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Postkommunisten und Nationalisten regieren in Rumänien / Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Internationaler Dialog. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1995. - 9 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 47)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


Bei den letzten Wahlen im September 1992 verlor die ''Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens'' (PSDR), die postkommunistische Partei des Präsidenten Iliescu ihre absolute Mehrheit. Mit 27,7% der Stimmen und 117 von insgesamt 341 Abgeordneten blieb sie aber stärkste Partei und stellte die Regierung. Allerdings war sie zumindest auf die Duldung durch einige der anderen Parlamentsparteien angewiesen. Premierminister wurde daher der parteilose Politiker Vasile Vacaroiu, der sich de facto auf vier Parteien stützte:

  • Die nationalistische Partei der Rumänischen Nationalen Einheit (PUNR) aus Siebenbürgen mit 30 Abgeordneten;
  • die nationalistische Partei Großrumäniens (Romania Mare, PRM) aus dem ''Altreich'' (Moldau, Raum Bukarest) mit 16 Mandaten;
  • die postkommunistische ''Sozialistische Partei der Arbeit'' (PSM) mit 13 Abgeordneten;
  • die ''Demokratische Agrarpartei'' (PDAR) mit 9 Mandaten.

Im August 1994 intensivierte die PDSR die Zusammenarbeit durch Aufnahme zweier PUNR-Politiker in die Regierung, die das Landwirtschafts- und Kommunikationsministerium übernahmen. Nachdem die PDAR in die Opposition gewechselt war, formalisierten im Januar 1995 die restlichen vier Parteien ihre Koalition mit einem Abkommen. Die in dieser Koalition zusammengeschlossenen Parteien konnten

im letzten halben Jahr gegenüber der Opposition an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen (vgl. die folgende Graphik).

Die Regierungskoalition kann sich nicht nur auf einen großen Teil der Bevölkerung, sondern vor allem auf die Staatsbürokratie stützen. Dabei verfolgt sie programmatisch einen westorientierten Reformkurs, der sie allerdings in Einzelfragen immer wieder in interne Konflikte stürzt. So stehen die nationalistischen Parteien etwa jeder liberalen Minderheitenregelung im Sinne der Vorschläge des Europarates ablehnend gegenüber.

Die ''Demokratische Konvention'' zerbricht

Das Wahlbündnis der ''Demokratischen Konvention'' (CD) trat bei den Wahlen als Allianz von 18 Parteien und Gruppen unterschiedlicher Ausrichtung an. Die wichtigsten Parteien waren:

  • Die ''Nationale Christdemokratische Bauernpartei'' (PNTCD) mit 41 Abgeordneten
  • die ''Bürgerallianz '' (AC) und die aus ihr entstandene ''Partei der Bürgerallianz'' (PAC) mit 13 Mandaten;
  • die liberalen Parteien ''Nationalliberale Partei'' (PNL), ''Liberale Partei 93'' (PL 93) und ''Nationalliberale Partei - Demokratische Konvention'' (PNL-CD) mit zusammen 14 Abgeordneten;
  • die ''Rumänische Sozialdemokratische Partei'' (PSDR) mit zehn Mandaten;
  • die ''Rumänische Umweltpartei'' (PER) mit vier Abgeordneten;
  • der ''Demokratischer Verband der Ungarn Rumäniens'' (UDMR) mit 27 Abgeordneten.

Daneben umfaßte sie eine Vielzahl kleinerer Gruppierungen wie die Partei der Demokratischen Einheit, die Vereinigung der ehemaligen politischen Häftlinge, den Umweltbund Rumäniens, die Vereinigung ''21. Dezember'', die Bewegung Zukünftiges Rumänien, die Hochschulsolidarität, den Weltverband der Freien Rumänen und den Landesverband der Arbeitslosen.

Die CD hatte die Wahlen nur knapp verloren und gewann insgesamt 82 Mandate (zusätzlich zu den 27 ungarischen Abgeordneten), die sich auf unterschiedliche Fraktionen der Mitgliedsparteien verteilten. Ihr Präsidentschaftskandidat Emil Constantinescu unterlag Ion Iliescu in beiden Wahlgängen der Präsidentschaftswahlen von 1992 als zweiter mit zunächst 31% und dann 38% der Stimmen.

Im Herbst 1994 verließen die PAC, die UDMR, die PSDR und die PL 93 das Bündnis. Das Restbündnis wird nun vor allem von den der konservativ-christdemokratischen PNT-CD geprägt. Die zersplitterten Liberalen versuchen wieder einen Zusammenschluß außerhalb der CD.

Die Ungarn (UDMR) haben dagegen mit Spaltungstendenzen zu kämpfen. Zwar wurde der gemäßigte Bela Marko auf dem jüngsten Kongress Ende Mai 1995 in Cluj wiedergewählt, aber der radikalere Flügel um Tokes erhielt für seinen Forderungen nach einem autonomen Gebiet für die Ungarn eine Mehrheit auf dem Kongreß.

Von der ''Demokratischen Agrarpartei Rumäniens'' (PDAR) kann sich die Opposition auch keine Verstärkung erhoffen. Sie ist zu klein und steht letztlich in ihren ideologischen Positionen der Regierung und den Nationalisten näher als der CD, auch wenn sie die Koalition verlassen hat.

Die Sozialdemokraten und ''Demokraten'' nähern sich an

Die relativ kleine Traditionssozialdemokratie der PSDR unter Cunescu hat allein keine großen Überlebenschancen in der rumänischen Politik. Ihre jetzige Präsenz im Abgeordnetenhaus und Senat verdankt sie ihrem Wahlbündnis mit der CD. So überlegt sie nun, mit wem sie sich nach ihrem Austritt aus der CD verbünden soll. Zur Debatte stehen:

  • Die liberale PAC von Manolescu, die selbst bei Umfragen nie über 10% erhielt und eher um 5% liegt. Manolescu wurde gerade auf dem PAC-Parteitag Anfang Mai 1995 als Vorsitzender bestätigt.
  • Die reformkommunistische ''Demokratische Partei'' (PD) von Petre Roman, die mit über 10% der Stimmen und 43 Abgeordneten drittstärkste Partei Rumäniens. Sie ging aus Iliescus ''Front der Nationalen Rettung'' hervor und versucht seit langem eine Annäherung an die Sozialistische Internationale.

In letzter Zeit mehren sich die Anzeichen für eine engere Zusammenarbeit zwischen der PSDR und der PD. Bei einem Treffen in Österreich im Mai 1995 kündigten Roman und Cunescu ihre Absicht an, bei den nächsten Wahlen gemeinsam antreten zu wollen.


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