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Die Innenseite des Regimes Milosevic : Überleben ohne Reformen / Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Industrieländer. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1997. - 14 Bl. : graph. Darst. = 52 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 71)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT


Nach über 3 Monate anhaltenden Demonstrationen gegen den Wahlbetrug bei den serbischen Kommunalwahlen schien Ende des vergangenen Jahres das politische Überleben des serbischen Präsidenten und seiner Regierung äußerst fraglich. Milosevic, der dieses Jahr den zehnten Jahrestag seines politischen Aufstiegs zum Führer und Präsidenten der Serben begehen kann, hält sich trotz einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage nach wie vor scheinbar fest an der Macht. Die letzten Wahlen zum Bundesparlament im Herbst 1996 bestätigten diese Position.

Sitzverteilung im jugoslawischen Bundesparlament
nach den Wahlen im November 1996

Nach dem Sieg der Opposition: Die überraschende Rückkehr Milosevic's

Im Ergebnis existiert bis heute in Serbien (und Montenegro) ein politisches System mit einer äußerst starken Konzentration der Macht beim Präsidenten und einem relativ schwachen Parlament. Die Vormachtstellung des Präsidenten kommt dabei nicht nur Kraft seiner verfassungsmäßigen Kompetenzen zustande, sondern beruht auf einer intensiven Verschmelzung von Partei (SPS), Staat, Bürokratie und Wirtschaft. Instrumente hierfür sind vor allem aus sozialistischen Zeiten übernommene Methoden, wie z.B. Kaderpolitik, informelle Beziehungen, Ämterpatronage usw. .

Selbst der Zerfall Jugoslawiens, die Kriege in Kroatien und Bosnien, Hyperinflation und Wirtschaftssanktionen im jugoslawischen Reststaat schienen seine Machtposition kaum zu bedrohen. Erst mit dem Entstehen des Oppositionsbündnisses Zajedno geriet sie ins Wanken. Je stärker im Verlauf der Dauerdemonstrationen "Zajedno" politisches Profil vor allem auch im Ausland gewinnen konnte, desto mehr sank die Popularität des serbischen Präsidenten, bis sie schließlich Ende Februar 1997 einen vorläufigen Tiefpunkt erreichte.

Doch Milosevic riß das Gesetz des Handelns wieder an sich und bemüht sich, die politische Krise mit altbewährten Instrumenten zu überwinden. Er ignoriert die Forderungen der Opposition und der internationalen Staatengemeinschaft (OSZE), wie z.B. nach Medienfreiheit oder nach Gesprächen am sogenannten "runden Tisch" oder beantwortet sie mit dem Erlaß von eher autoritären Gesetzen, wie zum Beispiel mit dem im Februar '97 vorgelegten Entwurf zum neuen Mediengesetz. Anstatt den Zugang zu den elektronischen Massenmedien zu demokratisieren, versucht die Regierung mit dem neuen Gesetz, diesen weiter zu erschweren.

Auch innerhalb seiner Partei und deren montenegrinischer Schwesterorganisation setzt sich Milosevic gegen seine Kritiker scheinbar mühelos durch. So ließ er den montenegrinischen Premier Milo Djukanovic, einen scharfen Gegner seiner Politik und Person, kurzerhand aus der Partei entfernen. Gleichzeitig sorgte Milosevic offensichtlich als Reaktion auf wachsende innerparteiliche Kritik dafür, daß seine Ehefrau, die JUL-Ideologin Mira Markovic sich aus der Öffentlichkeit zunehmend zurückzieht. Um die Position seiner eigenen Partei zu stärken, gibt es offensichtlich auch Bestrebungen, den Koalitionspartner JUL (jugoslawische Linke) stärker zu integrieren. Diese Partei verfügt zwar über kein allzu großes Wähler- und Mitgliederpotential, ihre Funktionäre sind aber hervorragend in die wichtigsten informellen Netzwerke vor allem im Wirtschaftsbereich integriert und verfügen damit über großen Einfluß.

Als weiteres strategisches Instrument zum Machterhalt nutzt Milosevic offensichtlich auch eine Wiederbelebung der nationalistischen Komponente. In diesem Zusammenhang ist sicherlich das vor kurzem geschlossene Abkommen über spezielle Beziehungen mit der Republika Srpska (Bosnien-Herzegowina) zu sehen. Diese Vereinbarung setzt sich nicht nur über das Daytoner Friedensabkommen hinweg, sondern wurde hinter dem Rücken der eigentlich zuständigen Personen ausgehandelt. Inwiefern die damit auch beabsichtigte Demontage der bosnisch serbischen Präsidentin Biljiana Plavsic, die die Unterzeichnung dieses Abkommens verweigert hat, gelingt, wird sich in nächster Zukunft zeigen und dürfte als weiterer Gradmesser für die politische Machtposition Milosevics dienen.

Diese Machtposition stützt sich nicht auf ein Konzept zur Entwicklung oder gar Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft, sondern ist die kaum veränderte Fortschreibung des alten kommunistischen Regimemodells. In ihm dominiert die Politik die Ökonomie mit dem Ziel weitgehender Kontrolle und Machterhaltung. Die Wirtschaft dient zur Bereicherung der politischen Klasse und klientelistischen Einbindung weiterer Schichten.

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Die zerstrittene Opposition in der reformfeindlichen Gesellschaft

Die politischen Entscheidungen der kommenden Monate stehen unter den Vorzeichen der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien (wahrscheinlich im Herbst ). In diesen Wahlen besteht erstmals eine realistische Chance, daß die Opposition als "Zajedno" oder in weiteren Koalitionen mehr Stimmen erhält als die jetzige Regierungskoalition. Dies bedeutet die Möglichkeit, daß erstmals seit über zehn Jahren das politische Monopol der Regierung an entscheidender Stelle aufgebrochen wird. Die tatsächlichen Erfolgsaussichten der Opposition lassen sich allerdings nur schwer einschätzen, da zuverlässige Wählerbefragungen nicht existieren, und noch einige politische Optionen vor allem aus dem Wirtschaftsbereich, offen sind, die evtl. das Ergebnis entscheidend beeinflussen können.

Außerdem ist das Verhalten des Oppositionsbündnisses momentan äußerst "instabil". Vor allem das Verhältnis zwischen den beiden großen Parteien des Bündnisses, der SPO unter seinem Vorsitzenden Vuk Draskovic und der DS unter dem Vorsitzenden Zoran Djindjic ist im Zusammenhang mit persönlichen Fehden der beiden Vorsitzenden untereinander stark belastet. Solche Personalauseinandersetzungen, die sich lange Zeit um die Kandidatur um das serbische Präsidentenamt kristallisierten, stören nachhaltig das Bild der Koalition in der Öffentlichkeit und haben auch Auswirkungen auf die inhaltliche Arbeit des Bündnisses, obwohl die einzelnen Programme kaum Unterschiede aufweisen. Mit der nun erfolgten Kandidatur von Vuk Draskovic für das serbische Präsidentenamt hat sich wahrscheinlich der Kandidat mit den schlechteren Aussichten durchgesetzt.

Die Kandidatur einer größeren Anzahl relativ erfolgversprechender Persönlichkeiten zersplittert das Lager der Regimegegner. Neben Draskovic als Kandidat des Oppositionsbündnisses, werden auch Voijslav Sesjil von der Radikalen Partei, der frühere jugoslawische Ministerpräsident Milan Panic und der einflußreiche Geschäftsmann Bogoljub Karic, ein früherer (inzwischen in Ungnade gefallener) Günstling von Milosevic kandidieren. Jeder einzelne dieser Kandidaten dürfte in der Lage sein, einen bedeutenden Stimmenanteil zu erringen. Die Anhängerschaft Milosevics dürfte dagegen relativ geschlossen auftreten und wie in der Vergangenheit gut mobilisierbar sein.

Milosevic strebt nunmehr das Amt des jugoslawischen Präsidenten an. Die notwendige Mehrheit, um dieses vom Parlament gewählt Amt übernehmen zu können, erhielt seine Partei aufgrund der Ergebnisse der jugoslawischen Bundeswahlen im Herbst 1996. Allerdings müßte Milosevic dieses Präsidentenamt erst per Verfassungsänderung mit weitreichenden präsidentialen Vollmachten ausstatten und die Macht in diesem jugoslawischen Amt zentralisieren. Für eine Änderung der jugoslawischen Verfassung benötigt Milosevic eine Zweidrittelmehrheit, die er bei absoluter Fraktionsdisziplin seiner Partei und der montenegrinischen Schwesterpartei erhalten könnte, sollte es ihm gelingen, die Stimmen der Ultranationalisten, der Radikalen Partei von Vojislav Sesilj, zu erhalten.

Sein Verzicht auf die Kandidatur in Serbien könnte für die Regierungspartei ein ernsthaftes Problem bedeuten. Aufgrund seiner starken Machtposition in der Partei und aufgrund von mehreren Säuberungen innerhalb derselben in den letzten Jahren, ist dort keine politische Persönlichkeit mit genügend Profil und Erfahrung für eine erfolgreiche Kandidatur auszumachen.

Der drohende Ausbruch Montenegros

Im Zusammenhang mit der Option eines neu gestalteten jugoslawischen Präsidentenamtes ist auch der momentane Streit mit und innerhalb der Führungsriege der montenegrinischen Schwesterpartei DPS zu sehen. Der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic hatte sich während der Demonstrationen im Winter in die Reihen der Gegner von Milosevic eingereiht und steht seitdem in offener Opposition. Djukanovic verhandelte in Griechenland hinter dem Rücken von Milosevic über einen Kredit für Montenegro.

Der wichtigste Grund aber für die Vehemenz, mit der Milosevic den montenegrinischen Regierungschef zu demontieren versucht, besteht in der Gefahr einer Abspaltung Montenegros und damit der Auflösung des gemeinsamen Bundesstaates. Mit dieser Abspaltung hat Milo Djukanovic nicht zuletzt im Zusammenhang mit wirtschaftspolitischen Entscheidungen dem serbischen Präsidenten wiederholt gedroht. Eine solche Abspaltung hätte nicht nur zur Folge, daß für Milosevic das jugoslawische Präsidentenamt zur Fortsetzung seiner politischen Karriere nicht mehr zur Verfügung stünde. Milosevic könnte dann nicht mehr auf der Kontinuitätsthese beharren.

Die Bundesrepublik Jugoslawien, bestehend aus Serbien und Montenegro, betrachtet sich bislang als einziger Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien. Das Beharren auf diesem Standpunkt hat das Land bisher teuer mit der Aufrechterhaltung des äußeren Ringes der Sanktionen (kein Zugang zu internationalen Institutionen) bezahlt. Diese Haltung hat zwar hauptsächlich politische Gründe, eine Aufteilung der auf Devisenkonten im Ausland gehorteter und wahrscheinlich größtenteils bereits verbrauchter Vermögenswerte des alten jugoslawischen Staates unter die Nachfolgestaaten bietet jedoch für das finanziell stark angeschlagene Jugoslawien keine positive Perspektive. Ein Ausgang des Machtkampfes zwischen Belgrad und Podgorica ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Milo Djukanovic konnte seine Entfernung aus dem Regierungsamt bisher erfolgreich abwehren, was aber nichts für die Entwicklung der nächsten Zukunft bedeutet.

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Das Regime braucht soziale Erfolge

Die größte Gefahr für die Position Milosevics geht nicht direkt von innerparteilichen oder oppositionellen Gruppierungen aus. Sie liegt vielmehr im Unvermögen der jetzigen Regierung begründet, die wirtschaftliche und soziale Talfahrt Serbien-Montenegros zu stoppen oder umzukehren. Tatsächlich hingen der Erfolg und die Dauerhaftigkeit der Demonstrationen der Opposition wesentlich von sie begleitenden sozialen Unruhen ab. Selbst nach Beendigung der Demonstrationen fand die soziale Unzufriedenheit Ausdruck in einer Welle von Streiks, Blockaden, spontanen Demonstrationen und verschiedenen Formen des bürgerlichen Ungehorsams (organisierte Verweigerung von Steuer- und Gebührenzahlungen) durch verschiedene gesellschaftliche Gruppen (Lehrer, Kindergärtner, Textilarbeiter, Kriegsinvaliden, Rentner usw. ). Der größte dieser Streiks, die über einen Monat andauernde Arbeitsniederlegung durch Lehrer und Erzieher, die für die Auszahlung ihrer seit Monaten überfälligen, ohnehin sehr niedrigen Löhne und eine Verbesserung ihrer sozialen Situation kämpften, wurde allerdings durch geschicktes politisches Manövrieren ohne größere Zugeständnisse an die Streikenden beendet.

Dennoch wird aus den politischen Entwicklungen der letzten Monate - soziale Unruhen und der Aufstieg der Opposition - deutlich, daß die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zum wichtigsten Antriebsmotor auch für politische Veränderungen geworden ist. Aber gerade die hierfür nötigen substantiellen Reformen des ökonomischen und politischen Systems werden durch mächtige wirtschaftliche Interessen der Partei und ihrer Klientel bisher verhindert.

Der Staatshaushalt überlebt durch Zwangsanleihen bei den Bürgern

Bei einer Staatsquote von ca. 50%, die eine entsprechend hohe Besteuerung der relativ armen Bevölkerung erfordert, sank der Anteil der öffentlichen Einnahmen am Bruttoinlandsprodukt 1996 auf 44,5% gegenüber 47% 1995. Dies läßt auf zunehmende Schwierigkeiten bei der Steuererhebung schließen. Über 40% des Steueraufkommens wird durch Einkommenssteuern erzielt, gefolgt von Verkaufssteuern in ähnlicher Höhe, die Einnahmen des Zolls sind am stärksten zurückgegangen.

Der Staat deckt seine Finanzierungslücke, indem er ausstehende Zahlungen an Angestellte der staatlichen Verwaltung, des öffentlichen Dienstleistungsbereichs, Empfänger von Kindergeld, durch Schulden bei Lieferanten und Bauern, sowie bei Beziehern öffentlicher Transferleistungen (Rentnern), sowie anderen Lieferanten öffentlicher Leistungen (Gesundheitswesen) nicht ausführt. Lehrer und Ärzte müssen monatelang auf ihre Gehaltszahlungen warten.

Die nicht beglichenen kumulierten Schulden betrugen 1996 ca. 5% des Bruttoinlandsprodukts bzw. annähernd 10% der öffentlichen Ausgaben. Die Existenz solcher unregulierter Defizite stellt eine ständige akute Gefahr für die innere und äußere Währungsstabilität dar. Tatsächlich wurde im Dezember 1996 unter dem politischen Druck der Demonstrationen in Jugoslawien ein Teil der Schulden - vor allem ausstehende Rentenzahlungen - durch die Notenpresse beglichen. Der durch die Ausgabe von geschätzten 400 bis 500 Millionen Dinar verursachte monetäre Schock führte zu einer sprunghaften Abwertung des Dinar. Der Dinar, der nach einer Währungsreform ursprünglich mit 1,- DM bewertet war, sank vorübergehend von seinem Durchschnittswert 1996 von ca. 3 DIN/DM auf Werte von 4 DIN für 1DM.

Gleichzeitig muß der Staatshaushalt jedoch auch mit der Belastung aus hohen quasi-fiskalischen Defiziten fertig werden. Diese Defizite entstehen in erster Linie über den Bankensektor, d.h. durch die Nationalbank und die Geschäftsbanken, die verpflichtet sind, den großen, zumeist staatlichen Betrieben Kredite zu gewähren, deren Rückzahlung von vornherein ausgeschlossen ist. Die entsprechenden Verluste, die eigentlich in den Staatshaushalt eingestellt werden müßten, betrugen 1996 nach einem starken Anstieg gegenüber den Vorjahren über 15 Mrd. DIN und sind nahezu identisch mit den Verlusten der staatlichen und im Sozialeigentum befindlichen Betriebe.

Auf der Ausgabenseite des offiziellen Budgets besteht das größte Problem in einem überladenen Sozialsystem, das ausschließlich über das Budget finanziert wird und noch aus den Zeiten des sozialistischen Verteilungssystems stammt. Für eine Stabilisierung der jugoslawischen Wirtschaft ist aber eine Anpassung an die niedrigen fiskalischen Möglichkeiten der Wirtschaft unbedingt erforderlich. Neben einer allgemeinen Reduzierung der Ausgaben steht auch deren Umstrukturierung seit langer Zeit an, also eine Revision der Transferleistungen, die Rationalisierung der Staatsfunktionen, Subventionsabbau, usw.. Eine Aufgabe, die zwar für die weitere Funktionstüchtigkeit der Wirtschaft so schnell wie möglich angegangen werden müßte, die aber in jedem Fall größte politische Verteilungskämpfe und damit Widerstände mobilisiert.

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Serbische "Reaganomics": Haushaltsdefizite und restriktive Geldpolitik

Vorläufig hat sich die Regierung zu einer grundsätzlichen Reform der Fiskalpolitik nicht entschließen können und beschränkt sich auf vereinzelte Eingriffe angesichts von krisenhaften Ungleichgewichten. Die staatlichen Weihnachtsgeschenke im Dezember 1996 lösten im Januar 1997 eine offene Budgetkrise aus. Die Einnahmen des Staatshaushalts sanken um über 30%. Im Dezember '96 waren die Einnahmen vor allem aus der Besteuerung der Einkommen aufgrund von Lohnerhöhungen leicht gestiegen. Im Januar sanken damit die Steuereinnahmen aus Lohnsteuer und aus der Steuer auf Sozialsysteme nach Wiederherstellung der monetären Disziplin und dem folgenden Absinken der Löhne. Gleichzeitig sanken allerdings auch die Einnahmen aus indirekten Steuern (Verbrauchssteuern) von 300 Millionen DIN auf 70 Millionen DIN.

Die Geldpolitik reagierte auf die chaotische Haushaltspolitik mit einer Verschärfung ihres ohnehin restriktiven Kurses. Die Nationalbank reduzierte im Januar und Februar 1997 die Geldmenge um 5% und errichte so eine Stabilisierung des Schwarzmarktkurses des Dinars und eine Absenkung der monatlichen Inflationsrate auf 0,6% im Februar. Angesichts der fehlenden Reform des Finanzsektors konnte diese monetäre Vollbremsung nicht durch Erhöhung der Mindestreserven, den Verkauf von Schuldverschreibungen oder eine direkte Verringerung des Kreditvolumens erreicht werden. Die Zentralbank wählte daher wahrscheinlich den Weg des direkten Bargeldeinzugs zusammen mit dem Verkauf von Devisenreserven (eigene Reserven und Einzug von ca. 100 Millionen $ von Geschäftsbanken mit Devisenhandelslizenz)und des dann folgenden Einzugs der erlösten Dinare.

Die direkte Folge für die Wirtschaft war zum einen eine deutliche Rezession - die industrielle Produktion sank z.B. im Januar im Vergleich zum Vormonat um 18% - Löhne und öffentliche Einnahmen sanken ebenfalls erheblich. Zum anderen kam es zu einer sich dramatisch zuspitzenden Liquiditätskrise in der Wirtschaft, die sich wiederum negativ auf den Haushalt auswirkte.

Großunternehmen (z.B. im Mineralölbereich) entrichten mit dem Hinweis auf die geldpolitisch verschärfte Illiquidität und gegenseitige Verschuldung der Unternehmen die Steuern nicht mehr. Der Staat besteht nicht auf der Eintreibung dieser Steuerschuld und hofft auf wieder steigende Löhne. Die Einnahmen aus den Warenverbrauchssteuern sinken ebenfalls, was bei gleichbleibenden Einnahmen aus den Verkaufssteuern nur durch mangelnde Steuerdisziplin zu erklären ist. Daneben wird die gängige Praxis verzögerter Auszahlungen von Transferleistungen aus dem Budget beibehalten, unbesehen der akuten Gefahr der erneuten monetären Destabilisierung durch die so entstehenden Defizite.

Der Unternehmenssektor im versteckten Dauerbankrott ...

Die Unternehmen sind in riesigem Umfang verschuldet. Der Hauptanteil entfällt dabei auf sog. öffentliche Unternehmen, d.h. Versorgungsbetriebe wie die staatliche Elektro- und Wasserwirtschaft, die Erdölindustrie, Eisenbahn, Post usw. Die Verluste der Staatsbetriebe stiegen allein in der 2. Hälfte 1996 um 4 Mrd. DIN auf insgesamt weit über 45 Mrd. DIN. Die Betriebe sind auf gegenseitige Kreditierung angewiesen, um ihre Tätigkeiten aufrechtzuerhalten. Die ausstehenden Forderungen der Unternehmen untereinander erreichten im März ca. 10 Mrd. DIN - ein Betrag der beinahe doppelt so hoch wie die Geldmenge (M1) ist - bzw. den Bargeldumlauf um ein Vielfaches übersteigt. Selbst eigentlich solvente und überlebensfähige Unternehmen werden in die immer länger werdenden Illiquiditätsketten hineingezogen. Löhne und Steuern werden nicht bezahlt, Lieferanten werden an das nächste Glied in der Verschuldungskette verwiesen, Banken können ihre Zinsen nicht einziehen usw. .

Die Folgen dieser Entwicklung sind neben einem allgemeinen Produktionsrückgang verschiedene effizienzmindernde Ausweichstrategien. Bartergeschäfte nehmen zu und für Liquidität werden selbst Preise unter dem Kostenniveau gemacht. Dies hat zwar einen allgemein preisdämpfenden Effekt für die Wirtschaft, trägt aber nicht gerade zu einer gesunden Unternehmensentwicklung bei. Diese Entwicklung droht die Unternehmensaktivitäten und sämtliche Zahlungsoperationen zum Stillstand zu bringen.

Das entscheidende Glied in dieser Illiquiditätskette sind die Banken. Die Geschäftsbanken und die Zentralbank vergeben die meisten der uneinbringlichen Kredite an die großen Verlustbetriebe der Wirtschaft. Die Geschäftsbanken übernehmen somit quasi-fiskalische Defizite des Staates. Außerdem sind sie mit Verbindlichkeiten aus alten Spareinlagen, Auslandsschulden und inländischen Forderungen der Banken an den Staat belastet. Neben einer kumulierten Auslandsverschuldung von ca. 9 Mrd. $ ist der jugoslawische Staat auch bei seinen eigenen Bürgern mit ca. 4,5 Mrd. $ aus verbrauchten Spareinlagen auf Devisenkonten verschuldet.

Eine Umstrukturierung und Rehabilitation der Banken ist in Jugoslawien bisher unterblieben. Eine solche Umstrukturierung würde bedeuten, daß Verbindlichkeiten aus alten Spareinlagen, Verbindlichkeiten dem Ausland gegenüber und inländische Forderungen zum größten Teil von den Banken auf den Staat übertragen werden müßten. Anstelle einer Umstrukturierung wurden im Gegenteil bisher 16 Geschäftsbanken die Lizenzen wegen andauernder Illiquidität entzogen.

Die Geschäftsbanken insgesamt sind inzwischen in einer äußerst kritischen Lage. Sie müssen praktisch ohne Depositenbasis operieren, die Sparquote tendiert wegen des anhaltenden Vertrauensverlustes und wegen der relativ niedrigen Verzinsung von Einlagen gegen Null und ihre Kreditaktivitäten basieren bei einer extrem restriktiven Geldpolitik auf Bankschuldverschreibungen und den quasi-fiskalischen Aktivitäten der Zentralbank.

Die prekäre Liquiditätslage der Banken läßt sich an dem "Beinahekollaps" des Bankensystems im März 1997 ablesen, als die Girokonten mit insgesamt 19,5 Millionen DIN in den roten Zahlen und die aggregierten Bilanzen der Banken bei 118,5 Millionen DIN, bzw. ca. 22 Millionen DM im Minus standen. Diese Liquiditätskrise der Banken wurde im März offensichtlich durch den Druck von frischem Geld beigelegt. Da dieses Geld nur auf indirektem Weg in den Wirtschaftskreislauf gelangt, ist der entsprechende Inflationsschub erst im Sommer dieses Jahres zu erwarten.

... wandelt sich zur landesweiten Beschäftigungsgesellschaft

Der nicht erklärte Bankrott und die strukturelle Rigidität des Systems der staatlichen und öffentlichen Betriebe lindern allerdings die Beschäftigungssituation. Trotz des dramatischen Rückgangs der Produktion seit 1989 gab es aus politischen Gründen keine größeren Entlassungswellen. Bereits vor dem Verfall der Produktion und des Sozialprodukts wurde die versteckte Arbeitslosigkeit auf ca. 20% geschätzt. Demnach sind zwischen 800.000 und 1 Million. Arbeiter zu viel beschäftigt, d.h. ihre Entlassung würde zu keinerlei Einbußen beim Sozialprodukt führen.

Ca. 50% dieser überschüssigen Beschäftigung wird dabei als direkte Sanktionsfolge eingeschätzt, die andere Hälfte gilt als durch die gegebene ökonomische Struktur verursacht. Die versteckte Arbeitslosigkeit trifft dabei auf eine extrem hohe Anzahl von offiziell registrierten Arbeitslosen. Weit über 800.000 Menschen waren zu Beginn des Jahres als arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenrate von über 25%. Zusammen mit den versteckten Arbeitslosen würde dies eine Arbeitslosenrate von über 50% ergeben.

Die überschüssig beschäftigten Arbeitskräfte - dies sind ca. 40 bis 50% der insgesamt in der Industrie Beschäftigten - erhalten aber dennoch, wenn auch zum Teil reduzierten Lohn. Ein Teil dieser Summe wurde - zumindest während der Sanktionen - dadurch abgedeckt, daß der Verfall des Reallohnes wesentlich größer ausfiel, als das Absinken des Sozialprodukts. Der andere Teil wurde und wird durch ungesicherte Kredite, also indirekt über den Staatshaushalt abgedeckt. Ein solcher "Beschäftigungszwang" zementiert die existierenden Strukturen.

Auf der anderen Seite ist die soziale Lage breiter Bevölkerungskreise durch die ökonomische Entwicklung ebenfalls an bzw. unter die Armutsgrenze gerückt. Im Vergleich zu vor 6 Jahren leben ca. doppelt so viele Personen unter der Armutsgrenze. Die Reallöhne, die seit 1990 stark sanken, sind erst ab 1994 leicht gestiegen und erreichten 1995 wieder 46% des Niveaus von 1989. Der monatliche Durchschnittslohn betrug im Dezember 880 DIN bzw. ca. 225,- DM. Allerdings erhalten ca. 70% der Arbeiter Löhne, die unter dem nationalen Durchschnitt liegen. Viele Unternehmen zahlen ihre Löhne erst mit monatelanger Verspätung aus.

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Staatliche Kontrolle statt Privatisierung

Die seit 1990 unternommenen Privatisierungschritte scheuten sich, die Bedeutung des öffentlichen Sektors zurückzudrängen. Die Privatisierung erfolgte auf dem Weg einer Unternehmensgesetzgebung, die die Gründung von neuen privaten Unternehmen zuließ, und durch Privatisierung existierender Unternehmen in gesellschaftlichem Eigentum. Allerdings wurde die rasch einsetzende Expansion des privaten Sektors durch Schockereignisse - Krieg und Wirtschaftssanktionen und in deren Gefolge die Hyperinflation - jäh beendet. Ein Teil der Privatisierung wurde später sogar wieder rückgängig gemacht, mit dem Argument, daß durch die Hyperinflation kein angemessener Betrag für den Kauf der Betriebe entrichtet wurde. Daraus wurde die Notwendigkeit einer Neubewertung der schon privatisierten Betriebe abgeleitet. Die meisten der davon betroffenen Betriebe haben gegen diese Rücknahme der Privatisierung geklagt. Eine endgültige Entscheidung steht zwar noch aus, alles deutet derzeit aber darauf hin, daß es bei der Rücknahme der Privatisierung bleibt.

Statt einer konsequenten Privatisierung fand eine direkte Verstaatlichung und Zentralisierung statt, die Unternehmen quasi in "Regierungseigentum" überführte. Unter diese Kategorie fallen auch rein rechtliche Änderungen des Eigentümerstatus großer Betriebe, die sogenanntes "institutionelles Eigentum" wurden. Auf der Grundlage direkter staatlicher oder quasistaatlicher finanzieller Operationen wurde das gesellschaftliche Eigentum auf verschiedene staatliche und quasistaatliche Institutionen und Organisationen übertragen. Durch solche Transaktionen ändern sich allerdings die betrieblichen Anreizstrukturen und Existenzbedingungen keineswegs, was zu gleichbleibenden Verhaltensweisen der Betriebe führt. Die vom privaten Eigentum erwarteten Effizienzsteigerungen bleiben naturgemäß aus.

Das gleiche gilt für Privatisierungsmodelle, die die Betriebe in Aktiengesellschaften umwandeln, deren Anteil intern verkauft oder verteilt werden. Die Subventionierung aus dem Staatshaushalt, das Produktionsprogramm, das Management usw. bleiben dabei unverändert erhalten. Die Veränderungen betreffen allenfalls den rechtlichen Status der Betriebe, ihre ökonomische Funktionsweise ändert sich nicht.

Über 40% des Kapitals wurde in den letzten Jahren direkt verstaatlicht (komplette Infrastruktur, Dienstleistungen, öffentliche Versorgungsbetriebe, Rohstoffindustrie usw.) während über 40% in verschiedenen Formen von gesellschaftlichem Eigentum verblieben ist. Der größte Teil dieser staatlichen Unternehmen sind riesige Verlustbringer mit weit fortgeschrittener Dekapitalisierung und geringem Restrukturierungspotential. Aber die Regierung kann so ihren direkten Einfluß auf die Wirtschaft behalten.

Viele der großen Staatsunternehmen produzieren große Verluste und benötigen ständige staatliche Alimentierung und sonstige staatliche Hilfestellungen, um nicht sofort zugrunde zu gehen. Diese Betriebe beschäftigen aber eine große Anzahl von Menschen. Privatisierung und Umstrukturierung wären mit größeren Entlassungswellen und ökonomischen Schocks verbunden - mit entsprechenden Wirkungen auf die politische Existenz der Regierung. Außerdem kam und kommt den Großbetrieben eine wichtige Rolle bei der sozialen Sicherung und in vielen sozialpolitischen Bereichen zu, womit bei einer Transformation dieser Betriebe auch wichtige Teile des sozialen Netzwerks entfallen. Auch in dieser Hinsicht dient also die Beibehaltung des Status Quo der Aufrechterhaltung des sozialen und damit politischen Friedens.

Die Regierung mischt sich immer mehr in das Funktionieren der Wirtschaft, anstelle sich durch aktive Transformationsbemühungen aus dieser zurückzuziehen. Damit perpetuiert sie also aus rein politischen Gründen ihre gesellschaftliche Kontrolle, obwohl dies ökonomisch kontraproduktiv und krisenverschärfend wirkt.

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Der geknebelte Privatsektor als Selbstbedienungsladen des Regimes

Trotzdem konnte sich seit 1991 ein relativ bedeutender privater Sektor vor allem durch Gründung von Kleinst- und Kleinunternehmen entwickeln. Von den über 200.000 registrierten Privatunternehmen in Jugoslawien sind allerdings nur weniger als 60.000 auch tatsächlich operativ tätig. Je nach zugrunde gelegter Bewertung befinden sich nur 10 bis 20% des Kapitals in Privateigentum, der Rest ist gesellschaftliches oder Staatseigentum bzw. kleinere Anteile sind verschiedene Mischformen. 90% der Beschäftigten im staatlichen und öffentlichen Sektor stehen nur 10% Beschäftigte im privaten Sektor gegenüber. Der Großteil der privaten Firmen sind kleine Unternehmen mit wenigen Angestellten und einer relativ dünnen Kapitalausstattung. Dennoch erwirtschaften diese 10% Beschäftigte im privaten Sektor nach neuesten Schätzungen 42% des Sozialprodukts.

In Serbien existiert also ein relativ großer privater Sektor, der zwar nicht die schwerwiegenden strukturellen Probleme des Landes vor allem im industriellen Bereich in kurzer oder mittlerer Frist lösen kann, der aber eine hoffnungsvolle Grundlage bietet, sollten ernsthafte Wirtschaftsreformen mit dem Ziel auf eine Systemtransformation beabsichtigt werden. Sie würden den wirklichen Unternehmern, die nicht am politischen Tropf des Regimes hängen, sondern nur gegen seine Bereicherungsversuche überleben, eine echte Chance bieten.

Diese Bereicherungsversuche untergraben die Existenz- und Entwicklungsbedingungen des privaten Sektors in Serbien. Während der öffentliche Sektor durch zahlreiche Maßnahmen geschützt und gefördert wird, trägt der Privatsektor die Hauptfinanzierungslast der defizitären Wirtschaft. Die privaten Unternehmen sind exzessiv besteuert, mit häufigen Änderungen der Besteuerung - auch rückwirkend - konfrontiert, zahlen hohe öffentliche Gebühren, haben kaum Zugang zu Fremdkapital und im Normalfall auch nicht zu Lizenzen und Konzessionen. Sie existieren in einem Kontext von starker, zunächst von der Administration ausgehender Unsicherheit und mangelnder Rechtssicherheit.

Andererseits dient der Privatsektor auch als Umverteilungs- bzw. Umwandlungsinstrument von öffentlichem/staatlichem Kapital in privates:

  • Zum einen gibt es eine Reihe sog. "Funktionärs-, Ministerial- oder auch Phantomunternehmen". Dies sind Unternehmen, die kaum Beschäftigte, niedrigste Kosten und enorme Gewinne und Umsätze aufweisen. Über ihre Konten werden die Umsätze für große Rohstoff- und andere Vorproduktskontrakte für staatliche Firmen im Inland oder aus Importverträgen getätigt. Bei den großen gehandelten Umsätzen bleiben dann Kommissionszahlungen als prozentualer Anteil vom Umsatz, also hohe Gewinne, beinahe ohne Abzug von Kosten übrig. Der Zugang zu dieser Art von Geschäften ist natürlich mit äußerst nahen Beziehungen zum Regime verbunden, bzw. wird von seinen obersten Protagonisten selbst getätigt.
  • Daneben existieren eine Reihe "Bereicherungsunternehmen", die von Managern staatlicher Firmen gegründet wurden, und die aus diesen in größerem Umfang Kapital in Form von Maschinen u.ä. zu weit unterbewerteten Preisen, aber auch Betriebskapital abziehen, Konzessionen, Kundenkontakte und Kontrakte, Lizenzen etc. mitnehmen. Voraussetzung für diese Art der Begünstigung ist allerdings ebenfalls die große Nähe zu Bürokratie und Regime, die sich innerhalb dieser Gruppe vor allem in der JUL organisiert haben.

Diese Art der Privatisierung in einer Umgebung, die in der Hauptsache nicht durch Märkte gesteuert wird, verschärft nicht nur die Vermögensverteilung, sondern schadet auch der tatsächlichen Effizienz und Produktivität dieser Unternehmen. In weiten Bereichen ersetzen "Klientel"-beziehungen zur Regierung den Wettbewerb am Markt.

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Die nicht reformierte Wirtschaft als gesellschaftliche Basis der Reformgegner

In Serbien ist nun der Widerstand gegen eine wirkliche Transformation besonders groß, da wichtige Gruppen an der Verzögerung der Umstrukturierung interessiert sind. Anders ist auch eine so lange Verweigerungshaltung in der allgemein schlechten wirtschaftlichen und sozialen Situation politisch kaum erklärbar.

Die herrschende politische Schicht befürchtet, daß eine umfassende Privatisierung nicht nur eine empfindliche Einschänkung ihrer ökonomischen Verfügungsgewalt und Umverteilungskompetenz bedeutet, sondern daß von einer privat strukturierten, pluralistisch organisierten Wirtschaft auch starke Impulse zur Auflösung der politischen Monopolstrukturen ausgehen.

Auch weite Teile des Managements und der mittleren Funktionärsschicht sind an einer möglichst lang anhaltenden Verzögerung von Privatisierungs- und anderen Reformprozessen interessiert.

  • Zum einen müssen viele, die ihre Position nur aufgrund von Korruption, politischen Beziehungen und Loyalitäten, Nepotismus usw. - kurz wegen ihrer passenden Position im informellen Netzwerk - und nicht aufgrund ihrer professionellen Qualitäten innehaben um ihre Existenz fürchten.
  • Zum anderen haben diese Manager oftmals Techniken entwickelt um sich aus den staatlichen Firmen, ungeachtet deren tatsächlicher Ertragslage zu bereichern. Sie haben ausgefeilte Techniken entwickelt, um die Verluste ihrer Unternehmen an die Allgemeinheit weiterzugeben, während sie Teile des Kapitals (Fonds)oder auch Gewinne privatisieren.
  • Eine besondere Variante dabei ist die Praxis, Betriebe oder einzelne Betriebsteile absichtlich herunterzuwirtschaften und so deren Wert zu minimieren. Bei einer später folgenden Privatisierung können diese Betriebe dann durch das Management zu günstigsten Preisen legal erworben werden.
  • Dabei ist sich die Schicht der Wirtschaftsfunktionäre durchaus bewußt, daß solche Verschiebungen öffentlichen Vermögens in den Privatbereich für sie allenfalls eine gute Startposition im privaten Sektor bedeutet. Die "Haltbarkeit" von Privilegien ist in einer Kommandowirtschaft und in einer politischen Monopolsituation kurzfristig größer und zumindest nicht den Risiken von Marktprozessen ausgesetzt.

Nicht zuletzt bleibt breiten Schichten der Arbeiter und Angestellten in dieser Kriegs- und Bereicherungsökonomie kaum eine Alternative zum Festhalten am Status quo. Von grundlegenden Reformen und weitgehender Privatisierung bzw. der Herstellung tatsächlicher privater Eigentumsrechte müssen sie in erster Linie nur fürchten, ihren Arbeitsplatz im Rahmen der dann fälligen Umstrukturierungen zu verlieren. Die Belegschaft hat als Mehrheitsaktionär oftmals die Gelegenheit, den ökonomisch relevanten Privatisierungs- und Umstrukturierungsprozeß zu verhindern. Die für ein marktwirtschaftliches Funktionieren entscheidende Trennung zwischen den Eigentümerfunktionen und den Managementfunktionen erfolgt nicht. Daher ist auch eine breite Unterstützung der Oppositionsbewegung durch die Arbeiterschaft ausgeblieben. Die Arbeiter streiken und demonstrieren zwar für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und die Auszahlung von Löhnen, nicht aber für eine politische Opposition, die durch ihre Reformabsichten ihre momentane Situation gefährdet.

Daneben spielt in Serbien traditionell die Schattenwirtschaft, bzw. "graue Ökonomie" eine bedeutende Rolle bei der Milderung sozialer Härten, die in der offiziellen Wirtschaft entstehen. Der Anteil der Schattenwirtschaft wird manchmal sogar auf bis zu 40% des Sozialprodukts geschätzt, je nach dem welche Tätigkeitsbereiche zu diesem Sektor gezählt werden und wie die Größen im einzelnen bestimmt werden. Nicht zuletzt, da die Ausweichmöglichkeit in die Schattenwirtschaft den politisch-sozialen Druck auf die Regierung mildert, sind die Eindämmungsversuche dieses florierenden Gesellschaftsbereichs durch die Regierung relativ gering. Die Untergrundwirtschaft ist umgekehrt auch wenig an einer klar regulierten Marktwirtschaft interessiert, die ihre Existenzbedingungen gefährdet.

Die Wirtschaft überlebt dank geheimnisvoll finanzierter Importe

1996 war die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nach der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zunächst durch einen leichten Aufwärtstrend und stabilisierende Faktoren gekennzeichnet. So stieg die Industrieproduktion 1996 um durchschnittlich 7%, das Sozialprodukt um 5,8%, der Wechselkurs des Dinar (100 Dinar = ca. 30,-DM) war (auch auf dem Schwarzmarkt) relativ stabil, die Inflationsrate war mit ca. 60% die niedrigste seit zehn Jahren und nur halb so groß wie 1995. Allerdings erreichte damit das Sozialprodukt gerade mal 55% seines Niveaus von 1989, die Industrieproduktion sogar nur 40%. Ökonomische Institute halten aber diese offiziellen Statistiken für eine Schönfärberei, die das Bruttoinlandsprodukt um ca. 50% überschätzen.

Seit Dezember 1996 war die Entwicklung bei vielen wirtschaftlichen Indikatoren eher besorgniserregend. Das Wachstum hat zu einem hohen und zunehmenden Handelsbilanzdefizit geführt, das ein Volumen von 50% der gesamten Industrieproduktion erreicht hat. Die Importe entsprachen im letzten Quartal 1996 in etwa den durchschnittlichen Monatswerten der Vorkriegszeit (1984 -1989), während der Export nur 57% der Vorkriegsperiode erreichte. Bei einem Handelsbilanzdefizit von 2,260 Mrd. $ wurde lediglich eine Importdeckung von 44,9% erzielt - gegenüber einem Wert von 83% 1989.

Die Exportschwäche resultiert nicht nur aus der Desintegration traditioneller Märkte, sondern aus hausgemachten Problemen wie

  • der niedrigen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, ihrem technologischen Rückstand, der nachlassenden Produktqualität und der fortschreitenden Dekapitalisierung sowie
  • der realen Aufwertung des Dinars um 27% im Jahresverlauf 1996.

Die Deckung des hohen Außenhandelsdefizits ist eines der Geheimnisse des serbischen Modells:

  • Überschüsse aus dem Dienstleistungsbereich, durch den Devisenkauf durch Inländer und kurzfristige Lieferantenkredite helfen, hinterlassen aber immer noch ein Leistungsbilanzdefizit von ca. 1,4 Mrd. $, dessen Deckung in keiner offiziellen Statistik erscheint.
  • Der Zugang zu den internationalen Finanzmärkten ist Jugoslawien nach wie vor versperrt. Die Wiederaufnahme in die internationalen Finanzorganisationen ist an relativ klare Bedingungen geknüpft, die das Regime bisher nicht akzeptieren will, obwohl dies die dringend notwendigen Umschuldungsverhandlungen blockiert.
  • Ausländische Direktinvestitionen haben nachweislich nicht stattgefunden.
  • Die offiziellen Devisenreserven sind mit geschätzten 200 bis 300 Millionen $ zu niedrig.
  • Devisenkonten jugoslawischer Unternehmen im Ausland, die diese noch vor den Sanktionen zur Vermeidung der Devisenablieferungspflicht und des Zwangsumtauschs zu offiziellen Kursen an die Nationalbank angelegt hatten, und während der Hyperinflation weiter anfüllten, decken nur einen geringeren Teil des Defizits, da während der letzten vier Jahre jährlich ein Defizit von 1,5 bis 2 Mrd. $ anfiel.

Es bleibt also für die Deckung des größten Teils des Leistungsbilanzdefizits nur eine Erklärung aus sog. "inoffiziellen" (staatlichen?) Devisenreserven im Ausland, die auch für die Deckung der erneuten hohen Defizite in den ersten 3 Monaten 1997 herangezogen wurden. Aber wenn diese zwangsläufig beschränkten Mittel aufgebraucht sind, droht dem importabhängigen System der Kollaps.

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Die albanische Karte als neuer politischer Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise ?

Das Modell politisch manipulierter Ökonomie stößt auf außenwirtschaftliche Grenzen, die ihrerseits politisch bedingt sind. Denn der Zugang zu internationalen Krediten hängt in der gegenwärtigen Phase von der politisch motivierten Haltung der Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank, EBRD) und großen Geber/Gläubiger ab. Der Ausschluß Jugoslawiens von diesen internationalen Institutionen und die nicht geregelte Auslandsschuld verwehren ihm neue Kapitalzuflüsse. Außerdem ist Jugoslawien nicht in die Handelsorganisationen und das System der internationalen Handelsbegünstigungen integriert. Vorläufig versucht die Regierung, durch den Verkauf von großen Staatsbetrieben an das Ausland an frisches Kapital zu gelangen. Neben Verhandlungen zu einer Auslandsbeteiligung am größten Autohersteller Zastava stehen große Betriebe des öffentlichen Versorgungsbereichs, nämlich die staatliche Telefongesellschaft und der staatliche Stromerzeuger auf der Verkaufsliste.

Zur Aufnahme in die internationalen Institutionen müßte Milosevic auf alle Bedingungen der internationalen Gemeinschaft eingehen. Selbst dann käme es realistischerweise wahrscheinlich nicht vor Ende des Jahres zu einer tatsächlichen Kreditgewährung. Und trotz dieser politischen Konzessionen könnte sich das Regime immer noch weigern, die mit einer größeren Kreditgewährung durch die Weltbank oder den internationalen Währungsfonds normalerweise verbundenen Auflagen für die interne Wirtschaftspolitik (Privatisierungs- und Stabilisierungsanstrengungen) zu erfüllen.

Eine Einforderung der eigentlich fälligen Auslandsschuld oder auch nur eines Teils, bzw. der fälligen Zinszahlungen, hätte unter den momentanen wirtschaftlichen Gegebenheiten ohnehin einen sofortigen Zusammenbruch zur Folge, bzw. man würde einer solchen Forderung schlichtweg nicht nachkommen. Eine Regelung dieses Problems wird aber immer dringender.

Allerdings hat sich in den letzten Monaten für Milosevic eine völlig neue politische Option aus der internationalen Entwicklung ergeben, die dieser offensichtlich auch zu nutzen gedenkt: Die totale Destabilisierung Albaniens hat der internationalen Staatengemeinschaft drastisch die Gefahren und das mögliche Ausmaß von Krisen in der gesamten Balkanregion vor Augen geführt.

Eines der wichtigsten politischen Probleme in Serbien ist für die internationale Politik seit längerem ohnehin die Lösung des Kosovoproblems, wo die albanische Bevölkerungsmehrheit um Unabhängigkeitsrechte von Serbien kämpft, und wo die stets latente Gefahr größerer bewaffneter Auseinandersetzungen droht. Im Hinblick auf die anarchische Entwicklung in Albanien könnte nun Milosevic - ähnlich wie bei der Einbindung der bosnischen Serben in den Daytoner Friedensprozeß - klarmachen, daß er denjenigen Machtfaktor repräsentiert, der das Problem lösen oder eskalieren lassen kann.

Das demonstrative Fernbleiben der Regierung von den diversen Gesprächen über eine Verständigung über den Kosovo in den letzten Wochen (z.B. in New York) kann in dieser Richtung interpretiert werden. Als Preis für eine Lösung des Kosovoproblems könnte Milosevic dann eine sofortige Kreditgewährung und günstige Schuldenregelung aushandeln. Eine Strategie, die sicherlich zu einem weiteren Wahlsieg für Milosevic und seine Partei verhelfen könnte.

Diese Ausgabe der Politikinformation Osteuropa beruht auf einem Papier von Cornelia Lück-Jarczyk

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