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Sloweniens "Frühlingsparteien" gewinnen die Herbstwahlen / Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Industrieländer. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1996. - 3 Bl. : graph. Darst. = 9 Kb, Text . - (Politikinformation Osteuropa ; 69)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1997

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT


Die liberale Partei (LDS) des Premierministers Janez Drnvosek blieb zwar in den Parlamentswahlen am 10. November stärkste Partei mit 27% der Stimmen und 25 der 90 Sitze. Aber die deutlichen Verluste ihres christdemokratischen Koalitionspartner SKD erlauben keine Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition.
Deutliche Gewinner der Wahlen sind zwei der drei antikommunistischen und antijugoslawischen "Frühlingsparteien" (Sozialdemokraten, Christdemokraten und Volkspartei, die alle im Frühjahr 1989 gegründet worden sind): die Sozialdemokraten (SDS) und die Slowenischen Volkspartei (SLS). Die Sozialdemokraten vervierfachten die Anzahl ihrer Parlamentssitze von vier auf sechzehn. Damit hat sich für die Partei ihr Rechtskurs gelohnt, der sie 1994 dazu brachte, aus der Regierungskoalition auszuscheiden, der sie ursprünglich ab 1992 ebenfalls angehört hatte. Die Volkspartei gewann sieben Sitze dazu (jetzt insgesamt 19). Damit verfügen diese beiden zusammen mit der abgeschlagenen dritten "Frühlingspartei", den Christdemokraten, über die Hälfte der Mandate.

Sitzverteilung im slowenischen Parlament nach den Wahlen

Zu den Verlierern der Wahlen zählen auch die sozialdemokratischen Reformkommunisten der "Partei der Demokratischen Erneuerung - Vereinigten Liste der Sozialdemokraten" (ZLSD), die nur noch zehn statt vierzehn Mandate erzielte. Wahrscheinlich hat die neue Rentnerpartei, die fünf Sitze gewann, diese Wähler teilweise mitgenommen. Schwere Verluste mußte auch die Slowenische Nationalpartei hinnehmen, deren Stimmen und Mandate auf ein Drittel der letzten Wahlen fielen, von zwölf auf drei Sitze. Ganz ausgeschieden sind die Liberalen und die Grünen.

Der langsame Zerfall der großen Koalition

Nach den Wahlen von 1992 hatten vier Parteien die Regierungskoalition in Slowenien gebildet, von denen aber zwei im Laufe der Legislaturperiode die Koalition verließen:

  • Die Liberaldemokraten gingen aus dem Jugendverband der alten Kommunisten hervor und wurden 1992 und 1996 jeweils stärkste Partei. Sie stellten den Premierminister Drnovsek.
  • Die Reformkommunisten (ZLSD) unter dem Vorsitz von Janez Kocijanac hatten die Koalition im Januar 1996 verlassen. Sie mußten diese Entscheidung bzw. ihren späten Zeitpunkt mit deutlichen Verlusten (von 14 auf neun Sitze) bezahlen.
  • Die Sozialdemokraten (SDS) des ehemaligen Verteidigungsministers Janez Jansa waren schon 1994 aus der Koalition ausgeschieden. Sie vervierfachten sogar ihren Anteil und sind damit drittstärkste Partei.
  • Die Christdemokraten von Lojze Peterle waren in der Regierung geblieben, hatten sich aber in der letzten Phase vor den Wahlen von der Regierung distanziert und mit einem Wechsel des Koalitionspartners geliebäugelt.
Ihre Hoffnungen auf einen dafür ausreichenden Sieg der drei "Frühlingsparteien" erfüllten sich aber nur halb. Zwar gewannen Volkspartei und Sozialdemokraten, aber die Christdemokraten selbst verloren - wohl wegen ihrer langen Verbindung mit der alten Regierung - ein Drittel ihrer Mandate.
Seit Januar 1996 konnte sich die Regierung nur noch auf eine Minderheit stützen. Ohne Christdemokraten kämen sie selbst bei einem unwahrscheinlichen Bündnis mit allen anderen Kräften außer den "Frühlingsparteien" nur auf 45 der 90 Abgeordneten. Eine Koalition der Reformkommunisten könnte sich auf die liberale Regierungspartei mit 25 Sitzen, die Vereinigte Liste mit neun Sitzen und die neu ins Parlament eingezogene Rentnerpartei DeSUS von Joze Globocnik, die 1992 noch Teil der Vereinigten Liste war, mit fünf Sitzen stützen. Ob die nationalistische Slowenische Nationalpartei SNS unter Zmogo Jelincic und die beiden Minderheitenvertreter eine solche Koalition der Wahlverlierer unterstützen, ist zweifelhaft. Trotzdem hat Präsident Milan Kucan zunächst den alten Premier Drnovsek wieder mit der Regierungsbildung beauftragt, der nun versucht, eine breitere Koalition zustande zu bringen, indem er eine der drei Frühlingsparteien zu sich hinüberzieht.

Frühling triumphiert im Herbst

Die Volkspartei (SLS) von Marjan Podobnik, eine der Frühlingsparteien, teilt sich mit den Christdemokraten die rechte Mitte und konnte ihre Stimmen und Sitze gegenüber 1992 von zehn und 8,7% auf 19 Mandate und 19,4% der Stimmen fast verdoppeln. Damit bildet sie die zweitstärkste Fraktion im Parlament. Sie hat vor allem in der christlichen Mitte den Christdemokraten Wähler abgenommen. Im Raum Maribor, der zweitgrößten Stadt Sloweniens hat sie sich mit einer Regionalpartei verbündet. Sie kam dort sogar auf fast 30% der Stimmen und wurde stärkste Partei. Beobachter schließen nicht aus, daß es zu einer Vereinigung mit den abgeschlagenen Christdemokraten kommt.
Die Sozialdemokraten (SDS) von Janez Jansa , ebenfalls eine Frühlingspartei, waren der zweite große Gewinner der Wahlen. Sie hatten nach dem Ausscheiden aus der Regierungskoalition eine klarere Abgrenzung vom alten jugoslawischen System gefordert und ihr antikommunistisches und national-slowenisches Profil akzentuiert. Gleichzeitig kritisierten sie soziale Konsequenzen der Transformation wie Arbeitslosigkeit und soziale Differenzierung. Der politische Konflikt zwischen den Sozialdemokraten einerseits und den reformkommunistischen Parteien der Liberalen und der Vereinigten Liste andererseits hat sich dabei weiter zugespitzt. Während die Sozialdemokraten der Regierung Versagen und Korruption vorwerfen, bezeichnen die Reformkommunisten die SDS als Demagogen und Faschisten.
Aber eine Regierungsbildung der Frühlingsparteien wäre selbst bei einer klaren Koalitionszusage seitens der Christdemokraten schwierig, da ihnen einige Mandate für eine sichere Mehrheit fehlen. Der Vorsitzende der Volkspartei hat mit Einverständnis der beiden anderen Frühlingsparteien dem alten Ministerpräsidenten eine Koalitionsregierung unter Podobniks Führung nach einem "drei+eins"-Modell mit Beteiligung der Liberalen vorgeschlagen, die Drnovsek aber bisher ablehnt.


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