1. Recht auf Arbeit und ein zufriedenstellendes Berufsleben

 

  1. Für eine aktive, vernetzte Arbeitsmarktpolitik
  1. Die Sozialisten wollen Beschäftigung für alle. Sie werden im Interesse einer humanen und demokratischen Arbeitswelt optimale Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt schaffen.

  2. Unser solidarisches Gesellschaftsmodell, welchem Erwerbsarbeit als wichtigster Integrationsfaktor zugrunde liegt, wird durch die steigenden Arbeitslosenzahlen in Frage gestellt. Um Arbeitslosigkeit erst überhaupt nicht entstehen zu lassen, sondern präventiv zu verhindern, sind Dialoge und Initiativen mit Mut zum Unkonventionellen gefragt. Sowohl in der Politik als auch zwischen den Tarifpartnern. Die Sozialisten wollen in die Arbeit anstatt in die Arbeitslosigkeit investieren!

  3. Massnahmen zur Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt werden von den Sozialisten unterstützt. Die Umsetzung des nationalen Beschäftigungsplans muss in dieser Hinsicht zu einer konkreten Verringerung der bestehenden Arbeitslosenquote führen.

  4. Für die Sozialisten führen Wiedereingliederungsmassnahmen allein nicht zur Vollbeschäftigung. Sie wollen verstärkt Massnahmen durchsetzen, welche die Arbeitslosigkeit vermeiden. Aktive Arbeitsmarktpolitik ist vernetzte Arbeitsmarktpolitik. (Aus)bildungs-, finanz-, sozial, umwelt-, und wirtschaftspolitische Massnahmen müssen stärker aufeinander abgestimmt werden.

  5. Innovative Arbeitszeitgestaltung

  1. Um den Arbeitsmarkt neu zu beleben, bekennen die Sozialisten sich zu neuen Formen der Arbeitszeitgestaltung. Die Arbeitswelt hat sich grundlegend verändert. Innovative Arbeitsorganisation und Arbeitszeitverkürzung werden im Verbund mit dem technischen Fortschritt sowohl die betriebliche Produktivität als auch die Arbeits- und Lebensqualität der Arbeitnehmer verbessern und die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern fördern. Desweiteren bieten flexible Arbeitszeitmodelle, in Kombination mit Arbeitszeitverkürzung, interessante beschäftigungspolitische Perspektiven.

  2. Die Sozialisten ermutigen alle betroffenen gesellschaftlichen Kräfte, den im Rahmen des nationalen Beschäftigungsplans eingeschlagenen Weg zur Förderung sozial abgesicherter Arbeitszeitgestaltungsmodelle fortzusetzen. Weitergehende gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung werden mit den Sozialisten nur realisiert, wenn gleichzeitig gesetzliche Regelungen zur Reduzierung der Arbeitszeit getroffen werden. Ausserdem werden die jetzt eingeleiteten Bestimmungen des Beschäftigungsplans im Jahre 2003, einzeln und jede für sich, einer eingehenden Prüfung unterzogen. Sie werden von den Sozialisten erneuert, wenn sich herausgestellt hat, dass sie zu einer Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt beigetragen haben.

  3. Die Sozialisten sprechen sich prinzipiell für die 35-Stunden-Woche, gekoppelt mit flexibler Arbeitszeitgestaltung, aus. Die jeweiligen Arbeitszeitmodelle müssen prioritär durch Verhandlungen und Vereinbarungen auf kollektivvertraglicher oder betrieblicher Ebene verbindliche Gestalt annehmen. Um das notwendige Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, werden die Sozialisten die Arbeitsgesetzgebung weiter modernisieren. Vorab muss die 40-Stunden-Woche verallgemeinert werden, indem alle Ausnahmebestimmungen aus dem Arbeitsrecht gestrichen werden.

  4. Die Verhandlungen auf kollektivvertraglicher oder betrieblicher Ebene über die Arbeitszeitorganisation müssen der veränderten Arbeitswelt und den individuellen Freizeitbedürfnissen der Arbeitnehmer Rechnung tragen können. Deshalb werden die Sozialisten die Arbeitsgesetzgebung dahingehend abändern, dass die verschiedensten Arbeitszeitmodelle zur Anwendung kommen können, handele es sich nun um Jahresarbeitszeit, Gleitzeit oder Wahlarbeitszeit, wie die periodisch neue Festlegung der gewünschten Arbeitszeit. Besonders die Wahlarbeitszeit ermöglicht flexible Übergänge in den Ruhestand oder in die Teilzeitarbeit. Neue, innovative Konzepte wie das „Ruhejahr" (année sabbatique) werden durch die Legalisierung von Arbeitszeitkonten ermöglicht.

  5. Die Sozialisten unterstreichen, dass innovative Arbeitszeitmodelle nur dann zusätzliche Arbeitsplätze und grössere Zufriedenheit der Arbeitnehmer schaffen, wenn die Rechte der arbeitenden Menschen gewahrt und Überstunden abgebaut werden. Um eine effiziente diesbezügliche Kontrolle zu gewährleisten, wird die Gewerbeinspektion reformiert und ausgebaut. Die Sozialisten streben ausserdem eine verstärkte Zusammenarbeit von Gewerbeinspektion und national repräsentativen Gewerkschaften an, um den Austausch von Erfahrungen, Anregungen und Vorschlägen im Interesse der Arbeitnehmer zu fördern.

  1. In Bildung und Weiterbildung investieren

  1. Die erfolgreiche Vermittlung von Kompetenzen und Wissen ist heute der wichtigste "Rohstoff" eines Landes. Die Analyse des Arbeitsmarktes zeigt, dass zwei Drittel der eingetragenen Arbeitslosen Qualifikationsdefizite aufweisen. Zudem sehen die luxemburgischen Schulabgänger sich einem erhöhten Konkurrenzdruck aus den benachbarten Grenzgebieten ausgesetzt. In der Berufsausbildung, vor allem aber in der Weiterbildung braucht Luxemburg demnach eine grossangelegte Offensive, damit die Schulabgänger den Qualifikationserfordernissen gerecht werden und die Arbeitnehmer sich fortwährend auf die technische und technologische Entwicklung einstellen können. Im Kapitel "Bildungschancen für alle" zeigen die Sozialisten unter dem Motto "Jedem Schüler eine Qualifikation" neue Wege auf, wie unser Schul- und Weiterbildungswesen den Erfordernissen des angehenden dritten Jahrtausends gerecht werden kann.

  2. Um die Jugendlichen optimal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, wollen die Sozialisten eine Bildungspartnerschaft zwischen Staat, Medien und Telekommunikationsbetrieben für den Umgang mit den neuen Technologien in die Wege leiten. Ziel dieses Aktionsprogramms ist die Bereitstellung eines Computers und eines Internet-Anschlusses für alle Schüler.

  3. Die Förderung der gezielten Kooperation zwischen Schule, Forschungszentren und Wirtschaft wird den Schulabgängern den Übergang von der Schule in den Beruf wesentlich erleichtern.

  1. Umweltschutz und technologische Innovation schaffen Arbeitsplätze

  1. Durch die Gründung und Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Sozialisten werden Existenzgründungen fördern und Innovationsträger stärken. Grossangelegte Sensibilisierungskampagnen müssen in den Schulen ein neues Bewusstsein entwickeln, damit Unternehmergeist entstehen und der Schritt in die Selbständigkeit als Chance betrachtet werden kann.

  2. Besonders die Bereiche Innovation, Forschung und moderne Technologien sind in dieser Hinsicht wesentlich, da dort viele gute Arbeitsplätze der Zukunft entstehen. Das gleiche gilt für Umwelttechnologien und erneuerbare Energiesparmassnahmen. Die Sozialisten werden die Initiativen auf diesen Gebieten verstärken und konsequent fördern (siehe auch die Kapitel Wirtschaft, Innovation, Forschung, Energie).

  3. Damit Luxemburg eine Vorreiterrolle in Sachen Umwelttechnologien spielen kann, werden die Sozialisten die neuen Berufsbilder fördern, welche durch erhöhte Umweltaktivitäten sowohl im privaten wie im öffentlichen Bereich entstehen: Ver- und Entsorger bei Kläranlagen und Abfallbehandlungsfirmen, Umweltberater bei Gemeinden und Betrieben, Energieberater oder auch umweltspezifische Ingenieure und Techniker. Der Gebrauch von Spitzentechnologie (z.B. Solartechnik und Wärmedämmung) schafft auch neue Arbeitsplätze im Handwerksbereich.

  1. Eine Solidarwirtschaft aufbauen

  1. Im Bereich der sozialen Dienstleistungen aber auch in den Bereichen Heimarbeit, Umwelt, Tourismus und Sport besteht ein grosser Bedarf an Arbeitskräften. Die Sozialisten wollen vermehrt in die Bereitstellung derartiger Beschäftigung sowie der dazugehörenden Infrastrukturen investieren.

  2. Wenn sozialverträgliche Arbeits- und Lohnbedingungen respektiert werden, können neue Partnerschaften zwischen Staat, Gemeinden, sozialen Trägern, Privatwirtschaft und Selbsthilfegruppen im Rahmen der Arbeiten im Nah- und Nachbarschaftsbereich einen alternativen Wirtschaftspfeiler mit echten Zukunftsperspektiven entstehen lassen. Gemäss dem Prinzip "learning by doing" wollen die Sozialisten schwach qualifizierte Arbeitnehmer durch individuell abgestimmte Beschäftigung und Weiterbildung in den Arbeitsprozess integrieren. Das von OGB-L und ASJ ins Leben gerufene Konzept "Beschäftigung für alle" ist als erster konkreter Schritt hin zu einer nationalen Solidarwirtschaft zu begrüssen.

  3. Zur effizienten und unbürokratischen Verwaltung der Arbeitsplätze im Nah- und Nachbarschaftsbereich wird das Arbeitsamt die administrativen Prozeduren und Formalitäten übernehmen und sich um Lohnabrechnungen, Arbeitspläne und die Verrechnung der Dienstleistungen kümmern.

  1. Zukunftsfähigkeit durch soziale Stabilität und Gerechtigkeit sichern

  1. Die Sozialisten werden dafür sorgen, dass atypische Arbeitsverhältnisse wie z.B. die Leiharbeit, die Tele- und Heimarbeit sowie die Arbeiten im Nachbarschaftsbereich eine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung erfahren.

  2. Abgesicherte und gut bezahlte Arbeit darf es nicht nur für eine Elite geben. Deshalb soll unter anderem der 20-prozentige Aufschlag des Mindestlohnes für qualifizierte Arbeitnehmer im Gesetz präzisiert werden, damit er ausnahmslos jedem "unqualifizierten" Arbeitnehmer nach 10 Jahren Arbeit zugestanden wird, ob sein Beruf durch ein CATP-Diplom anerkannt wird oder nicht.

  3. Die Sozialisten wollen die erschwerten Arbeitsbedingungen der Schwerst- und Schichtarbeiter durch ausgleichende Massnahmen wie z.B. zusätzliche Urlaubstage kompensieren.

  4. Luxemburg hat eine der niedrigsten Beschäftigungsquoten für Frauen in Europa. Eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern in Lohn- und Laufbahnfragen und bei den Familienpflichten kann dem luxemburgischen Arbeitsmarkt die Kompetenz vieler Frauen zuführen. Um dies zu ermöglichen, müssen Staat und Gemeinden ebenso wie die Betriebe verstärkt für eine humanere Arbeitswelt sorgen. Dazu gehört im Dialog zwischen den Sozialpartnern ausgehandelte Flexibilität, eine verbesserte Aus- und Weiterbildung aber auch die Bereitstellung von familienfreundlichen Einrichtungen, von Kinderkrippen bis Schulkantinen, welche beiden Elternteilen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.

  5. Zu einer humanen Arbeitswelt gehört vordringlich die Gleichstellung aller arbeitenden Menschen. Deshalb werden die Sozialisten ein einheitliches Statut im Privatsektor einführen.

  6. Die Sozialisten setzen auf die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Angesichts der Tendenz, Betriebe in immer kleinere Einheiten aufzuteilen, werden sie das Gesetz über die Betriebsausschüsse im Dialog mit den Sozialpartnern an die Betriebswirklichkeit anpassen. Anlässlich dieser Reform müssen die Fragen der Verantwortung und Kompetenzen der Personaldelegationen sowie die Einsetzung einer Schiedskommission erörtert werden.

  7. Im Sinne einer besseren Förderung der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand werden die Sozialisten einen gesetzlichen Rahmen für Arbeitnehmeranteile im eigenen Betrieb schaffen.

  1. Sozialen Dialog und Innovation verzahnen

  1. Die Sozialisten bauen auf das von ihnen Mitte der siebziger Jahre eingeführte Modell Luxemburg der institutionalisierten Sozialpartnerschaft. Die Tripartite hat sich als geeignetes Mittel zum Krisenmanagement erwiesen, als Verhandlungsgremium, in dem Regierung, Gewerkschaften und Patronat wirtschafts-, sozial- und beschäftigungspolitische Konsensfähigkeit im Interesse unseres Landes unter Beweis gestellt haben.

  2. Angesichts der derzeitigen Neuorientierung der Gesellschaft und der Wirtschaft in vielen wichtigen Bereichen sind die Sozialisten der Meinung, dass auch in Bezug auf den Sozialdialog ein Qualitätssprung vonnöten ist. Um den Strukturwandel zu bewältigen, braucht Luxemburg ein langfristiges Entwicklungskonzept. Zu diesem Zweck wird ein "Ständiges Forum für Innovation und Zukunftsgestaltung" geschaffen, eine Aufgabe, welche der Wirtschafts- und Sozialrat (WSR) in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Forschungszentren übernehmen könnte.


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