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[Seite der Druckausg.:12]


2. Einfluss von Interessengruppen auf die russische Außenpolitik

Dem Einfluss von staatlichen Institutionen, Politikern, Parteien und Interessengruppen auf die russische Außenpolitik wurde im Unterschied zu den Studien aus den Jahren 1993 und 1996 dieses Mal besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Nicht überraschend ist, das die überwiegende Mehrheit (91%) der Befragten als wichtigste Schaltstelle der russischen Außenpolitik den Präsidenten der Russischen Föderation nennt. Ihm folgten mit deutlichem Abstand der Außenminister und die Präsidialverwaltung:

Einflussfaktoren der russischen Außenpolitik
(in %, Mehrfachnennungen)

91,0

Präsident der Russischen Föderation

52,4

Außenminister, seine Stellvertreter

47,6

Präsidialverwaltung

36,7

Öl- und Gasindustrie

27,1

Regierung der Russischen Föderation

26,7

Führung der Staatssicherheit

26,2

Beamte des Außenministeriums

22,9

Militärisch-industrieller Komplex

18,1

Außenhandelslobby

14,8

Privatwirtschaft

14,8

Medien

9,8

Ausschüsse der Staatsduma

9,5

Staatsduma

7,1

Armeeführung

6,7

Experten, Fachleute für internationale Beziehungen

5,2

Föderationsrat



Andere potentielle Interessengruppen, wie die Gouverneure russischer Regionen, politische Parteien, die russische Intelligenz, Ausschüsse des Föderationsrates usw., haben nach Überzeugung der Befragten keinen nennenswerten Einfluss oder haben diesen verloren. So ist im Vergleich zu 1996 das Gewicht des Banksektors sowie der Medien rückläufig. Diese Tendenz hat mehre Ursachen. Erstens wuchs im Vergleich zur Regierungszeit von B. Jelzin das Ansehen und die Autorität des neuen Präsidenten. Zweitens wird die Außenpolitik heute entschiedener vom Kreml bestimmt und ihre Implementierung konsequenter von der Exekutive wahrgenommen. Gleichermaßen wurden die Stellung und der Einfluss der beiden anderen Verfassungsorgane, Duma und Föderationsrat, schwächer. Der Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes ist in etwa gleich geblieben während der des Öl- und Gassektors gestiegen ist; letztlich kann ein Machtzuwachs der Sicherheitsdienste konstatiert werden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Person des Präsidenten W. Putin von der russischen außenpolitischen Elite sehr differenziert gesehen wird. Neben bedingungslosen Anhängern finden sich auch einige Experten, die seiner Innen- als auch Außenpolitik durchaus kritisch gegenüberstehen. Zwar erwarten 56% der Befragten Erfolge in der Sozialpolitik oder in der Wirtschaft, aber immerhin 43% der Experten bezweifeln, dass es dem Präsidenten gelingen wird, die Entwicklung des Landes positiv voran zu treiben.

[Seite der Druckausg.:13]

Die Tatsache allein, dass 91% der Befragten der Aussage zustimmen, die die Außenpolitik des Landes werde maßgeblich vom Präsidenten bestimmt, bedeutet ja noch nicht, dass sie seine Außenpolitik positiv werten.

Das Verhältnis Russlands zum Westen wird nicht übereinstimmend beurteilt.

Viele Experten meinen, mit dem Machteintritt des neuen Präsidenten hätte sich das Verhältnis nicht zum Besseren gewendet; andere stellen fest, dass sich das Verhältnis verschlechtert habe; die Mehrzahl der Befragten sieht allerdings keine Veränderungen, weder zum Guten, noch zum Schlechten.

Veränderungen im Verhältnis zum Westens nach der Wahl
des neuen Präsidenten W. Putin
(in %)

41,0

Nicht geändert

33,8

Verbessert

18,6

Verschlechtert

6,7

schwer zu sagen



Die eigene Bedeutung für außenpolitische Entscheidungen sehen die Experten selbstkritisch und realistisch. Lediglich 7% der Befragten gaben an, sie würden auf den außenpolitischen Kurs einwirken. Immerhin nahmen 20% der Experten an, dass in der letzten Zeit bei der politischen Elite positive Veränderungen stattfanden, d.h., sie wurde professioneller und beweglicher; 16% der Experten konstatierten hingegen ihre Verschlechterung, während eine beträchtliche Mehrheit von 53% meint, dass sich die außenpolitische Elite überhaupt nicht verändert habe.

Der Umstand allein, dass über die Hälfte der Befragten keine Veränderungen in der Elite feststellen konnte, impliziert jedoch noch kein negatives Urteil. Ein Charakteristikum der außenpolitischen Apparate besteht ja u. a. gerade darin, dass sie kaum radikalem Veränderungsdruck ausgesetzt sind.

Charakteristisch für diese Elite, - und das unterscheidet sie partiell von anderen funktionalen Teileliten sind

  • eine breite Übereinstimmung in zentralen Fragen

  • die Entideologisierung der Elite. 68% der Befragten gaben an, keine ideologischen und politischen Präferenzen zu besitzen; unter den Analytikern erreicht diese Zahl sogar den Spitzenwert von 85%.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001

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