - gemessen am BIP - darüber Aufschluss geben, wie viel Ressourcen in einer Gesellschaft für diesen Bereich aufgewendet werden. Auch hier gilt, dass unterdurchschnittliche Werte aus der Perspektive sozialer Gerechtigkeit als problematisch gelten.

Der Gesamtindex sozialer Gerechtigkeit für ein Land wird aus den Durchschnittswerten der einzelnen Gerechtigkeitsdimensionen gebildet. Die Werte der einzelnen Dimensionen sind ihrerseits Durchschnittswerte der sie repräsentierenden Indikatorenbündel. Probleme, die sich aus der Vergleichbarkeit der einzelnen Dimensionen zueinander ergeben, werden mit Hilfe einer Z-Wert-Transformation entschärft.(13)

Soziale Gerechtigkeit und Demokratie

In der Demokratietheorie wird überzeugend die Auffassung vertreten, dass Demokratien dafür sorgen, dass die Regierenden eines Staates aufgrund des freien Wettbewerbs um öffentliche Ämter sensibler auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung achten, als dies in autokratischen Regimen der Fall ist (Merkel 1999). Für demokratisch gewählte Politiker sind die Bereitstellung gerechter Lebenschancen durch die Vermeidung von Armut, die Bereitstellung von Bildungschancen, aber auch vermehrte Marktintegration, die Gleichstellung der Geschlechter oder die Bereitstellung sozialer Sicherung wichtige Legitimitätsquellen, auf die sie nicht verzichten können. Schließlich ist eine demokratisch verfasste und entsprechend ,responsive` Staatsgewalt ein - alternativloses - Mittel zur lernbereiten Einwirkung der Gesellschaft auf sich selbst und die Regulierung von Verteilungsverhältnissen und Lebenschancen nach Kriterien sozialer und politischer Gerechtigkeit (Offe 1996: 143).

Nicht umsonst spricht auch Sen davon, dass die Einrichtung einer liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geboten ist. Die Wahl und Kontrolle der Mandatsträger gehören ebenso dazu wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Von zentraler instrumenteller Bedeutung dieses Aspektes sozialer Gerechtigkeit ist für Sen die Verknüpfung von politischen Freiheiten und bürgerlichen Rechten einerseits und der Verhinderung von Hunger, Armut und Analphabetismus andererseits. Politische Beteiligung setzt Wissen und ,,elementare Kulturfähigkeiten" voraus. Auch deshalb widerspricht es fundamentalen Voraussetzungen positiver Freiheit, den Individuen Bildung und materielle Minimalvoraussetzungen politischer Beteiligung und Entscheidungsfreiheit vorzuenthalten. Transparenzgarantien, die als Imperative einer gerechten Verteilung Korruption und Klientelismus der Eliten verhindern sollen, da diese den freien Marktzugang und soziale Chancen für weite Teile der Bevölkerung beschränken und verzerren. Zudem verfestigen sie Abhängigkeitsbeziehungen und sind eine wesentliche Ursache für Verkrustungen und Defekte im politischen System.

Im Folgenden wollen wir empirisch überprüfen, ob die politische Regimeform Einfluss auf den Stand der sozialen Gerechtigkeit in einer Gesellschaft hat. Die Hypothese, die getestet werden soll, lautet: Je höher die demokratische Qualität eines politischen Systems (unter Bezug auf die von Freedom House verwendeten Konzepte der civil liberties und der political rights(14)), desto gerechter ist die Chancen- und Ergebnisstruktur einer Gesellschaft. Der Einfluss, den die demokratische Qualität eines politisches Regimes auf die soziale Gerechtigkeit hat, soll auf mehreren Ebenen geprüft werden. Den Beginn macht eine Korrelationsanalyse, die einen generellen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen testen soll. Danach soll eine Regressionsanalyse darüber Aufschluss geben, ob die demokratische Qualität eines Regimes als unabhängige Variable die Varianz sozialer Gerechtigkeit als abhängiger Variable signifikant aufklären kann. Abschließend sollen regional differenzierte Analysen die jeweils spezifischen Zusammenhänge zwischen beiden Variablen beleuchten.(15)

Korrelationen(16)

Die erste Hypothese postuliert einen positiven Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und dem Grad der Demokratisierung für unsere 124 Untersuchungsländer.

Tab. 1: Korrelation soziale Gerechtigkeit und Demokratie

Korrelationskoeffizient
nach Pearson

Civil
Liberties

Political Rights

Combined Rating

Ranking sozialer Gerechtigkeit

-0,397

-0,393

-0,405

Die Analyse zeigt, dass zwischen den Freedom-House-Werten und dem Index sozialer Gerechtigkeit ein stark signifikanter Zusammenhang besteht. Dies stützt zunächst unsere Vermutung, dass der Grad der Demokratisierung eines politischen Regimes Einfluss auf die Verteilung der Chancengerechtigkeit einer Gesellschaft hat wie auch umgekehrt.

Die Aufgliederung dieses Zusammenhangs auf die einzelnen Dimensionen der sozialen Gerechtigkeit offenbart, dass die Beziehung zwischen Demokratisierung und der Chancenstruktur vor allem auf den starken Einfluss der Demokratie, auf die Vermeidung von Armut, die Bereitstellung von Bildungschancen sowie der Geschlechtergleichstellung und die Ausbildung eines sozialen Netzes zurückzuführen ist. Demokratisierungsgrad und Marktintegration zeigen keine signifikante Verbindung.

Tab. 2: Dimensionen sozialer Gerechtigkeit und Demokratie

Korrelationskoeffizient
nach Pearson

Civil
Liberties

Political Rights

Combined Rating

Armut

-0,233

-0,237

-0,242

Bildung

-0,339

-0,345

-0,351

Markt

-0,121

-0,115

-0,120

Gleichstellung

-0,265

-0,236

-0,255

Soziale Sicherung

-0,394

-0,396

-0,405

Da die Korrelationsanalyse zwar einen statistischen Zusammenhang aufdecken kann, aber keine Kausalitäten, soll eine nachfolgende Regressionsanalyse zeigen, in welche Richtung der Zusammenhang wirkt. Es wird geprüft, inwieweit die Varianz sozialer Gerechtigkeit als abhängige Variable durch die Veränderung des Grades der Demokratisierung als unabhängige Variable erklärt werden kann.

Regressionen(17)

Auch die bivariate Regressionsanalyse(18) zeigt, dass der Grad der Demokratisierung einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Lebenschancen hat: Mit der Ausbreitung bürgerlicher Freiheiten und politischer Rechte nimmt die soziale Gerechtigkeit zu. Die Regression ist stark signifikant. 15,8 Prozent der Varianz im Ranking sozialer Gerechtigkeit können durch die Ausbreitung der bürgerlichen Freiheiten erklärt werden, 15,4 Prozent mit der Ausbreitung der politischen Rechte. Für das aus Civil Liberties und Political Rights zusammengesetzte Combined Rating ergeben sich 16,4 Prozent. Auch hier zeigt sich der Einfluss des Demokratisierungsgrades auf den Grad der sozialen Gerechtigkeit.

Es scheint sich also zu bestätigen, dass die liberale Demokratie dafür sorgt, dass die Verantwortlichen durch den freien Wettbewerb um öffentliche Ämter sensibler auf die Verwirklichungschancen der Bürger achten. Für Politiker in Demokratien sind die Bereitstellung sozial gerechter Gesellschaftsstrukturen durch die Vermeidung von Armut, die Bereitstellung von Bildungschancen, die Gleichstellung der Geschlechter und die Bereitstellung sozialer Sicherungssysteme wichtige Legitimitätsquellen, auf die sie im demokratischen Wettbewerb nicht verzichten können.

Regionaler Vergleich

Wir wollen nun prüfen, ob sich mit Hilfe des Demokratisierungsgrades der politischen Regime auch regionale Unterschiede in der Entwicklung sozialer Gerechtigkeit erklären lassen. Zur Beantwortung dieser Frage werden die 124 Staaten in 16 Regionen eingeteilt.(19)

Unsere Korrelationsanalyse zeigt, dass sich der Zusammenhang zwischen Demokratie und sozialer Gerechtigkeit über die einzelnen Regionen hinweg noch verstärkt.

Tab. 3: Korrelation soziale Gerechtigkeit und Demokratie (regionale Mittelwerte)

Korrelationskoeffizient
nach Pearson

Civil
Liberties

Political Rights

Combined Rating

Ranking sozialer Gerechtigkeit

-0,606

-0,677

-0,650

Eine Region mit einem hohen Index sozialer Gerechtigkeit weist auch einen guten Wert in den Rankings von Freedom House auf, und umgekehrt. Es gilt also auch zwischen den Regionen: je sozial gerechter, desto demokratischer, und je demokratischer, desto sozial gerechter.

Ein Blick auf die einzelnen Dimensionen zeigt, dass sich der Zusammenhang zwischen sozialer Sicherung und Demokratisierungsgrad nochmals verstärkt. Bildung und Geschlechtergleichstellung können ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang mit der Demokratisierung aufweisen, während die Marktintegration von dieser unberührt bleibt.

Tab. 4: Korrelation soziale Gerechtigkeit und Demokratie (regionale Mittelwerte und Dimensionen)

Korrelationskoeffizient
nach Pearson

Civil
Liberties

Political Rights

Combined Rating

Armut

-0,464

-0,517

-0,497

Bildung

-0,522

-0,573

-0,554

Markt

-0,231

-0,292

-0,267

Gleichstellung

-0,498

-0,551

-0,531

Soziale Sicherung

-0,675

-0,738

-0,714

Ein Vergleich der regionalen Mittelwerte zum Zusammenhang von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie (Anhang 2) macht folgendes deutlich:

  • Alle europäischen Subregionen weisen einen hohen Grad an Demokratisierung auf, der mit einem hohen Index-Wert sozialer Gerechtigkeit korrespondiert (siehe Anhang Tab. 2). Das Sample der jungen postkommunistischen Länder Europas bestätigt damit eindrucksvoll unsere zentrale Forschungshypothese. Die kritiklose Übernahme des Theorems des ,,Dilemmas der Gleichzeitigkeit" von Jon Elster und Claus Offe durch die Transformationsforschung hat die Schwierigkeiten des postkommunistischen Demokratisierungsprozesses maßlos überschätzt.(20) Empirisch ist sie auch längst durch die erfolgreiche Konsolidierung der Demokratien im nordöstlichen und mittleren Europa dementiert worden. Dabei spielte nicht nur das hohe Bildungs- und Ausbildungsniveau und die für die Nicht-OECD-Länder vergleichsweise hohe wirtschaftlich-technologische Entwicklungsstufe eine wichtige Rolle. Die relative Gleichheit der Lebensverhältnisse und die sozial gerechtere Textur der postkommunistischen Gesellschaften verglichen mit Lateinamerika, Süd- und Südostasien oder Schwarzafrika waren und sind ebenfalls wichtige ,,prerequisites" (Lipset) für die erfolgreiche Demokratisierung dieser Länder.
  • Auch auf dem afrikanischen Kontinent zeigt sich dieser Zusammenhang. Der durchschnittliche Grad der Demokratisierung ist hier sehr gering. Dies gilt auch für den Index sozialer Gerechtigkeit; Bildung, Geschlechtergleichstellung und soziale Sicherung liegen auf einem sehr niedrigen Niveau. Eine Ausnahme auf dem afrikanischen Kontinent bildet das südliche Afrika. Obwohl diese Region die am weitesten demokratisierte und gleichzeitig auch gerechteste in Afrika ist, wird der gefundene Zusammenhang hier nur indirekt bestätigt. Vergleicht man nämlich die Demokratiewerte des südlichen Afrikas mit jenen anderer Regionen auf gleichem Niveau, so zeigt sich, dass diese Region zwar über ein mit Osteuropa vergleichbares Demokratieniveau verfügt, aber in der Dimension sozialer Gerechtigkeit bei weitem nicht an die Osteuropäer heranreicht. Zudem ist Nordafrika eindeutig die undemokratischste Region, aber nicht die sozial ungerechteste. Auch hier scheint der sonst auffällige Zusammenhang von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit gebrochen.
  • Das durchschnittliche asiatische Demokratieniveau liegt noch unter jenem Afrikas. Die Gerechtigkeitswerte bewegen sich aber auf einem weit höheren Niveau.(21) Obwohl Gesamtasien im Vergleich zu allen anderen Regionen durchschnittlich am undemokratischsten ist, weisen die auf diesem Kontinent liegenden Staaten leicht überdurchschnittliche Werte sozialer Gerechtigkeit auf. Vor allem die Region Ostasien ist trotz relativ schlechter Demokratiewerte hochgradig sozial gerecht (vgl. Merkel 2003: 117ff.). Im Falle Südzentralasiens (insbesondere Indiens) verhält sich dies genau umgekehrt. Ostasien ist in dieser und manch anderer Hinsicht von Südzentral- und Südostasien zu trennen. Aber auch für den heterogenen Gesamtkontinent Asien erweist sich, mit der vielzitierten Ausnahme Indiens, unsere zentrale Hypothese als erklärungskräftig: wo hohe Ungerechtigkeit herrscht, haben wir extrem schlechte Demokratiewerte, und wo soziale Gerechtigkeit herrscht, wurden in den letzten Jahren beeindruckende Demokratisierungsfortschritte erzielt.
  • Wenn man Asien im interregionalen Vergleich als positive Gerechtigkeitsausnahmen von der Regel bezeichnet, so sind Lateinamerika und die Karibik die negativen Ausnahmen. Lateinamerika bestitzt im internationalen Vergleich relativ gute Demokratiewerte, schafft es aber nicht, diesen ,,demokratischen Vorsprung" in soziale Gerechtigkeit umzusetzen. Obwohl Süd- und Zentralamerika nach Freedom House ähnliche Demokratiewerte wie Südeuropa, Osteuropa oder auch Ostasien aufweisen, erreichen sie nicht annährend ein vergleichbares Niveau sozialer Gerechtigkeit. Trotz Demokratisierung bietet die Feudal- und Klassenstruktur in Lateinamerika nur geringe Chancengerechtigkeit. Auch innerhalb dieser Region ist der Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und Demokratie kaum sichtbar: Die Karibik ist vergleichsweise undemokratisch, aber gerecht, Zentralamerika ist vergleichsweise demokratisch, aber sozial ungerecht. Die zentrale Achillesferse für die nachhaltige Demokratisierung Lateinamerikas ist die extrem ungerechte Verteilung gesellschaftlicher ,,Primärgüter" (Rawls), ,,capabilities" (Sen) und ,,Lebenschancen" (Dahrendorf). Solange sich dies nicht ändert, wird die Demokratie auf dem lateinamerikanischen Kontinent fragil bleiben und zugleich Destabilisierungen bei exogenen Schocks ausgesetzt sein, denen sie dann endogen wenig entgegenzusetzen hat.

Die interregionale Perspektive macht deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und Demokratie besteht. Dieser ist allerdings für Lateinamerika und die Karibik, das südliche Afrika sowie Ostasien und Nordafrika teilweise gebrochen. Dabei schaffen es die ersten beiden Regionen nicht, ihren ,,demokratischen Vorsprung" in soziale Gerechtigkeit umzusetzen. Ostasien und Nordafrika brauchen offenbar keine fortgeschrittene Demokratisierung, um vergleichbare sozial gerechte Verhältnisse zu schaffen.

Schlussbetrachtung

Die Korrelationsanalyse zeigt, dass ein signifikanter statistischer Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und den Demokratiewerten von Freedom House besteht. Für die 124 Länder kann gelten: Je demokratischer, desto sozial gerechter, und je gerechter, desto demokratischer. In Bezug auf die einzelnen Dimensionen sozialer Gerechtigkeit zeigt sich, dass Demokratisierung vor allem eine Steigerung der Ausgaben für soziale Einrichtungen bewirkt, zugleich aber auch Bildung, Geschlechtergleichstellung und Armutsbekämpfung fördert. Die Marktintegration bleibt von der Demokratisierung unberührt.

Die Regressionsanalyse legt eine Kausalität frei, die wiederum den postulierten Zusammenhang über die 124 einbezogenen Länder bestätigt: Der Demokratisierungsgrad kann als unabhängige Variable eine genügend große Varianz sozialer Gerechtigkeit in unserem Untersuchungssample aufklären. Unsere Analysen belegen, dass eine Gesellschaft mit der Zunahme bürgerlicher Freiheiten und politischer Rechte auch sozial gerechter wird.

Lee Kwan Yew, der autokratische Patriarch des Stadtstaates Singapur, hat mit großem politischen Widerhall zwei miteinander verflochtene Thesen vertreten. Zum einen, dass ,,nicht-demokratische" Regime in der Dritten Welt und in den Schwellenländern die wirtschaftliche Entwicklung wirkungsvoller vorantreiben können, als dies demokratische politische Ordnungen vermögen. Diese mit der erfolgreichen Entwicklung der vier ostasiatischen Tigerstaaten anektodisch unterfütterte These hält einer systematisch-empirischen Überprüfung nicht stand. Darauf haben Przeworski (1995), Barro (1996) und nicht zuletzt Amartya Sen (1999; 1999a) verwiesen. Zum anderen hält Lee wie andere autoritäre Regimebefürworter bestimmte Gesellschaften, wie die ostasiatischen, aufgrund ihrer Wertetradition für weitgehend unvereinbar mit den Normen der liberalen ,,westlichen" Demokratie. Sen weist auch diese These vehement zurück (1999a). In seinem Aufsatz ,,Democracy as a Universal Value" führt er drei überragende ,,Verdienste" der Demokratie an, die ihren kulturübergreifenden Geltungsanspruch untermauern (Sen 1999a: 10ff). Erstens den intrinsischen Wert, der politischen Partizipations- und zivilen Freiheitsrechten für ein selbstbestimmtes ,,humanes Leben" zukommt. Zweitens die instrumentelle Funktion der Demokratie, um Politiker rechenschaftspflichtig und verantwortlich zu machen. Drittens die konstruktive Rolle, die die Demokratie hinsichtlich der Generierung von Werten und der Interpretation von Bedürfnissen in einer Gesellschaft spielt. Alle drei Gründe sind überzeugend. Jeder allein ist der eigeninteressierten Relativierung der Demokratie als ,,westlich" legitimatorisch überlegen. Unsere kleine Untersuchung zum Zusammenhang von Demokratie und Gerechtigkeit stärkt Sens ,,instrumentelles" und ,,konstruktivistisches" Argument. Sie zeigt, dass mit dem Demokratisierungsgrad auch der Grad der sozialen Gerechtigkeit steigt. Demokratische politische Regime setzen die Maximen sozialer Gerechtigkeit rascher auf die politische Agenda und realisieren sie wirkungsvoller als dies autokratische Regime wollen oder können.

Literatur

Barro, Robert J. 1996: Getting it Right: Markets and Choices in a Free Society, 1996.

Bendel, Petra/ Croissant, Aurel/ Krennerich, Michael 2002: Zwischen Demokratie und Diktatur. Zur Konzeption und Empirie demokratischer Grauzonen. Opladen.

Berlin, Isaiah 1995: Freiheit - Vier Versuche. Frankfurt a. M.

Beyme, Klaus von 1991: Theorie der Politik im 20. Jahrhundert. Von der Moderne zur Postmoderne. Frankfurt a.M.

Collier, David/ Levitsky, Steven 1997: Democracy with Adjectives: Conceptual Innovation in Comparative Research, in: World Politics (49) 3, 430-451.

Dahrendorf, Ralf 1979: Lebenschancen. Anläufe zur sozialen und politischen Theorie, Frankfurt.

Freedom House 2002: Freedom of the World - The Annual Survey of Political Rights and Liberties 2001-2002. New Haven & London.

Hayek, Friedrich August von 1971: Die Verfassung der Freiheit. Tübingen.

Hayek, Friedrich August von 1996: Die Anmaßung von Wissen. Tübingen.

Held, David 1996: Models of Democracy. Stanford.

Höffe, Otfried 2002: Politische Gerechtigkeit. Frankfurt (3. Aufl.).

Kersting, Wolfgang 1997: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend. Frankfurt.

Kersting, Wolfgang (Hg.) 2000: Politische Philosophie des Sozialstaats. Weilerwist.

Lauth, Hans-Joachim 2000: Die Kontrolldimension in der empirischen Demokratiemessung, in: Lauth, Hans-Joachim/ Pickel, Gert/ Welzel, Christian (Hrsg.): Demokratiemessung. Konzepte und Befunde im internationalen Vergleich. Wiesbaden. 49-72.

Merkel, Wolfgang 1999: Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung. Opladen.

Merkel, Wolfgang 2001: Soziale Gerechtigkeit und die drei Welten des Wohlfahrtsstaats, in: Berliner Journal für Soziologie, (11) 2, 135-157.

Merkel, Wolfgang 2003: Demokratie in Asien. Ein Kontinent zwischen Diktatur und Demokrtie. Bonn.

Merkel, Wolfgang/ Croissant, Aurel 2000: Formale und informale Institutionen in defekten Demokratien. In: Politische Vierteljahresschrift (41) 1, 3-30.

Merkel, Wolfgang/ Puhle, Hans Jürgen et al. 2003: Defekte Demokratien, 2 Bände. Opladen.

O'Donnell, Guillermo 1993: On the State, Democratization and Some Conceptual Problems. A Latin American View with Glances at Some Post-Communist Countries, in: World Development (21), 1355-1369.

O'Donnell, Guillermo 1998: Horizontal Accountability in New Democracies, in: Journal of Democracy (9) 3, 112-126.

Offe, Claus 1996: Bewährungsproben - Über einige Beweislasten bei der Verteidigung der liberalen Demokratie, in: Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Demokratie am Wendepunkt. Die demokratische Frage als Projekt des 21. Jahrhunderts. Berlin 1996: 141-157

Przeworski, Adam et al. 1995: Sustainable Democracy, Cambridge.

Rawls, John 1975: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a. M.

Rawls, John 1993: Political Liberalism. New York.

Schmidt, Manfred G. 2000: Demokratietheorien. Opladen.

Sen, Amartya 1992: Inequality reexamined. New York et al.

Sen, Amartya 1999: Development as freedom. Oxford.

Sen, Amartya 1999a: Democracy as a Universal Value, in: Journal of Democracy (10) 3: 3-17.

Sen, Amartya 2000: Ökonomie für den Menschen. München.

Sen, Amartya 2002: Rationality and Freedom. Cambridge.

UNDP 2002: Human Development Report 2002. New York. www.undp.org/hdr2002/english/HDR2002.html [besucht im November 2002]

Vanhanen, Tatu 1990: The Process of Democratization. A Comparative Study of 147 States 1980-88. New York

Vanhanen, Tatu (Hrsg.) 1992: Strategies of Democratization. Washington.

Wagschal, Uwe 1999: Statistik für Politikwissenschaftler. Oldenburg.

Walzer, Michael 1983: Spheres of Justice. A defense of pluralism and equality. New York.

Walzer, Michael 1988: Die Vergesellschaftung des Wohlfahrtsstaates. Frankfurt.

Walzer, Michael 1998: Über Toleranz. Hamburg.

Waschkuhn, Arno 1998: Demokratietheorien. München.

Anhang 1: Ländersample

Kontinent

Region

Einbezogene Länder

Afrika

Nordafrika:

Algerien, Ägypten, Libyen, Marokko, Tunesien

Westafrika

Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Kap Verde, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo

Ostafrika

Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad, Zentralafrikanische Republik.

Zentralafrika

Äthiopien, Burundi, Kenia, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Mozambik, Ruanda, Sambia, Simbabwe, Tanzania, Uganda

Südliches Afrika

Botsuana, Namibia, Südafrika, Swasiland

Asien

Westasien

Armenien, Aserbaidschan, Bahrain, Georgien, Israel, Jordanien, Kuwait, Libanon, Oman, Syrien, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate

Ostasien

China, Mongolei, Südkorea, Taiwan

Südzentralasien

Bangladesch, Bhutan, Indien, Iran, Kaschstan, Kirgisitan, Malediven, Nepal, Pakistan, Sri Lanka, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan

Südostasien

Burma, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Philippineen, Singapur, Thailand, Vietnam

Europa

Südeuropa

Albanien, Jugoslawien Kroatia, Mazedonien, Slowenien,

Osteuropa

Bulgarien, Moldawien, Polen, Rumänien, Russland, Weißrussland, Slowakische Republik, Tschechische Republik, Ungarn, Ukraine

Nordeuropa

Estland, Lettland, Litauen

Lateinamerika und die Karibik

Karibik

Bahamas, Barbados, Dominicanische Republik, Haiti, Jamaika, Kuba, Trinidad Tobago

Südamerika

Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela

Zentralamerika

Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama

Melanesien

 

Fidschi, Papua Neu Guinea

Anmerkung:

Melanesien wird in den Aussagen über die einzelnen Regionen nicht berücksichtigt, da hier nur für zwei Länder Daten zur Verfügung standen.

Anhang 2: Mittelwertvergleich soziale Gerechtigkeit und Demokratie (Regionen)

 

Armuts-
vermei-
dung

Bildungs-
bereit-
stellung

Markt-
integra-
tion

Geschlech-
tergleich-
stellung

Soziale
Siche-
rung

Soziale
Gerech-
tigkeit

Civil
Liber-
ties

Political
Rights

Com-
bined
Rating

Afrika

-0,17

-0,63

-0,30

-0,35

-0,44

-0,38

4,43

4,50

4,47

Nord-
afrika

0,62

-0,15

-1,06

-0,77

-0,39

-0,35

5,60

6,00

5,80

West-
afrika

-0,44

-1,29

0,05

-0,53

-0,72

-0,59

4,00

3,79

3,89

Ostafrika

-0,70

-0,87

-0,27

-0,31

-0,56

-0,54

4,80

5,40

5,10

Zentral-
afrika

-0,64

-0,81

0,57

-0,06

-0,43

-0,28

4,64

4,45

4,55

Südliches
Afrika

0,31

-0,02

-0,78

-0,08

-0,09

-0,13

3,00

2,75

2,88

Asien

0,12

0,35

0,16

0,28

-0,24

0,13

4,53

4,48

4,51

West-
asien

0,52

0,42

-0,82

-0,11

-0,12

-0,02

4,91

5,00

4,95

Ostasien

0,26

1,01

0,91

1,00

0,26

0,69

3,25

3,00

3,13

Süd-
zentral-
asien

-0,30

-0,10

0,04

-0,05

-0,10

-0,10

5,08

5,15

5,12

Süd-
ostasien

-0,00

0,07

0,50

0,28

-1,00

-0,03

4,89

4,78

4,83

Europa

0,77

0,81

0,69

0,66

1,38

0,86

2,73

1,87

2,30

Süd-
europa

0,73

0,53

0,34

0,47

1,56

0,73

3,00

2,20

2,60

Ost-
europa

0,57

0,86

0,84

0,87

1,28

0,88

3,20

2,40

2,80

Nord-
europa

1,00

1,04

0,89

0,64

1,31

0,97

2,00

1,00

1,50

LA

0,18

0,38

-0,48

-0,02

0,15

0,04

2,98

2,53

2,76

Zentral-
amerika

0,28

0,29

-0,96

-0,25

0,37

-0,06

2,75

2,00

2,38

Karibik

0,09

0,17

0,20

0,27

-0,03

0,14

3,29

3,14

3,21

Süd-
amerika

0,19

0,69

-0,68

-0,06

0,12

0,05

2,91

2,45

2,68

Mela-
nesien

-0,01

-0,41

-0,21

-0,21

-0,11

-0,19

3,00

3,00

3,00

Anmerkungen:

Die unterhalb der einzelnen Dimensionen sozialer Gerechtigkeit abgebildeten Zahlenwerte sind die Durchschnittswerte der Z-Werte, bezogen auf die einzelnen Regionen.

Die unterhalb der Freedom House Kategorien (Civil Liberties, Political Rights, Combined Rating) abgebildeten Zahlenwerte sind die Durchschnittswerte der Originalbewertungen, bezogen auf die einzelne Region. Dabei ist 1 die bestmögliche, 7 die schlechteste Bewertung.

Anhang 3: Ranking Sozialer Gerechtigkeit der 124 Untersuchungsländer

 

Armut

Bildung

Markt

Gender
Equality

Soziale
Siche-
rung

Index S.G.

Slowenien

1,01

1,12

0,71

0,96

2,44

1,25

Taiwan

0,67

1,08

0,98

1,68

1,64

1,21

Estland

1,12

1,29

0,84

1,21

1,47

1,18

Slowakei

0,91

0,70

1,48

0,72

1,95

1,15

Kroatia

0,80

0,67

0,44

0,52

3,23

1,13

Weißrussland

0,45

1,30

1,26

1,25

1,34

1,12

Israel

0,90

1,52

-0,05

0,56

2,30

1,04

Lettland

0,91

0,91

1,00

1,05

1,30

1,03

Tschechien

1,01

-0,01

1,34

0,71

2,06

1,02

Polen

0,79

0,76

0,69

0,73

1,98

0,99

Bulgarien

0,70

1,23

0,94

1,23

0,76

0,97

Südkorea

0,66

2,73

0,55

1,14

-0,27

0,96

Ukraine

0,40

1,23

0,82

1,12

1,01

0,91

Ungarn

0,70

0,75

0,71

0,47

1,91

0,91

Barbados

0,61

0,99

0,44

0,93

0,73

0,74

Russland

0,33

1,23

0,30

1,23

0,43

0,70

Litauen

0,97

0,91

0,82

-0,34

1,16

0,70

Kasachstan

0,61

1,14

0,56

1,01

-0,02

0,66

Uruguay

0,79

0,98

0,03

0,30

0,90

0,60

Usbekistan

0,74

1,17

-0,13

0,79

0,41

0,60

Jugoslawien

1,09

0,39

0,33

0,63

0,54

0,60

Moldawien

0,26

0,78

0,43

0,80

0,67

0,59

Thailand

0,69

0,68

1,10

1,07

-0,71

0,56

Kuba

0,80

0,27

0,31

0,21

1,18

0,55

Costa Rica

1,01

0,99

-0,70

0,20

1,18

0,54

Turkmenistan

0,38

0,80

0,11

0,55

0,84

0,54

Bahamas

0,78

0,76

0,56

0,89

-0,34

0,53

Mazedonien

0,40

0,41

-0,11

0,08

1,58

0,47

Rumänien

0,16

0,58

0,45

0,46

0,70

0,47

Malediven

-0,32

0,87

0,04

0,86

0,60

0,41

Mongolei

-0,57

0,48

0,97

0,98

0,17

0,41

Panama

0,50

1,08

-0,58

0,01

0,95

0,39

Chile

0,99

0,97

-1,05

0,26

0,28

0,29

Jamaika

0,60

-0,13

0,80

0,34

-0,18

0,29

Singapur

0,81

0,97

0,23

0,12

-0,85

0,26

Kolumbien

0,62

0,42

-0,72

0,17

0,63

0,23

Vietnam

0,31

-0,04

0,90

1,04

-1,18

0,20

Tadschikistan

-1,46

0,62

-0,06

0,38

1,52

0,20

Kirgisistan

0,64

0,22

0,27

0,14

-0,32

0,19

Albanien

0,36

0,04

0,36

0,16

0,03

0,19

Georgien

-0,61

1,22

0,43

1,06

-1,18

0,18

China

0,30

-0,24

1,15

0,21

-0,51

0,18

Armenien

-1,05

0,31

0,28

0,49

0,78

0,16

Argentinien

0,05

1,28

-0,67

-0,14

0,27

0,16

Venezuela

0,43

1,04

-0,70

0,02

-0,08

0,14

Türkei

0,03

0,51

0,08

-0,04

0,11

0,14

Südafrika

0,65

0,59

-1,06

0,03

0,35

0,11

Kuwait

1,01

0,18

-0,84

-0,10

0,30

0,11

Bolivien

0,02

0,49

-0,49

-0,07

0,37

0,06

Philippinen

-0,35

1,18

-0,41

0,59

-0,82

0,04

Bahrain

0,61

0,31

-0,22

-0,20

-0,31

0,04

Indonesien

0,46

0,04

0,53

-0,01

-1,06

-0,01

Trinidad Tobago

0,38

0,01

-0,14

-0,16

-0,16

-0,01

Simbabwe

-0,36

-0,13

0,01

0,15

0,17

-0,03

Aserbaidschan

-0,35

0,44

-0,02

0,11

-0,39

-0,04

Peru

0,17

1,22

-1,01

-0,41

-0,20

-0,05

Guyana

-0,34

0,19

-0,18

-0,05

0,13

-0,05

Nicaragua

-0,58

-0,30

-0,98

-0,29

1,89

-0,05

Brasilien

-0,12

0,27

-0,71

-0,14

0,41

-0,06

Vereinigte
Arabische
Emirate

1,11

-0,25

0,30

-0,29

-1,18

-0,06

Jordanien

0,84

0,24

-1,50

-0,28

0,36

-0,07

Mexiko

0,55

0,44

-0,87

-0,11

-0,35

-0,07

Ruanda

-1,43

-0,81

1,58

0,72

-0,45

-0,08

El Salvador

0,32

0,27

-0,56

-0,08

-0,36

-0,08

Libanon

0,79

0,86

-1,76

-0,18

-0,32

-0,12

Uganda

-0,25

-0,90

0,97

0,05

-0,51

-0,13

Tansania

-0,32

-0,66

1,00

0,20

-0,88

-0,13

Dominikanische
Republik

-0,24

0,56

-0,44

0,09

-0,66

-0,14

Botsuana

0,28

-0,32

-0,27

0,07

-0,46

-0,14

Malawi

-0,74

-0,83

0,92

-0,14

0,05

-0,15

Mauritius

0,68

-0,25

-0,35

-0,45

-0,42

-0,16

Burma

-0,31

-0,32

0,98

0,17

-1,33

-0,16

Ägypten

0,71

-0,07

-0,33

-0,79

-0,36

-0,17

Fidschi

-0,12

0,15

-0,62

-0,22

-0,07

-0,18

Bhutan

-0,28

-1,65

0,50

0,22

0,29

-0,19

Guinea

-0,14

-1,54

0,69

0,28

-0,26

-0,19

Tunesien

0,45

-0,06

-0,63

-0,60

-0,16

-0,20

Papua Neu
Guinea

0,10

-0,97

0,20

-0,20

-0,14

-0,20

Sri Lanka

0,04

-0,14

-0,07

-0,30

-0,55

-0,20

Namibia

-0,53

-0,10

-0,33

-0,02

-0,12

-0,22

Ghana

-0,34

-0,87

0,60

0,13

-0,75

-0,25

Honduras

-0,16

-0,27

-1,13

-0,43

0,72

-0,25

Kap Verde

-0,06

0,08

-0,44

-0,40

-0,50

-0,26

Belize

0,55

0,66

-1,63

-0,50

-0,46

-0,28

Swaziland

0,85

-0,25

-1,46

-0,41

-0,14

-0,28

Algerien

0,73

-0,18

-1,05

-0,88

-0,05

-0,28

Malaysia

0,06

0,02

-0,61

-0,17

-0,78

-0,30

Kenia

-1,24

-0,60

0,66

0,18

-0,55

-0,31

Gabun

-0,50

-0,27

-0,33

-0,09

-0,38

-0,31

Sambia

-0,45

-0,67

-0,24

-0,10

-0,14

-0,32

Iran

0,72

0,22

-1,59

-0,65

-0,44

-0,35

Republik
Kongo

-0,48

-0,37

-0,26

-0,18

-0,50

-0,36

Ecuador

-0,55

0,64

-0,79

-0,38

-0,76

-0,37

Paraguay

-0,00

0,05

-1,22

-0,23

-0,63

-0,41

Mozambik

-1,00

-1,57

1,02

-0,27

-0,21

-0,41

Laos

-0,53

-1,08

0,82

-0,37

-0,94

-0,42

Gambia

-0,21

-1,47

0,33

-0,53

-0,26

-0,43

Kambodscha

-1,14

-0,79

0,95

0,05

-1,31

-0,45

Kamerun

0,11

-0,72

-0,50

-0,22

-0,96

-0,46

Madagaskar

-0,86

-0,92

0,60

-0,14

-1,00

-0,46

Senegal

-0,18

-1,45

0,20

-0,74

-0,31

-0,50

Morokko

0,33

-0,71

-0,46

-0,90

-0,81

-0,51

Mauretanien

-0,06

-1,34

0,45

-0,66

-0,95

-0,51

Mali

-0,45

-1,53

0,31

-0,47

-0,55

-0,54

Benin

-0,61

-1,39

0,51

-0,52

-0,78

-0,56

Libyen

0,88

0,29

-2,81

-0,71

-0,57

-0,58

Bangladesch

-1,38

-1,33

0,89

-0,60

-0,63

-0,61

Togo

-0,45

-0,87

-0,25

-0,73

-0,82

-0,62

Elfenbeinküste

0,11

-1,14

-0,22

-0,95

-0,94

-0,63

Guatemala

-0,00

-0,56

-1,22

-0,83

-0,61

-0,64

Syrien

0,81

0,02

-2,18

-0,78

-1,12

-0,65

Nigeria

-0,20

-0,81

-0,68

-0,55

-1,12

-0,67

Burundi

-1,93

-1,53

1,11

-0,13

-1,09

-0,71

Zentralafrikanische
Republik

-0,92

-1,48

-0,26

-0,53

-0,68

-0,77

Burkina Faso

-0,86

-1,92

0,27

-0,63

-0,75

-0,78

Nepal

-1,40

-1,08

0,33

-0,87

-0,88

-0,78

Tschad

-1,72

-1,51

0,02

-0,55

-0,26

-0,81

Oman

0,63

-0,48

-3,25

-1,11

0,11

-0,82

Indien

-1,61

-0,77

-0,03

-0,85

-0,93

-0,84

Äthiopien

-1,12

-1,61

0,05

-0,81

-0,78

-0,85

Niger

-0,94

-2,11

0,25

-0,84

-0,93

-0,91

Pakistan

-0,60

-1,32

-0,34

-1,30

-1,14

-0,94

Haiti

-2,30

-1,23

-0,11

-0,42

-0,82

-0,98

Sierra Leone

-1,75

-1,64

-1,38

-0,82

-1,12

-1,34



Anmerkungen:

Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse bei der Verteilung von Lebenschancen im internationalen Vergleich. Die unterhalb der einzelnen Dimensionen angegebenen Zahlenwerte sind die Durchschnittswerte der Z-Werte bezogen auf das jeweilige Land.

[Umschlag-Rückseite:]

Wolfgang Merkel & Mirko Krück: Soziale Gerechtigkeit und Demokratie:
Auf der Suche nach dem Zusammenhang

Soziale Gerechtigkeit und Demokratie gehören zu den zentralen Begriffen in Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft. Dennoch verläuft die theoretische und empirische Diskussion der beiden Begriffe meist voneinander getrennt. Ihre Zusammenhänge wurden bisher kaum erkundet.

In der vorliegenden Arbeit werden anhand eines Samples von 124 Staaten, außerhalb der klassischen OECD-Welt, in explorativer Weise Trends und Hypothesen zur Beziehung zwischen sozialer Gerechtigkeit und Demokratie herausgefiltert. Der ausgewählte Demokratiebegriff und seine empirische Umsetzung orientieren sich - trotz mancher methodischer Kritik - an den Daten von Freedom House. Der Gerechtigkeitsbegriff stützt sich auf die Theorien von John Rawls und Amartya Sen. Er ist vor allem auf die gerechte (hier: gleiche) Verteilung von Zugangs- und Lebenschancen ausgerichtet. Seine empirische Umsetzung erfolgt anhand von fünf Dimensionen, welche die Vermeidung von Armut, die Bereitstellung sozialer Chancen durch Bildung und sozial einschließende Märkte, die Gleichstellung der Geschlechter und die Gewährleistung einer solidarischen sozialen Sicherung fordern.

Im Ergebnis zeigt sich, dass einiges dafür spricht, dass soziale Gerechtigkeit und die Qualität der Demokratie eines Landes sich wechselseitig verstärken. Die Korrelationsanalyse ergibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und dem Grad der Demokratisierung. Die Regressionsanalyse legte eine Kausalität frei, die belegt, dass eine Gesellschaft mit der Zunahme an bürgerlichen Freiheiten und politischen Rechten auch sozial gerechter wird.

Auch regionale Unterschiede in der Entwicklung sozialer Gerechtigkeit lassen sich mit Hilfe des Demokratisierungsgrades der politischen Regime erklären. Grundsätzlich gilt: je sozial gerechter, desto demokratischer, und je demokratischer, desto sozial gerechter. Dieser Zusammenhang ist allerdings für Lateinamerika und die Karibik, das südliche Afrika sowie Ostasien und Nordafrika teilweise gebrochen. Dabei schaffen es die ersten beiden Regionen nicht, ihren ,,demokratischen Vorsprung" in soziale Gerechtigkeit umzusetzen. Ostasien und Nordafrika brauchen offenbar keine fortgeschrittene Demokratisierung, um vergleichbare sozial gerechte Verhältnisse zu schaffen. Von diesen Ausnahmen abgesehen setzen demokratische politische Regime die Maximen sozialer Gerechtigkeit jedoch rascher auf die politische Agenda und realisieren sie wirkungsvoller als dies autokratische Regime wollen oder können.





    [Fußnoten:]

    1 - Eine der wenigen Ausnahmen stellen die Arbeiten von Guillermo O'Donnell (1993; 1998) dar, in denen luzide der Zusammenhang zwischen Armut, defektem Rechtsstaat und ,,low intensity citizenship" thematisiert wird.

    2 - Zur Übersicht und Diskussion der unterschiedlichen ,,Theorien" und ,,Modelle" der Demokratie vgl. u.a.: Held 1996; Schmidt 2000; Waschkuhn 1998.

    3 - Zur Diskussion der Schwellenwerte zwischen Demokratie und Autokratie siehe u.a.: Bendel/ Croissant/ Krennerich 2002; Lauth 2000; Merkel/ Puhle et al. 2003, Bd. 1.

    4 - Einen guten Überblick zu dieser Diskussion geben u.a.: Höffe 2002; Kersting 1997; 2000.

    5 - Dieser Abschnitt stützt sich weitgehend auf Merkel 2001.

    6 - Dies hat in der jüngeren Demokratieforschung Guillermo O`Donnell sowohl theoretisch als auch im Bezug auf Lateinamerika überzeugend gezeigt (1993; 1998). Vgl. auch Merkel, Puhle et al. 2003.

    7 - Walzer ist nicht nur der einflussreichste, sondern auch der gemäßigste Kommunitarist, da er zunehmend auch ,,liberale" Argumente in seinem Gerechtigkeitskonzept berücksichtigt.

    8 - Die Unterscheidung von "negativen" und ,,positiven" Freiheiten geht auf Berlin (1995) zurück. Beide gemeinsam bestimmen in hohem Maße Amartya Sens Gerechtigkeitskonzept.

    9 - Allerdings zeigt Sen (2000) an konkreten Beispielen nicht zuletzt der reichsten Gesellschaft dieser Welt, dass gerade dort für bestimmte Teile der Bevölkerung, diese konstitutiven Freiheiten alles andere als hinreichend verwirklicht sind.

    10 - Zur genauen Zusammensetzung des UN-Education Index siehe UNDP 2002: 252

    11 - Der GINI-Index zeigt, inwieweit die Einkommensverteilung, gemessen an der Lorenz-Kurve, von einer absoluten Gleichverteilung von Einkommen in einer Gesellschaft abweicht. Dabei werden Erwerbs-, aber auch Transfereinkommen in die Messung einbezogen.

    12 - UNDP Definition: ,,The proportion of the specified group supplying labour for the production of economic goods and services during the specified period" (UNDP 2002: 234).

    13 - Z-Werte machen Daten aus verschiedenen Dimensionen grundsätzlich vergleichbar. Sie werden in einer Weise einander angeglichen, dass der Mittelwert jeder der einbezogenen Verteilungen jeweils null und die Standardabweichung jeweils eins ergibt.

    14 - Für eine genauere Erläuterung der Methodologie siehe www.freedomhouse.org/research/freeworld/2000/methodology.htm

    15 - Die statistische Analyse umfasst 124 Länder jedweder Regimeform aus 16 Regionen (Anhang 1). Neben Staaten, für die keine Daten in den einzelnen Indikatoren vorlagen, wurden auch die klassischen OECD-Länder aus der statistischen Analyse entfernt. Letztere wurden aus dem Sample herausgenommen, weil die Indikatoren in den einzelnen Dimensionen eher auf die Probleme von Entwicklungsländern zugeschnitten sind. Die entwickelte Sozialstaatlichkeit der OECD-Staaten macht z.B. eine Armutsanalyse, die auf Hunger und Unterernäherung rekurriert, nicht sinnvoll. Die Daten kommen aus Quellen, von denen angenommen werden kann, dass sie hinreichend vergleichbares Zahlenmaterial liefern. Der Erhebungszeitraum der Daten ist das letzte ,,verfügbare Jahr", da durchgängige Zeitreihen für die Gesamtheit der Indikatoren nicht zu erhalten waren. Die geringen Abweichungen bei den Erhebungsjahren sollten allerdings durch die Größe des Samples ausgeglichen werden und dürften die Aussagekraft der Studie nicht beeinflussen. Ein Ranking der einbezogenen Staaten in Bezug auf soziale Gerechtigkeit findet sich im Anhang (Anhang 3). Für eine detaillierte Beschreibung der hier verwendeten statistischen Verfahren siehe Wagschal (1999).

    16 - Der Korrelationskoeffizient r nach Pearson ist die am häufigsten verwendete Maßzahl zur Messung des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen. Der Korrelationskoeffizient r wird umso größer, je näher die Wertepaare im Streudiagramm auf einer Gerade liegen. Diese Gerade heißt Regressionsgerade. Definitionsgemäß kann der Pearson Korrelationskoeffizient r zwischen -1 und +1 variieren, wobei -1 einen perfekten negativen linearen Zusammenhang und +1 einen perfekten positiven Zusammenhang angibt. Bei einem r von 0 ist kein Zusammenhang festzustellen.

    17 - Die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen wird mit dem Pearson r berechnet. Sinnvolle Korrelationen können nur dann ermittelt werden, wenn Kausalität zwischen den Variablen vorliegt. Kausalität meint die Festlegung von Grund-Folge-Beziehungen oder Ursache-Wirkungs-Relationen. Bei der Regressionsanalyse geht es um diesen funktionalen Zusammenhang einer oder mehrerer unabhängigen Variablen X auf eine abhängige Variable Y. Der Determinationskoeffizient R² ist dabei die Maßzahl, mit der die Güte der vorhergesagten Beziehung beurteilt werden kann. Ein R² von 1 bedeutet einen perfekten Zusammenhang. Bei einem R² von 0 liegt kein Zusammenhang zwischen den Variablen vor.

    18 - Eine multivariate Regressionsanalyse ist wegen der starken Korrelation der beiden Dimensionen von Freedom House nicht sinnvoll; Civil Liberties und Political Rights weisen einen Korrelationskoeffizienten r von 0,900 auf. Ein solcher Fall von Multikollinearität kann bei multivariaten Regressionen entstehen und beschreibt den unerwünschten Zustand, dass die unabhängigen Variablen hoch miteinander korrelieren.

    19 - Für die Zusammensetzung der einzelnen Regionen und einen Überblick über die einbezogenen Staaten siehe Anhang 1.

    20 - Wir schließen uns hier ein (vgl. Merkel 1999).

    21 - Zu Demokratie und Gerechtigkeit in Asien vgl. Merkel 2003.




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