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Slowakei : Regierungskoalition mit Störenfrieden / Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Internationaler Dialog. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1995. - 9 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 46)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


Bei den Parlamentswahlen im Oktober 1994 konnte zwar Meciars ''Bewegung für eine demokratische Slowakei'' (HZDS) die meisten Stimmen gewinnen, es reichte aber nicht zur absoluten Mehrheit. Obwohl keine der demokratischen Parteien mit ihm koalieren wollte, gelang Meciar die Rückkehr zur Macht, die er im Frühling 1994 durch eine Spaltung seiner Partei verloren hatte, indem er mit zwei höchst ungleichen und extremen Parteien eine Regierungskoalition bildete: der nationalistischen ''Slowakischen Nationalpartei'' (SNS) und der linksradikalen ''Vereinigung der Arbeiter der Slowakei'' (ZRS).

Beide Parteien konnten seit den Wahlen ihre Position mehr oder weniger halten, während Meciars HZDS in den Umfragen gegenüber dem Wahlergebnis etwas zurückfiel (vgl. folgende Grafik):

Machtbewußte Regierung mit Konsensproblemen

Meciar hatte sich nach den Wahlen vom 30.9./1.10.94 ungewöhnlich viel Zeit (bis Mitte Dezember 1994) zur Regierungsbildung gelassen, was sicher auch ein Zeichen der Schwierigkeiten war, die dann schließlich entstandene Koalition zu bilden. Nichtsdestotrotz ging die neue Regierung rasch daran, alle Schalthebel der Macht auf allen Ebenen mit Leuten ihres Vertrauens zu besetzen. Die Personalpolitik in einigen sensiblen Bereichen wie bei den Medien und den Privatisierungsinstitutionen löste bei vielen Beobachtern erneut Besorgnisse über die Tiefe der demokratischen Überzeugungen der Regierungspolitiker aus, womit sich die internationale Meinungslage zur Slowakei wieder bedenklich der sehr kritischen Haltung vor dem Sturz Meciars im Frühling 1994 näherte. In der Privatisierungspolitik setzte das Verfassungsgericht Meciars Absichten Schranken. Eine weitere Schranke seiner Machtbefugnisse, den präsidenten M. Kovac, versucht Meciar durch ein verfassungspolitisch bedenkliches Mißtrauensvotum, Budgetkürzungen und viele kleinere Nadelstiche (z.B. durch Behinderung des Zugangs zu den Medien) zu beseitigen. Träte Staatspräsident Kovac entmutigt zurück, so übernähme nach der Verfassung zunächst Meciar seine Funktionen.

Jenseits der Machtsicherung mit personalpolitischen Mitteln fehlt es in der Koalition häufig an Übereinstimmung zu Grundfragen der slowakischen Politik. Während Meciar sich vor allem im Ausland als moderner, demokratischer und westorientierter Politiker vorstellt, vertreten starke Kräfte in seinen Koalitionspartnern gänzlich andere Auffassungen:

  • So vertritt die nationalistische SNS von Jan Slota eine fast schon rassistische Minderheitenpolitik und war gegen den Vertrag mit Ungarn, den Meciar in Paris feierlich unterzeichnete. Aber die entscheidende Ratifizierung des Vertrags im slowakischen Parlament bleibt angesichts des Widerstands der SNS fraglich.
  • Der linksradikalen ZRS unter Jan Luptak mißfällt die offizielle Regierungsabsicht, die Slowakei in die NATO und EU hineinzuführen. In ihrer Parlamentsfraktion gab es jüngst schon Spaltungstendenzen, die zum Austritt eines Abgeordneten (Kocnar) führten.

Kraftlose und zerstrittene Opposition

In allen Parteien der Opposition gibt es Streitigkeiten, die zwar nicht die programmatische Tiefe der Meinungsunterschiede im Lager der Regierungskoalition aufweisen, aber trotzdem dafür sorgen, daß die Opposition weitgehend handlungsunfähig ist und die Risse in der Regierungskoalition nicht ausnutzen kann:

  • Bei den Christdemokraten (KDH), die sich in den Umfragen gut behaupten konnten, stehen sich ein älterer und ideologischerer Flügel unter dem Vorsitzenden Carnogursky und ein jüngerer und pragmatischerer Flügel unter Simko gegenüber, die sich nicht zuletzt um das Ausmaß einer möglichen Zusammenarbeit mit Meciar uneins sind.
  • Die liberale Demokratische Union (DU) des ehemaligen Premiers Moravcik litt unter dem Versuch Meciars, die Rechtmäßigkeit ihrer Mandate anzuzweifeln. Ausserdem muß sie noch die Vereinigung mit der liberal-nationalen Slowakischen Nationaldemokratischen Partei (NDS) von Cernák verkraften.
  • Die ungarischen Parteien MKDH (Christdemokraten), der ungarischen Bürgerpartei (MOS) und ES (Együtelles-Spoluzitie ''Zusammenleben'') haben ihre Wahlkoalition praktisch aufgelöst und arbeiten mit zwei getrennten Parlamentsfraktionen, wobei die ES unter Duray eine deutlich härtere, autonomistische Linie vertritt.

Die geschwächte Linke

Die demokratische Linke war bei den Wahlen als Koalition angetreten. Die Liste ''Gemeinsame Wahl'' bestand aus der Partei der demokratischen Linken (SDL) von Weiß, der Sozialdemokratischen Partei (SDSS) von Volf, den Grünen (SZS) und der Landwirtebewegung (HPSR). Zusammen erhielten sie erheblich weniger Stimmen als die guten Umfrageergebnisse für die SDL erwarten lassen hatten. Aber der Koalitionsname war anscheinend wenig bekannt und ein Teil des linken Protestwählerpotentials wählte die extreme ZRS, deren chaotischem Führer Luptak es besser gelang, ein Arbeiterimage zu verkaufen als den ehrbaren Intellektuellen der SDL. So schaffte die Koalition nur knapp die 10%-Hürde.

Nach der Wahlniederlage konsolidierte sich die SDL zwar auf ihrem Parteitag in Poprad wieder und bestätigte den Vorsitzenden Peter Weiß im Amt. Aber unterschwellig gingen die Schuldzuweisungen und Streitereien weiter, vor allem um die Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit Meciar. Während Weiß und die Wirtschaftsexpertin Schmögnerova sie ablehnen, neigt eine Gruppe um Fogas und Magvasi eher einer Kooperation zu und hat auch schon beim Gesetz über Interessenkonflikte mit der Regierung gestimmt. Bei Meinungsumfragen ist die SDL weiter abgefallen.

Die Sozialdemokraten (SDSS) zogen mit zwei Abgeordneten über die Liste ins Parlament ein: der Vorsitzende Jaroslav Volf und M. Gbúrova. Sie versuchen z.Z. eine neue linke Plattform zu etablieren, wozu sie mit der Unterstützung einiger Gewerkschafter rechnen können. Aber die allgemeine Schwäche der SDSS, die bei Umfragen unter 2% bleibt, läßt die Aussichten eines solchen Vorhabens nicht besonders vorteilhaft erscheinen.


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