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Serbien-Montenegro : alle Macht den Mächtigen
/ Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Industrieländer. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1996. - 4 Bl. : graph. Darst. = 13 Kb, Text
. - (Politikinformation Osteuropa ; 67)
Electronic ed.: Bonn: EDV-Stelle der FES, 1997
© Friedrich-Ebert-Stiftung
Bei den Wahlen am 3. November haben die herrschenden Kreise in der Rumpfrepublik
Jugoslawien ihre Machtpositionen behauptet. Sowohl in den Wahlen für
das Bundesparlament in Belgrad als auch in den Republikwahlen in Montenegro
gewannen Milosevic und die mit ihm verbündeten Parteien die
absolute Mehrheit.
Entgegen den Vorwürfen der Opposition hielten sich die direkten Wahlfälschungen
bei diesen Wahlen in Grenzen. Allerdings hatte die Regierung das Feld wohl
vorbereitet: Die Wahlbezirke waren neu eingeteilt und die Medien gut eingestimmt.
Unter den Koalitionspartnern, der "Sozialistischen Partei Serbiens"
(SPS) von Milosevic, der "Jugoslawischen Vereinigten Linke" (JUL)
seiner Frau Markovic und der "Neuen Demokratie" (ND), bestand
eine geschickte Aufteilung von Themen und Zielgruppen, um ein möglichst
breites Wählerpotential abzuschöpfen. Die Regierung konnte sich
als Friedenspartei, die den jahrelangen Boykott des Landes beendet hatte,
verkaufen.
Zusätzlich kann Milosevic im Bundesparlament noch mit der Unterstützung
der montenegrinischen Sozialisten (DPS) rechnen. Die Opposition war
dagegen zerstritten und konzeptionslos. Die radikalen, großserbischen
Nationalisten verloren die Hälfte ihrer Mandate. Die albanische Opposition
im Kosovo boykottierte die Wahl.
In Montenegro errang die "Demokratische Partei der Sozialisten
Montenegros" die absolute Mehrheit sowohl in der Wahl zum föderalen
als auch zum regionalen Parlament. Die für eine Unabhängigkeit
Montenegros eintretenden Parteien schnitten schwächer als erwartet
ab. Die Sozialdemokraten erlitten eine schwere Niederlage.
Milosevic's gut geölte Maschine
der Macht
Eine Wahlrechtsänderung vermehrte 1996 die Anzahl der Wahlkreise
gegenüber der letzten Wahl von 7 auf 29. Durch geschickte Abgrenzung
wirkte es sich trotz des Verhältniswahlrechts zugunsten der großen
Parteien aus, die auf die unter die 5%-Hürde fallenden Stimmen zugreifen
konnten. Außerdem beherrschen die von der Regierung kontrollierten
elektronischen Medien die öffentliche Meinungsbildung - vor allem
auf dem Land.
Die Regierungskoalition umfaßt drei Parteien (Sozialisten,
Vereinigte Linke, Neue Demokratie), die zusammen 64 der 138 Sitze gewannen.
Dank der überproportionalen Vertretung Montenegros im Bundesparlament
(30 Sitze) kann sich die Regierungskoalition auf weitere 20 montenegrinische
DPS-Abgeordnete stützen. Obendrein kommt ihr noch zusätzlich
der Wahlboykott der albanischen Mehrheit im Kosovo zugute, da sie eine
unangemessene Zahl der dortigen Mandate ebenfalls gewinnt.
Seit dem Ende des Embargos verkauft sich Milosovic und seine "Sozialistische
Partei Serbiens" als friedensstiftende, weltoffene und demokratische
Partei. Wirtschaftspolitisch pflegt sie eine relativ solide, marktwirtschaftlich
orientierte Rhetorik und gibt vor, die Linien des renommierten, von ihr
aber entlassenen Zentralbankpräsidenten Avramovic fortzusetzen. Mit
dieser auf dem Parteitag Anfang März 1996 - passend im neuen Save-Kongreßzentrum
vor internationalen Gästen - vorgestellten modernen Linie konnte Milosevic
viele gebildete junge Wähler gewinnen.
Mit dieser Richtung konnte sich Milosevic nicht mehr auf seine alten Verbündeten
aus dem Lager der serbischen Nationalisten stützen. Er hat diese daher
vor allem durch die 1994 gegründete "Jugoslawische Vereinigte
Linke" (JUL) ersetzt, die seine Frau Mira Markovic führt.
JUL verbindet kommunistische Elemente mit einem gezielt modernen Image
in der Wahlwerbung (Slogan: "JUL ist cool"). Sie gilt als eine
Partei der Kriegsgewinnler und Jugonostalgiker. Die föderalen Traditionen
des alten Bundesstaates greift sie auf, um mit einem Regionalisierungskonzept
um Stimmen unter den Minderheiten (Ungarn in Wojwodina, Muslime im Sandzak,
Albaner im Kosovo, etc.) zu werben.
Der kleinste Verbündete der Regierung ist die "Neue Demokratie"(ND)
von Dusan Mihajlovic. Bei den Wahlen 1993 war sie noch alsTeil der Oppositionskoalition
DEPOS angetreten. Sie hat ihre Basis unter den mittelständischen Unternehmern
und Selbständigen und schloß sich der Regierung mit der Begründung
an, die Reformpolitik von Avramovic unterstützen zu wollen.
Zersplitterte und konzeptionslose
Opposition
Die Wende Milosovic's vom serbischen Nationalisten zum Friedensstifter
verwirrte die Opposition. Sie trat nicht mit einem Programm zur Lösung
der schweren wirtschaftlichen und sozialen Probleme an, sondern warf Milosevic
das Scheitern einer großserbischen Lösung (Anschluß der
serbischen Siedlungsgebiete Bosniens an Belgrad) vor.
Organisatorisch war die Lage kaum klarer. Nach dem Zerfall der DEPOS-Koalition
gründeten drei Parteien das neue Oppositionsbündnis "Zajedno"
(gemeinsam):
- die "Serbische
Erneuerungsbewegung" (SPO) des nationalistischen Poeten Vuk Draskovic,
dessen Popularität allerdings stark nachgelassen hat;
- die "Demokratische
Partei" von Zoran Djindjic, die vor allem von Geschäftsleuten
unterstützt wird, und früher von Dragoljub Micunovic geleitet
wurde;
- das kleine
"Bürgerforum Serbiens" (GSS) von Vesna Pesic, das
auf sein Bündnis mit der SPO angewiesen ist.
Zentralbankpräsident Dragoslav Avramovic hatte sich bereit erklärt,
"Zajedno" zu führen, wenn sich ihr auch noch die neue Partei
von Micunovic, das "Demokratische Zentrum" und die konservative
"Demokratische Partei Serbiens" (DSS) von Voislav Kostunica anschließen.
Als Avramovic das Bündnis verließ, blieb Micunovic dessen Spitzenkandidat,
der aber einen lustlosen Wahlkampf führte. "Zavedno"
gewann 22 der 138 Sitze, von denen SPO neun, die GSS eins, die DS sieben
und die DSS fünf Mandate erhalten soll. Das Bündnis macht sich
aber Hoffnungen auf eine bessere Abschneiden in den großen Städten
bei den Kommunalwahlen.
Daneben bildete sich ein zweites Oppositionsbündnis zunächst
unter Mitwirkung
- der "Sozialdemokratischen
Union" (SDU) von Zarko Korac
- der "Reformistischen
Demokratischen Partei" von Blasko Kopilovic, einer Partei aus der
Wojwodina, die früher von Ante Markovic geführt wurde,
- der "Bauernpartei"
von Veselinov und
- der "Sozialdemokratischen
Liga" von Nenad Canak, beide ebenfalls aus der Wojwodina
- sowie des
"Demokratischen Zentrums" von Micunovic.
Nachdem dieser zu "Zajedno" gewechselt war, bildeten die wojwodinischen
Gruppierungen das Bündnis "Wojwodina", das nur zwei
Mandate gewann. Die SDU blieb allein zurück und nahm nicht an den
Bundeswahlen teil.
Die Extremisten verlieren die Hälfte
ihrer Sitze
Die "Serbische Radikale Partei" von Vojislav Seselj
hatte als einzige Oppositionspartei keine Anpassungsprobleme gegenüber
der neuen Strategie der Regierung, da sie schon immer fast faschistische
Positionen vertreten hatte, die deutlich radikaler waren als die von Milosevic.
Sie nutzt aber indirekt der Regierung, indem sie die Opposition weiter
spaltet.
Sie konnte damit vor allem Wähler unter den Flüchtlingen,
die das Wahlrecht erhalten hatten, sowie unter den durch die Friedensregelung
beunruhigten Bevölkerungsteilen für sich gewinnen. In der Wojwodina
mit ihren vielen Flüchtlingen erhielt sie mehr Stimmen als "Zajedno".
Insgesamt gewann sie 16 Mandate im Vergleich zu 33 bei den letzten Wahlen.
Montenegro stimmt für Belgrad
Die regierende "Demokratische Partei der Sozialialisten Montenegros"
(DPS) unter Präsident Momir Bulatovic und Premier Milo Djukanovic,
vertritt einen gemäßigten Nationalismus, der zwar langfristig
die Unabhängigkeit anstrebt, kurzfristig jedoch Milosevic unterstützt
(der selbst montenegrinischer Abstammung ist). Nach dem gleichen Muster
wie in Belgrad führte die Regierung eine Neuaufteilung der Wahlkreise
zu ihren Gunsten durch. Obwohl die Verfassung mindestens 6000 Wähler
pro Mandat verlangt, erhielt die DPS-Hochburg Cetinje mit 15000 Stimmberechtigten
fünf Mandate.
Dank derartiger Manipulationen, einer maßvollen Unabhängigkeitspolitik
und einer chaotischen Opposition gewann die DPS 45 der 71 Sitze
im montenegrinischen Parlament und 20 der 30 für Montenegro reservierten
Mandate im Bundesparlament.
Die montenegrinische Opposition:
ein Bündnis der Unvereinbarkeiten
Die wichtigste Oppositionsgruppe ist die Koalition "Volksvereinigung"
(NS) zweier grundverschiedener Parteien:
- die "Liberale
Partei" von Slavko Perovic, die traditionell eine Antikriegspartei
war und für die Unabhängigkeit Montenegros eintrat, und
- die "Volkspartei"
von Novak Kilibarda, der der radikalen serbischen SRS von Seselj nahesteht.
Diesem mächtigen, aber unglaubwürdigen Paar gelang es nicht,
weitere Oppositionskräfte wie die muslimische Partei der Demokratischen
Aktion (SDA) aus dem Sandzak oder die albanische Demokratische Allianz
(DA) in ihr Bündnis einzubeziehen. Trotzdem gewannen sie 19 der 71
Mandate im montenegrinischen Parlament und acht Sitze im Bundesparlament.
Die SDA erhielt 3 Mandate, die albanische DA zwei. Die Sozialdemokraten
(SDP) gingen in den Republikwahlen leer aus, erzielten aber einen Sitz
im Bundesparlament.
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