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4. Konzeptionen und Theoriemodelle der Gewinn- und Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer - Überblick und kritische Würdigung

Den Investivlohnideen sowie den Gewinn- und Kapitalbeteiligungs- bzw. PEPPER-Modellen liegen ganz unterschiedliche theoretische Konzeptionen zugrunde, die meist vorrangig auf nur eines der eingangs genannten fünf Ziele ausgerichtet sind, während die anderen Ziele entweder gar nicht oder nur in geringem Maße mit geringerer Priorität erreicht werden. Mitunter werden sie auch als untergeordnete Nebenziele angesehen. Manche Konzeptionen geben auch vor, alle Ziele gleichermaßen erreichen zu können. Außerdem beruhen sie meist auf unterschiedlichen und konträren Theorien. Ein Teil der Modelle bezieht sich vorrangig auf das Beschäftigungsziel, andere haben in erster Linie die Vermögensverteilung im Auge. Im folgenden werden sechs verschiedene Investivlohnmodelle und ein Gewinnbeteiligungsmodell (Weitzman) sowie ein Kapitalbeteiligungsmodell (Sinn) kritisch resümiert (vgl. Übersicht). Weitzmans Model] steht für viele ähnliche Lohnflexibilisierungskonzeptionen, wie sie von neoklassischer Seite und auch - ohne theoretischen Hintergrund - von den Arbeitgeberverbänden in Deutschland aus interessenpolitischer Sicht gefordert werden. Wie erwähnt dominiert in den angelsächsischen Ländern das an Weitzman orientierte profit-relaled-pay-System, in Deutschland und teilweise in Frankreich eher die Investivlohnidee mit vorrangig vermögenspolitischer Zielsetzung.

In der Realität gibt es natürlich zahlreiche weitere Beteiligungsmodelle, die hier nicht weiter behandelt werden. Zu erwähnen ist insbesondere die Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter durch Belegschaftsaktien am arbeitgebenden Unternehmen und Belegschaftsübernahmen. Hier können nur ausgewählte konzeptionelle Modelle kritisch erörtert werden.

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4.1 Sechs Investivlohnmodelle

a.) Mit Investivlöhnen die Einkommens- und Produktivvermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer verbessern. Alleiniges Ziel dieser relativ einfachen Konzeption ist, die Produktivvermögensverteilung sowie die Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer zu verbessern. Beschäftigungsziele spielen keine Rolle. Wenn die Arbeitnehmer durch tarifvertragliche oder betriebliche Vereinbarungen, oder auch durch staatliche Anreize veranlaßt werden können, einen größeren Teil ihres Lohns in Kapitalbeteiligungen der arbeitgebenden oder anderer Unternehmen anzulegen, verändert sich schrittweise die Verteilung des Produktivvermögens. Es geht also nicht um die Vermögensverteilung im allgemeinen, sondern ausschließlich um die Produktivvermögens-

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Verteilung. Geht man davon aus, daß die Erträge aus Produktivvermögen langfristig stärker steigen als die Erträge aus anderen Sparvarianten, dann würde auch die Verteilung des laufenden Einkommens beeinflußt. In dieser Konzeption geht es nicht darum, über die normalen Lohnsteigerungen hinaus Investivlöhne durchzusetzen, sondern die Barlöhne, die unverändert wie bisher gebildet werden, in stärkerem Maße für entsprechende Beteiligungen zu verwenden. Folglich müßte die Vermögenspolitik von der allgemeinen Sparförderung mit den verschiedensten Optionen wegkommen und sich ausschließlich (oder weitgehend) auf Produktivvermögensbildung konzentrieren, ebenso die tarifvertraglichen Vereinbarungen. Hinter der Konzeption steht die Einsicht, daß eine grundlegende Veränderung der Einkommens- und Vermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer weder durch expansive Lohnpolitik noch durch andere Maßnahmen der Vermögenspolitik erreicht werden kann, sondern nur durch einen grundlegenden Rollenwechsel; Die Arbeitnehmer müssen sich als Mit-Kapitaleigner verstehen wollen. Ihre bisherige dominante Präferenz für Vermögensbildung in Form von Lebensversicherungen, Wohneigentumsbildung und Banksparen müßte umgekehrt werden. Olaf Sievert kritisiert die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften folgerichtig:

„Für die meisten Arbeitnehmer ist Geldvermögen steuerlich interessanter als Produktivvermögen. Doch sehen muß man auch, daß zu keiner Zeit die Gewerkschaften dafür gewonnen werden konnten, die Arbeitnehmer aus ihrer Lethargie hinsichtlich dieser Frage herauszuführen. Hätten sie das Ziel mit der gleichen Energie zu ihrem eigenen gemacht, wie sie es mit anderen getan haben, der Arbeitszeitverkürzung etwa, die Verteilung des Produktivvermögens in der Bundesrepublik sähe heute anders aus. An der Sparfähigkeit und Sparbereitschaft im ganzen hat es jedenfalls nicht gefehlt. Und die Renditen von Beteiligungstiteln war sehr gut, besser als die von Geldvermögen." (Sievert 1992, S. 24)

In der Tat waren und sind die Präferenzen der Mehrzahl der Arbeitnehmer andere. Nach wie vor werden die Risiken der Anlage in Produktivvermögen gescheut, und ob die Renditen tatsächlich langfristig das höhere Risiko aufwiegen, erschient vielen unsicher. Daß von dieser Variante der Investivlöhne tatsächlich ein Beitrag zur Beschäftigungsstabilisierung bzw. zu steigender Beschäftigung ausgeht, wird von vielen Protagonisten als Nebenziel erwartet (auch von Sievert), jedoch wird dieser Konnex von den Gewerkschaften zu Recht kritisch beurteilt.

Ob durch die Investivlöhne die Sparquote der Arbeitnehmer steigt oder konstant bleibt (weil nur eine Sparform durch eine andere ersetzt wird), bleibt offen. Steigt die Sparquote (und sinkt spiegelbildlich die Konsumquote), so werden keine negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen befürchtet.

b.) Mit Investivlöhnen zu mehr Investitionen, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung: Die Variante geht über a.) hinaus, da ein Wachstums- und beschäftigungssteigernder Anstieg der Sparquote infolge von Investivlöhnen erwartet wird. Wenn durch eine bestimmte Art der Beeinflussung der Lohnverwendung die Sparquote der Arbeitnehmer steigt, also der Anteil des Konsums der Arbeitnehmer sinkt, kommt es - dieser Konzeption zufolge - zu höherem gesamtwirtschaftlichem Sparen, das automatisch zu entsprechend größeren Investitionen führt. Die Investitionstä-

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tigkeit wird als Reflex des Sparens begriffen. Die Investitionsquote steigt also mit der Sparquote. In dieser Sichtweise werden Investitionen durch die Größe des Sparens begrenzt, wenn zuwenig investiert wird, ist dies mithin Folge einer zu hohen Konsumquote Bei konstantem Kapitalkoeffizienten sind steigende Investitionen mit höherem Wirtschaftswachstum verbunden, und dieses führt in der Regel zu höherer Beschäftigung. Die Investivlöhne verändern in dieser Sichtweise nicht die funktionale Einkommensverteilung, denn die Lohnquote bleibt unverändert, Allerdings erhalten die Arbeitnehmer mit zunehmender Vermögensbildung, gleich ob es sich um Geldsparen oder Produktivvermögensbeteiligungen handelt, mehr Vermögenseinkommen, so daß sich die personelle Einkommensverteilung mit der Zeit zugunsten der Arbeitnehmer verschiebt, ebenso wie die Vermögensverteilung. Drei Ziele sollen auf einen Schlag erreicht werden: Beschäftigung, Vermögens- und Einkommensverteilung

Dieser Konzeption liegt eine simple Topf- oder Quellentheorie des Sparens (Stützel) zugrunde: Nur das, was zuvor gespart wurde, kann investiert werden. Das Sparen selbst ist nicht von der Einkommenshöhe und der Kapitalbildung abhängig, sondern allein von der Art der Einkommensverwendung. Der Zins ist demnach vom laufenden Sparen abhängig, und die Investitionen werden von der Höhe des Zinssatzes gesteuert. Für die Investitionen ist die Güternachfrage unbedeutend, allein das Sparangebot ist entscheidend. Aus kreislauftheoretischer Sicht bestimmt dagegen die Art der Güterverwendung, insbesondere die Höhe der Investitionstätigkeit, die Höhe des Sparens (vgl. u.a. Oberhauser 1996) Durch Investivlöhne gesteigertes Sparen der Arbeitnehmer kann - so ist entgegenzuhalten - durchaus zu vermindertem privaten Konsum und dadurch beeinträchtigter Investitionsgütemachfrage führen, wodurch des weiteren auch die Gewinne und das Sparen aus Gewinnen vermindert werden. Investivlöhne der hier geschilderten Art müssen also keineswegs zwangsläufig mehr Investitionen und mehr Beschäftigung zur Folge haben. Entscheidend sind vielmehr die verschiedenen Determinanten der Güternachfrage. Dem Modell liegen einfache klassische und neoklassische Annahmen zugrunde [Fn 5: Allerdings entspricht die Annahme eines konstanten Kapitalkoeffizienten nicht der neoklassischen Sicht.]

c.) Mit zusätzlichem Sparen der Arbeitnehmer die Einkommen- und Vermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer verbessern (Kreislauftheorie der Verteilung): Diese Konzeption beruht auf der postkeynesianischen Kreislauftheorie der Verteilung (vgl Bartmann 1981, S. 135 ff). Das Ziel dieses Modells ist es nicht, Investitionen und Beschäftigung wie im Modell a.) zu steigern, sondern allein die Einkommens- und Vermögensverteilung Wachstums- und inflationsneutral zugunsten der Arbeitnehmer zu beeinflussen.

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In einem einfachen Modell läßt sich zeigen, daß die gesamtwirtschaftliche Gewinnsumme (Q) definitorisch (und damit zu jedem Zeitpunkt) von der Stärke der Gütemachfrage abhängt, also von der Investitionsgütemachfrage (I), dem Unternehmerkonsum (Cq), dem Budgetdefizit des Staates (G-T) und dem Saldo der Handelsbilanz (Ex-Im), abzüglich des Sparens der Arbeitnehmer (Sw) [Fn 6: Die Gleichungen sind aus der Verwendung bzw. Verteilung des Sozialproduktes abgeleitet: Y=C+I+G+ Ex-Im und Y = W + Q + T. W ist die volkswirtschaftliche Lohnsumme, T sind die Steuern, G die Staatsausgaben, Ex die Exporte, Im die Importe.]:

Q = I + Cq + G-T + Ex-Im - Sw.

Für die Gewinnquote (Gewinne Q geteilt durch das Sozialprodukt Y) gilt also:

Q/Y = (I + CQ)/Y + (G-T)/Y + (Ex-Im)/Y - Sw/Y

Gemäß dieser Kreislaufbetrachtung gilt mit Kaldor und Kalecki: „Die Unternehmer verdienen, was sie ausgeben, die Arbeiter geben aus, was sie einnehmen." Klassischerweise ging man von einem sehr geringen Arbeitnehmersparen aus.

Ein höheres Sparen der Arbeitnehmer (Sw) senkt ceteris paribus die Gewinnquote der Unternehmer und steigert die Lohnquote. Freilich könnten das Sozialprodukt und die Beschäftigung auch wegen geringerer konsumtiver Nachfrage der Arbeitnehmer sinken. In der verteilungs- und vermögenspolitischen Diskussion ging man davon aus, daß eine für die Arbeitnehmer günstigere Einkommensverteilung durch expansive Nominallohnpolitik (die Nominallohnzuwächse liegen über den Produktivitätssteigerungen) nicht erreichbar ist, da die Unternehmen die über den Produktivitätsanstieg hinausgehenden Lohnzuwächse in die Preise überwälzen können. Dies führt nicht nur zu Inflation, sondern unvermeidlich auch zu restriktiver Geldpolitik, die Wachstums- und beschäftigungsmindernd wirkt. Werden jedoch Investivlohnkomponenten über die produktivitätsorientierten Barlohnzuwächse hinaus vereinbart, so daß sich das Arbeitnehmersparen entsprechend erhöht, gelingt die Lohnkostenüberwälzung nicht. Diese Investivlöhne sind inflationsneutral. Die Güternachfrage und damit die güterwirtschaftlichen Ansprüche an das Sozialprodukt bleiben konstant, jedoch finanzieren die Unternehmen nun einen größeren Anteil ihrer Investitionen mit den Ersparnissen der Arbeitnehmer. Die entscheidende Frage ist, ob die aus den höheren Lohnkosten resultierenden niedrigeren Renditen der Unternehmen zu geringeren Investitionen führen werden. Hier liegt ein Risiko (vgl Molitor 1988, S. 291). Bleiben die Investitionen konstant, verändert sich die funktionelle Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer, und wegen der Vermögensbildung der Arbeitnehmer auch die personelle Einkommensverteilung (Gewinneinkommen der Arbeitnehmer) wie auch die Vermögensverteilung.

Die Konzeption ist kreislauftheoretisch schlüssig Das entscheidende Problem liegt bei der Unsicherheit hinsichtlich der Investitionsdeterminanten; bei stark rendite- und weniger absatzabhängigen Investitionen kommt es zu verringertem Wirtschaftswachstum und niedrigerem Beschäftigungsstand, während die Lohnquote steigt. Überdies existieren natürlich bei dieser Art der Investivlohnpolitik politische Durchsetzungsprobleme, insbesondere in Phasen hoher Arbeitslosigkeit.

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Es erscheint wenig realistisch, daß die Arbeitnehmer jetzt Tarifvereinbarungen, die über den Produktivitätszuwachs hinausgehen, durchsetzen können.

d.) Kapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer statt Barlohn bei regionalen und sektoralen Strukturkrisen. Nach diesem Modell, das nicht makroökonomisch, sondern auf einzelne sanierungsbedürftige Unternehmen, Branchen oder Regionen ausgerichtet ist, werden die Barlöhne abgesenkt oder es wird auf produktivitätsorientientierte Lohnzuwächse verzichtet, da von zu niedrigen Unternehmensgewinnen in den „strukturkriselnden" Bereichen ausgegangen wird Statt dessen werden den Arbeitnehmern betriebliche oder überbetriebliche Kapitalbeteiligungen an speziellen Investitionsfonds eingeräumt (Priewe 1997a und 1997b, Thüringer Staatskanzlei 1998)). Mit Hilfe der Arbeitnehmer-Kapitalbeteiligungen bzw. der Investitionsfonds werden an mangelndem Sach- und Eigenkapital leidenden Unternehmen Kapitalhilfen (als zusätzliches Eigenkapital oder als Arbeitnehmer-Darlehen) gewährt. Die Hilfen können u. U. an bestimmte Auflagen gekoppelt werden (z.B. verändertes Management). Vorausgesetzt wird, daß private Investoren nicht bereit sind, sich an den Unternehmensrisiken zu beteiligen, daß Banken bei der Fremdkapitalfinanzierung zögerlich sind (Kreditrationierung, bereits zu hoher Fremdkapitalanteil) und keine adäquaten staatlichen Kapitalbeteiligungshilfen bestehen. Eine rein betriebliche Lösung wird bei sanierungsbedürftigen Unternehmen kaum hinreichend Kapital mobilisieren können, so daß überbetriebliche Fonds notwendig sind. Diese Fonds orientieren sich nicht an renditebezogenen Anlagen, sondern beteiligen sich an sanierungswürdigen Unternehmen Im Gegensatz zu a) und b.) handelt es sich um eine recht spezielle Konstellation, die vor allem in Ostdeutschland vorliegt. Käme es zu einem entsprechenden Arrangement, ergäbe sich eine Stärkung der Investitionskraft, eine Modernisierung und Erweiterung des Kapitalstocks mit der Folge einer höheren regionalen Wettbewerbsfähigkeit und einer stärkeren regionalen Exportbasis. Dadurch könnte die Beschäftigung in den strukturgefährdeten Bereichen stabilisiert werden. Es wird jedoch nicht angenommen, daß dadurch automatisch auch die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung steigt.

Investivlöhne sind Löhne und damit Kosten für die Unternehmen, jedoch Kosten besonderer Art. In entwicklungsfähigen Unternehmen, die noch die hohen Lohnkosten nicht zu tragen imstande sind, geben die Arbeitnehmer ihren Unternehmen Kredit:

„Der geforderte Lohn ist hier auf die Dauer durchaus tragbar. Aber er wird vorläufig noch nicht erwirtschaftet, muß also selbst durch Kredite finanziert werden - bei oftmals viel zu engen Finanzierungsspielräumen. Dies ist ein Musterfall für das Investivlohnkonzept. Arbeitnehmer kreditieren ihren Unternehmen Löhne, die noch nicht erwirtschaftet werden, bis sie erwirtschaftet werden. Und es ist kein Fall, der ausnahmsweise vorkommt." (Sievert 1992, S. 20 f.)

e.) Investive überbetriebliche renditeorientierte Erfolgsbeteiligungen - der Vorschlag der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Die Industriegewerkschaft BAU lehnt Investivlöhne und Mitarbeiterbeteiligungen auf betrieblicher Ebene ab und fordert statt dessen ein Tariffondsmodell (IG BAU 1997). Demnach wurden die Arbeitgeber der Branche zusätzlich zum bisherigen

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tariflichen Barlohn einen bestimmten Prozentanteil (z.B. 1,5 oder 2 %) der Nettowertschöpfung des Unternehmens in einen eigens gegründeten Tariffonds einzahlen. Als Bezugsgröße wird die Nettowertschöpfung verwendet, um die Probleme der Gewinnermittlung zu umgehen. Der Fonds wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verwaltet und legt die Mittel renditeorientiert, aber überwiegend in der Branche an. Die Arbeitnehmer werden an dem Fonds beteiligt, wobei eine Sperrfrist von mindestens 7 Jahren gelten soll. In leicht modifizierten Varianten zahlen die Arbeitnehmer aus ihrem Barlohn die gleiche Summe, die die Arbeitgeber als Investivlohn einzahlen. Der Tariffonds soll nach den Vorschriften des Investmentgesetzes gegründet werden und damit unter öffentlicher Aufsicht stehen. Ersatzweise sei auch der Rückgriff auf bestehende Kapitalanlagegesellschaften möglich (Schutt 1998, S. 87). Tariffonds sollen gegenüber betrieblichen Mitarbeiterbeteiligungen vorgezogen werden, weil die Mehrheit der Arbeitgeber dies ablehnt und zudem Probleme des doppelten Risikos für Arbeitnehmer (Verlust von Arbeitsplatz und Beteiligung) vermieden werden können. Der Gewerkschaft schwebt eine Anlagepolitik der Fonds vor, wonach etwa maximal 30 % in einem Immobiliensondervermögen angelegt werden und 70 % in einem Beteiligungssondervermögen. Letzteres kann sowohl in der Baubranche als auch branchenfremd angelegt werden; auch betriebliche Beteiligungen, z.B. in Form stiller Beteiligungen, seien denkbar, so daß es nicht zum Abfluß betrieblichen Kapitals kommen muß (Schutt 1998, S. 89).

Dieses Modell krankt an einigen Schwächen bzw. Unklarheiten: Sollen die Investivlöhne seitens der Unternehmen zusätzlich zum produktivitätsorientierten Barlohn gezahlt werden, zeigen sich die unter b.) dargestellten Rendite- und Durchsetzungsprobleme. Gehen sie zulasten des Barlohns, ist in Abhängigkeit vom Sparverhalten eventuell mit schwächerer konsumtiver Nachfrage zu rechnen Wenn der Tariffonds renditeorientiert und nicht branchenorientiert bzw. strukturpolitisch gezielt handeln soll, ist nicht einzusehen, warum nicht auf existierende Fonds zurückgegriffen werden sollte. Soll jedoch vorrangig strukturpolitisch gehandelt werden, können sich Zielkonflikte mit dem Wunsch nach renditeorientiertem Sparen ergeben.

f.) Arbeitnehmerfinanzierte steuerbegünstigte Investivlöhne zur Altersvorsorge. Diese Variante ist eine spezifische Ausformung von Konzeption a.). Eine im Auftrag des Hessischen Minsterpräsidenten eingesetzte Arbeitsgruppe „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand" hat kürzlich einen Investivlohnvorschlag erarbeitet, der zu einer zusätzlichen Altersvorsorge der Arbeitnehmer durch Produktiwermögensbildung führen soll (Rürup/Dornbach 1996, Eichel u.a. 1997). Ausgangsüberlegung ist, daß nur überbetriebliche Lösungen zu einer nennenswerten Beteiligung größerer Teile der Arbeitnehmer am Produktivvermögen führen können. Eine zusätzlich zum Barlohn erfolgende tarifliche Investivlohnregelung nach dem Muster der IG BAU wird für illusorisch gehalten, da nicht durchsetzbar. Statt dessen wird vorgeschlagen, daß die Arbeitnehmer einer Branche einen vereinbarten Teil der Lohnsteigerung an einen Tariffonds abführen können (ohne Verpflichtung). Der Investivlohn wird also voll vom Arbeitnehmer finanziert. Die Mittel werden an regionale Pensions-Sondervermögen abgeführt. Um Anreize zum Sparen zu geben, sollen die Investivlöhne Steuer- und sozialabgabenfrei sein. Der von den Arbeitgebern eingesparte Anteil zur

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Sozialversicherung könnte zur Begleichung der Lohnsteuerpauschale verwendet werden. Auch könnte im Tarifvertrag vereinbart werden, daß die Arbeitgeber zusätzliche Leistungen einzahlen Die Pensions-Sondervermögen handeln ausschließlich renditeorientiert, Struktur- und branchenpolitische Ziele werden nicht verfolgt Es handelt sich um Investmentfonds mit einer Zweckbindung der Anlage für die Altersvorsorge; derzeit schreiben die gesetzlichen Regelungen eine Anlagebeschränkung auf maximal 80 % in Aktien und maximal 20 % in offene Immobilienfonds vor. Vor dem 60. Lebensjahr ist eine Auflösung des Sparvermögens nicht zulässig. Steuerlich sollen die Pensions-Sondervermögen den Direkt-Lebensversicherungen gleichgestellt werden.

Bei Verzicht auf eine Barlohnerhöhung in Höhe von real DM 60,- im Monat (1,5 % eines durchschnittlichen Bruttolohns von DM 4.000) und einer angenommenen Aufstockung des Barlohnverzichts um jeweils DM 60,- alle 5 Jahre wird nach 40 Jahren bei einer Realverzinsung von 3 % ein Vermögen von etwa 200.000 DM erreicht. Dies ermöglicht einer Rente von DM 1.000 für 23 Jahre oder - bei Erhalt des Vermögenswertes (zwecks Vererbung) - monatliche Zinseinkünfte von DM 500.

Das Modell führt zu erheblichen Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialabgaben, die durch Minderausgaben oder Steuer- bzw. Abgabenerhöhungen gegenfinanziert werden müssen. Ob es zu zusätzlichem Sparen kommt oder nur zu einer Umstrukturierung des bisherigen Sparvolumens, ist schwer abschätzbar. Wird zusätzlich gespart, muß mit makroökonomischen kontraktiven Wirkungen beim privaten Konsum gerechnet werden. Insgesamt sind die makroökonomischen Auswirkungen im Falle einer flächendeckenden Durchsetzung dieses Modells ausgeklammert worden. Da die Sparsumme jedoch über längere Zeiträume erheblich ansteigt und sich ein gesamtwirtschaftlich gesehen sehr hoher Kapitalstock ergäbe, wenn entsprechend dem Sparen mehr investiert würde, wird man die makroökonomischen Wirkungen nicht vernachlässigen dürfen. Bei einer flächendeckenden Verbreitung ist mit einer starken Nachfragesteigerung nach Finanztiteln zu rechnen, wodurch eine starke Erhöhung des Kursniveaus einträte, die mit den „fundamentalen" Daten der Anlagen nur noch wenig zu tun hätte Dies würde nicht nur die Unsicherheit über die längerfristige Kursentwicklung steigern, sondern im Falle anhaltender Kurssteigerungen auch die sonstigen Geldvermögensbesitzer begünstigen.

Hält man die Auswirkungen jedoch für nicht sehr bedeutend, dann läßt sich eine durchaus relevante Steigerung der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand in Verbindung mit zusätzlicher Altersvorsorge durchsetzen. Tarifpolitisch erscheint das Modell leichter durchsetzbar als die meisten anderen, jedoch bedarf es erheblicher steuerpolitischer Förderung. Insgesamt ist es ein Modell eines stärkeren Gewichts eines auf Kapitaldeckung gestützten Altersvorsorgesystems im Verhältnis zum beitragsgestützten Rentensystem

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4.2 Lohnflexibilisierung: Der Weitzman-Plan - „blueprint" für Gewinnbeteiligungssysteme

Wie der Ländervergleich gezeigt hat, steht die Vermögenspolitik für Arbeitnehmer immer weniger im Vordergrund der Überlegungen, sondern das Ziel der Flexibilisierung oder „Variabilisierung" der Löhne, indem von dem traditionellen Festlohnsystem zugunsten gewinnabhängiger Löhne

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abgegangen wird. Dabei steht seit vielen Jahren das theoretische Modell von Weitzman im Zentrum der Diskussion. Es soll hier ausführlich vorgestellt und kritisch gewürdigt werden. Daneben gibt es praktische, nicht aus theoretischen Modellen abgeleitete Vorschläge für gewinnabhängige betriebsbezogene Lohnbildung, wie sie vor allem von den deutschen Arbeitgeberverbänden in die Diskussion gebracht werden. Sie haben zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit Weitzmans Ideen, jedoch folgen sie nicht Weitzmans weitreichenden Ansprüchen und Zielen. Vielmehr resultieren sie aus unternehmensbezogenen Zielen und Interessen. Wir konzentrieren uns hier auf Weitzmans Modell.

In den 80er Jahren hat Weitzman international viel beachtete Vorschläge zur Ablösung des bislang dominanten Lohnsystems mit festen erfolgsunabhängigen Tariflöhnen durch ein Beteiligungsmodell (share economy) unterbreitet (Weitzman 1982, 1985 und 1987) Demnach erhalten Arbeitnehmer einen festen Grundlohn und einen Umsatz- oder gewinnabhängigen Gewinnanteil. Man könnte auch von einem erfolgsabhängigen Lohnanteil sprechen. Weitzman versteht seine Idee als entscheidenden Paradigmenwechsel in der Theorieentwicklung seit Keynes und als geradezu revolutionäre Veränderung des Kapitalismus. Das von ihm vorgeschlagene System soll jederzeit Vollbeschäftigung gewährleisten. Outputschwankungen, also Rezessionen, vermeiden oder stark lindern, Stagflation bekämpfen, Entfremdung der Arbeitnehmer in der Arbeitswelt abbauen und damit die Arbeitsbedingungen humanisieren, die Arbeitsmotivation der Arbeitnehmer und schließlich auch das Produktivitätswachstum stimulieren. Weitzman erwartet grundlegende Veränderungen in der Realität des modernen Kapitalismus. Seine einfache Grundidee in Verbindung mit seiner sozialreformerischen Botschaft haben ihm soviel internationale Resonanz verschafft, daß die Formel der Gewinnbeteiligung bei vielen Wissenschaftlern, Interessenvertretern und Politikern ganz unterschiedlicher Couleur Anklang fand. Weitzmans Vorschläge sind der wesentliche theoretische Rückhalt für die Empfehlungen der EU zur Verbreitung von PEPPER-Systemen. Daher sollen sie hier ausführlich und kritisch gewürdigt werden.

Weitzmans Kritik des starren Lohnsystems

Weitzman geht in seiner Modellanalyse von der Dominanz monopolistischer Konkurrenz aus: Durch Produktdifferenzierung erlangen die Unternehmen eine vorübergehende quasi-monopolistische Situation. Die Unternehmen sind nicht Preisnehmer, die den Wettbewerbspreis nicht beeinflussen können, sondern wie Monopole Preisfixierer. Durch Preissenkung kann ein Unternehmen seinen Absatz und seine Beschäftigung ausdehnen, wenn dies aufgrund des Verlaufs der Grenzkosten und der durch die Preiselastizität der Nachfrage bestimmten Durchschnitts- und Grenzerlöskurve gewinnsteigernd wirkt. Realistischerweise - und im Gegensatz zu den üblichen neoklassischen Annahmen - unterstellt Weitzman im traditionellen Lohnsystem (mit festen Tariflöhnen) konstante Grenzkosten und konstante Grenzproduktivität der Arbeitskräfte. Die Erhöhung des Outputs um eine Einheit erfordert also konstante Zusatzkosten, und das Grenzwertprodukt einer zusätzlich beschäftigten Einheit Arbeit ist ebenfalls konstant, soweit der Preis des erzeugten Gutes unverändert bleibt. Um jedoch bei monopolistischer Konkurrenz die Outputmenge zu erhöhen und diese auch absetzen zu können, muß der Preis des Gutes sinken, so daß in diesem

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Fall auch das Grenzwertprodukt der Arbeit abnimmt Bei festen Tariflöhnen haben die Unternehmen keinen Anreiz, Produktion und Beschäftigung auszudehnen. Verschlechtert sich bei einem externen Schock die Absatzlage, werden die Unternehmen Arbeitskräfte entlassen, und solange der Lohn nicht sinkt oder die nachgefragte Gütermenge infolge positiver externer Schocks nicht wieder ansteigt, entsteht anhaltende Arbeitslosigkeit. Weitzman geht von starren Nominallöhnen aus, zumindest während der Laufzeit der Tarifverträge. Dadurch werde die Anpassungsfähigkeit des Marktsystems hinsichtlich externer Schocks gestört, so daß kein Mechanismus zur Verhinderung von unerwünschten Mengenanpassungen bei Output und Beschäftigung existiert Die Unternehmen haben keinen Anreiz, die Entlassungen zu vermeiden, und die beschäftigten Arbeitnehmer, die Insider, bleiben von den Absatzproblemen unbehelligt, so daß die Anpassungslasten allein den Arbeitslosen zugeschoben werden.

Das Beteiligungssystem

Wird das traditionelle Festlohnsystem durch das sog. Beteiligungssystem abgelöst, dann vereinbaren die Unternehmen - im Idealfall alle Unternehmen - per Vertrag mit den Gewerkschaften für einen bestimmten Zeitraum einen festen Grundlohn und einen Erfolgslohn, der ein fester, vorab vereinbarter Anteil am Umsatz oder Gewinn je Beschäftigten ist. Ob der Umsatz oder der Gewinn je Arbeitnehmer als Bezugsgröße genommen wird, ist für Weitzman eine nebensächliche, pragmatisch zu entscheidende eher technische Frage. Grundlohn und Gewinnanteil werden für jeden Betrieb spezifisch festgelegt. Mithin gibt es keinen Flächentarifvertrag, der die Grundlöhne und den Gewinnanteil brancheneinheitlich festlegt. Die Unternehmen erklären sich also bereit, den Gewinn mit der Belegschaft nach einem vereinbarten Schlüssel zu teilen. Im Gleichgewichtsfall ist der Gesamtlohn des einzelnen Arbeitnehmers genauso hoch wie im Festlohnsystem, er setzt sich nur aus den beiden Bestandteilen zusammen. Will das Unternehmen mehr absetzen, muß es den Preis senken, so daß der Umsatz bzw. Gewinn je Beschäftigten geringer ausfällt. Der erfolgsabhängige Lohnbestandteil wird also bei einer Erhöhung des Outputs und bei der dafür erforderlichen Neueinstellung zusätzlicher Arbeitskräfte sinken. Der Gesamtlohn pro Arbeitnehmer sinkt bei vergrößerter Belegschaft. Als Grenzkosten der Arbeit kalkuliert das Unternehmen nur den Grundlohn, da der variable Lohnbestandteil zunächst unbekannt ist. Dies ist eine wichtige, vielfach kritisierte Prämisse in Weitzmans Modell. Solange der Grenzumsatz, der sich aus der Outputerhöhung um eine Einheit bei niedrigerem Preis ergibt, größer als die Grenzkosten der Arbeit - also der Grundlohn - ist, rechnet sich die Beschäftigungssteigerung für das Unternehmen. Die durchschnittlichen Arbeitskosten je Arbeitnehmer sinken bei gesteigerter Beschäftigung immer weiter, da der erfolgsabhängige Lohnbestandteil immer kleiner wird. Unter den Grundlohn kann der Durchschnittslohn des Arbeitnehmers jedoch nicht sinken. An diesem Punkt ist in Weitzmans System Vollbeschäftigung längst erreicht. Die Unternehmen haben ein Interesse an Vollbeschäftigung, da das Beteiligungssystem sinkende Grenzkosten der Arbeit (Grundlohn plus sinkender variabler Lohn) garantiert, und selbst bei Vollbeschäftigung haben die Unternehmen noch eine Überschußnachfrage nach Arbeit. Vollbeschäftigung - oder die Annäherung an Vollbeschäftigung - wirkt nicht inflationär, weil die Lohnkosten je Arbeitnehmer sinken. Überdies sind die Unternehmen

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motiviert, ständig nach Arbeitnehmern zwecks Einstellung zu suchen und diese auch in der Firma zu halten. Mithin haben die Unternehmen ein Interesse daran, die Arbeitsbedingungen attraktiv zu gestalten. Die beschäftigten Arbeitnehmer stehen sich zwar nominal schlechter, wenn die Beschäftigung erhöht wird, jedoch steigen die erfolgsabhängigen Löhne, wenn sich Umsatz und Gewinn der Firma verbessern. So haben die Arbeitnehmer produktivitätsstimulierende Lohnanreize, die nicht inflationär wirken. Allseits, so scheint es, sind die Anreize für Unternehmen und Arbeiter im Vergleich zum Festlohnsystem richtig gesetzt.

Formen oder Vorformen erfolgsabhängiger, richtungsweisender Entlohnung sieht Weitzman bei Handelsvertretern, die auf Provisionsbasis bezahlt werden, bei Illustriertenverkäufern, die einen Umsatzanteil erhalten, beim Trinkgeld der Restaurantbedienung, bei am eigenen Unternehmen mit Aktienanteilen beteiligten Arbeitnehmern, bei landwirtschaftlichen Arbeitskräften, die teilweise in Naturalien entlohnt werden etc.. In größerem Stil realisiert sieht Weitzman seine Idee in Japan, wo - nach seiner Meinung - ergebnisabhängige Entlohnung weit verbreitet ist. Das soziologische Bild des Arbeitnehmers, das ihm vorschwebt, ist mehr das eines „abhängigen Halbunternehmers" oder auch eines „Scheinselbständigen" als das eines traditionellen, risikoaversen und soziale Sicherheit anstrebenden Arbeiters, dessen Einkommen zu klein ist, um vorübergehende Einbußen zu verkraften oder hinreichende Sparrücklagen zu bilden Es ist aber nicht Ludwig Erhards Vision einer „Gesellschaft von Teilhabern", da Weitzman nicht für Kapitalbeteiligungen votiert.

Kritische Würdigung

Weitzman verwendet ein eigenwilliges theoretisches Referenzmodell. Im Kern ist es ein gesamtwirtschaftliches IS-LM-Modell mit Realkasseneffekten [Fn 7: Das IS-LM ist ein standardkeynesianisches makroökonomisches Modell, das in starkem Maße an neoklassische Vorstellungen angenähert ist und keynesianische Situationen nur als Ausnahmetatbestände bei starren Löhnen und Zinsen ansieht. In dem Modell wird ein gesamtwirtschaftliches simultanes Gleichgewicht auf dem Gütermarkt (Investitionen I sind gleich dem Sparen S), auf dem Geldmarkt (Geldangebot M ist der Geldnachfrage L gleich) und auf dem Arbeitsmarkt dargestellt. Unter Realkasseneffekten wird die Wirkung des aufgrund von Nominallohnsenkungen sinkenden Preisniveaus auf die Kassenhaltung der Wirtschaftssubjekte verstanden. Das Modell wird in jedem gangigen Lehrbuch dargestellt, vgl. etwa Felderer/Homburg 1994, S. 131 ff.] in Verbindung mit monopolistischem Wettbewerb auf den Gütermärkten [Fn 8: Vgl. Weitzman 1985, S. 938 ff.].
Dieses Modell hat überwiegend neoklassische Färbung und nimmt keynesianisches Gedankengut nur rudimentär auf. Daher läßt sich auch mit einfachen keynesianischen Argumenten verdeutlichen, daß die Grundannahmen bei Weitzman und die entscheidenden Schlußfolgerungen nicht haltbar sind (vgl. zur Kritik insbesondere Rothschild 1986-87 und 1989, aus empirischer Sicht Hübler 1997, Layard et al. 1991).

Weitzman will mit seiner share economy vorübergehende keynesianische, unfreiwillige Arbeitslosigkeit infolge widriger Nachfrageschocks vermeiden. Darunter wird gemeinhin jene Arbeitslosigkeit verstanden, die durch mangelnde effektive Nachfrage auf den Gütermärkten bedingt ist. Für Weitzman stammt dieser Nachfragemangel aus starren Nominallöhnen. Würden die Nominallöhne freiwillig gesenkt, sofern unfreiwillige Arbeitslosigkeit besteht, dann würden die Unternehmen die

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Preise senken, um mehr Output abzusetzen. Die Reallöhne würden also nur in dem Fall sinken, wenn die Preise schwächer als die Löhne zurückgehen. Wie stark die Preise sinken, hängt in seinem Modell von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Geht man davon aus, daß die Reallöhne mehr oder minder konstant bleiben, dann wird deutlich, daß bei Weitzman die Arbeitsnachfrage der Unternehmen offenbar nicht wie in der Neoklassik von der Höhe der Reallöhne abhängig ist.

Vielmehr liegt Weitzmans Modell eine (Güter-)Nachfragefunktion zugrunde, die im Kern von der von der Zentralbank konstant gehaltenen Geldmenge und dem Preisniveau abhängt, also von der realen Geldmenge (M/p, wenn M die Geldmenge und p der Index des Preisniveaus ist) [Fn 9: In seinem Buch The Share Economy (in deutscher Obersetzung: Weitzman 1987) wird die zugrunde liegende Nachfragefunktion nicht einmal erwähnt, sondern schlicht von der mikroökonomischen Nachfragefunktion eines monopolistischen Anbieters auf einen gleichartigen makroökonomischen Zusammenhang geschlossen. Vgl. die theoretisch ergiebigere Darstellung in Weitzman 1982 und 1985. Kritisch zu diesem Punkt äußert sich Rothschild 1986-87, S. 208.]
Senken die Unternehmen die Preise, um mehr Güter absetzen zu können, sinkt in der Gesamtwirtschaft das Preisniveau, so daß Deflation entsteht, wodurch die reale Geldmenge, also die Realkasse der Wirtschaftssubjekte, steigt und die makroökonomische Güternachfrage zunimmt. Üblicherweise werden diese Realkasseneffekte als Pigou-Effekt und als Keynes-Effekt bezeichnet: im ersten Fall führt die steigende Realkasse zu steigenden Konsumausgaben, im zweiten Fall zu sinkenden nominalen Zinsen und steigenden Investitionen. Es besteht weitgehende Einigkeit, daß beide Effekte so unsicher sind, da sie von einer Vielzahl unrealistischer Bedingungen abhängen, daß auf ihre Wirkung realiter nicht vertraut werden sollte. Außerdem spricht einiges dafür, daß Deflation kontraproduktiv, nämlich nachfragevermindernd wirkt, weil entgegen dem Keynes-Effekt die Realzinsen steigen (und die Investitionen sinken) und weil die Erwartungen der Unternehmen verunsichert werden. Im allgemeinen herrscht weitgehender Konsens, daß Deflation nicht minder problematisch als Inflation ist. Weitzman diskutiert diese Fragen überhaupt nicht, weil er offenbar in dem traditionellen IS-LM-Modell der neoklassischen Synthese befangen ist, das sich der Realkasseneffekte bedient, um nachzuweisen, daß Lohnsenkungen bei Unterbeschäftigung letztlich doch wieder zu einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung führen.

Allerdings muß man Weitzman zugute halten, daß er von einer Situation der Stagflation ausgeht, der die meisten Ökonomen, insbesondere aus dem keynesianischen Lager, recht hilflos gegenüber standen. In solchen Situationen haben wir es mit Lohn-Preis- oder Preis-Lohn-Spiralen und ungebrochenen Inflationserwartungen zu tun, was zu einem schwer zu durchbrechenden Teufelskreis führt. In solchen Konstellationen können Nominallohnsenkungen (unterstellt, die Arbeitsproduktivität bleibt gleich) in der Tat sinnvoll sein, da sie inflationsmindernd wirken. Es ist jedoch nicht einzusehen, daß diese Lohnpolitik zugleich beschäftigungssteigernd wirkt. In seinem Beteiligungsmodell wirbt Weitzman jedoch faktisch für allgemeine Preissenkungen, also Deflation. Eine allgemeine Steigerung der effektiven Nachfrage, die er zur Erlangung eines höheren Beschäftigungsstandes für erforderlich hält, kann er sich nur in Form einer Deflation vorstellen Sicherlich versteht sich Weitzman nicht als Verfechter von Deflation, da er nur einmaligen oder jedenfalls

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begrenzten Preissenkungen bis zum Erlangen der Volbeschäftigungsgrenze das wort reden will; jedoch münden derartige Preisherabsetzungen realistischerweise in einem deflationären Prozeß.

Weitzmans Beteiligungssystem führt zu flexiblen Nominallöhnen. Niedrigere Nominallöhne führen bei ihm zu mehr Beschäftigung; daraus resultieren jedoch nicht notwendigerweise niedrigere Reallöhne. Man kann die Frage stellen, warum es eines doch recht komplizierten institutionellen Arrangements bedarf, um vermeintlich Vollbeschäftigungs garantierende Lohnflexillität zu erreichen. Wären die Löhne vollkommen marktbestimmt, würden sich auf dem Arbeitsmrkt sofort flexible Anpassungsreaktionen je nach Höhe der Arbeitslosigkeit zeigen. Da Weitzman davon überzeugt ist daß Arbeitsmärkte letztlich wettbewerblicher strukturiert sind als die mehr oder minder monopolistischen Gütermärkte, müßte er eigentlich auf die arbeitsmarktendogenen Kräfte des Wettbewerbs, die zu Nominallohnflexiblität führen, vertrauen. Es leuchtet nicht ein daß das Beteiligungssystem leichter durchsetzten sein soll als eine vom Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten erzwungene Nominallohnflexibilität. Schließlich muß - im Rahmen von Weitzmans Modell - beachtet werden, daß der erfolgsabhängige Lohnbestandteil einen relevanten Anteil der Gesamtentlohnung ausmacht, mithin der feste Lohnbestandteil niedrig ist. Andernfalls bestünde wenig Spielraum, die Löhne und Absatzpreise zu senken.

Nahezu den gleichen Effekt, den Weitzman anstrebt, könnte man auch über Lohnsubventionen erreichen, wie sie von dem schwedischen Arbeitsmarktökonom Gösta Rehn und anderen vorgeschlagen wurden (vgl. auch Rothschild 1986-87, S 210). Werden den Unternehmen Lohnsubventionen für die Einstellung von Arbeitslosen gezahlt, haben die Unternehmen ebenfalls einen Anreiz, die Beschäftigung auszudehnen. Auch in diesem Fall könnten sie die Güterpreise im Ausmaß der Subventionszahlungen senken, um einen erhöhten Absatz zu erzielen. Allerdings würde das Ausmaß der Preissenkung im Verhältnis zu einer Lohnkostensenkung für alle Arbeitnehmer gering bleiben. Weitzman selbst schlägt massive Subventionen vor, um sein Beteiligungssystem einzuführen, und zwar in Form erheblicher Steuererleichterungen für die Arbeitnehmer, die in dem System mitmachen. Dies kommt einer allgemeinen Lohnsubventionierung gleich, in diesem Fall zugunsten der Arbeitnehmer, die im Gegenzug ihre Nominallöhne flexibilisieren, also bei Arbeitslosigkeit senken müssen.

Groß angelegte Subventionen bzw. Steuererleichterungen wären wohl auch notwendig, um Weitzmans System durchzusetzen. Denn es würde im Sinne Weitzmans wenig nützen, wenn nur einzelne Finnen, etwa notleidende „Grenzunternehmen", das Beteiligungsmodell übernehmen. Sie würden nämlich Gefahr laufen, daß ihre Arbeitnehmer aufgrund der niedrigeren Löhne abwandern. Bleiben die Arbeitnehmer hingegen trotz der niedrigeren Entlohnung ihrer Firma treu, und gelingt es dieser, dank niedrigerer Lohnkosten und Absatzpreise die Produktion auszuweiten, so wird dies zulasten der Marktanteile teuerer Anbieter geschehen; dort wird die Beschäftigung sinken - ein gesamtwirtschaftliches Nullsummenspiel würde initiiert,

Weitzmans Annahme, daß die Unternehmen die niedrigen Grundlöhne als Grenzkosten der Arbeit interpretieren und ihren Einstellungsentscheidungen zugrunde legen, ist vielfach kritisiert worden. Wenn die Unternehmen ihre Gewinnerwartungen hinreichend genau kennen, werden sie wissen,

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welcher Gewinnanteil an die Arbeitnehmer aufgrund der festen Beteiligungsquote gezahlt werden muß. In diesem Fall liegen die Grenzkosten der Arbeit normalerweise über dem Grundlohn, und die Unternehmen werden auch so kalkulieren und eine entsprechende Personalpolitik betreiben. Da das Grenzwertprodukt mit steigendem Absatz in Weitzmans Modell sinkt (infolge der sinkenden Absatzpreise), werden nur mehr Arbeitskräfte eingestellt, wenn die Grenzkosten der Arbeit stärker sinken. Von einer Vollbeschäftigungstendenz oder gar einer permanenten Überschußnachfrage nach Arbeit kann keine Rede mehr sein (vgl. Nuti 1987, S 467).

Weitzmans Vorschlag ist mit Flächentarifverträgen nicht vereinbar. Der Beteiligungsvertrag wird auf betrieblicher Ebene abgeschlossen. Selbst wenn er auf Branchenebene vereinbart würde, wären die Löhne je nach Erfolg der verschiedenen Unternehmen der Branche sehr unterschiedlich. Starke Unternehmen realisieren höhere Gewinne und Löhne als schwache. Starke Unternehmen werden mit Löhnen, die über dem Branchendurchschnitt liegen, bestraft, schwache Unternehmen werden von den Arbeitnehmern mit unterdurchschnittlichen Löhnen belohnt. Dadurch werden falsche, produktivitätsschwächende Anreizstrukturen für die Unternehmen programmiert. Hinzu kommt, daß die zwischenbetriebliche Mobilität in der Folge der zwischenbetrieblichen Lohndifferentiale in der Weise gefordert würde, daß schwache Unternehmen leistungsstarke Arbeitnehmer verlieren und dadurch noch schwächer werden. Gerade wenn Wettbewerb am Arbeitsmarkt unterstellt wird, muß es zu einem weitgehenden Ausgleich der Faktorpreise bei Arbeit kommen. Freilich wirkt dem entgegen, daß alle Belegschaften - in starken wie in schwachen Unternehmen -Anreize zur Produktivitätssteigerung haben, da dies ihre variablen Lohnbestandteile erhöht, sofern der Gewinn bzw. Umsatz steigt. So ergibt sich eine Mischung aus richtigen und falschen Anreizen. Ob Systeme der Gewinnbeteiligungen der Arbeitnehmer empirisch zu Produktivitätsanreizen und höher Produktivität führen, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Die meisten empirischen Untersuchungen kommen allerdings zu differenzierten und nicht ganz eindeutigen Ergebnissen (vgl. Kap. 3.3).

Auch in einer anderen Hinsicht werden problematische Anreize gesetzt. Die beschäftigten Arbeitnehmer stehen sich nach Ausweitung des Outputs und der Beschäftigung des Unternehmens nominal schlechter. Entscheidend ist die Frage, ob die Arbeitnehmer sich an den Nominal- oder an den Reallöhnen orientieren. Solange unsicher ist, ob alle Unternehmen oder nur ein kleinerer Teil zum Beteiligungssystem überwechseln, wird wohl die Nominallohnorientierung dominieren. Die Insider haben, wenn sie nominallohnorientiert handeln, nicht nur keinen Anreiz, die Beschäftigung zu erhöhen, sondern sogar einen Anreiz, sie zu vermindern. Sicherlich, dem steht der Anreiz, den Umsatz und den Gewinn je Arbeitnehmer zu erhöhen, entgegen. Wenn es einen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Effizienz bzw. Produktivität gibt, dann wird das Beteiligungssystem bei Ausweitung der Beschäftigung zunächst produktivitätsmindernd wirken. Die Effizienzlohnthese widerspricht Weitzmans Ansatz. So entsteht eine zwiespältige Anreizstruktur Erhalten die Insider infolge des Beteiligungssystems stärkere Kontrolle über das Unternehmen, dann ist es für sie einfacher, die Belegschaft zu verkleinern, den Output zu senken und die Güterpreise zu erhöhen, um dadurch einen höheren Beteiligungslohn zu erlangen Weitzman plädiert dafür, daß die Insider

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keinerlei Mitspracherechte bei der Unternehmenspolitik haben, da sonst sein System kaum durchsetzbar wäre bzw. kontraproduktiv wirkt. Andererseits ist mehr Transparenz bei den Unternehmensgewinnen notwendig, was Weitzman begrüßt. Interessenkonflikte werden vorprogrammiert. Wenn Mitbestimmung der Arbeitnehmer ausgeschlossen werden muß, weil sie das Modell stört, wird dies nicht ohne Rückwirkungen auf Motivation und Produktivität der Arbeitnehmer bleiben (siehe auch Nuti 1987, S. 467)

Weitzman führt Japan als Musterbeispiel für eine Spielart des Beteiligungsystems an. In der Tat, in Japan herrschte jahrzehntelang niedrige Arbeitslosigkeit, selbst in Rezessionen, und schwache Inflation. Allerdings gibt es keinerlei Indizien für wesentlich geringere Outputschwankungen als anderswo. In den Großunternehmen mit lebenslangen Beschäftigungsverhältnissen eines großen Teils der Belegschaften werden erfolgsabhängige Löhne gezahlt. Diese können bis zu fünf Monatsgehältern des Festlohnes ausmachen. Genauere Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß die japanischen Beschäftigungserfolge nicht auf der Lohnflexibilisierung beruhen (vgl. zusammenfassend Layard et al. 1991, S. 500 ff, gestützt auf zahlreiche empirische Untersuchungen). Entscheidend war das hohe Wirtschaftswachstum, das auf starker Investitionsdynamik beruhte. Beschäftigungsschwankungen wurden einerseits in starkem Maße auf den Sektor der Kleinunternehmen abgewälzt, andererseits gab und gibt es große versteckte Arbeitslosigkeit, weil die Arbeitnehmer in gesicherten Arbeitsverhältnissen in rezessiven Phasen nicht voll ausgelastet sind; auch wird ihre Arbeitszeit vorübergehend reduziert. Außerdem fungieren erwerbstätige Frauen als flexible „Reservearmee", die bei rückläufiger Beschäftigung vom Arbeitsmarkt verdrängt wird. Auch in anderen Ländern, in denen Ansätze zu profit-sharing existieren, fanden Layard et al. (1991) keine Hinweise darauf, daß Outputschwankungen geringer und die Beschäftigung stabiler bzw. die Arbeitslosigkeit geringer ist. Daher sollten Beteiligungssysteme nicht als Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit begriffen werden (Layard et al. 1991, S. 502).

Fazit

Weitzmans Vorschläge für profit-sharing laufen auf eine andere, nämlich variable Form der Entlohnung hinaus. Mit Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktiwermögen hat der Vorschlag direkt nichts zu tun. Allerdings kann er so abgewandelt werden, daß die Arbeitnehmer anstelle der variablen Lohnanteile Anteile am Produktivkapital des eigenen Unternehmens erhalten oder diese Lohnanteile dafür verwendet werden müssen (oder können), Aktien, Wertpapiere etc. zu erwerben.

Weitzmans Vorschlag ist nicht geeignet, Arbeitslosigkeit abzubauen oder Outputschwankungen so zu dämpfen, daß Arbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht. Die großen Hoffnungen, die Weitzman in sein Modell setzt, können nahezu allesamt nicht eingelöst werden. Möglicherweise werden produktivitätssteigernde Anreize auf betrieblicher Ebene geschaffen, andererseits darf nicht übersehen werden, daß auch gleichzeitig hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Produktivität dämpfende Anreize institutionalisiert werden.

Wenn Weitzmans Vorschläge bei vielen Ökonomen, vor allem aus dem neoklassischen Lager,

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Anklang gefunden haben, dann wohl weniger, weil sein Modell akzeptiert wird, sondern weil die Idee der Lohnflexibilisierung als Mittel zur Lohnsenkung bei Arbeitslosigkeit propagiert wird (vgl. Siebert 1987). Aus neoklassischer Sicht führen nach unten flexible Löhne im Falle von Arbeitslosigkeit zu Reallohnsenkungen und dadurch erhöhter Arbeitsnachfrage der Unternehmen. Entscheidend sind in der Neoklassik die Annahmen (denen Weitzman nicht folgt), daß die Grenzproduktivität der Arbeit sinkt - der zusätzliche Output je Einheit zusätzlich eingesetzter Arbeit sinkt aufgrund produktionstheoretischer Zusammenhänge (Grenzproduktivitätstheorie) - und die Güterpreise durch die Geldmenge quantitätstheoretisch erklärt werden. Anders als bei Weitzman wird dabei vollständige Konkurrenz auf den Gütermärkten unterstellt.

Was könnte Gewinnbeteiligungssysteme für Unternehmen interessant machen? Aus einzelwirtschaftlicher Sicht könnte das Risiko des Unternehmers mit den Arbeitnehmern geteilt werden, indem diese Lohneinbußen bei schlechter Absatzlage oder Preisverfall hinnehmen müssen. Die mikroökonomische Anpassungsflexibilität der Unternehmen nähme zu. Andererseits muß dann auch der Gewinn im umgekehrten Fall geteilt werden Die Unternehmen werden im allgemeinen das Interesse haben, die erwarteten gesamten Lohnkosten mit den festen und variablen Komponenten niedrig zu halten. Der Übergang zum Beteiligungssystem wird wohl dann gewählt, wenn die erwarteten gesamten Arbeitskosten niedriger als bei einem Festlohnsystem sind. Die Produkti-vitätseffekte dürften schwer zu kalkulieren sein, zumal auch andere Formen von Produktivitätsanreizen möglich sind.

Häufig wenden Unternehmen Systeme der Mitarbeiterbeteiligung an, wenn es sich um florierende Unternehmen mit gut bezahlten Arbeitnehmern handelt, denen Leistungsanreize in Form von Effizienzlöhnen gewährt werden sollen. Im Grunde handelt es sich dabei um übertarifliche Leistungen des Unternehmens, die einerseits seinen Gewinn schmälern, andererseits die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer erhöhen können. Andererseits mag es - in eher geringem Maße bislang - notleidende Unternehmen geben, bei denen die Mitarbeiterbeteiligung ein Mittel zur Akzeptanz von Lohnsenkungen bei der gesamten Belegschaft ist. Ziel ist hier die Kostensenkung, möglicherweise auch das Überleben des Unternehmens. In beiden Fällen handelt es nicht um einen allgemeinen Wechsel des Lohnsystems für alle Unternehmen, sondern, im Gegensatz zu Weitzmans Ansatz, um Verbesserungen für bestimmte, bislang eher sehr kleine Segmente aus dem gesamten Unternehmensbestand. Falls dieser Sektor von Unternehmen seine Absatzpreise senkt, um den Output zu erhöhen oder die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ist natürlich nicht mit gesamtwirtschaftlich problematischen Auswirkungen zu rechnen.

Was mag Arbeitnehmer bewegen. Gewinnbeteiligungssysteme zu akzeptieren oder gegenüber herkömmlicher Entlohnung zu favorisieren? Die Akzeptanz wird um so größer sein, je höher die Chancen auf Einkommensverbesserung und je geringer das Risiko von Einkommenseinbußen ist. Werden niedrige Grundlöhne akzeptiert, muß nicht nur ein Mindestmaß an Risikoakzeptanz vorliegen, sondern auch ein Einkommensniveau, das eine bestimmte Schwelle der Sparquote überschreitet. Mithin können eventuelle Risiken mithilfe von Ersparnissen abgepuffert werden Der laufende Lebensunterhalt und die Zahlungsverpflichtungen können mit dem Grundlohn abgedeckt

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werden. Im allgemeinen wird dieser Sachverhalt nur für die „besserverdienenden" Arbeitnehmer, außertarifliche Angestellte und leitende Angestellte etc. zutreffen. Für die große Masse der Arbeitnehmer ist nach wie vor eine geringe Sparquote, ein geringer Bestand an Ersparnissen und ein großes Maß an Risikoaversion maßgebend, und zwar selbst bei einem im internationalen Vergleich relativ hohen Lohnniveau wie in Deutschland. Allerdings wird man davon ausgehen können, daß im langfristigen Trend ein wachsender Teil der Arbeitnehmer in jenes Hochlohnsegment hineinstoßen wird, das sich für Gewinnbeteiligung interessiert, weil es die Verbesserungschancen bei Realeinkommen höher gewichtet als die Risiken. Diese Überlegungen haben aber mit Weitzmans Anliegen - Bekämpfung von Stagflation - nichts mehr zu tun.

Um die Problematik von Weitzmans Vorschlag zu verdeutlichen, stelle man sich eine extreme Variante des Beteiligungsystems vor, bei der der Festlohn auf Null gesetzt ist und das Einkommen der Arbeitnehmer vollständig aus dem Gewinn- bzw. Umsatzanteilanteil besteht. Die Arbeitnehmer wären Quasi-Unternehmer, allerdings ohne Eigentumstitel. Wenn mit sinkenden Preisen die reale effektive Nachfrage steigt, wie Weitzman annimmt, dann besteht ein sehr weitgehendes Interesse seitens der Unternehmen, zusätzliche Arbeitnehmer einzustellen Die nominalen Lohnkosten schwanken genauso stark wie die Gewinne. Die Verteilung der Wertschöpfung auf Lohn und Gewinn bliebe immer konstant, die Erfolgsprämien der Unternehmen müssen immer geteilt werden, so daß die Gewinnanreize geringer als bei einem Festkurssystem sind. Die Nominallöhne haben dann die gleiche Flexibilität wie die Gewinne. Ein im Verhältnis zum Festlohnsystem stärker schwankendes Preisniveau mit destabilisierenden Wirkungen wäre die Folge, wenn die Realkasseneffekte nicht wie im Modell vorgesehen eintreten. Die Unsicherheit über die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Preissenkungen nimmt zu. Insgesamt schafft das neue System mehr Probleme als es löst, wenn es in großem Stil flächendeckend eingeführt würde.

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4.3 Mehr Beschäftigung durch Lohnsenkung plus Kapitalbeteiligung? Die Vorschläge von Sinn

Besonders pronunciert hat kürzlich Hans-Werner Sinn ein von Weitzman abweichendes Modell der Lohnsenkung in Verbindung mit einer Produktivvermögensbeteiligung der Arbeitnehmer als Königsweg - so Sinns eigene Bewertung - zur Lösung der deutschen Beschäftigungsprobleme vorgeschlagen (Sinn 1997): Sparlohn statt Barlohn und Lohnspreizung sind seine Medizin. Diagnose und Therapie sind - abweichend von Weitzman - einfacher neoklassischer Natur. Das Kernproblem der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland seien die zu hohen Reallöhne, die der durch Globalisierung entstandenen Niedriglohnkonkurrenz aus Ostasien nicht mehr standhalten können; hinzu komme die Niedriglohnkonkurrenz aus Osteuropa und der infolge der europäischen Integration intensivierte Wettbewerb. Dieser Wettbewerbsdruck ändere die Knappheitsverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit grundlegend, so daß in Zukunft der Lohnanteil am Volkseinkommen fallen und der Gewinnanteil steigen müsse. Die Arbeitsmarktsegmente am „Standort Deutschland", die durch Hochtechnologie und besonders gut qualifiziertes Humankapital gesichert werden könnten, seien viel zu schmal für Vollbeschäftigung Der Hinweis auf im internationalen Vergleich eher niedrige Lohnstückkosten in Deutschland sei irreführend, weil diese durch

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den Wegfall weniger produktiver Arbeitsplätze aufgrund zu hoher Löhne und daher übermäßig steigender Produktivität erreicht worden sei. „Arbeitslosigkeit heißt, daß es ein Überschußangebot auf den Arbeitsmärkten gibt, und da es ein Überschußangebot gibt, sind die Löhne zu hoch. So einfach ist das." (Sinn 1997, S 824)

Die Schlußfolgerung ist natürlich, daß die Reallöhne sinken müssen. Da dies schwer durchsetzbar ist, schlägt Sinn vor, den beschäftigten Arbeitnehmern, den Insidern, als Ausgleich für vertraglich vereinbarte mehrjährige Lohnsenkungen bzw. für ein Lohnstillhalteabkommen Eigenkapitalanteile an dem arbeitgebenden Unternehmen zu gewähren und für Neueinstellungen nur den verminderten Lohn zu zahlen. Die Insider werden dadurch nicht schlechter gestellt: Anstelle ihres bisherigen Lohns erhalten sie den verminderten Lohn plus eine äquivalente Kapitalbeteiligung, was genau eine dem Barwert der eingesparten Lohnzahlungen gleiche Kapitalbeteiligung ist, müsse ausgehandelt werden, ebenso die technische Art der Beteiligung. Der entscheidende Vorteil der Niedriglöhne sei, daß die Unternehmen nun Anreize hätten, zusätzliche Arbeitskräfte auf Arbeitsplätze mit einer Produktivität unterhalb des bisherigen Lohnes einzustellen. Dadurch erhöhen die Unternehmen ihren Gewinn, weil die Grenzkosten der Arbeit unter dem Grenzwertprodukt der Arbeit liegen. Die Unternehmen müssen die Kapitalanteile der Insider mit Gewinn bedienen, auch dann, wenn die Insider den Betrieb wechseln. Dadurch haben die Unternehmer keinen Anreiz, die teuren Insider durch billige Outsider zu ersetzen

Was bei Weitzman die sog. Gewinnbeteiligung ist, ist bei Sinn die Kapitalbeteiligung, die natürlich für die Zukunft auch zu einer entsprechenden - und in diesem Falle „echten" - Gewinnbeteiligung führt. Während bei Weitzman bei einer Beschäftigungsausweitung der Nominallohn aller Arbeitnehmer - Insider wie Outsider - sinkt, sinkt bei Sinn der Nominallohn lediglich für die Outsider, während für die Insider die „Arbeitskosten" (also abgesenkte Löhne plus Wert der Kapitalbeteiligungen) konstant bleiben, also gegenüber dem bisherigen „Hochlohnsystem" kostenneutral sind.

Auf Sinns Deutung der Ursachen der Arbeitslosigkeit in Deutschland soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Wir halten sie für unzutreffend und irreführend (vgl. u a. Flassbeck 1998). Auch kann der hohe Anteil von schlecht qualifizierten Personen unter den Arbeitslosen, übrigens auch in den USA, nicht durch die internationale Niedriglohnkonkurrenz erklärt werden (vgl etwa Freeman 1995, Krugman 1996). Eine durch „Globalisierung" vermutete Tendenz zum internationalen Faktorpreisausgleich ist nicht erkennbar, zumal der Produktionsfaktor Arbeit immobil ist und diese Immobilität nicht durch Kapitalmobilität ausgeglichen werden kann. Internationale Vergleiche des Lohnniveaus ohne Berücksichtigung von Produktivität und Wechselkurs gestatten keinerlei Rückschluß auf die Beschäftigungslage. Überdies ist der Begriff der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften theoretisch fragwürdig (vgl. ausführlich Priewe 1997).

Unterstellt, die Gewerkschaften und die betrieblichen Arbeitnehmervertreter lassen sich zugunsten der Insider auf das Sinnsche System ein, unterstellt, die gravierenden technischen Probleme sind lösbar. Wird das System zu mehr Beschäftigung führen?

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Kritische Würdigung

Betrachtet man die den Insidern eingeräumte Kapitalbeteiligung als Teil der Arbeitskosten, als verwandelte Form des Lohnes, dann kommt insgesamt nur eine minimale Senkung der Arbeitskosten zustande, nämlich nur in dem Maße, wie Outsider zu Niedriglöhnen eingestellt werden. Dazu kommt, daß von einem gleichbleibenden Preisniveau ausgegangen wird — anders als bei Weitzman -, was Sinn gar nicht weiter erörtert. Wenn die faktischen durchschnittlichen Reallöhne also bei einer unterstellten Ausdehnung der Beschäftigung nur minimal sinken, zugleich aber auch die durchschnittliche Produktivität etwas sinkt, weil ja weniger produktive Arbeitsplätze besetzt werden, dann bleiben die Lohnstückkosten konstant. Die Unternehmen haben keinen Spielraum, die Güterpreise zu senken, um eine höhere preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der globalen Billigkonkurrenz zu erlangen. Sie werden ihre Marktanteile nur dann erhöhen können, wenn sie zusätzlich erzeugte Güter zum vorherrschenden Preis - wie im Modell der vollständigen Konkurrenz vorgesehen - zusätzlich problemlos verkaufen können. Die Unternehmen haben einen Anreiz, mehr zu produzieren, wenn die Grenzkosten aufgrund der Niedriglöhne unter dem Grenzwertprodukt liegen, das zu konstanten Preisen bewertet wird - wenn entsprechende Nachfrage da ist.

Wo kommt die Nachfrage nach der Zusatzproduktion her? Aus klassisch-neoklassischer Sicht wird sie durch das Saysche Gesetz garantiert, weil jedes rentable Angebot zu ausreichender Nachfrage führe. Rentabel ist es aber nur, wenn ausreichende Nachfrage bei konstantem Preis da ist. Auch wenn Sinn diesen „Nachfrageautomatismus" nicht erwähnt, er leitet seine Idee. Daher braucht er nicht wie Weitzman auf Realkasseneffekte zurückzugreifen. Das Saysche Theorem ist eines der schillerndsten Gesetze der Nationalökonomie; in einer weit verbreiteten kritischen Interpretation besagt es nur, daß dann, wenn Güter gegeneinander ausgetauscht werden, die Nachfrage dem Angebot gleich ist - eine wertlose Tautologie

Selbst wenn das klassische Saysche Gesetz so vertrauenswürdig wäre, daß man Sinns Vorschlag folgen könnte, dann ergibt sich ein Widerspruch zu seiner Problemdiagnose. Danach sind zu hohe (Lohn-)Kosten und damit zu hohe Güterpreise am „Standort Deutschland" schuld an der hohen Arbeitslosigkeit, so daß Kosten wie Preise sinken müssen, um eine höhere Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen. Zu konstanten Güterpreisen könnte man also - trotz niedrigerer Grenzkosten infolge der Niedriglöhne - nicht mehr Output absetzen. Sinn möchte ja auch in Deutschland hergestellte „low-tech"-Produkte gegenüber der ausländischen Billigkonkurrenz, zusätzlich zur „High Tech"-Produktion, wettbewerbsfähig machen. Wäre es so schlecht um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bestellt wie Sinn behauptet, dann müßten die Marktkräfte auf den Devisenmärkten eine Abwertung nach der anderen erzwingen und damit die Inlandseinkommen gegenüber dem Ausland senken. Der langfristigen Tendenz nach wertet die DM jedoch gegenüber den meisten anderen Währungen, insbesondere gegenüber den Schwellenländern (auch den osteuropäischen) und auch gegenüber den anderen EU-Ländern auf.

Wenn eine allgemeine Kostensenkung in Deutschland erzielt werden soll, um dem vermeintlichen Wettbewerbsdruck der Niedriglohnländer standzuhalten, dann wäre der Sinnsche Vorschlag, der ja von konstanten Güterpreisen ausgeht, kaum geeignet. Problemdiagnose und Therapie passen

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offensichtlich nicht zusammen. Ist nach der Diagnose aber eine allgemeine Kostensenkung erforderlich, dann wird - wie bei Weitzman, aber mit anderer Begründung - einer allgemeinen Preissenkung und damit einer Deflation das Wort geredet, zumindest einer vorübergehenden und begrenzten globalen Kosten- und Preissenkung. Im allgemeinen führt dies aber, wie erwähnt, zu einer deflationären Abwärtsspirale. Überdies drückt sich eine geringere Inflation oder auch Deflation der Tendenz nach in einer entsprechenden nominalen Aufwertung der heimischen Währung aus, so daß der reale Wechselkurs und damit die preisliche Wettbewerbsfähigkeit konstant bleibt.

Wenn lediglich für eine Lohnspreizung mit Niedriglöhnen für untere Qualifikationsgruppen, Langzeitarbeitslose etc. geworben wird, so daß sich keine allgemeine Kosten- und Preissenkung ergibt, dann ist aber auch die allgemeine Einrührung von Niedriglöhnen mit kompensierender Kapitalbeteiligung für Insider überflüssig. Ob Niedriglöhne für einzelne Arbeitskräftegruppen zu mehr Beschäftigung führen, etwa im Dienstleistungssektor und in Privathaushalten, ist strittig. Unsicher ist, wie die Arbeitskräftenachfrage, das dahinter steckende Konsum- und Investitionsverhalten der Unternehmen und privaten Haushalte sich verändern wird. Dies kann hier nicht diskutiert werden. Ein Königsweg zur Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit wird es aber sicherlich nicht werden. Ob es gesellschaftspolitisch wünschenswert ist. Entlohnung unterhalb des Existenzminimums in größerem Stil zuzulassen (darauf laufen alle derartigen Vorschläge ja hinaus), ist ohnehin fraglich.

Unklar bleibt bei dem Sinnschen Vorschlag auch, ob die Faktorpreiskombination zwischen Arbeit und Kapital geändert wird. Sein Vorschlag scheint darauf hinauszulaufen, mehr Arbeit bei konstantem Bestand an Sachkapital einzusetzen Dies setzt nicht nur eine flexible Kombinierbarkeit der beiden Produktionsfaktoren auf betrieblicher Ebene voraus (ex-post Substitutionalität), die empirisch höchst zweifelhaft ist, sondern auch eine Unabhängigkeit des Preises für Sachkapital vom Preis für Arbeit Darüber hinaus würde die Nachfrage nach Investitionsgütern sinken, ebenso das Tempo des technischen Fortschritts, der in hohem Maße an den Sachkapitaleinsatz gebunden ist.

Dem Vorschlag einer Lohnabsenkung für Outsider kommt eine dauerhafte Lohnsubventionierung für die Einstellung von Arbeitslosen gleich. Dabei kann es sich um Lohnsubventionen für die Arbeitgeber handeln, wenn diese Arbeitslose zum herrschenden Lohntarif einstellen, oder um Lohnsubventionen an Arbeitslose (negative Einkommenssteuer, Kombilohn u.a.), wenn diese zu einem Niedriglohn eingestellt werden. Die meisten Erfahrungen in Deutschland mit Lohnsubventionen der verschiedensten Art waren ernüchternd, daß in großem Stil zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind, geschweige denn ein Königsweg bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gefunden wurde, läßt sich sicherlich nicht behaupten.

Schließlich fordert Sinns Vorschlag die Spaltung zwischen Insidern und Outsidern. Damit widerspricht er elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere benachteiligt er Berufsanfänger - geborene Outsider. Alles was für hohe Effizienzlöhne spricht, spricht umgekehrt gegen Niedriglöhne für Neueingestellte, zumal es sich hier ja keineswegs nur um Arbeitsplätze auf den unteren Stufen der Produktivitätstreppe handelt. Schließlich wird auch ein großer Teil der Insider die Kapitalbeteiligung am eigenen Unternehmen nicht begrüßen, sofern es sich um rentabilitätsschwa-

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ehe oder gar existenzgefährdete Unternehmen handelt. Zum Arbeitsplatzrisiko kommt hier das Rentabilitäts- und Konkursrisiko hinzu.

Die hier angeführte Kritik spricht gegen die von Sinn erhofften weitreichenden Auswirkungen. Der Vorschlag ist alles andere als ein Königsweg; in Einzelfällen kann er jedoch der Stabilisierung oder auch dem Wachstum von Unternehmen und Arbeitsplätzen dienen. Hier gilt das gleiche wie für Weitzmans Vorschläge: Sowohl für florierende Unternehmen als auch für manche notleidenden Unternehmen können lohnsenkende Maßnahmen, mikroökonomisch gesehen, in Verbindung mit Gewinn- oder Kapitalbeteiligung hilfreich sein. Als universelle gesamtwirtschaftlich gültige Formel zur Lösung der heutigen Beschäftigungsprobleme taugen sie aber nicht.


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