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TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



II. Szenarien und Strategien


Szenario I: Konsolidierung von Exklaven

Aus politischen Gründen – Pattsituationen, keine ausreichenden Sicherheitsbedingungen für die Rückkehrer, ungeklärte Wiederaufbauprogramme, ungeklärte Finanzierung – zieht sich die Rückkehr der Vertriebenen mehr und mehr in die Länge.

  • Je länger die Rückkehr verschoben wird, um so schwieriger wird der Wiederaufbau und die Wiederbesiedlung des Kosovo, da der Verfall und ggf. die Zerstörung weitergehen.
  • Je länger die Lager bestehen, je besser sie versorgt werden und sich selbst organisieren, um so schwieriger auch die Entscheidung der Vertriebenen, in ihre zerstörten Häuser und Heimatorte zurückzukehren, zumal in vielen Familien Väter und arbeitsfähige Männer fehlen.
  • Viele Kosovaren wollen nicht mehr an die Orte des Grauens zurückkehren. Mit den Erinnerungen zu leben ist schon schwer genug.

Im Ergebnis konsolidieren sich die Lager, ähnlich der palästinensischen Lager im Libanon, in Exklaven, die von internationalen Organisationen, NGOs und Verwandten im Ausland unterstützt werden.

Die Schwierigkeiten im Verhältnis zu den Gastländern würden abgemildert durch

  • die Exterritorialität dieser Exklaven;
  • die guten Geschäfte, die sich mit diesen Exklaven und internationalen Geldgebern machen lassen;
  • die sich aus der Existenz der Exklaven ergebende Verhandlungsmacht gegenüber internationalen Geldgebern.

Bewertung

Eine solche Lösung läßt den von der NATO gewonnenen Krieg zum Pyrrhussieg werden. Irritationen und Spannungen in den Gastländern würden über Jahre fortbestehen. Eine dauerhafte Unterstützung der Exklaven und der Gastländer wäre erforderlich. Friedenstruppen würden wegen der im Kosovo verbliebenen Menschen vermutlich trotzdem gebraucht – es sei denn man überläßt sie ihrem Schicksal.

Mit der Besetzung des Landes durch internationale Truppen und den Erklärungen der internationalen Gemeinschaft ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich geworden. Allerdings wäre die Konsolidierung des einen oder anderen Lagers in Albanien, das die meisten Vertriebenen aufgenommen hat, immer noch denkbar.

Da etwa die Hälfte von ihnen von Familien in Albanien aufgenommen worden sind, wäre ebenfalls eine Integration über diese Familien in die dortige Gesellschaft und Wirtschaft denkbar. Solchen Wünschen sollte sich die internationalen Geldgeber wohl nicht verschließen, nicht nur weil es die Betroffenen so wollen, sondern auch, weil eine solche Lösung in vielen Fällen sicherlich billiger wäre als die Wiederinstandsetzung der früheren Lebens- und Arbeitsverhältnisse.

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Szenario II: Aufnahme der Kosovo-Albaner in den EU-Staaten

Selbst wenn die Kosten des Wiederaufbaus von Staat, Infrastrukturen und Wirtschaft im Kosovo nur einen Bruchteil der Kosten der NATO-Operationen betragen würden, würden sie in der EU politisch doch als enorme Belastung wahrgenommen werden. Hinzu kommen die Risiken und Unsicherheiten, die mit dem Prozeß des Wiederaufbaus und seinen Ergebnissen verbunden sind. Mit vorgeschobenen oder echten Zweifeln wird man schnell bei der Hand sein. Etwa: Wird es denn überhaupt möglich sein, auf diese Weise eine politische Stabilisierung der Region zu erreichen?

Angesichts der nicht zu vernachlässigenden Kosten – Hans Koschnik rechnet mit einer Anschubfinanzierung von 70 Mrd. Mark für Südosteuropa [ Interview in der TAZ, 12./13.6.99, S. 3. Viele Schätzungen bewegen sich in dieser Größenordnung.] – und der politisch ausschlachtbaren Ängste und Zweifel ziehen es die Mitgliedsländer der EU und andere Länder vor, als second-best-Lösung die Kosovo-Vertriebenen bei sich aufzunehmen: Die gefürchteten wirtschaftlichen Belastungen erweisen sich als größer als die Ängste vor diesen Ausländern.

An Beispielen für erfolgreiche Integration mangelt es ja nicht: Die Gastarbeiter der ersten Generation, der melting pot USA oder, geradezu paradigmatisch, die Armenier, die sich, nachdem sie eine ähnliche Katastrophe erlebt hatten, längst wirtschaftlich und gesellschaftlich in ihre Aufnahmeländer integriert haben. Einige europäische Länder verfolgen schon jetzt die Integration von Ausländern mit recht guten Erfolgen (z.B. Holland).

Eine Aufnahme der Vertriebenen wäre relativ leicht zu bewältigen:

  • Viele Vertriebene würden Verwandten folgen, die in der ganzen Welt verstreut sind; diese würden sich um ihre Integration in die neuen Gesellschaften kümmern.
  • Rechnet man diejenigen heraus, die so oder so ins Kosovo zurückkehren, in der Region bleiben oder sonstwo in der Welt unterkommen, müßten hoch gerechnet vielleicht 600 Tsd. Kosovaren (von 1 Million Vertriebenen) in der EU Aufnahme finden, vermutlich aber deutlich weniger. Bei einer Bevölkerung von 373 Millionen (EU-15) und z.T. rückläufiger Bevölkerungsentwicklung sollte das ein lösbares Problem sein.
  • In einer Übergangsphase entstünden Unterhalts- und Integrationskosten (schließt man sie in Ausländerheimen ein und verbietet ihnen zu arbeiten, werden sie freilich dauerhaft der Sozialhilfe anheimfallen). Nach einigen Jahren würden sie sich weitgehend selbst unterhalten können.
  • Die zusätzliche Belastung für Infrastrukturen und der Bedarf an zusätzlichen Investitionen dürften sich in engen Grenzen halten.
  • Ganz ohne Friedenstruppen würde man auch hier vermutlich nicht auskommen.

Bewertung

Auch eine solche Lösung läßt den von der NATO gewonnenen Krieg zum Pyrrhussieg werden. Die Ausländerfeindlichkeit wird u.U. neue Blüten treiben – vielleicht aber auch die Menschlichkeit. Im Vergleich zu allen anderen Lösungen, wäre dies die Lösung mit den geringsten Kosten und Risiken: keine dauerhafte Unterstützung, keine Wiederaufbaukosten und vermutlich geringere Friedenstruppen als in den folgenden Szenarien.

Ist dieses Szenario noch realistisch? Die bisherigen Entscheidungen weisen in eine andere Richtung. Die Dinge mögen sich freilich anders entwickeln als gedacht: Sollte z.B. aus den im ersten Szenario genannten Gründen die Hilfsprogramme zur Linderung der unmittelbaren Not nicht sofort anlaufen oder die Erneuerung der Wirtschaften der Südosteuropas nicht schnell und glaubwürdig in Gang kommt, müßten wir wohl mit einer Fluchtwelle aus dem gesamten Raum rechnen (und mit dem Verbleib der wenigen Kosovo-Albaner, den wir in der EU in den letzten Monaten Zuflucht gewährt haben).

Mit anderen Worten: Sollten die Hilfs- und Aufbauprogramme nicht rechtzeitig beginnen, nicht ausreichend finanziert, durch Koordinationsprobleme der Geberländer und -organisationen kaum umsetzbar, konzeptionell nicht tragfähig und deshalb zum Scheitern verurteilt sein ..., sollte man sich mit diesem Szenario als Rückfallposition ernsthaft auseinandersetzen – und zwar frühzeitig, um den Ängsten der EU-Öffentlichkeiten gegenüber den Fremden entgegenzuwirken und ihre Integration soweit nur irgend möglich positiv zu besetzen. Alles andere wäre Vogel-Strauß-Politik.

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Exkurs: Wirtschaftliche Aufbaustrategien: einige Stolpersteine

Voraussetzung ist eine politische Stabilisierung des Kosovo, besser noch eine selbsttragende Stabilität in der ganzen Region. Wie es dazu kommen und wie eine Friedensordnung nach innen und außen in Südosteuropa geschaffen werden kann (Protektorat/Friedenstruppen, multiethnisches/ethnisches Kosovo, politische Machtverhältnisse im Kosovo und anderen Ländern der Region, Veränderungen der Grenzen ... ), wird hier nicht diskutiert. [ S. dazu Michael Dauderstädt, Pulverfaß ohne Boden. Neuordnung und Wiederaufbau in Südosteuropa, Politikinformation Osteuropa, Nr. 81, Juni 1999.] Diese Fragen sind von grundlegender Bedeutung, bleiben in diesem Papier aber ausgeblendet. Im Mittelpunkt stehen die Erfordernisse des wirtschaftlichen Aufbaus, die in zwei Szenarien skizziert werden sollen.

Zuvor soll auf zwei zentrale Herausforderungen, denen sich beide Strategien stellen müssen, eingegangen werden.

1. Das Transferproblem

Der Wiederaufbau des Kosovo ist ohne Unterstützung von außen nicht möglich. Im Verhältnis zum BIP des Kosovo werden die Transfers von privaten und öffentlichen Geldern, insbesondere während der ersten 10-15 Jahre, enorm sein. Dem Finanztransfer entspricht ein ebenso großer Transfer von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland: Wie sollen erst wieder- bzw. neu aufzubauende Unternehmen angesichts der desolaten infrastrukturellen Voraussetzungen gegen diese Importe konkurrieren können?

In anderen Worten: Die Transfers aus dem Ausland behindern den wirtschaftlichen Wiederaufbau – da nämlich die Nachfrageimpulse in erster Linie Unternehmen in den transferierenden Ländern zugute kommen (wir kennen das von der deutschen Einigung). Das Transferproblem – Keynes hatte es Anfang der 20er Jahre im Zusammenhang mit den Reparationszahlungen des Deutschen Reiches analysiert – tritt unabhängig davon auf, ob man die Währung des transferierenden Landes verwendet oder nicht. So oder so haben Unternehmen, die an Standorten außerhalb der die Transfers empfangenden Länder und Regionen produzieren, beträchtliche Wettbewerbsvorteile.

Dem Transferproblem kann nur durch administrative Lenkung wirkungsvoll entgegengetreten werden. Beispiel: Solange im Kosovo kein Zement für den Wiederaufbau hergestellt wird, muß er importiert werden. Dadurch darf aber der Aufbau von Zementwerken nicht behindert werden (zumal das Land mit Kalk gesegnet ist). Baut man sie auf, werden sie auf Jahre nicht mit den Importen konkurrieren können, da ihre volle Leistungsfähigkeit wesentlich von den gleichzeitig aufzubauenden Infrastrukturen und von mehrjährigen learning-by-doing Prozessen abhängt.

Damit die Unternehmen im Kosovo Erfolg haben können, müssen sie entweder durch Abnahmegarantien, Zölle, Importquoten oder durch Subventionen vor der überlegenen Konkurrenz geschützt unterstützt werden.

Was Subventionen anbelangt sind Lohnsubventionen am besten geeignet, das Transferproblem zu entschärfen: Löhne, die ein Überleben der Unternehmen sichern würden, dürften, außer bei knappen Qualifikationen, so niedrig sein, daß niemand davon leben kann, geschweige denn auch noch einige Familienangehörige. Durch Lohnsubventionen, die z.B. auch die Form von direkten Lebensmittelzuweisungen annehmen können, wird die Brücke zwischen produktivitätsorientierten Löhnen und dem Existenzminimum geschlagen. Zugleich stellen sie einen Anreiz dar, die Beschäftigung auszuweiten (anders als Kapitalsubventionen, die ein Anreiz sind, die Kapitalintensität erhöhen).

Keine dieser Möglichkeiten ist ohne aufwendige administrative Verfahren und Kontrollen möglich. Ohne Lösung des Transferproblems wird aber keine Aufbaustrategie, die über die Wiederherstellung der Subsistenzökonomie auf dem Lande hinausgeht, Erfolg haben. Und ohne erfolgreiche Aufbaustrategie wird das Kosovo auf Jahrzehnte von ausländischen Transfers abhängen.

2. Rent-seeking

Die Kanalisierung der ausländischen Transfers erfordern wirkungsvolle Instanzen, die die Verteilung dieser Mittel durchführen und kontrollieren. Die Gefahr ist groß, daß die Mittel von wirtschaftlichen oder politischen Gruppen monopolisiert und ganz anders verwendet werden, als dies von den ausländischen Gebern und Entwicklungsstrategen intendiert ist – mit ganz und gar kontraproduktiven Folgen für Wirtschaft, Staat, Politik und Gesellschaft (Beispiel Rußland). Da Staat und Rechtsordnung kaum noch existent sind, wird es viel Mühe kosten, diese Gefahren zu vermeiden.

Diese Gefahren werden dadurch nicht geringer, daß es auch auf der Geberseite politische, institutionelle und wirtschaftliche Interessen gibt, die von dieser Hilfe profitieren wollen und die deshalb versuchen und versuchen werden, auf die Struktur dieser Programme, die Empfängerseite und die Modalitäten der Vergabe der Mittel bestimmenden Einfluß auszuüben. Die bisherigen EU-Programme bestechen nicht gerade durch ihre sachgerechte Problemadäquanz.

Wirkungsvolle Kontrollen sind also ex ante und ex post bei Gebern und Nehmern erforderlich.

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Szenario III: Wiederherstellung des Status quo ante



1. Landwirtschaft



Erfordernisse

  1. Nahrungsmittelhilfe: Eine Bestellung der Felder (möglicherweise mit Ausnahme von Wintergetreide) wird in diesem Jahr nicht mehr möglich sein. Der Viehbestand ist dezimiert und muß sich erst wieder erholen.
  2. Wiederaufbau der Häuser, Speicher, Ställe, Wasserreservoirs, Kanäle, Instandsetzung der Feldwege etc.: Die meisten der hierfür erforderlichen materiellen Inputs können nicht durch Eigenarbeit hergestellt, sondern müssen gekauft werden.
  3. Landwirtschaftliche Geräte, Maschinen: viele sind verschwunden oder unbrauchbar geworden; sie müssen ersetzt oder soweit noch möglich repariert werden – dafür braucht man Geld.
  4. Auch für Dünger, Pestizide, Veterinärprodukte etc. braucht man Geld.
  5. Die Möglichkeiten der Leistung von Eigenarbeit der Familien sind eingeschränkt, weil ein erheblicher Teil der arbeitsfähigen Männer fehlt.
  6. Auch die kommunalen und genossenschaftlichen Einrichtungen müssen wiederhergestellt werden. Dadurch entstehen Bau-, Material- und Personalkosten.
  7. Die Verbindungswege in die regionalen städtischen Zentren müssen wieder befahrbar gemacht werden.


Finanzierung – Umsetzung

Beschränkungen

  • Die finanziellen Möglichkeiten der bäuerlichen Haushalte haben sich durch den Krieg, den Verlust von Familienmitgliedern und den Mangel an Lohnarbeit drastisch verschlechtert.
  • Eine dauerhafte Verschuldung der Familien und untragbare Schuldendienste müssen unbedingt vermieden werden, da sonst der Verlust von Haus und Hof und neue Armutsfallen drohen.

Maßnahmen

  • ad a. - Die Nahrungsmittelhilfe sollte bis zur Erreichung ausreichender Selbstversorgungsniveaus auf jeden Fall ohne Rückzahlverpflichtungen gewährt werden. Die Verteilung sollte entsprechend der zu versorgenden Personen über die Gemeinden erfolgen. Bei arbeitsfähigen Personen kann die Verteilung von Nahrungsmittel an die Leistung von Arbeit, z.B. für Gemeinschaftsaufgaben, gebunden werden (food-for-work Programme).
  • ad b. - Ebenso sollte der Wiederaufbau von Gebäuden etc. durch nicht-rückzahlbare Finanzhilfen unterstützt werden. Ein Grundbetrag, dessen Höhe sich nach dem Ausmaß der Zerstörung und der Zahl der Familienmitglieder richtet, sollte über die Gemeinden oder die Genossenschaften zur Verfügung gestellt werden. Diese koordinieren auch die Verteilung der Materialien.
    Wie bei der Nahrungsmittelhilfe werden Baumaterialien während der ersten Jahre direkt verteilt. Der Einfachheit halber werden nur die abgegebenen Mengen kontrolliert.
  • ad c.-d. - Maschinen, Geräte, Ersatzteile, Düngemittel etc., die allesamt Geld kosten, wurden in der Vergangenheit im wesentlichen aus den Einkommen der Wanderarbeiter bezahlt. Damit wurde die Subsistenzproduktion subventioniert. Da diese Finanzierungsmöglichkeiten auf absehbare Zeit erheblich eingeschränkt bleiben werden, sollte der Erwerb dieser Inputs im wesentlichen durch Zuschüsse finanziert werden, da die Betriebe sonst in Schuldenfallen geraten.
    Soweit sie unter den dortigen Bedingungen einsetzbar sind, könnte man sicher so manchen Bauern in der EU dazu bewegen, ausrangierte, aber noch funktionierende Maschinen und landwirtschaftliche Geräte abzugeben – und sei es gegen Entschädigung.
  • ad e. - Gegen den Mangel an Arbeitskraft in den Familienbetrieben und Gemeinden könnte man die Jugend Europas zu Arbeitseinsätzen aufrufen (ähnlich der Freiwilligenarbeit in Kibbuzzims).
  • ad f. - Zumindest während der ersten Jahre sollten auch die Kosten der Wiederherstellung der kommunalen und genossenschaftlichen Infrastruktur weitgehend übernommen werden. Neben einer Grundfinanzierung könnten die Gemeinden für jede zuziehende Person fünf Jahre lang einen zusätzlichen Pauschalbetrag erhalten. Dadurch hätten sie einen Anreiz, Gemeindemitglieder zurückzuholen.

Die land- und milchwirtschaftlichen Großbetriebe beschäftigten Lohnarbeit. Ihre Rehabilitation müßte auf dieser Basis erfolgen. Da sie für den Markt produzieren, könnte nach einer Anschubfinanzierung, mit der die Folgen der Zerstörungen abgedeckt wird, die Umstellung auf kommerzielle Kredite relativ bald erfolgen. Zu prüfen wäre wohl, ob diese Betriebe, die die fruchtbarsten Böden bewirtschaften, einer Landreform unterworfen werden sollten: Viele Familien würden dadurch eine neue Existenzbasis finden und der Arbeitsmarkt würde entlastet.

Bewertung dieses Teils der Strategie

  • Eine Subsistenzlandwirtschaft wird wiederaufgebaut und wiederbelebt, bei der für viele Familienbetriebe ein wesentliches Element – ihre Subventionierung durch Wanderarbeiter und Verwandte – auf Jahre hinaus nicht in ausreichendem Maße gesichert ist. Die EU springt als „reicher Onkel" in die Bresche.
  • Mit dieser Strategie ist im besten Falle eine nur als unerheblich zu bezeichnende Modernisierung der Landwirtschaft und des Hinterlandes verbunden.
  • Das eigentliche Ziel dieser Strategie ist die Versorgung und Ruhigstellung von – in der Logik der modernen Wirtschaft – überflüssigen Menschen, die auf diese Weise daran gehindert werden sollen, in die EU-Arbeitsmärkte zu drängen, und dort zum Auslöser von Fremdenfeindlichkeit zu werden.
  • Ein Ziel der NATO-Militäraktion – die Rückkehr der Kosovo-Albaner – wäre erreicht (ob multi-ethnisch oder nicht, ist eine andere Frage).
  • Die Kosten der Wiederherstellung der Subsistenzwirtschaft sollten tragbar sein.
  • Höher schlagen die Kosten der Friedenstruppen zu Buche, falls sie eingesetzt werden müssen.
  • Die Militärverwaltung wäre zumindest in der ersten Phase mit der Verteilung von Lebensmitteln und Materialien bzw. mit der Überwachung der Verteilung zu betrauen.


2. Andere Wirtschaftssektoren, städtische Zentren

Dazu gehören:

  • Staatliche Institutionen (öffentliche Verwaltungen, Gerichtsbarkeit, Polizei) und Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Armenfürsorge, städtische physische Infrastruktur, kommunale Dienstleistungen ...);
  • überregionale und internationale Verkehrs- und Kommunikationssysteme;
  • Produktions- und Handelsunternehmen, deren backward und forward linkages z.T. über die jeweiligen städtischen Regionen und ihr Hinterland hinausreichen;
  • Handwerksbetriebe, Dienstleistungsunternehmen, Banken, Ärzte, Rechtsanwälte, ... für die Versorgung der regionalen Zentren und ihres Hinterlandes.

Eine Wiederherstellung des Status quo ante ist nicht möglich, weil

  • die Republik Jugoslawien nicht mehr Referenzpunkt für staatliche Organisation, Arbeitsteilung, Finanzierung etc. sein wird;
  • viele serbische Fachkräfte, die schon vor der Serbisierung des Kosovo in staatlichen Institutionen und Einrichtungen sowie in staatlichen und privaten Unternehmen gearbeitet hatten, das Kosovo verlassen haben werden;
  • die zu schaffenden Unternehmen marktfähiger und moderner sein müssen als die früheren;
  • die frühere Integration von Subsistenzwirtschaft und städtischen Räumen auf Jahre hinaus nicht wiederherstellbar sein wird.


Erfordernisse

  • a. Der Wiederaufbau und von den heutigen Erfordernissen entsprechenden, funktionierenden staatlichen Institutionen und Einrichtungen erfordert Geld, Zeit und personelle Ressourcen, die zu einem erheblichen Teil neu herangebildet werden müssen.
  • b. Auch die Wiederherstellung bzw. Erneuerung der Energieversorgungssysteme, der Verkehrswege und der Einrichtung der Telekommunikationssysteme wird umfangreiche Ressourcen erfordern.

Funktionierende staatliche Institutionen und Einrichtungen und leistungsfähige Verkehrs- und Kommunikationssysteme sind Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen.

  • c. Die wiederaufzubauenden bzw. neu zu strukturierenden oder gar zu gründenden Unternehmen sehen sich – bedingt durch die Transferökonomie – einem enormen ausländischen Wettbewerbsdruck ausgesetzt.
    • Unternehmen im non-tradeable Bereich (Dienstleistungen aller Art und Güter, die z.B. aufgrund von Verderblichkeit oder hoher Transportkosten nur in relativ engen lokalen oder regionalen Märkten gehandelt werden) haben bessere Chancen, diesem Wettbewerb standzuhalten.
    • Unternehmen, die überregional gehandelte Güter und Dienstleistungen erstellen, sind diesem Wettbewerb ungeschützt ausgesetzt und können nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein – zumal sie mit der krisengeschüttelten serbischen Wirtschaft vormals wichtige Einkaufs- und Absatzmärkte verloren haben und sich vollkommen neu orientieren müssen.
    • Alle Unternehmen leiden unter einem Mangel an qualifiziertem Personal in der Produktion und Organisation.


Finanzierung – Umsetzung

  • ad a. - Um eine Überschuldung der öffentlichen Hände zu vermeiden, sollten die Finanzhilfen erstens ausreichend und zweitens z.B. für die ersten fünf Jahre als grant gewährt werden. Danach sollte der Anteil langfristiger Kredite von Jahr zu Jahr steigen. Sie sollten von öffentlichen Banken mit ausreichender Fristigkeit und zu günstigen Konditionen vergeben werden.
    Zur Ausbildung des Personals und der Organisationsentwicklung können Verträge mit ähnlich strukturierten bzw. sich umstrukturierenden Verwaltungen in den Nachbarländern abgeschlossen werden (es gibt gemeinsame Sprachen und Erfahrungen; zugleich wird die Verständigung zwischen den Ländern und Völkern des Raumes gefördert).
    Die berufliche Bildung und Weiterbildung ist ohne öffentliche Finanzierung nicht möglich und sollte in Form von grants mitfinanziert werden.
  • ad b. - Auch die Wiederherstellung der physischen Infrastruktur kostet viel Geld. Auch hier sollten zunächst nicht-rückzahlbare Finanzhilfen gewährt werden.
  • ad c.1. - Der neuerliche Betrieb des Braunkohlebergbaus und der Energieerzeugung erfordert je nach Zerstörungsgrad erhebliche Investitionen. Ohne die Möglichkeit einer Einspeisung dieser Energie in überregionale Netze macht dies allerdings keinen Sinn.
    Angesichts der extrem niedrigen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt ist die Wiederaufnahme des Abbaus der Buntmetallerze vor allem ein Frage der Kosten ihrer Föderung und der Qualität der Vorkommen.
  • ad c.2. - Die neu zu schaffenden bzw. entstehenden Unternehmen müssen geschützt werden. Dies kann z.B. durch mittelfristige Lieferverträge mit staatlichen Organisation oder Aufbauprogrammen geschehen. Andere Möglichkeiten sind direkte Finanzhilfen, insbesondere Lohnsubventionen.
    Zumindest auf einige Jahre hinaus werden ausländische Direktinvestitionen aus den geschilderten Gründen einen großen Bogen um das Kosovo machen. Nur entsprechende öffentliche Garantien oder eine gesicherte Monopolstellung, die, so die Kalkulationsgrundlage in vielen Entwicklungsländern, eine Amortisation des investierten Kapitals in 2 Jahren erlauben, könnten dies ändern. Das kann dann aber kaum als Beitrag zur Entwicklung, sondern nur als Ausbeutung von Steuerzahlern bzw. Konsumenten betrachtet werden.
    Im gleichen Sinne werden private Banken nur gegen hohe Risikoaufschläge oder mit öffentlichen Garantien private Unternehmensinvestitionen finanzieren wollen.
    Das bedeutet, daß öffentliche Banken an der Finanzierung auch der privaten Investitionen beteiligt sein sollten. Sie können die Finanzierungslasten geringer halten und reagieren in Momenten der Unsicherheit weniger erratisch.


Bewertung dieses Teils der Strategie

  • Eine Rückkehr zum Status quo ante ist ausgeschlossen. Die Voraussetzungen sind einfach andere als früher.
  • Anders als bei der Wiederbelebung der Subsistenzwirtschaft ist es beim Wiederaufbau der städtischen Räume nicht möglich, die Entwicklungsstrategie auf das Kosovo zu beschränken. Ohne den wirtschaftlichen Austausch und damit ohne ein friedliches Zusammenleben mit den Nachbarländern und –regionen – einschließlich Serbiens – kann der Aufbau der Wirtschaft des Kosovo nicht gelingen. Deshalb sind schon in diesem Szenario Strategien der politischen und wirtschaftlichen Integration Südosteuropas erforderlich.
  • Ohne staatliche Eingriffe und ohne Modernisierungskonzepte und -strategien kann die Wiederbelebung von Wirtschaft und städtischen Räumen nicht gelingen.
  • Eine umfassende Wiederherstellung bzw. eigentlich Neuschaffung von staatlichen Institutionen, öffentlichen Einrichtungen und Infrastrukturen erfordert große und dauerhafte Anstrengungen und ist allein über Finanzhilfen der EU nicht zu bewerkstelligen: Sie erfordert den Transfer von Know-how, Erfahrung und mehrjährige Lernprozesse.
  • Von privatem ausländischem Kapital ist kaum ein Beitrag zu erwarten. Dies hängt nicht mit dem Fehlen eines Regelwerks für Direktinvestitionen zusammen (wie die EU-Task Force im Falle Bosnien-Herzegowinas meint), sondern mit den Strukturdefiziten und Unsicherheiten, die einen solchen Aufbauprozeß begleiten. Sie können nur durch die Schaffung des nötigen staatlichen Rahmens, der infrastrukturellen Voraussetzungen etc. beseitigt werden. Erst auf dieser Basis sind die Marktkräfte in der Lage, ihren Beitrag zur Schaffung von wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand zu leisten.
  • Schon in diesem Szenario ist es kontraproduktiv, dem Kosovo Prinzipien des Freihandels bzw. die Regeln des Binnenmarktes anzuempfehlen.

Schon dieses Szenario zeigt, daß der Wiederaufbau der Wirtschaften Südosteuropas nur über eine umfassende Modernisierung gehen kann.

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Szenario IV: Sonderentwicklungszone Südosteuropa

W.A. Beveridge, der Vater des britischen Sozialstaates, sagte über die Strukturpolitik, daß sie die Aufgabe habe, die Wirtschaft dorthin zu bringen, wo die Leute sind. [ W.A. Beveridge, Full Employment in a Free Society, London, 1944. ] Es gibt Menschen in Südosteuropa, sie haben Bedürfnisse und wir sollten ihnen nach all dem Leid und den Zerstörungen helfen, diese Bedürfnisse möglichst gut und, soweit wie nur irgend möglich, selbst zu befriedigen.

Das Argument, daß die Region doch nur über wenige Ressourcen verfüge, ist kein Argument: Es ist anderen Ländern wie z.B. Deutschland, Japan und Korea trotz ihrer z.T. noch viel dürftigeren Ausstattung an Ressourcen sehr wohl gelungen, sich sehr wohl einen beträchtlichen Wohlstand zu erarbeiten. [ Schließlich hatte auch das „alte" Jugoslawien den Weg zu einem nicht geringen Wohlstand gefunden.]

In allen Fällen liegt das Geheimnis des Erfolgs nachholender Modernisierung in der Entwicklung von Institutionen und Infrastrukturen, die einerseits die destruktiven Kräfte des Marktes bändigen, andererseits aber die Basis dafür sind, daß Märkte und Unternehmen ihre wohlstandsschaffenden Potentiale entfalten können. [ Vgl. W. Kamppeter, „The Wealth of Nations, the World Market, and the Modern Rentier State", in: Internationale Poli tik und Gesellschaft , Nr. 3, 1995.] Und es waren die USA, die uns nach dem 2. Weltkrieg und in der Logik des Kalten Krieges – und deshalb in Umkehr der ursprünglichen freihändlerischen Pläne – dazu brachten, dieses institution building in Staat, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu übernehmen, gerade zu Anfang gegen die unmittelbare Logik des Marktgeschehens.

Erinnern wir uns, unter welchen Bedingungen nach dem 2. Weltkrieg der Wiederaufbau der europäischen Wirtschaften erfolgte:

  • a. Schutz der Unternehmen vor der überlegenen amerikanischen Konkurrenz, u.a. durch quantitative Importbeschränkungen und unterbewertete Währungen;
  • b. Öffnung der eigenen Märkte für Importe aus Europa;
  • c. vielfältige administrative Eingriffe in das wirtschaftlichen Geschehen;
  • d. Kontrollen der Wechselkurse und des Zahlungsverkehrs;
  • e. Marshall-Plan (einschließlich der counterpart funds in einheimischer Währung, i.e. die ERP-Sondervermögen);

Man mag noch anfügen:

  • f. Restauration der alten Eliten aus Verwaltung und Wirtschaft;
  • g. politische Umerziehung und Stabilisierung der demokratischen Staatsstruktur durch die West-Allierten; zivile und demokratische Bereiche wurden nur vorsichtig geöffnet;
    die staatliche Eigenständigkeit wurde (weitgehend pro forma) erst 4 Jahre nach Kriegsende gewährt.

Demokratie und Marktwirtschaft waren die Ziele der amerikanischen Politik. Damit sich beide entfalten konnten, mußten recht komplexe institutionelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sein – genauer: geschaffen werden. [ Hermann Heller, Staatslehre, Leiden, 1934.] Das braucht Zeit und kostet Kraft und Geld. Eine schnelle Demokratisierung und die uneingeschränkte Konkurrenz hätten die Neuordnung der Verhältnisse in Deutschland und Europa gefährdet. Das gleiche gilt für das Kosovo und den übrigen südosteuropäischen Raum. [ „Den Albanern und der serbischen Minderheit wird es unter einer internationalen Administration allemal besser gehen als unter Lokalfürsten, die meist sich und nicht das Land sanieren wollen. Der Kosovo sollte auf längere Zeit Teil eines Systems von mehr oder minder sourveränen Schutzgebieten der internationalen Gemeinschaft sein, mit Bosnien, möglicherweise Mazedonien, Albanien und - wenn es zusammenbricht - auch Serbien.", Michael Thuman, Die Zeit, 10.6.99, S. 5.]

Was die Wirtschaft anbelangt müßte es Ziel einer solchen Strategie sein, Südosteuropa über einen Zeitraum von 20-30 Jahren an das Entwicklungsniveau der EU heranzuführen – Südosteuropa als Sonderentwicklungszone der EU. Das setzt erheblichen Strukturwandel voraus: in der Landwirtschaft, in der Industrie, bei den Dienstleistungen und in den staatlichen Bereichen.

  1. Ein schwerwiegendes Problem besteht darin, daß der größte Teil der jetzt landwirtschaftlich genutzten Flächen des Kosovo unter den dortigen klimatischen, topographischen und sozio-strukturellen Bedingungen für eine kommerzielle, wettbewerbsfähige Landwirtschaft nicht geeignet ist. Außerhalb der Gebiete, die bewässert werden oder werden könnten (ihre Ausweitung wäre mit größeren Investitionen in Bewässerungssysteme verbunden) dürften nur die Weidewirtschaft und einige Obstkulturen überlebensfähig sein. Deren Arbeitsintensität, einschließlich der dazugehörigen weiterverarbeitenden Betriebe, ist im Unterschied zu den Subsistenzbetrieben jedoch gering. Statt der früher 30-70 Prozent würde die Landwirtschaft wenn überhaupt nur 5 Prozent der Bevölkerung ein Auskommen sichern.
  2. Um strukturelle Arbeitslosigkeit schon während der Wiederaufbauphase des Kosovo zu vermeiden, wäre deshalb zu überlegen, ob die Subsistenzwirtschaft wie im vorigen Szenario nicht zunächst wiederbelebt werden sollte. Im Rahmen der Entwicklungsstrategie müßten dann genügend anderweitige Arbeitsplätze – und zwar möglichst in den verkehrsmäßig besser zu erschließenden Subsistenzregionen selbst oder in deren Nähe – geschaffen werden.
  3. Durch den Ausbau der erforderlichen physischen Infrastrukturen und öffentlichen Einrichtungen kann zunächst ein mehr oder weniger großer Teil der in der Landwirtschaft überflüssig werdenden Arbeitskraft absorbiert werden.
  4. Ähnlich wie in unseren eigenen strukturschwachen Gebieten wird ein erheblicher Teil der neuen dauerhaften Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich geschaffen werden müssen. Eine moderne öffentliche Infrastruktur per se erfordert gegenüber dem früheren Stand eine erhebliche Ausweitung der Beschäftigung.
  5. Die öffentlichen Ausgaben und die Einkommen der öffentlichen Bediensteten entfalten Multiplikatorwirkungen und werden u.a. zur Entstehung von Unternehmen für die regionale Versorgung mit Dienstleistungen und Waren beitragen. Dies wird allerdings nicht ausreichen, um den sich aus dem Strukturwandel ergebenden Überschuß an Arbeitskräften zu absorbieren. Man wird sich Gedanken machen müssen, wie tragfähige Arbeitsplätze im privaten Bereich geschaffen werden können: Wachstumspole, Industrieparks, Tourismus ...
  6. Für die zunächst vor allem öffentlichen, später auch privaten Investitionsvorhaben wird eine Vielzahl von Arbeitskräften benötigt. Deren Einkommen werden die Regionen und über backward und forward linkages auch die Nachbarregionen in SOE beflügeln und auch der EU und anderen Ländern zugute kommen. Letzteres aber hoffentlich erst – man denke an das Transferproblem –, nachdem die Gelder von außen mehrere Runden in der Region selbst gedreht und damit Nachfragekreisläufe in Gang gebracht haben. Von einem schnellen Rückfluß auf Schweizer Konten oder dem direkten Kauf von EU-Gütern würden sich keine dynamisierenden Effekte ergeben – im Gegenteil.
  7. Da im Mittelpunkt der modernen Wirtschaft nicht mehr die Industrie – was auch bedeutet, daß die früheren Industriestrukturen unter heutigen Bedingungen weitgehend obsolet sind – steht, die zudem hohe Investitionen erfordert, sondern die Dienstleistungen, sollte die Problemlage weniger schwierig sein als sie nach dem 2. Weltkrieg in Westeuropa war. Die meisten Dienstleistungen können nämlich, da sie an Personen gebunden sind, nur in engen geographischen Räumen angeboten werden. D.h. die Wirtschaftskreisläufe bestehen heutzutage in erster Linie im lokalen und regionalen Austausch von Dienstleistungen. Die Herausforderung besteht darin, diese regionalen Wirtschaftskreisläufe in Gang zu bekommen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Bewertung

  • Die Bewertungen der vorherigen Strategie gelten a fortiori.
  • Eine Beschränkung der Entwicklungsstrategie auf das Kosovo ist nicht möglich. Eine Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung der ganzen Region müßte die unterschiedlichen Voraussetzungen und Integrationspotentiale berücksichtigen. Einige der Strukturelemente und Funktionsweisen der Wirtschaft des Kosovo dürften sich, wenn auch in anderer Gewichtung, auch in anderen Regionen und Ländern des südosteuropäischen Raums finden.
  • Die Programme, die die USA Europa und Japan nach dem Krieg, wenn auch erst unter den Bedingungen des Kalten Krieges, verordneten, bieten genügend Anschauungsmaterial dafür, wie erfolgreiche Entwicklungsstrategien angegangen werden können. Staatliches Handeln, das nicht von Partikularinteressen bestimmt wird, sondern auf sachgerechten Wegen tragfähige Strukturen schafft, ist gefordert. Ohne solche Strukturen können die Märkte ihr Wohlstand mehrendes Potential nicht entfalten; sie wirken im Gegenteil zerstörerisch.


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III. Schluß

Sollten sich die EU-Mitgliedstaaten, die die Hauptlast und Verantwortung für Umsetzung einer umfassenden Aufbaustrategie im Kosovo und in Südosteuropa tragen, mit dieser Aufgabe politisch oder wirtschaftlich überfordert fühlen, sollten sie sich ehrlicherweise mit den zunächst preiswerteren und deshalb politisch vielleicht einfacheren Alternativen auseinandersetzen:

  1. Unterstützung der Integration Kosovo-Albaner in Albanien;
  2. Aufnahme- und Integrationsperspektiven für die Kosovo-Albaner in der EU;
  3. dauerhafte Restauration der Subsistenzwirtschaft. Die setzt die Bereitschaft voraus, Wanderarbeiter zuzulassen.

16. Juni 1999


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