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Kroatien - das Ende der Fassadendemokratie / [diese Ausg. verf. unser Mitarb. in Zagreb Nenad Zakosek]. - Stand: 11.1.2000. - Bonn, 2000. - 8 S. : graph. Darst. = 29 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 83) Electronic ed.: Bonn: FES Library, 2000 © Friedrich-Ebert-Stiftung
Januar 2000 Mit dem Jahr 2000 beginnt in Kroatien eine neue politische Ära. In den Wahlen zum Unterhaus des kroatischen Parlament (Zastupnicki dom) am 3. Januar 2000 wurde die seit 1990 regierende Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) abgewählt, die sozial-liberale Koalition der Sozialdemokratischen Partei SDP und der Kroatischen Sozial-Liberalen Partei HSLS errang einen eindeutigen Wahlsieg. Das Oberhaus, eine Regionenvertretung, wurde nicht neu gewählt, hat aber auch kaum politischen Einfluß. Zugleich ist durch den Tod des kroatischen Staatspräsidenten und charismatischen Führers der HDZ Franjo Tudjman am 10. Dezember 1999 der einzige Akteur verschwunden, der eine friedliche Machtübergabe der HDZ hätte blockieren oder zumindest erschweren können. Die bisher regierende HDZ hat durch die schwere Wahlniederlage jegliche Legitimität zur Beteiligung an Regierungsmacht verloren. Die HDZ-Führung hat die Niederlage zugegeben und einen geordneten Regierungswechsel versprochen. Die neue Regierung wird durch die SDP und HSLS sowie ihre Partner in der Vierer-Koalition" (Kroatische Bauernpartei HSS, Liberale Partei LS, Kroatische Volkspartei HNS, Istrische Demokratische Versammlung IDS) gebildet. Wahlergebnisse der kroatischen Parlamentswahlen im Januar 2000
Am 24. Januar 2000 finden die Präsidentschaftswahlen statt: die zwei wichtigsten Konkurrenten werden der gemeinsame Kandidat der SDP/HSLS und HSLS-Vorsitzender Drazen Budisa sowie der bisherige Außenminister, einer der HDZ- Vizepräsidenten und Kandidat der HDZ Mate Granic sein. Unabhängig vom Ausgang dieser Wahl ist zu erwarten, daß der neue Präsident nicht mehr die Machtfülle von Franjo Tudjman genießen wird. Sowohl die bisherigen Oppositionsparteien als auch die wichtigsten Vertreter der HDZ haben sich für die Umwandlung des semi-präsidentiellen in ein parlamentarisches Regierungssystem ausgesprochen. Die neue Regierung wird neben institutionellen Reformen zur Stabilisierung der Demokratie und Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung vor allem die brennenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Angriff nehmen müssen. Eine wichtige Aufgabe ist ebenfalls die Überwindung der außenpolitischen Isolation Kroatiens und die Annäherung an EU und NATO.
Die parlamentarischen Wahlen 2000 wurden zum ersten Mal nach dem reinen Verhältniswahlsystem durchgeführt (in den Wahlen 1990 gab es ein reines Mehrheitswahlsystem, in den Wahlen 1992 und 1995 eine Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahl). Die Wahlen fanden in zehn Wahlkreisen statt, in denen je 14 Mandate vergeben wurden. Es gab eine gesetzliche Sperrklausel von 5 % für Parteien und Koalitionen auf Wahlkreisebene. Zusätzliche fünf Mandate werden an Vertreter der ethnischen Minderheiten (je ein Mandat für Serben, Ungarn, Italiener, Tschechen/Slowaken sowie Ukrainer/Russinen(Ruthenen)/Deutsche) vergeben. Die Mandate der Vertreter der sogenannten kroatischen Diaspora (d.h. kroatische Staatsbürger im Ausland, ohne festen Wohnsitz in Kroatien, von denen rund 90% in Bosnien-Herzegowina leben), die seit den Wahlen 1995 in das Unterhaus des kroatischen Parlaments gewählt werden, werden nach der sogenannten nicht-fixen Quote bestimmt: in Abhängigkeit von der Wahlbeteiligung im Inland wird das durchschnittliche Stimmengewicht eines Mandats bestimmt und danach die entsprechende Zahl der Diaspora-Mandate (gemäß der Wahlbeteiligung im Ausland) berechnet. Das kroatische Parteiensystem war seit 1990 durch die Dominanz der regierenden HDZ bestimmt. Mit 42% bis 45% der Stimmen war die HDZ aufgrund der disproportionalen Auswirkungen des jeweiligen Wahlsystems in der Lage, zwischen 58% und 62% der Mandate zu erringen. Zusammen mit der starken Stellung des Präsidenten Tudjman im semi-präsidentiellen Regierungssystem wurde diese Mandatemehrheit zum Ausbau des politischen Monopols benutzt. Die HDZ gestaltete alle Institutionen ohne Rücksicht auf Forderungen der Opposition und mit dem Ziel, die eigene Machtstellung zu stärken; politische Macht wurde außerdem benutzt, die öffentlichen Medien, die Armee, die Wirtschaft und zum Teil auch die Justiz unter Kontrolle dieser Partei zu bringen. Die HDZ war unter Bedingungen der Staatsbildung, des Krieges (in Kroatien und Bosnien-Herzegowina) und der unvollendeten demokratischen Konsolidierung nicht in der Lage, sich aus einer populistischen nationalistischen Bewegung in eine konservative Volkspartei umzuwandeln. Charakteristisch dafür ist auch ihr schillerndes ideologisches Profil. Die gemeinsame politische Klammer des kroatischen Nationalismus umfaßte sehr unterschiedliche ideologische Richtungen, von Rechtsextremisten bis zu konservativen Christdemokraten und technokratischen Neoliberalen. Die HDZ war insbesondere seit dem Ende des Krieges 1995 durch eine Reihe von Korruptions- und Geheimdienstaffären sowie innere Fraktionskämpfe belastet. Der Tod des Staats- und Parteipräsidenten Tudjman unmittelbar vor den parlamentarischen Wahlen 2000 stürzte die HDZ in eine schwere Krise, sowohl wegen ihrer Unfähigkeit, einen neuen Parteiführer im Konsens zu bestimmen, als auch wegen der Unwirksamkeit des populistischen Mobilisierungsmusters, der ihr unter Tudjmans Führung eine breite politische Unterstützung sicherte. Der Hauptgegner der HDZ in den Wahlen 2000 war die Wahlkoalition der SDP und der HSLS, die bereits vor mehr als einem Jahr vereinbart wurde. Der politisch stärkere Koalitionspartner ist die SDP, die sozialdemokratisch orientierte Partei der reformierten Kommunisten, die im vergangenen Jahrzehnt tiefen politischen Wandel durchmachte. Nach den Wahlen 1990, als die SDP mit ihren Verbündeten noch rund 35% der Stimmen gewinnen konnte vor allem dank der Unterstützung der serbischen ethnischen Minderheit und der jugoslawisch orientierten Wähler verlor die Partei durch den Zerfall Jugoslawiens und die nationalistische Mobilisierung im Krieg an Einfluß und zog mit 5,5% der Stimmen in den Wahlen 1992 nur knapp ins Parlament. Die SDP unterstützte die staatliche Unabhängigkeit Kroatiens und beteiligte sich in der akuten Phase des Krieges in Kroatien (1991/92) an der breiten Regierung der demokratischen Einheit". Im April 1994 vereinigte sich die SDP mit der kleinen, von Dr. Antun Vujic 1989 neu gegründeten Sozialdemokratischen Partei, wodurch ihre reformistische sozialdemokratische Orientierung noch mehr betont wurde. Wegen ihrer klaren Opposition gegen den populistischen Nationalismus der HDZ, ihrer sozialen und demokratischen programmatischen Alternative zur Politik der Regierungspartei und ihrer Immunität gegen verschiedene Unterwanderungs- und Spaltungsversuche (die in meisten anderen Oppositionsparteien erfolgreich waren und zu Überläufen in die HDZ oder zu Gründung kleiner Satelliten-Parteien der HDZ führten), wuchs die Wählerunterstützung für die SDP von Wahl zu Wahl: in den Wahlen 1995 errang sie knapp 9%, in den Oberhauswahlen 1997 (zusammen mit dem kleinen Koalitionspartner HNS) sogar 16% der Stimmen. Seit 1998 profilierte sich die SDP als stärkste Oppositionspartei und wichtigster Herausforderer der HDZ. Zugleich entschied sich die Partei für die Bildung einer strategischen Partnerschaft mit der stärksten liberalen Partei Kroatiens, der HSLS. Die HSLS wurde als erste Oppositionspartei in den letzten Monaten des kommunistischen Regimes 1989 gebildet. Von Anfang an vereinigte diese Partei in sich programmatisch liberal-demokratische und nationalistische Elemente. In den ersten Wahlen 1990 spielte die HSLS noch keine selbständige Rolle, sondern beteiligte sich an einer Zentrums-Koalition mehrerer Parteien, die nur wenige Mandate gewann. Die zweiten Parlamentswahlen 1992 etablierten die HSLS, mit knapp 18% der Stimmen und 10% der Mandate, als die stärkste Oppositionspartei in einem Parteiensystem, in dem die regierende HDZ dominierte und die Opposition schwach und fragmentiert war. Zwischen 1992 und 1995 bildete die HSLS das Rückgrat der kroatischen Opposition gegen die regierende HDZ und zog in verschiedenen Wahlen bzw. Wahlsegmenten viele kleinere Oppositionsparteien als Koalitionspartner an. Auf diese Weise konnte HSLS , zusammen mit Koalitionspartnern, in den Oberhauswahlen 1993 fast 28% der Stimmen gewinnen. Die Partei zeigte sich jedoch ihrer Position nicht gewachsen: sie litt an inneren Gegensätzen und konnte sich der gezielten Unterwanderung durch die HDZ nicht erwehren, weswegen viele ihrer wichtigen Figuren in das Lager der Regierungspartei wechselten. Eine dauerhafte Schwächung der Partei war die Folge: einerseits sank in den Wahlen 1995 die Wählerunterstützung für die HSLS auf knapp 12%, andererseits führten die inneren Konflikte zum offenen Bruch und im November 1997 zur Abspaltung eines Pateiflügels, der sich als zweite liberale Partei, die LS, konstituierte. Erst die innere Konsolidierung nach der Spaltung und insbesondere die Partnerschaft mit der SDP führten seit 1998 erneut zur politischen Stärkung der HSLS. Programmatisch bestehen viele Berührungspunkte zwischen SDP und HSLS, und zwar nicht nur hinsichtlich der Stärkung demokratischer Institutionen und des Schutzes der Menschenrechte, sondern auch im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Auf den Wahllisten der SDP/HSLS-Koalition kandidierten in zwei Wahlkreisen (in Rijeka und Osijek) auch Vertreter zweier kleiner regionalistischer Parteien, der Partei von Primorje und Gorski kotar PGS und der Slawonisch-baranjischen kroatischen Partei SBHS. Die Partner der SDP/HSLS-Koalition in der Vierer-Koalition sind ideologisch und politisch heterogener. Die stärkste Partei der letzteren Koalition ist die HSS, eine moderat konservative Partei, die sich auf die Tradition der historischen, 1904 gegründeten Bauernpartei bezieht und ein spezifisches ländliches bzw. suburbanes Wählersegment anspricht. Die HSS trat nur in der Oberhauswahl 1993 selbständig an und gewann 12% der Stimmen; seitdem bildete die Partei verschiedene Wahlkoalitionen, in den Wahlen 1997 auch mit der HSLS. Ihr heutiger Einfluß kann auf etwa 10% der Wähler geschätzt werden. Die LS ist die zweite, durch Abspaltung von der HSLS 1998 entstandene liberale Partei Kroatiens. Obgleich sie als entschiedener Kritiker der Politik der HDZ auftrat, konnte sich die Partei gegenüber der größeren HSLS bisher nicht programmatisch profilieren und spielte im politischen Raum Kroatiens nur eine marginale Rolle. Dies gilt heute auch für die HNS, die nach den Wahlen 1990 gegründet wurde und ihr bestes Wahlergebnis mit knapp 7% der Stimmen in den Wahlen 1992 erreichte; seitdem trat die HNS nur in Wahlkoalitionen an, die ihr nur wenige Parlamentsmandate einbrachten. Nach ihrer programmatischen Ausrichtung ist HNS eine Partei der Mitte. Der vierte Koalitionspartner, die IDS , ist eine politisch Mitte-Links stehende regionalistische Partei, die in der Region Istrien dominante Stellung innehat und dadurch bisher in der Lage war, parlamentarische Mandate zu erringen. Die in beiden Wahlkoalitionen organisierten Parteien haben bisher unterschiedliche Koalitionen ausprobiert, die ihnen nur begrenzten Erfolg brachten . In den Wahlen am 3. Januar 2000 wurde zum ersten Mal die 2 + 4 Formel ausprobiert. Der einzige weitere Wahlkonkurrent, der ernsthafte Chancen zum Einzug ins Parlament hatte, war die Koalition zweier rechter Parteien, der Kroatischen Partei des Rechts HSP und der Kroatischen Christlich-Demokratischen Union HKDU. Die HSP ist eine offen rechtsextreme Partei, die sich auf die Tradition der Ustasa-Bewegung und des sogenannten Unabhängigen Staates Kroatien aus dem 2. Weltkrieg beruft. Sie erreichte bei allen vorangegangenen Wahlen zwischen 5% (1995) und 7% (1992) der Stimmen. In den letzten Jahren wurde HSP zum politischen Anhängsel der regierenden HDZ reduziert, das nach Bedarf Geschäfte des rechten Flügels dieser Partei erledigte (z.B. öffentliche Mobilisierung gegen die Rückkehr der serbischen Flüchtlinge oder gegen den westlichen Druck auf Kroatien, bestimmte Verpflichtungen gegenüber internationalen Organisationen zu erfüllen). Die HKDU ist eine konservative nationalistische Partei, die bisher nur eine marginale Rolle auf der kroatischen politischen Szene spielte und hauptsächlich auf dem Charisma ihres Vorsitzenden Marko Veselica aufbaute, der im Kommunismus eine elfjährige Gefängnisstrafe verbüßte und den Status eines Martyrs des kroatischen Nationalismus genießt.
Zur Zeit der Abfassung dieses Berichts standen die amtlichen Wahlergebnisse noch nicht fest. Die vorläufigen Angaben der Staatlichen Wahlkommission ergaben jedoch ein eindeutiges Bild: die Koalition der SDP und der HSLS hat einen klaren Wahlsieg errungen, die HDZ hat nicht nur die Wahlen verloren, sondern eine regelrechte Wahlkatastrophe erlebt. Die HSS/LS/HNS/IDS-Koalition hat weniger Stimmen und Mandate bekommen als erwartet, sie trug jedoch ebenfalls zum Wahlsieg der Opposition bedeutend bei. Die rechte Koalition HSP/HKDU hat insgesamt ein für sie enttäuschendes Ergebnis erreicht. Die vorläufig verfügbaren Wahlergebnisse werden in den Tabellen 1 und 2 dargestellt. Diese Daten können sich bis zur Verkündung des amtlichen Wahlergebnisses noch geringfügig ändern: bei der Stimmenverteilung handelt es sich aber um mögliche Verschiebungen hinter dem Komma (± 1%), bei der Verteilung von Mandaten um Verschiebungen um 1-2 Mandate. Ein bestimmendes Merkmal der Wahlen war die relativ hohe Wahlbeteiligung von über 75% der Wähler im Inland (also ohne Diaspora-Wähler), was deutlich über den Ergebnissen der Wahlen in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre liegt und etwa vergleichbar mit der Beteiligung 1992 ist, allerdings noch immer deutlich unter dem Niveau der Partizipation in den Gründungswahlen 1990 liegt (85%). Im Diaspora-Wahlkreis hat die HDZ erwartungsgemäß mit 85% der Stimmen alle Mandate gewonnen. Da nach letzten Angaben in diesem Wahlkreis rund 120,000 Wähler abgestimmt haben (davon die überragende Mehrheit in Bosnien-Herzegowina), und für ein reguläres Parlamentsmandat ungefähr 20,500 Stimmen benötigt wurden, gewann die HDZ dadurch voraussichtlich sechs zusätzliche Mandate (diese wurden in der Tabelle 2 einbezogen).
Tabelle 1: Wahlergebnisse nach Stimmen
Die Opposition verfügt insgesamt über 95 bzw. 62,9% aller parlamentarischen Mandate. Wegen der sechs zusätzlichen Diaspora-Mandate der HDZ hat sie knapp die Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt, die sie zur Änderung der Verfassung benötigt. Die notwendige Mehrheit kann sie auch unter Mitwirkung aller Minderheitenvertreter nicht erreichen: also werden die geplanten Änderungen zur Abschaffung des semi-presidentiellen Systems auf die Unterstützung zumindest eines Teils der HDZ-Abgeordneten angewiesen sein. Die Mandatemehrheit reicht aber für die Regierungsbildung und eine normale legislative Arbeit des Parlaments aus.
Tabelle 2: Aufteilung der parlamentarischen Mandate
Die meisten der über 30 kleinen Parteien und unabhängigen Listen, die an den Wahlen teilnahmen, errangen keine Mandate im Zastupnicki dom des kroatischen Parlaments, obwohl insgesamt relativ viele Stimmen (13,5%) an diese Splitterparteien gingen. Dies bedeutet vor allem das Scheitern einer Reihe von kleinen rechtsextremen Parteien, die vor diesen Wahlen gegründet wurden und mit einer militanten Propaganda die Wähler zu mobilisieren versuchten. Auch die stärkste Partei der serbischen ethnischen Minderheit, SDSS, konnte in den Wahlkreisen mit höherer Konzentration der serbischen Wähler, keine Mandate erringen: dies liegt wahrscheinlich zum Teil an geringerer Wahlbeteiligung der serbischen Wähler, zum Teil aber auch daran, daß sie nicht mehr ethnisch" sonder politisch" (d.h. für die Oppositionsparteien, auf deren Wahllisten sich auch ethnisch serbische Kandidaten befanden) abstimmten.
Die beiden Parteien der siegreichen Koalition, SDP und HSLS, werden im hohen Maße durch ihre Vorsitzenden Ivica Racan und Drazen Budisa symbolisch verkörpert. Racan ist der künftige kroatische Premierminister, Budisa hat als gemeinsamer Kandidat der SDP und HSLS für das Präsidentschaftsamt große Chancen, künftiger kroatischer Staatspräsident zu werden. Hier ein kurzes Portrait dieser beiden Persönlichkeiten. Ivica Racan wurde 1943 in einem Arbeitslager in Deutschland geboren. Seine Eltern waren dort während des 2. Weltkriegs interniert, sein Vater wurde wegen Untergrundtätigkeit in einen Todeslager versetzt und kam dort um. Racan kehrte1945 mit seiner Mutter nach Kroatien zurück und verbrachte seine Jugend in der kleinen kroatischen Stadt Slavonski Brod. Bereits auf dem Gymnasium trat er dem Bund der Kommunisten bei. Er studierte Jura auf der Zagreber Universität. Sehr früh, im Jahr 1971 begann er eine professionelle Karriere im Bund der Kommunisten und bekleidete unterschiedliche Funktionen, darunter längere Zeit den Posten des Direktors der Parteischule in Kumrovec (Kroatien). Erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stieg er in höchste Parteiämter auf. Er wurde mit Stipe Suvar der Vertreter des kroatischen Bundes der Kommunisten im föderalen Parteipräsidium, wo er auch den Aufstieg von Slobodan Milosevic in Serbien erlebte. Racan hat eine Schlüsselrolle beim Übergang zur Demokratie in Kroatien gespielt. Als Vertreter des Reformflügels wurde er auf dem Parteikongress im Dezember 1989 zum Parteivorsitzenden des Bundes der Kommunisten Kroatiens (später in SDP umbenannt) gewählt und setzte sich sofort für Demokratisierung und Durchführung freier Wahlen in Kroatien ein. Auf dem außerordentlichen Parteikongress des jugoslawischen Bundes der Kommunisten im Januar 1990 widersetzte er sich dem Griff Milosevics nach Machtübernahme in der Bundespartei und folgte mit der kroatischen Delegation dem Beispiel der slowenischen Delegierten, die den Kongress verließen als sie sich gegen Milosevic nicht durchsetzen konnten. Dadurch wurde der Zerfall des föderalen Bundes der Kommunisten besiegelt. In den ersten freien Wahlen im April/Mai 1990 wurde er in einem Zagreber Wahlkreis ins kroatische Parlament gewählt. Als Parteivorsitzender der SDP hat er seit 1990 alle Reformen der SDP hin zu einer sozialdemokratischen Partei angeführt und dabei großes taktisches Talent gezeigt. Es ist ihm gelungen, die SDP aus der Ungunst der Wähler herauszuführen und sie allmählich zur stärksten Oppositionspartei aufzubauen. Entscheidend war dabei eine personalpolitische Verjüngung der Partei, die gerade in den Wahlen 2000 in der Zusammensetzung der Wahllisten deutlich wurde. Racan ist damit heute einer der wenigen Parteifunktionäre der SDP, die hohe Parteiposten auch vor der demokratischen Transformation bekleideten. Die politische Biographie von Drazen Budisa steht in vieler Hinsicht im Gegensatz zu jener Racans. Budisa wurde 1948 in der kleinen kroatischen Stadt Drnis geboren. Er studierte an der Philosophischen Fakultät der Universität Zagreb und wurde während des sogenannten kroatischen Frühlings" (1970/71) zum Vorsitzenden des demokratisch und nationalistisch orientierten Studentenbunds Kroatiens gewählt. Nach dem Zusammenbruch und Unterdrückung des Frühlings" im Dezember 1971 wurde er zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und verbrachte vier Jahre in der Haft. Nach seiner Freilassung Mitte der 1970er Jahre durfte er sich nicht öffentlich engagieren. Seit dem Beginn der demokratischen Transformation in Kroatien 1989 betätigte sich Budisa in der HSLS und prägte wesentlich ihre Politik in der Zeit zwischen 1990 und 1995. Er war 1991/92 Mitglied der Regierung der demokratischen Einheit". In den Präsidentschaftswahlen 1992 trat er als Kandidat der HSLS an und gewann rund 22% der Stimmen. Nach den Wahlen 1995 zog er sich vom Posten des Parteivorsitzenden zurück, der von Vlado Gotovac (ebenfalls eine wichtige Figur des kroatischen Frühlings" und langjähriger politischer Häftling) übernommen wurde. Budisa blieb in der Parteiführung der HSLS und geriet bald in den offenen Gegensatz zu Gotovac, was schließlich zur Spaltung der Partei führte. Auf dem Parteikongress im November 1997 siegte Budisa gegen Gotovac (der die Partei verließ und die LS gründete) und übernahm wieder den Vorsitz der HSLS.
Die sechs bisherigen Oppositionsparteien werden im Einklang mit dem vor der Wahl unterschriebenen Abkommen zusammen die neue Regierung bilden. Die Verteilung der Regierungsposten wird annähernd das Wahlergebnis widerspiegeln, somit werden SDP und HSLS eine führende Rolle spielen. Die Präsidentschaftswahlen am 24. Januar werden entscheiden, ob die bisherige Opposition auch den Posten des Staatspräsidenten übernimmt, oder der Sieg des HDZ-Kandidaten Mate Granic (der bisher nach Meinungsumfragen einen Vorsprung vor Budisa genoß) zur Kohabitation führt. Im letzteren Fall wird wahrscheinlich das Tempo der notwendigen politischen und wirtschaftlichen Reformen etwas langsamer sein. Es ist allerdings zu erwarten, daß durch die bevorstehenden Veränderungen innerhalb der HDZ die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in Fragen der Verfassungsänderungen und wichtiger institutioneller Reformen vorhanden sein wird. Die neue Regierung wird vor wichtigen Aufgaben stehen, die Drazen Budisa nach der Wahl kurz zusammengefaßt hat: es gilt, die demokratischen Defizite Kroatiens zu beseitigen, die wirtschaftliche und soziale Krise zu überwinden und Kroatien aus der internationalen Isolierung herauszuführen. Stand: 11. 1. 2000 Diese Ausgabe verfaßte unser Mitarbeiter in Zagreb, Dr. Nenad Zakosek. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000 |