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Regionalkultur und Diktatur : Sächsische Heimatbewegung und Heimat-Propaganda im Dritten Reich und in der SBZ/DDR ; Horst-Springer-Stiftung für Neuere Geschichte Sachsens in der Friedrich-Ebert-Stiftung ; Rede anlässlich der Verleihung des Horst-Springer-Preises 2002 / Thomas Schaarschmidt - [Electronic ed.] - Bonn, 2003 - 58 KB, Text . - (Horst-Springer-Preisvorträge)
Titel nur online veröffentlicht.
Adresse: http://library.fes.de/fulltext/historiker/01563.htm


© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT


Thomas Schaarschmidt

Regionalkultur und Diktatur. Sächsische Heimatbewegung und Heimat-Propaganda im Dritten Reich und in der SBZ/DDR

Regionalkultur und Diktatur erscheinen auf den ersten Blick wie zwei getrennte Welten, die nichts miteinander zu tun haben. Auf der einen Seite hat man es zumeist mit regionalen oder lokalen Verbänden und Vereinen zu tun, die die Geschichte ihrer Landschaft aus der Perspektive des heimischen Kirchturms erforschen, mehr oder minder angestaubte Bräuche pflegen und sich dem Landschafts- und Denkmalschutz verschrieben haben, auf der anderen Seite mit den Strukturen und Mechanismen staatlicher Herrschaft, die darauf angelegt sind, politische Entscheidungen herbeizuführen und durchzusetzen, im Falle der beiden deutschen Diktaturen zusätzlich die Bevölkerung zu kontrollieren und für die jeweiligen politischen Ziele des Regimes zu mobilisieren. Obwohl die Repräsentanten der deutschen Heimatbewegung sowohl in der Weimarer Republik als auch nach den Zäsuren von 1945 und 1989 auf dem unpolitischen Charakter ihrer Institutionen und Bestrebungen beharrten, haben sich Historiker und Volkskundler in den vergangenen beiden Jahrzehnten intensiv mit der politischen Relevanz von Regionalkulturen und Regionalbewusstsein in den unterschiedlichen politischen Systemen beschäftigt, die Deutschland im Laufe des 20. Jahrhunderts geprägt haben.

Das Interesse an diesen Fragen resultiert zum einen aus dem Anspruch einer sozialhistorisch fundierten Politikforschung, die Wirkungsweise von Herrschaft bis in die letzten Verästelungen des Alltags zu erforschen und dabei auch solche Aspekte gesellschaftlichen Lebens in den Blick zu nehmen, die vordergründig nur wenig oder gar nichts mit der Herrschaftsdurchsetzung zu tun haben. Das trifft mit Einschränkungen auch auf die Regionalkultur zu, die sicher nicht zu den essentials diktatorischer Machtausübung zählte. Mit Blick auf die beiden deutschen Diktaturen wirkt sich gerade die begrenzte Relevanz des Untersuchungsgegenstandes als Vorteil aus, wenn es darum geht, das Alltägliche politischer Herrschaft zu erfassen und zu verstehen, wie Interessenkonflikte gelöst wurden und wie "Herrscher" und "Beherrschte" trotz der asymmetrischen Verteilung der Machtmittel letztlich aufeinander angewiesen blieben.

Zum anderen erweist sich die Heimatbewegung als ein besonders dankbares Objekt für den Alltag im Dritten Reich und in der SBZ/DDR. Einerseits verfügt sie über festgefügte Strukturen und ein ausgeprägtes Traditionsbewusstsein, die unweigerlich Anlässe für Konflikte schufen, andererseits bestanden gerade in der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund gemeinsamer Wurzeln im völkischen Denken der Zwischenkriegszeit vielfältige Berührungs- und Anknüpfungspunkte. Nicht nur für die nationalsozialistischen Parteifunktionäre, sondern auch für ihre kommunistischen Nachfolger gab es die Versuchung, sich gängiger Topoi des etablierten Heimat-Diskurses zu bedienen, um ihre politischen Appelle einer breiteren Öffentlichkeit plausibel und akzeptabel zu machen. Gleichzeitig blieben die Mitgliedsorganisationen der Heimatbewegung in allen politischen Systemen darauf angewiesen, sich auf die wechselnden Rahmenbedingungen einzustellen, wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele wirkungsvoll verfolgen wollten.

Nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis von "Regionalkultur" stehen Kultur und regionale Identifikation in einem unauflösbaren Zusammenhang. Wie Konrad Köstlin bereits Ende der siebziger Jahre auf dem 22. Deutschen Volkskunde-Kongress festgestellt hat, ist Regionalkultur nicht einfach ein tradierter Tatbestand, sondern ein Konstrukt zur Stiftung von Sinn und kollektiver Identität. In einem sehr weiten Sinn umfasst sie jede Form der Pflege regionaler Traditionen und Besonderheiten sowie das Wechselverhältnis zwischen regionalen Identifikationsangeboten und ihrer Akzeptanz in Form von Heimatliebe und Landesbewusstsein oder jeder anderen Form emotionaler Verbundenheit mit der eigenen Region.

Bei der Erforschung des Spannungsfeldes von Regionalkultur und Politik geht es mir um drei Aspekte, die alle eng miteinander verbunden sind: zum einen um die Wechselbeziehungen zwischen der Heimatbewegung auf der einen und den kulturpolitischen Instanzen des Staates und der beiden führenden Parteien im Dritten Reich und in der SBZ/DDR auf der anderen Seite, zum zweiten um die verschiedenen propagierten Bilder von Heimat, ihre politischen Implikationen und ihre Formulierung als kollektive Identifikationsangebote sowie drittens um die Frage nach dem Erfolg von staatlichen Instanzen und Parteien bei ihren Bemühungen um eine organisatorische Einbindung der Heimatbewegung und die Nutzung des Heimat-Begriffs in der politischen Propaganda. Beides stand in unmittelbarem Zusammenhang, denn die Integration und Unterordnung der Heimatbewegung diente nach 1933 und 1945 nicht nur ihrer Ausschaltung als eigenständiger kultureller Akteure, sondern mit unterschiedlicher Intensität auch ihrer Indienstnahme für eine politisch motivierte Heimat-Propaganda.

Wenn hier pauschalisierend von "der Heimatbewegung" die Rede ist, versteht es sich von selbst, dass es sich bei diesem Phänomen um einen Sammelbegriff handelt, der eine fast unüberschaubare Masse von örtlichen Heimat-, Geschichts-, Volkskunde-, Gebirgs- und Museumsvereinen zusammenfasst, denen der Bezug auf unmittelbaren Erfahrungsraum gemeinsam war, die sich aber in ihren Aufgabengebieten und Interessenschwerpunkten unterschieden und die dabei nicht selten in Konkurrenz zueinander standen. Neben den lokalen Vereinen bildeten sich zumeist um die Jahrhundertwende, teils aber auch schon im 19. Jahrhundert regionale und nationale Dachverbände der lokalen Vereine, die aufgrund ihrer größeren Wirkungsmöglichkeiten oft als die eigentlichen Repräsentanten der Heimatbewegung wahrgenommen wurden. Zu ihnen zählten beispielsweise die regionalen Heimatschutzverbände mit dem 1904 gegründeten Deutschen Bund Heimatschutz, der Gesamtverein der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine oder die regionalen Gebirgs- und Wandervereine wie der Schwäbische Albverein und in Sachsen der Erzgebirgsverein.

Ihnen traten im Dritten Reich und in der SBZ/DDR - neben den traditionell für die Kulturpolitik zuständigen Instanzen auf lokaler, regionaler und zentraler Ebene - neue parteinahe Kulturorganisationen gegenüber, die darauf angelegt waren, die vorhandenen Strukturen des Vereinslebens entweder zu absorbieren oder zu verdrängen. Dazu gehörten in der DDR einige der offiziellen Massenorganisationen, allen voran der Kulturbund mit seiner Sektion Natur- und Heimatfreunde, im Dritten Reich gleich eine ganze Handvoll kultureller Verbände, die teils im direkten Auftrag der NSDAP-Reichsleitung, teils ohne ihn die tatsächlichen oder vermeintlichen Leitlinien nationalsozialistischer Kulturpolitik durchzusetzen versuchten. Neben den zentral gelenkten Kulturverbänden, zu denen beispielsweise Alfred Rosenbergs Kulturorganisationen, die NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" oder Joseph Goebbels’ "NS.-Volkskulturwerk" zu rechnen sind, gab es in Form der Gaukulturverbände und -heimatwerke eine beträchtliche Anzahl regionaler Organisationen, die erst in den letzten Jahren ins Blickfeld der Forschung gekommen sind.

Die meisten der genannten parteinahen Kulturorganisationen traten mit dem Anspruch auf, neue Heimat-Vorstellungen zu propagieren, die die traditionellen Konstruktionen von Heimat und Region ersetzen sollten. Letztere entwickelten sich gemeinhin in einem Wechselspiel zwischen unmittelbarer Kommunikation vor Ort, beispielsweise in lokalen Geschichts-, Heimat- oder Volkskunstvereinen, und vermittelten Konstrukten und Identifikationsangeboten der regionalen und nationalen Heimatbewegung, der Massenmedien und anderer Akteure, das eine große Bandbreite von Bildern zulässt, die vom Einzelnen als die eigene Heimat wahrgenommen werden. In diesen Heimat-Bildern treffen sich folglich lokale, regionale und nationale Vorstellungen, die den schillernden Charakter des deutschen Heimat-Begriffs ausmachen. Heimatverbundenheit kann demnach in vielfältiger Weise zu einem handlungsleitenden Motiv werden, sei es, dass Engagement für den eigenen unmittelbaren Lebensraum oder für die Gesellschaft gefördert wird, sei es, dass in einem Prozess der Inklusion und Exklusion soziale Kohäsion geschaffen und stabilisiert wird, oder sei es auch nur, dass der Einzelne gesteigerte Lebensfreude empfindet, weil er mit Gleichgesinnten liebgewordene Traditionen seiner Heimat pflegt. Gerade die Vieldeutigkeit des Heimat-Begriffs erleichtert es politischen Strategen immer wieder, ihn mit politischen Inhalten zu füllen und ihr eigenes Heimat-Verständnis dann als das einzig wahre Bild der Heimat zu propagieren.

In Diktaturen findet auf dem Feld der Regionalkultur also nicht nur ein organisatorischer Verdrängungswettbewerb statt, sondern auch ein politisch-ideologischer. Wie dieser ausging, hing nicht nur von den vorhandenen Machtmitteln ab, sondern zu einem großen Teil von der Überzeugungskraft der politischen Propaganda und der Kooperationsbereitschaft der Heimatbewegung selbst. Letzteres mag überraschen, da ihre Unterordnung ja gerade zu den Zielen der offiziellen Kulturpolitik gehörte. Aus wohlverstandenem Eigeninteresse beanspruchten die parteinahen Kulturorganisationen aber weder im Dritten Reich noch in der DDR, die vorhandene Heimatbewegung ersetzen zu können. Nolens volens mussten sowohl die NS-Organisationen als auch die Kulturfunktionäre der DDR akzeptieren, dass die alten auch die neuen Träger der regionalkulturellen Arbeit sein würden. Wie der Geschäftsführer des 1942 von Goebbels gegründeten NS-Volkskulturwerks im internen Mitteilungsblatt der Reichspropagandaleitung schrieb, ließ sich die "volkskulturelle Arbeit" nicht auf Anordnung organisieren, sondern bedurfte der Freiwilligkeit. Die Abhängigkeit der parteinahen Kulturorganisation von der Kooperationsbereitschaft der Heimataktivisten vor Ort wurde besonders dadurch unterstrichen, dass sie auf deren Expertise angewiesen blieb, die sich allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz nicht kurzfristig ersetzen ließ.

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In welchem Verhältnis Politik und Regionalkultur zueinander standen, soll hier am Beispiel der sächsischen Heimatschutzbewegung im Zeitraum zwischen nationalsozialistischer Machtergreifung und Mauerbau dargestellt werden. Das entspricht nicht nur einem Desiderat der Forschung, sondern erscheint auch deshalb besonders lohnend, weil Sachsen auf dem Gebiet der späteren DDR vor 1945 zu den Regionen mit der höchsten Vereinsdichte zählte. Auch wenn der 1908 gegründete Landesverein Sächsischer Heimatschutz nicht auf eine so lange Tradition zurückblicken konnte wie der Erzgebirgsverein oder der schon in den 1820er Jahren entstandene Sächsische Altertumsverein, hatte er doch in der Zwischenkriegszeit einen stürmischen Aufschwung erlebt, der ihn nicht nur zu einem der mitgliederstärksten Vereine in Sachsen, sondern im gesamten Reichsgebiet machte. Die Heimatschutzbestrebungen, denen sich mit leichter Akzentverschiebung auch die sächsischen Gebirgsvereine widmeten, standen im Zusammenhang der frühen Industrialisierung des Landes, die schon vor der Jahrhundertwende das Bewusstsein für die Modernisierungsverluste in Landschaft und Kultur geweckt hatte.

Die Hauptaufgaben des Landesvereins lagen in den Bereichen Bauberatung, Natur- und Denkmalschutz sowie der Volkskunde und Volkskunstpflege, die zu dieser Zeit noch als eine Einheit betrachtet wurden. Wenn auch stark in bildungsbürgerlichen Traditionen verankert, fand der Verein doch breite Unterstützung im gesamten politischen Spektrum bis hin zur SPD. Trotz der starken politischen Polarisierung des öffentlichen Lebens in Sachsen kamen seine Mitglieder zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich aus stadtbürgerlichen Kreisen. Als Dachorganisation der lokalen Heimatvereine entfaltete der Sächsische Heimatschutz seine Wirkung vor allem mit den Mitteln seiner Publikationen, regelmäßigen Vorträgen, dem vereinseigenen Volkskundemuseum in Dresden, einer systematischen Unterstützung der regionalen Volkskunst sowie seiner Bauberatung und Naturschutzarbeit, die er quasi im offiziellen Auftrag der sächsischen Landesregierung ausübte.

Im Vergleich zu völkisch-nationalistischen Strömungen der sächsischen Heimatbewegung vertrat der Landesverein ein explizit unpolitisches Bild der Heimat und setzte ansonsten auf eine sachliche Zusammenarbeit mit den Institutionen der Weimarer Republik. Diese fand ihren Niederschlag beispielsweise im ersten Entwurf eines sächsischen Gesetzes über Denkmal- und Naturschutz, das allerdings 1926 zurückgestellt werden musste und erst von der nationalsozialistischen Landesregierung im Januar 1934 verabschiedet werden konnte. Während sich völkisch-nationalistische Publikationen in apokalyptischen Erlösungsszenarien ergingen, in denen das deutsche Volk durch die urwüchsige Kraft der Stämme und des Heimatbodens gerettet werden sollte, propagierte der Landesverein die Heimat als Trost in der Not. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise hieß es dementsprechend in einem Rundschreiben des Heimatschutzes: "In aller Not ist uns eins geblieben: die Heimat und ihre Schönheiten, Kultur und Kunst, die wir, ob reich, ob arm, ob in Not oder noch glücklich, soweit es heute noch möglich ist, besitzen und bewundern dürfen als Schätze, die uns Allen gehören." Zu diesem Zeitpunkt hatte der Landesverein bereits seinen Zenit überschritten. Hatte die Vereinsführung noch Ende 1928 eine Mitgliederzahl von 50.000 anvisiert, so kämpfte der Verein - wie die gesamte sächsische Heimatbewegung - seit Anfang der dreißiger Jahre darum, seinen Bestand zu retten.

Dass sich die Hoffnungen vieler regionalkultureller Vereine und Verbände in der Krise zunächst nicht auf die NSDAP richteten, lässt sich nur damit erklären, dass die sächsischen Nationalsozialisten regionale Besonderheiten bis 1933 allenfalls unter ökonomischen Aspekten gelten ließen, ansonsten aber eine konsequent unitaristische Position verfochten. Sowohl der Landesverein Sächsischer Heimatschutz als auch der Verband der Sächsischen Geschichts- und Altertumsvereine fanden sich daher in den Reihen einer 1931 mit der Unterstützung der sächsischen Landesregierung ins Leben gerufenen "Bewegung gegen den Berliner Reichszentralismus" wieder. Diese Kampagne wandte sich nicht nur gegen die Zentralisierungsbestrebungen der Reichsregierung, sondern ebenso gegen die wirtschaftliche Benachteiligung Sachsens. Den historischen Leistungen Preußens stellten ihre Protagonisten die Verdienste Sachsens um die "Entwicklung einer besonderen mitteldeutschen Kultur" und die Herausbildung des vorzüglichen "Typus der sächsischen Landesverwaltung" gegenüber, die im Gegensatz zur preußischen Bürokratie wenig reglementiere und stattdessen auf selbständiges Handeln setze. Das Selbstverständnis der Bewegung spiegelte sich beispielsweise in dem pathetischen Plädoyer des Vorsitzenden des Verbandes Sächsischer Industrieller Wilhelm Wittke wider, das er Ende April 1932 auf der Dresdner Kundgebung "Sachsen gegen den Berliner Zentralismus" hielt: "Wir stehen fest zum Deutschen Reich, wie es unsere Väter taten und unsere Kinder tun werden, ganz selbstverständlich und ohne Phrase. Aber wir sind keine Berliner Deutsche, sondern sächsische Deutsche[,] und in unserem deutschen Vaterlande wollen und werden wir Sachsen sein und bleiben, sowohl staatlich als auch wirtschaftlich."

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Dank seiner soliden wirtschaftlichen Grundlagen konnte sich der Sächsische Heimatschutz auch in der Weltwirtschaftskrise noch relativ gut behaupten. Als die Nationalsozialisten im März 1933 auch in Sachsen die Schaltstellen der Macht eroberten, stellte der Landesverein einen gesellschaftlichen Faktor dar, an dem die neuen Machthaber nicht einfach vorübergehen konnten. Ihre Bemühungen, mit dem Sächsischen Heimatschutz ins Geschäft zu kommen beziehungsweise ihn unter ihre Kontrolle zu bringen, vollzogen sich in drei Schritten, von denen der erste zwischen 1933 und 1936 stattfand, der zweite zwischen 1936 und 1940 und der letzte in den Kriegsjahren seit 1940.

Für die erste Phase lassen sich drei Ansätze einer Gleichschaltung des Landesvereins feststellen, die nicht miteinander koordiniert waren und die letztlich so gegeneinander ausgespielt werden konnten, dass die Handlungsfreiheit der Vereinsführung weitgehend erhalten blieb. So bekundete der Vorstand im Juli 1933 seine Gleichschaltung, die wie die der meisten anderen Kulturvereine rein formaler Natur war. Der Vereinsvorsitzende Oskar Seyffert mutierte zum Vereinsführer und blieb ebenso im Amt wie sein Geschäftsführer Werner Schmidt, ohne dass einer von beiden der NSDAP angehörte. Ihnen war jedoch bewusst, dass der Bestand des Vereins mit diesen kosmetischen Korrekturen noch nicht gesichert war. Die akuteste Gefahr sah die Vereinsführung in der Aufspaltung ihrer weitgespannten Vereinsaktivitäten in mehrere Unterorganisationen, die sie ihres traditionell großen Einflusses beraubt hätte. Sie tat daher, was sie konnte, um sich der NSDAP als zuverlässiger Partner anzudienen und auf die gemeinsamen Wurzeln im völkischen Denken zu verweisen.

Der zweite Ansatz zur Gleichschaltung ging von den parteinahen Kulturorganisationen aus, die sich nach der Machtergreifung daran machten, das bestehende Vereinswesen in ihre Strukturen zu absorbieren. Am aktivsten erwies sich unter ihnen der 1929 von Alfred Rosenberg gegründete "Kampfbund für deutsche Kultur", der allerdings keinen offiziellen Parteiauftrag hatte und sich unerwartet der Konkurrenz einer weiteren Kulturorganisation gegenübersah. Mit dem Segen des Stellvertreters des Führers Rudolf Heß trat Mitte 1933 der sogenannte "Reichsbund Volkstum und Heimat" auf den Plan, der unter der Leitung des damals gerade 23-jährigen Studenten Werner Georg Haverbeck beanspruchte, alle regionalkulturellen Organisationen in seine Reihen aufnehmen zu wollen. Das organisatorische Konzept, das Haverbeck vorstellte, sah einen vielfach gegliederten, zentralistischen Aufbau vor, der sich bis in den letzten Winkel Deutschlands erstrecken sollte.

War in dieser Organisation theoretisch gar kein Platz für regionale Sonderorganisationen, erwies es sich schon schnell, dass Haverbecks Pläne weder praktikabel noch finanzierbar waren. Zwar trat der Deutsche Bund Heimatschutz dem "Reichsbund Volkstum und Heimat" mit den meisten seiner Landesverbände bei, aber allein schon durch die Masse seiner Mitglieder erhielt er ein so starkes Gewicht in der Gesamtorganisation, dass er sich faktisch ihrer Kontrolle entzog. Wenn Haverbeck auch stets das Gegenteil behauptete, war der "Reichsbund Volkstum und Heimat" zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als eine Dachorganisation. Wie Karl Ditt schon in den achtziger Jahren festgestellt hat, favorisierten die großen regionalkulturellen Verbände eine Unterstellung unter den "Reichsbund Volkstum und Heimat" vor allem deshalb, weil diese sie vor dem direkten Zugriff Rosenbergs und seines "Kampfbunds für deutsche Kultur" bewahrte. Was auf nationaler Ebene galt, traf erst recht auf regionaler Ebene zu. Wie die meisten seiner Bruderverbände trat auch der Landesverein Sächsischer Heimatschutz dem "Reichsbund Volkstum und Heimat" bei, ohne dass sich daraus irgendwelche Konsequenzen für seine Arbeit ergaben.

Unabhängig von der Mitgliedschaft des Heimatschutzes im "Reichsbund" unternahm die sächsische Landesregierung Anfang 1934 einen weiteren Anlauf, um den Landesverein in ihre Politik einzubeziehen. Die treibenden Kräfte hinter dieser Politik waren offensichtlich weniger die führenden Köpfe der sächsischen NSDAP als vielmehr Vertreter der alten Ministerialbürokratie, die an einer Fortsetzung der guten Zusammenarbeit mit dem Heimatschutz interessiert waren. Erstes Resultat dieser Politik war das sächsische Heimatschutz-Gesetz vom Januar 1934, das die Arbeit des Vereins auf eine unanfechtbare rechtliche Grundlage stellte. In den folgenden beiden Jahren etablierte sich daraufhin eine enge Kooperation mit dem sächsischen Innenministerium auf den Gebieten Bauberatung, Natur- und Denkmalschutz. Diese diente letztlich beiden Seiten. Während der Landesverein seine Arbeit mit offizieller Unterstützung fortsetzen konnte, nutzte die Landesregierung die Möglichkeit, die Leistungen des Landesvereins als eigene Erfolge zu verbuchen. Das ging so lange gut, wie sich die NSDAP mit dem Status quo einer relativ unabhängigen Heimatbewegung abfand.

Erste Ansätze zu einer Neuorientierung bahnten sich schon seit 1934 an, als lokale Parteiführer nicht ohne Erfolg versucht hatten, größeren Einfluss auf den Erzgebirgsverein zu nehmen. Parallel dazu vollzog sich die Eingliederung der meisten lokalen Vereine in die regionalen Unterorganisationen von KdF, Deutschem Volksbildungswerk, NS-Kulturgemeinde und Bund Deutscher Osten, was sie nicht automatisch zu willfährigen Gliederungen der Partei machte, aber doch für den Einfluss der NS-Kulturpolitik öffnete. Trotz dieses sukzessiven Eindringens der NSDAP in das Vereinswesen konnte 1936 noch keine Rede davon sein, dass die sogenannte "Volkstumsarbeit" in Sachsen "in ihrer Haltung und Richtung von einer Stelle aus geleitet wird", wie der sächsische Vertreter von Rosenbergs "NS.-Kulturgemeinde" kühn behauptete.

Nachdem er ein Jahr zuvor auch die Führung der sächsischen Landesregierung übernommen hatte, ergriff der sächsische Gauleiter und Reichsstatthalter Martin Mutschmann Anfang 1936 die Initiative für eine großangelegte politische Kampagne. Bald schon sollte sich herausstellen, dass es diesmal nicht nur darum ging, ein besonders positives Bild des Landes zu zeichnen und die Sachsen zu größerem Engagement für die Heimat anzuspornen, sondern um die Durchsetzung eines kulturpolitischen Primats und einer organisatorischen Unterordnung der bestehenden Heimatbewegung. Nach dem propagandistischen Auftakt der sogenannten "Sachsenaktion" wurde im Oktober 1936 mit dem "Heimatwerk Sachsen" eines der ersten deutschen Gauheimatwerke aus der Taufe gehoben. Anders als die Mehrzahl der erst im Krieg entstandenen regionalen Heimatwerke verband die sächsische Gaukulturorganisation von vornherein Propaganda und organisatorische Neugliederung. Liest man die satzungsmäßige Zweckbestimmung des formal als Verein gegründeten "Heimatwerks", wird schnell deutlich, warum beide Komponenten nicht voneinander zu trennen waren. Dort hieß es: "Der Verein hat den Zweck, die sächsischen heimatlichen Belange auf allen Gebieten zu pflegen und zu fördern. Er ist der Mittelpunkt dieser Bestrebungen und soll für planmäßige Zusammenarbeit gleich- oder ähnlich gerichteter Organisationen sorgen." Was so harmlos klang, war in Wirklichkeit eine Kriegserklärung an die Adresse der bestehenden regionalkulturellen Dachorganisationen, die exakt dasselbe Ziel verfolgten.

Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der ominöse Verein "Heimatwerk Sachsen" als eine Mega-Organisation, die nicht nur die führenden Ränge der Partei und ihre Gliederungen, sondern alle gesellschaftlichen Kräfte und damit letztlich - zumindest dem Anspruch nach - die gesamte sächsische Bevölkerung umfassen sollte, sofern sie den nationalsozialistischen Rassekriterien entsprach. In letzter Konsequenz sollte das "Heimatwerk" quasi die deutsche Volksgemeinschaft auf sächsischem Boden konstituieren und repräsentieren. Das Grundgerüst der Organisation stellten die Kreis- und Ortsgruppenleiter der Partei dar, die in Personalunion als Volkstums-, Kreis- und Ortsbeauftragte des "Heimatwerks" fungierten. Ihre Anleitung erfolgte durch eine in die Sächsische Staatskanzlei integrierte Abteilung, die faktisch nur dem Gauleiter verantwortlich war.

Die traditionellen regionalkulturellen Dachorganisationen sollten den Plänen der "Heimatwerks"-Strategen zufolge mit einem Sitz in einem Weiteren Beirat abgespeist werden, der keinerlei Mitspracherecht bot und letztlich nur ihrer Unterordnung diente. Dessen ungeachtet blieben der Landesverein Sächsischer Heimatschutz und die Gebirgsvereine zunächst als unabhängige Kulturorganisationen bestehen, wenn sie auch immer größere Schwierigkeiten hatten, sich gegenüber der Übermacht des "Heimatwerks" zu behaupten. Im Vergleich zum Erzgebirgsverein, der schon 1937 direkt an das "Heimatwerk" angeschlossen wurde, gelang es dem Heimatschutz noch bis 1940 seine organisatorische Autonomie zu bewahren. Erst nach dem Tod des greisen Vereinsvorsitzenden bot sich den führenden Köpfen des "Heimatwerks" die Chance, ihren eigenen Vorsitzenden gleichzeitig zum neuen Führer des Landesvereins wählen zu lassen. Diese Personalunion besiegelte die organisatorische Unterordnung des sächsischen Heimatschutzverbandes, blieb praktisch aber weitgehend wirkungslos. Der neue Vorsitzende, der schon im "Heimatwerk" eher Aushängeschild als Vereinsführer war, erwies sich auch im Landesverein als machtlos, die eingespielten Strukturen grundlegend zu verändern. Das führte dazu, dass der sächsische Heimatschutzverband seine Kernsubstanz bis zum Kriegsende relativ unbeschadet erhalten konnte, während das politisch diskreditierte "Heimatwerk" nach dem 8. Mai 1945 keine Überlebenschance mehr hatte.

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Im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Kulturpolitikern vom Schlage Rosenbergs und Haverbecks fehlte den deutschen Kommunisten, die nach der sowjetischen Besetzung Mitteldeutschlands die zentralen Verwaltungsfunktionen übernommen hatten, zunächst jedes Verständnis für das Treiben der regionalkulturellen Vereine. Diese gerieten nur deshalb ins Visier der neuen Machthaber, weil sie ihnen wie alle bürgerlichen Vereine als potentielle Kristallisationskerne der politischen Reaktion galten, von denen Gefahr für die angestrebte antifaschistisch-demokratische Umwälzung ausging. Wurden die Vereine generell mit einer fortschrittsfeindlichen Haltung identifiziert, so galt das in besonderem Maße für solche Vereine und Verbände, die direkt der NSDAP unterstanden hatten. Gegen diese hatten die Landesverwaltungen mit dem Kontrollrats-Gesetz Nr. 2 über die "Auflösungen und Liquidation der Naziorganisationen" vom 10. Oktober 1945 und dem bereits am 29. September ergangenen SMAD-Befehl Nr. 80 eine eindeutige rechtliche Handhabe. Diese Bestimmungen ließen sich von der Landesverwaltung Sachsen beispielsweise gegen das "Heimatwerk Sachsen" und die Gebirgsvereine anwenden, die in ihrer Funktion als Wandervereine dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen angehört hatten.

Beim Vorgehen der sächsischen Kommunisten fällt jedoch zweierlei auf. Zum einen erfolgten ihre grundlegenden Entscheidungen über Vereinsverbote bereits zwei Monate vor der alliierten Beschlussfassung, und zum anderen gingen sie von vornherein über den in den sowjetischen und alliierten Bestimmungen genannten Rahmen hinaus. Durch einen unglücklichen Zufall war neben dem "Heimatwerk Sachsen" auch der Landesverein Sächsischer Heimatschutz in der Verordnung der sächsischen Landesverwaltung vom 6. August 1945 genannt worden, die "die Beschlagnahme des nazistischen Vermögens" verfügte. Just in diesen Tagen hatte der Erste Vizepräsident der Landesverwaltung, Kurt Fischer, einen Bericht über das "Heimatwerk" erhalten, in dem auch der Heimatschutz Erwähnung fand. Ohne eigene Kenntnis der innersächsischen Vorkriegsverhältnisse hatte Fischer als der eigentliche Kopf der sächsischen Landesverwaltung daraufhin den Landesverein auf die Liste der zu liquidierenden Vereine gesetzt. Obwohl sein Vorgehen selbst in der Landesverwaltung umstritten war, versteifte sich Fischer auf den Standpunkt, "dass grundsätzlich alle Vereine ausser den politischen Parteien, den Gewerkschaften und dem Kulturbund verboten und aufgelöst sind." Da Fischer und seine Mitstreiter nicht einfach ignorieren konnten, dass es für ihr Vorgehen keine besatzungsrechtliche Grundlage gab, wurden sie nolens volens zu den Vorkämpfern der Vereinsgesetzgebung in der Sowjetischen Besatzungszone, die letztlich auf eine Unterdrückung des unabhängigen Vereinswesens hinauslief. Bezeichnenderweise kam eine endgültige Regelung erst zustande, nachdem Kurt Fischer 1948 die Leitung der Deutschen Verwaltung des Innern übernommen hatte.

Bis zu diesem Zeitpunkt lebten die regionalkulturellen Vereine wie alle anderen Vereine auch in einem ständigen Bangen und Hoffen auf die angekündigte Vereinsgesetzgebung und in einem rechtlichen Schwebezustand, der ihre ohnehin schon durch den Krieg angegriffene Substanz weiter schädigte. Der Landesverein Sächsischer Heimatschutz befand sich dabei noch in einer relativ komfortablen Situation, da er zwar offiziell durch den Ukas Fischers verboten worden war, aber aufgrund wohlgesonnener Fürsprecher in der Landesverwaltung eine neue Lebensfrist unter einem Treuhänder erhielt. Zumal die Vereinsführung diesen sogar mit bestimmen konnte, erfreute sie sich zeitweilig großer Handlungsfreiheit, die allerdings dadurch eingeschränkt wurde, dass führende kommunistische Funktionäre jede sich bietende Gelegenheit nutzten, ihre Arbeit zu behindern. Für sie war der Landesverein Sächsischer Heimatschutz nichts anderes als ein Relikt vergangener Zeiten, für dessen Anliegen sie nicht das geringste Verständnis aufbrachten. Es war daher nur konsequent, dass die sächsische Landesregierung seit 1948 auf eine zügige Liquidation des Vereins zusteuerte, die ein Jahr später zum Abschluss kam.

Parallel dazu hatte Kurt Fischer zusammen mit der Deutschen Verwaltung für Volksbildung im Januar 1949 eine Anordnung erlassen, derzufolge alle noch existierenden Kulturvereine in die offiziell zugelassenen Massenorganisationen eingegliedert werden sollten. Ohne dass es zu einem Vereinsgesetz oder auch nur zu einem generellen Vereinsverbot durch die Sowjetische Militäradministration gekommen war, sorgte Fischers und Wandels Verordnung für eine definitive Regelung des unabhängigen Vereinswesens, das damit zumindest theoretisch beseitigt wurde. Während die nationalsozialistischen Machthaber nur vereinzelt mit dem Verbot bürgerlicher Kulturvereine gedroht und diese zum Eintritt in die parteinahen Kulturorganisationen gedrängt hatten, griffen ihre kommunistischen Nachfolger wesentlich radikaler durch, da sie die Vereine vorrangig als eine Gefahrenquelle für die sozialistische Transformation von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sahen. Letztlich kamen aber auch sie nicht um die Erkenntnis herum, dass man die Vereine nicht einfach mit den Mitteln des Rechts verbieten konnte, ohne gleichzeitig einen systemkonformen Ersatz anzubieten.

Darüber, wie die Übernahme der Vereine in die Massenorganisationen zu erfolgen hätte, wie die neuen Mitglieder organisiert werden sollten und welche Konsequenzen das für die Massenorganisationen haben werde, gab es in Partei und Staat zum Zeitpunkt der zentralen Verordnung vom Januar 1949 noch keine klar erkennbaren Vorstellungen. Zwar hatten sich auch schon in den vorangegangenen Jahren einzelne Vereine den Massenorganisationen angeschlossen, aber deren Arbeit konnte schlecht als Modell für die massenweise Integration festgefügter Vereine mit zumeist jahrzehntelangen Traditionen dienen. Gerade der Kulturbund war von der Anordnung der Zentralverwaltungen in besonderer Weise betroffen, weniger wegen der Zahl der neuen Mitglieder, die im FDGB und in der FDJ höher lag, als vielmehr wegen seiner ungenauen Funktionszuweisung. 1945 gegründet als Organisation der antifaschistischen Intelligenz, hatte er sich schon in seinen ersten Jahren zu einem Sammelsurium von Arbeitsgemeinschaften entwickelt, die sich zwar alle zur "Erneuerung der deutschen Kultur" bekannten, aber zumeist in Fortsetzung der Tradition bürgerlicher Bildungsvereine ihren Hobbys frönten und die Anordnungen der Berliner Bundesleitung so weit wie möglich ignorierten. Der Zustrom zahlloser neuer Mitglieder - nicht zuletzt aus den regionalkulturellen Vereinen - verstärkte die im Kulturbund ohnehin schon vorhandene Tendenz zur völligen Zersplitterung der Aktivitäten, die sich schon 1949 kaum noch auf einen Nenner bringen ließen.

Um diesem Prozess entgegenzusteuern, gründete die Kulturbund-Bundesleitung Ende 1949 eine neue Sektion "Natur und Heimat", die alle regionalkulturellen Aktivitäten im Kulturbund bündeln und diese den kulturpolitischen Zielen der Organisation unterwerfen sollte. Nach einem Vorlauf in Sachsen, bei dem die neue Sektion explizit als fortschrittliche Alternative des "Heimatwerks" und des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz angepriesen wurde, erfolgte Ende 1950 die Ausdehnung auf die gesamte DDR. Mit einer eigenen zentralistischen Struktur aus Kommissionen und Delegiertenkonferenzen wurde die Natur- und Heimatfreunde-Bewegung zu einem festen Bestandteil des Kulturbunds, der die kulturpolitischen Leitlinien vorgab und anschließend ihre Durchführung kontrollierte. Aber obwohl die ehemalige Heimatbewegung damit in beispielloser Weise ihrer Unabhängigkeit beraubt war, bewahrten sich gerade in den lokalen Arbeitsgemeinschaften der Natur- und Heimatfreunde beträchtliche Handlungsspielräume, die sich gegen eine zentralistische Bevormundung sperrten. Während es den Kulturpolitikern des SED-Staats in hohem Maße gelang, die regionalen und zentralen Strukturen der Heimatbewegung zu zerschlagen und durch leicht kontrollierbare neue Institutionen abzulösen, setzten die Natur- und Heimatfreunde-Arbeitsgemeinschaften vor Ort fast nahtlos die Arbeit der ehemaligen Vereine fort.

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Nach der Darstellung der organisatorischen Unterordnung der Heimatbewegung in beiden deutschen Diktaturen möchte ich nun in einem zweiten Schritt skizzieren, worin sich die Heimat-Konstruktionen der verschiedenen unabhängigen und parteinahen regionalkulturellen Organisationen unterschieden. Wie bereits einleitend angedeutet, zeichnete sich schon der Heimat-Begriff der traditionellen Heimatbewegung in der Zwischenkriegszeit durch ein große Bedeutungsvielfalt aus. Sei es als Resultat unmittelbarer Kommunikation vor Ort, sei es als vermittelte Konstruktion in den Identifikationsangeboten der regionalen und nationalen Heimatorganisationen, zeichnete sich das Bild der Heimat zumeist durch eine Verklärung der Herkunftslandschaft zu einem Idyll aus, wo die Welt angeblich noch in Ordnung war und die vom Fortschritt gestressten Städter einen naturbelassenen "Kompensationsraum" fanden, wie es der Volkskundler Hermann Bausinger einmal treffend formuliert hat. Je nach Blickwinkel konnte Heimat gleichermaßen das unmittelbare Umfeld, die eigene Gemeinde, die persönlich erfahrbare Umgebung, eine geographisch, historisch oder kulturell abgrenzbare Region, eine größere Verwaltungseinheit, wie etwa ein Bundesland und eine Provinz, oder letzten Endes sogar das gesamte Volk und Staat beschreiben.

Indem das Bekenntnis zur Heimatverbundenheit die Brücke zwischen dem persönlichen Lebensraum und dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit schlug, konnte Heimatbewusstsein zur elementaren Voraussetzung des Nationalbewusstseins erklärt werden. Die Aussage, nur wer seine engere Heimat liebt, kann auch das große Vaterland lieben, wurde quasi zum Credo der deutschen Heimatbewegung. Wie dieses Bekenntnis aus der Perspektive der lokalen und regionalen Heimatvereine jegliche Arbeit für den unmittelbaren Lebensraum als nationale Tat adelte, verklärten die auf nationaler Ebene operierenden Heimatvereine und –verbände die Schollengebundenheit zum Inbegriff völkischen Daseins. Wenn sich die lokalen, regionalen und nationalen Heimat-Konstruktionen auch darin unterschieden, dass sie entweder ganz konkret an einen geographischen Raum gebunden waren oder sich auf nationaler Ebene aus einem Set austauschbarer Heimat-Stereotypen zusammensetzten, standen sie doch in einer ständigen Wechselbeziehung.

Diese öffnete die lokalen und regionalen Heimatvereine für völkisches Gedankengut, ohne dass man für die Zeit der Weimarer Republik schon von einer vollständigen Durchsetzung völkischer Prinzipien in der Heimatbewegung sprechen kann. Enge Berührungspunkte gab es beispielsweise in der Verklärung des Landlebens, der Bodenständigkeit und der völkischen Gemeinschaft. Die in breiten Kreisen der deutschen Bevölkerung verwurzelte Abneigung gegen die Parteiendemokratie der Weimarer Republik begünstigte den Glauben an die gemeinschaftsstiftende Kraft der Heimat, die angeblich alle politischen und sozialen Gegensätze überbrückte. Der für die völkische Bewegung charakteristische aggressive Rassismus machte sich hingegen nur punktuell in den regionalen und lokalen Vereinen Sachsens bemerkbar. Das führte unter anderem dazu, dass sich die Hoffnungen der meisten sächsischen Heimatorganisationen vor 1933 noch nicht auf die NSDAP richteten.

Schuld an der mangelnden Attraktivität der NSDAP für die sächsische Heimatbewegung war zunächst auch das offenkundige Desinteresse der sächsischen Parteiorganisation an regionalkulturellen Fragen. Das änderte sich erst nach der Machtergreifung, als einige der selbsternannten nationalsozialistischen Kulturpolitiker versuchten, ihren Führungsanspruch gegenüber der traditionellen Heimatbewegung zu legitimieren. Dabei deckten sich Haverbecks und Rosenbergs Ideen von einer deutschen Volkskultur über weite Strecken, wichen aber in markanten Punkten voneinander ab. Für beide stand das Ziel fest, durch die Schaffung einer einheitlichen Volkskultur an der Entstehung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft mitzuwirken. Beide stimmten auch darin überein, dass die neue Volkskultur an alte volkskulturelle Überlieferungen anknüpfen sollte, die angeblich durch den Liberalismus zerstört worden waren und erst mühselig wieder freigelegt werden mussten.

Während Rosenberg aber vorrangig daran interessiert war, die von ihren völkischen Wurzeln entfremdete Hochkultur wieder zu einer Kultur des Volkes zu machen, ging es Haverbeck in erster Linie um eine Wiederbelebung des heimatgebundenen Brauchtums. Galt dieses Rosenberg vor allem als Ausdruck der vermeintlich verschütteten einheitlichen deutschen Volkskultur, so zeigte sich Haverbecks "Reichsbund Volkstum und Heimat" viel eher dazu bereit, die Besonderheiten der einzelnen Regionen anzuerkennen. Ausdruck dafür war beispielsweise die regionale Gliederung des "Reichsbundes" in sogenannte "Heimatgebiete" und "Landschaften", die jeweils einem "Stammesgebiet" entsprechen und der Idee nach die "Träger der praktischen Arbeit" sein sollten. "Auf den Landschaften, wie sie sich ergeben aus Blut und Boden, aus Sprache, Hof und Brauch," so das Mitteilungsblatt Haverbecks, "baut sich die Organisation des ‚Reichsbundes’ auf. Die deutsche Einheit entsteht nicht durch das Verleugnen aller Stammesgebiete und Heimatgebiete, sondern durch ihre Eingliederung derselben in ein Volk und Reich. Aus der Landschaft wächst der Stamm zu Volk und Reich. Es ist die Aufgabe des Nationalsozialismus, alles organisch Gewachsene zusammenzuführen und zusammenzuschweißen in einer Organisation, welche jede Eigenart berücksichtigt und dennoch Ausdruck ist eines einheitlichen, zielbewussten Wollens." Derartige Formulierungen konnte auch die traditionelle Heimatbewegung unterschreiben, da sie ihren Bestand garantierten und weitgehend ihren eigenen Heimat-Vorstellungen entsprachen.

Nachdem einige erzgebirgische NSDAP-Kreisleitungen 1934 begonnen hatten, eigene regionale Identifikationsangebote mit spezifisch nationalsozialistischen Inhalten zu propagieren, griff die sächsische Gauleitung diesen Impuls 1936 mit der "Sachsenaktion" und der Gründung des "Heimatwerks Sachsen" auf. Das Sachsen-Bild, das die Strategen der Sächsischen Staatskanzlei konstruierten, richtete sich vordergründig gegen eine vermeintliche Geringschätzung Sachsens im Reich. Um dieser entgegenzuwirken, porträtierten sie die Sachsen als eine optimale Blutsmischung aller deutschen Stämme, die sich im Zuge der mittelalterlichen Ostkolonisation herausgebildet hatte. "Wohl nirgends wie hier", so das Redner-Material der "Sachsen-Aktion", "finden sich so viele arbeitszähe und stahlharte, fleißige und geistig bewegliche Willensnaturen, die nach der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten auch beschaulich, gemütstief und humorvoll sein können. In ihnen verbindet sich der Heimatsinn eines altüberkommenen deutschen Bluterbes mit der Weit-Sicht des obersächsischen Siedlerstammes und der Kampfhärte des Grenzervolkes. Das Sachsenvolk hat nicht nur die schicksalsreiche tausendjährige Geschichte seiner Grenzlandheimat soldatisch gemeistert, sondern hat sich auch zu werktätigen Schöpfern eines Wirtschafts- und Industriegebietes erster Ordnung durchgerungen. Darüber hinaus geniesst es den Ruf, das Volkstum der grossen Denker und Dichter, der religiösen Grübler und Künstler, nicht zuletzt der genialen Musiker zu sein." Als Idealbild der ohnehin schon idealen Sachsen galten den Vordenkern des "Heimatwerks" die angeblich besonders bodenverwurzelten Bewohner des Erzgebirges, in denen sie bereits die Keime der zukünftigen nationalsozialistischen Volksgemeinschaft zu erkennen glaubten.

Wie Mutschmann und seine Mitstreiter nicht müde wurden zu betonen, ging es ihnen nicht alleine um eine Aufwertung Sachsens, sondern um die Förderung des Heimatstolzes als Grundvoraussetzung des Nationalstolzes. Indem den Sachsen die Leistungen ihres Landes und ihrer Vorfahren bewusst gemacht wurden, sollten sie zum Engagement für ihre engere Heimat und die Politik des Nationalsozialismus im Reich mobilisiert werden. Nutzte die Propaganda des "Heimatwerks" schon in der Verwendung des Heimat-Begriffs die Argumentationsmuster der deutschen Heimatbewegung, so teilte sie auch deren Idealisierung ländlicher Lebensformen und Traditionen. Indem die Bevölkerung sowohl auf dem Land als auch in der Stadt zur Pflege mehr oder minder traditioneller Bräuche angehalten wurde, sollte sie sich ihrer völkischen Wurzeln bewusst werden und damit ganz im Sinne Haverbecks über die Heimatbindung zu Gliedern der neuen deutschen Volksgemeinschaft werden. Ganz gezielt knüpfte die Konzeption des "Heimatwerks" an bekannte Heimat-Stereotypen an, die nun mit explizit nationalsozialistischen Inhalten ausgefüllt wurden.

Nicht nur die Instrumentalisierung der traditionellen Heimat-Vorstellungen durch die Nationalsozialisten, sondern auch ihre weltanschauliche Distanz zu den Anliegen der alten Heimatbewegung ließen die deutschen Kommunisten nach 1945 mit abgrundtiefem Misstrauen auf die regionalen und lokalen Heimatvereine herabblicken. Ihre einseitige Fixierung auf die Sowjetkultur und die Kultur der deutschen Klassik als Ausdruck der nationalen Einheit stellte jede Thematisierung regionalkultureller Besonderheiten zwangsläufig unter den Verdacht des Partikularismus und Revanchismus, die fast automatisch mit der Politik in den Westzonen identifiziert wurden. Erst die zwangsweise Integration der Vereine in die Massenorganisationen seit 1949 zwang die kommunistischen Kulturpolitiker dazu, sich offen mit dem Thema "Heimat" zu beschäftigen.

Konnten sich die Nationalsozialisten in ihrer Volksgemeinschafts-Propaganda auf den traditionellen deutschen Heimat-Begriff berufen, der eine Harmonisierung aller sozialen Gegensätze in der gemeinsamen Besinnung auf die Werte der Heimat verhieß, verlangte der historische Materialismus genau die Überwindung dieses Konzepts, da es den Prämissen des Marxismus-Leninismus zufolge die antagonistischen Klassengegensätze leugnete. An die Stelle der bürgerlichen Heimat-Konzeption sollte daher ein "sozialistischer Heimatbegriff" treten, der Heimatbewusstsein von der Eigentumsordnung abhängig machte. Erst die Enteignung der Junker und Fabrikbesitzer und die Durchsetzung des Volkseigentums in der DDR, so die Argumentation der SED-Vertreter, ermöglichten es der werktätigen Bevölkerung, dass sie von einer eigenen Heimat sprechen konnten. Zur sozialistischen Heimat gehörten dementsprechend nicht nur die zu Idyllen verklärten Naturräume bürgerlicher Heimat-Konstruktionen, sondern von vornherein auch die volkseigenen Betriebe, in denen sich die vom Joch des Kapitalismus befreiten DDR-Bürger am sozialistischen Aufbau beteiligen sollten.

Trotz aller weltanschaulichen Unterschiede erfüllte der sozialistische Heimat-Begriff eine analoge Funktion wie sein nationalsozialistischer Vorgänger. Beide legitimierten nicht nur zentrale politische Ziele wie die NS-Volksgemeinschaft auf der einen und die sozialistische Eigentumsordnung auf der anderen Seite, sondern leiteten daraus auch eine Verpflichtung zum persönlichen Engagement für die jeweilige politische Ordnung und ihre militärische Verteidigung ab. Damit standen sie in der Tradition der seit der Reichsgründung feststellbaren Bestrebungen, die emotionale Verbundenheit mit dem als Heimat definierten Lebensumfeld auf die gesamte Nation zu übertragen, um sie für politische Aufgaben instrumentalisieren zu können.

Der wichtigste Unterschied zwischen nationalsozialistischem und realsozialistischem Heimat-Begriff bestand in der Thematisierung der Region. Während Region und Nation beispielsweise in der Propaganda des "Heimatwerks Sachsen" als komplementäre Bezugsgrößen der Kultur charakterisiert wurden, sorgte die einseitige Orientierung der kommunistischen Kulturpolitiker an der einheitlichen deutschen Nationalkultur dafür, dass die Berechtigung regionaler Prägungen der Kultur zunächst bestritten und der Versuch unternommen wurde, regionalkulturelle Aktivitäten auf den lokalen Rahmen zu beschränken. Das fand beispielsweise darin seinen Niederschlag, dass sich die Arbeit der Natur- und Heimatfreunde in den ersten Jahren nur auf Orts- und Kreisebene entfalten konnte, während die regionalen Anleitungsorgane auf Landes- bzw. Bezirksebene eng in das zentralistische Korsett eingebunden waren. Mit der Einrichtung regionaler Arbeitsgemeinschaften und Heimatzeitschriften seit der Mitte der fünfziger Jahre zeichnete sich aber auch in diesem Punkt ein Wandel ab.

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Im abschließenden Teil soll es um die Frage gehen, wie stark sich die Heimat-Propagandisten beider deutscher Diktaturen mit ihren ideologisch bestimmten Heimat-Konstruktionen durchsetzen konnten und inwieweit es ihnen gelang, die traditionelle Heimatbewegung für ihre Ziele einzuspannen. Nimmt man die Relevanz der Region zum Maßstab, fällt auf, dass sowohl nationalsozialistische als auch kommunistische Kulturpolitiker nicht umhin kamen, deren hohen Stellenwert für die Heimataktivisten anzuerkennen. Genauso wenig wie der "Reichsbund Volkstum und Heimat" seinen zentralistischen Aufbau gegen die Interessen der etablierten Heimatschutzverbände durchzusetzen vermochte, konnten die Kulturbund-Leitungen auf Dauer das Bedürfnis der Natur- und Heimatfreunde-Arbeitsgemeinschaften nach geeigneten regionalen Foren ignorieren. Da die Kulturfunktionäre bei der Propagierung des "sozialistischen Heimatbegriffs" auf deren Mitarbeit angewiesen waren, mussten sie ihnen zumindest zeitweilig Konzessionen machen.

Wie stark die jeweilige Heimat-Propaganda beider Diktaturen von der Bevölkerung rezipiert und akzeptiert wurde, lässt sich nur anhand einzelner Indizien feststellen. Wenn Karl Ditt für Westfalen festgestellt hat, dass die starke Politisierung der Heimatbewegung nach der nationalsozialistischen Machtergreifung von der Bevölkerung mit wachsendem Desinteresse an Heimatveranstaltungen quittiert wurde, so deutet sich ein ähnlicher Befund für Sachsen an. Aufgrund des relativ geringen Einflusses der parteinahen Kulturorganisationen vor 1936 setzte die eigentliche Politisierung erst mit der Gründung des "Heimatwerks Sachsen" ein, das bei weitem nicht die Resonanz fand, die sich seine Initiatoren erhofft hatten. Wenn sie sich in ihren Berichten auch immer wieder ihren Erfolg attestierten, blieben der Absatz der "Heimatwerks"-Publikationen und die Mitgliederzahlen doch weit hinter den Erwartungen zurück. Zum Leidwesen der Sächsischen Staatskanzlei erreichte das "Heimatwerk" trotz massiver Unterstützung von Staat und Partei zu keinem Zeitpunkt den Mitgliederstand des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. Ohne dass sich daraus eindeutige Rückschlüsse auf die Breitenwirkung seiner Propaganda ableiten lassen, fällt doch auf, dass die Gaukulturorganisation gerade dann besonders erfolgreich war, wenn sie beispielsweise bei Ausstellungen oder der Förderung von Volkskunstgruppen auf eine offensichtliche Politisierung verzichtete. Mochten die Strategen des "Heimatwerks" darin auch einen ersten Schritt zur weltanschaulichen Erziehung der Bevölkerung sehen, spricht doch einiges dafür, dass die Adressaten der Propaganda die kulturellen Angebote entsprechend ihren jeweiligen Interessen interpretierten.

Dasselbe lässt sich mit leichten Abstrichen auch für die Natur- und Heimatfreunde-Organisation der DDR sagen. Während diese aufgrund der veränderten strukturellen Voraussetzungen viel größeren Zulauf hatte als das "Heimatwerk", machten sich die Ideologen in den Kulturbund-Leitungen keine Illusionen darüber, wie gering der Einfluss ihrer sozialistischen Heimat-Konstruktion noch Ende der fünfziger Jahre war. Eine Konferenz, die im Juni 1958 eigens zu diesem Thema einberufen wurde, kam zu dem ernüchternden Ergebnis, dass das traditionelle Heimatverständnis nach wie vor in der gesamten werktätigen Bevölkerung dominierte und keine Rede davon sein konnte, dass die Arbeiter aus sozialistischer Heimatliebe an die Werkbänke eilten.

Wenn die organisierten Natur- und Heimatfreunde auf dieser Konferenz als Vorkämpfer des sozialistischen Heimatbegriffs stilisiert wurden, zeugte das von einem stark getrübten Wahrnehmungsvermögen, denn gerade die örtlichen Arbeitsgemeinschaften sperrten sich in der Mehrzahl aller Fälle gegen eine Politisierung ihrer durchweg freiwilligen Arbeit. Nur wenn sie eine Aufgabe selbst für sinnvoll hielten, waren sie auch bereit sich zu engagieren. Auf offensichtliche Bevormundungen reagierten sie oft damit, dass sie ihre Tätigkeit einfach einstellten. Die grundsätzliche Beseitigung des unabhängigen Vereinswesens seit 1949 gab der SED und ihren Massenorganisationen zwar weitreichende Möglichkeiten, in die regionalkulturelle Arbeit einzugreifen und neue Strukturen zu etablieren, aber schon kurz nach der Gründung der Natur- und Heimatfreunde-Organisation mussten ihre Funktionäre feststellen, dass deren lokale Arbeitsgemeinschaften nicht nur die Tradition der Heimatvereine fortsetzten, sondern sich auch genauso eigensinnig verhielten. Trotz finanzieller Abhängigkeit und personeller Eingriffe, trotz zentraler Arbeitspläne, Instruktionen und Kontrollen verteidigten sie ihre verbliebenen Handlungsspielräume mit Zähnen und Klauen.

Im Gegensatz zu ihren einheitssozialistischen Nachfolgern zeigten sich die NS-Kulturpolitiker prinzipiell daran interessiert, die vorhandenen Strukturen für sich arbeiten zu lassen. Sie beschränkten sich daher darauf, die Heimatbewegung in ihre parteinahen Kulturorganisationen zu integrieren, um sie besser kontrollieren und steuern zu können. Solange sie den Heimatvereinen und ihren führenden Köpfen genug Freiräume ließen, ihren eigenen Interessen nachzugehen, zeigten sich diese in fast allen Fällen kooperationsbereit. Für die späten dreißiger Jahre kann man darüber hinaus feststellen, dass der ständige osmotische Druck, dem die Vereine in der ideologischen Umarmung der parteinahen Organisationen ausgesetzt waren, zu ihrer schrittweisen Assimilation an die rassistisch geprägten Kulturvorstellungen der NSDAP führte. Gerade weil den einzelnen Vereinen und in abgeschwächter Form auch den Natur- und Heimatfreunde-Arbeitsgemeinschaften organisatorische Freiräume und Spielräume für eigensinnige Interpretationen ihres Handelns belassen wurden, zeigten sie sich über weite Strecken kooperationsbereit und trugen damit mehr oder weniger bewusst zur sozialen Stabilisierung beider Diktaturen bei.


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