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Anke Fuchs
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags

Ansprache anlässlich einer Kranzniederlegung am Grabe Erich Ollenhauers auf dem Bonner Südfriedhof


Liebe Genossinnen und Genossen,

ich freue mich, dass Ihr alle gekommen seid, Erichs Söhne, Weggefährten, Freundinnen und Freunde Erich Ollenhauers. Wir haben uns hier versammelt, um an seinem Grabe seiner zu gedenken. Heute jährt sich zum 100. Male sein Geburtstag. Die Geschichte der Arbeiterjugend in Weimar und die Nachkriegsgeschichte der deutschen Sozialdemokratie sind ohne Erich Ollenhauer nicht denkbar. In seinem Amt als stellvertretender Parteivorsitzender, in das Erich Ollenhauer auf dem ersten Parteitag der Nachkriegs-SPD in Hannover hineingewählt worden war, bewährte er sich beim Wiederaufbau der Organisation als Parteiarbeiter und Denker.

Für uns verbindet sich mit seinem Namen die Erinnerung an einen Mann des Ausgleichs, der die Einheit und die Kontinuität der SPD über mehr als drei äußerst schwierige Jahrzehnte hinweg verkörperte.

Erichs Name ist untrennbar verbunden mit der Organisierung der Emigranten gegen den Nationalsozialismus, bei der er 1939 zusammen mit Otto Wels den Aufruf der SPD gegen den Krieg entwarf, die Geschlossenheit der Emigrantengruppe bewirkte und somit die Grundlage legte für eine sozialdemokratische Bewegung nach dem Krieg.

Erich Ollenhauer hat nicht nur zeitlebens für seine Grundüberzeugungen gelebt und in der Zeit des Nationalsozialismus dafür

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gelitten, sondern auch früh Grundgedanken für eine Politik im Nachkriegsdeutschland entworfen, die nicht nur die deutsche Sozialdemokratie entscheidend geprägt haben, sondern auch heute noch unverändert Gültigkeit und Aktualität besitzen.

Schon 1942 schrieb er im Londoner Exil über die „Möglichkeiten und Aufgaben einer geeinten sozialistischen Partei nach dem Krieg":

    „Die neue Partei muss festhalten an unseren grundsätzlichen Vorstellungen über den freiheitlichen und demokratischen Charakter einer sozialistischen Partei [...] Die Hitlerdiktatur, die sich das Ziel gesetzt hatte, den Freiheitswillen der Menschen zu vernichten, hat das Verlangen nach persönlicher Freiheit und sozialer Sicherheit, nach Recht und Frieden mit neuer elementarer Kraft erfüllt. Dieses Verlangen wird heute von weiten Kreisen des Volkes über die Arbeiterschaft hinaus geteilt. In dieser Entwicklung liegt die große Chance der neuen Partei. Durch ihre Zielsetzung und durch ihr praktisches Handeln muss sie sich zur Führerin dieser Bewegung machen."

    „Eine sozialistische Partei, die die Schaffung eines Rechtsstaates auf dem Boden einer freiheitlichen Demokratie in Angriff nimmt, wird daher auch auf diesem Gebiet auf die Zustimmung und die Unterstützung von Volksschichten über die Arbeiterschaft hinaus rechnen können."

    Und weiter:

    „Eine zweite dringende Aufgabe ist der engste Kontakt und der Gedankenaustausch mit den Vertretern der sozialistischen Bewegung in den anderen europäischen Ländern. Die engste praktische Verbindung mit der sozialisti-

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    schen Arbeiterbewegung außerhalb Deutschlands wird eine Lebensnotwendigkeit für die neue Bewegung und für das neue Deutschland sein."

Seine damaligen Gedanken, sein Einsatz als Partei- und Fraktionsvorsitzender in der Nachfolge Kurt Schumachers für ein wiedervereintes Deutschland in einem starken, geeinten Europa, seine programmatische Arbeit mit der Vorbereitung des Godesberger Programms 1959 sowie seine wegbereitende Funktion für die Kanzlerschaft Willy Brandts haben entscheidend dazu beigetragen, dass aus der alten Arbeiterpartei die SPD wurde, die sie heute ist: eine moderne linke Volkspartei.

In diesem Sinne wollen wir uns hier am Familiengrab der Ollenhauers vor ihm und auch vor seiner Frau Martha und seiner Schwester Hilde verneigen. Wir werden sein Vermächtnis lebendig halten. Wir sind stolz darauf, in seinem Sinne für die Sozialdemokratie zu arbeiten. Wir bleiben seinen und unseren Grundsätzen verbunden. Unsere Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Solidarität sind beständig und Richtschnur unseres Handelns.

Für mich, als junge Sozialdemokratin, war Erich Ollenhauer ein respektierter und geschätzter Parteivorsitzender. Uns hat sein unermüdliches Wirken für die Partei auch in der Nachkriegszeit beeindruckt. Wir wussten darum und fanden Erich Ollenhauer glaubwürdig. So wie mein Vater, der ein Jahr jünger war, gab es überragende Personen in der Nachkriegszeit. Ich habe lange Kontakt gehalten mit Erichs Schwester Hilde, die in Hamburg wirkte und mir ein Vorbild war. Loyalität, Disziplin, Verlässlichkeit – das waren Erich Ollenhauers Markenzeichen. Sie haben der SPD gut getan.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001

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