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[Seite der Druckausgabe: 34 / Fortsetzung]


4. Auswirkungen der Reform des Insolvenzrecht auf die Kreditvergabe der Banken

Ein Vertreter der Deutschen Bank in Leipzig beleuchtete das neue Insolvenzrecht aus der Sicht der Banken. Seines Erachtens habe die Insolvenzrechtsreform erhebliche Änderungen für das Bankgeschäft zur Folge. Schwerpunktmäßig wirke sich dies gerade im Kreditgeschäft aus, dort insbesondere in der Kreditbesicherung und im Konsumentenkreditgeschäft.

Auf das klassische Kreditgeschäft wirkten sich im wesentlichen die weitgehend neugefaßten Bestimmungen über die Anfechtung und die Behandlung der Absonderungsrechte aus. Das seien insbesondere die Pfandrechte, Forderungszessionen und die Grundpfandrechte. Anfechtungs- und Absonderungsrechte also, die künftig noch stärker in das Blickfeld des Kreditsachbearbeiters und Entscheiders rücken würden. Rechte, die insbesondere den nichtgesicherten Gläubigern des insolventen Unternehmens zugute kämen.

Es sei von Anbeginn der Reformarbeiten zur neuen Insolvenzordnung ein erklärtes Ziel gewesen, die allgemeine Massearmut auf- und vor allem dadurch zu beheben oder doch zu mindern, daß das bislang als wenig effizient erkannte Recht der Konkursanfechtung „schneidiger" ausgestaltet werde. Dies sei verwirklicht worden in einem Umfang, der weit über die evidenten - d.h. aus dem Textvergleich der alten mit der neuen Ordnung erkennbaren - Erweiterungen hinausgehe. Während dabei die Fristverlängerungen, Beweiserleichterungen, Ausdehnung der Reichweite und sonstigen Präzisierungen ohne weiteres ins Auge sprängen, eröffne die neue Regelung einen ganzen Fächer weiterer Zugriffsmöglichkeiten, die sich nur aus der Kenntnis der bisherigen Konkursabwicklungspraxis erschließen ließen.

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Das neue Insolvenzrecht verbessere die Rechte der ungesicherten Insolvenzgläubiger zu Lasten der gesicherten Gläubiger. Hier seien in erster Linie kleinere und mittlere Unternehmen zu nennen, die in der Regel über keine, beziehungsweise keine nennenswerten Sicherheiten verfügten, auf die sie in der Krise ihres Schuldners zurückgreifen könnten. Diese Unternehmen und Handwerksbetriebe, insbesondere in den neuen Bundesländern, würden von dieser Regelung profitieren. Andererseits habe die Bank, nachdem die Rechte zugunsten der Insolvenzmasse verbessert worden seien, bei der Kreditvergabe stärker als bisher die Bonität des Kreditgebers in den Vordergrund zu stellen und die Wirtschaftlichkeit des zu finanzierenden Vorhaben zu beachten, sowie anfechtungsfreie und rechtsbeständige Sicherheiten zu bestellen.

Eine gegenteilige Einschätzung hatte der Vorsitzende des Bundes der Bankkunden. Er kritisierte, daß Lieferanten und Handwerker im neuen Insolvenzrecht schlechter geschützt seien als früher. Nutznießer der neuen Ordnung seien die Banken. Er betonte, daß die Banken und Sparkassen Hauptverursacher der Insolvenzen in den neuen Bundesländern seien. Solange die Politik es nicht fertig bringe, daß Fördermittel an den blockierenden Hausbanken vorbei die Adressaten erreichen, ließen sich die Insolvenzen in den neuen Bundesländern nicht nennenswert reduzieren.

Der Referent ging auf die Anfechtungsproblematik und die Absonderungsrechte bei Sicherheiten zur Erklärung näher ein. Die Anfechtungsproblematik könne bereits zehn Jahre vor Antragstellung einsetzen. Für den Abschluß neuer Kreditverträge, die Auszahlung vereinbarter Kredite und die Rückzahlung ausgezahlter Kredite und deren Besicherung sei nach verschiedenen Zeitabschnitten zu unterteilen, die jeweils von dem Tag des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgerechnet würden. Die bisherige alternative Anknüpfung an die Zahlungseinstellung oder den Eröffnungsantrag sei entfallen. Damit seien auch die zahlreichen Unsicherheiten beseitigt worden, die

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sich daraus ergaben, daß der Zeitpunkt der Zahlungseinstellung von Gerichten im nachhinein ermittelt werden mußte und von den verschiedenen Gerichten unter Umständen auch unterschiedlich festgestellt werden konnte. Die schon nicht gerade einfach gestalteten Anfechtungtatbestände der Konkursordnung in der Insolvenzordnung seien noch feiner aufgefächert und verkompliziert worden.

Bereits für einen Zeitraum von 10 Jahren vor Antragstellung könnten Rechtsgeschäfte angefochten werden, wenn nachgewiesen werde, daß bereits damals eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung im Spiel war. Der Abschluß von banküblichen Kreditverträgen könne wegen vorsätzlicher Benachteiligung nicht angefochten werden. Das gelte selbst dann, wenn der Gemeinschuldner nicht den günstigsten am Markt erzielbaren Zinssatz vereinbart habe. Eine Kreditgewährung mit einem überhöhten Zinssatz, der sich etwas von dem Durchschnittszinssatz der Kreditwirtschaft abhebe, werde man noch nicht als vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung werten können.

Eine Gläubigerbenachteiligung werde erst dann einsetzen, wenn sich der vereinbarte Zinswert dem Wucherzins nähere und der Gemeinschuldner dies bewußt akzeptiert habe, um den Geldgeber auf diese Art und Weise zu begünstigen. Dies wolle er zwar der deutschen Kreditwirtschaft nicht unterstellen, aber in einem solchen Fall könne es zu einer Anfechtung kommen.

Spannend werde es, je näher man zeitlich an den Antragszeitpunkt herankomme. Werden z.B. kapitalersetzende Darlehen in dem Jahr vor Eröffnungsantrag zurückgezahlt, so ist die Anfechtung möglich, auch wenn der Gemeinschuldner zu dem Zeitpunkt weder seine Zahlungen im übrigen eingestellt hatte noch überschuldet war oder die Überschuldung drohte.

Die Situation der Anfechtung von kapitalersetzenden Darlehen im Jahr vor einem Eröffnungsantrag schilderte der Vertreter der Deutschen Bank an einem

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Beispiel: Ein Gesellschafter stellt der Bank eine Sicherheit, damit die Bank dem Unternehmen, das sonst keine Kredite mehr bekommen könnte aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, ein Darlehen gewährt. Werden kapitalersetzende Darlehen im Jahr vor Eröffnungsantrag zurückgezahlt, so sei die Anfechtung möglich, auch wenn der Gemeinschuldner zu diesem Zeitpunkt weder seine Zahlungen im übrigen eingestellt hätte, noch überschuldet wäre oder die Überschuldung drohe. Entscheidend sei allein, daß Voraussetzungen vorlägen, unter denen nach Gesellschaftsrecht ein Darlehen eines Gesellschafters als Kapitalersatz einzuordnen sei. Das Schwierige bei kapitalersetzenden Darlehen sei, daß man erst im nachhinein wisse, ob sie eine Kapitalersatzfunktion gehabt hätten. Wenn solch ein Darlehen zurückgezahlt worden sei, habe die Bank die dafür haftenden Sicherheiten freigegeben, weil sie nach den Sicherungsverträgen dazu verpflichtet sei, Sicherheiten freizugeben. Es könne passieren, daß im nachhinein diese Rückzahlung angefochten werde, mit der Folge, daß die Bank diese erhaltenen Gelder dem Unternehmen zurückzahlen müsse.

Ob die erhöhten Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters per Saldo zu einer insgesamt höheren Ausschüttung führen würden, die den Wegfall der Gläubigervorrechte ausgleichen könnten, bleibe abzuwarten, erklärte ein Vertreter der Kaufmännischen Krankenkasse KKH von der Hauptverwaltung Hannover.

Entscheidende Veränderungen gebe es bei der Bestellung und Verwertung von Kreditsicherheiten. Die Möglichkeiten des Verwalters seien wesentlich erweitert worden, z.B. „Besicherungen" der Banken anzugreifen, wenn es sich nicht um kongruente Deckungen handele. Eine kongruente Deckung liege dann vor, wenn man Kredit gegen Sicherheit gewähre. Nachbesicherungen seien kritisch zu bewerten. Das werde allerdings dazu führen, daß sich die Kreditwirtschaft von Anfang an voll und werthaltig besichern lasse, um nicht in den Geruch einer Nachbesicherung zu kommen mit der Möglichkeit der Anfechtung. Das be-

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deute für den Kreditnehmer, daß wesentliche Teile seines Vermögens von Anfang an für andere Zwecke blockiert seien.

Bei der Sicherungsübereignung könne der Schuldner zwar weiter mit den Maschinen hantieren und sie nutzen. Aber er könne zum Beispiel nicht für andere damit weitere Sicherheiten stellen. Der Verwaltungsaufwand steige, weil jetzt die Sicherheiten auch seitens der Bank in Augenschein genommen würden und in regelmäßigen Abständen geprüft werden müßte, ob die Sicherheiten noch vorhanden seien. Dieser Verwaltungsaufwand könnte als Kosten in die Kreditzinsen Eingang finden.

Bezogen auf die Sicherheitenfreigabe erklärte er, daß es in kritischen Situationen des öfteren vorkomme, daß Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens von Dritten übernommen würden und so die Bank abgelöst werde. Auch diese Zahlungen könnten der Anfechtung unterliegen.

Allerdings könne, wenn die Bank mit dem Kunden einen Kreditvertrag abschließt und dabei eine sofortige Besicherung vereinbart, die Bestellung dieser Sicherheiten im Falle einer späteren Insolvenz grundsätzlich nicht angefochten werden. Eine solche Besicherung stellt nämlich ein sogenanntes Bargeschäft - eine kongruente Deckung - dar. Im Gegensatz zur Konkursordnung regelt die Insolvenzordnung ausdrücklich, daß Bargeschäfte der Anfechtung entzogen sind. Voraussetzung dafür ist allerdings unverändert ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Kreditvertrag und der Sicherheitenbestellung. Für die Frage, ob ein Bargeschäft vorliegt, ist jedoch zu berücksichtigen, daß nicht allein ein Austausch gleichwertiger Leistungen genügt, sondern auch die vereinbarten Leistungen erbracht werden.

Dabei dürfen die Beteiligten ihre Vereinbarung längstens bis zu dem Zeitpunkt abändern, in dem die erste Leistung erbracht wird. Für das Kreditgeschäft bedeutet dies, daß kein unanfechtbares Bargeschäft mehr vorliegt, wenn zu-

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nächst Kredit ausgezahlt wird und anschließend selbst in engem zeitlichen Zusammenhang einvernehmlich eine andere, als die vereinbarte Sicherheit bestellt wird.

Es müsse deswegen die Sicherheitenbestellung Zug um Zug durchgeführt werden. Wenn es hierbei zu zeitlichen Verzögerungen komme, weil zum Beispiel der Kunde mit der Sicherstellung durch ein bestimmtes Gut nicht einverstanden ist und deshalb in Verhandlungen gegangen wird, was man als Ersatzgut als Sicherheit heranzieht, könne der zeitliche Zusammenhang unterbrochen sein. Die Folge davon sei, daß man diesen Vorgang bereits nicht mehr als Bargeschäft ansieht, mit der Konsequenz, daß eine Anfechtung möglich ist.

Die Banken würden deshalb bei ihrer Kreditvergabe stärker als bisher fordern, daß der Kredit vollständig durch werthaltige Sicherheiten gedeckt wird. Für den Kreditnehmer bedeute dies, daß unter Umständen wesentliche Teile seines Vermögens zugunsten der Bank von Anfang an blockiert sind. Der Kreditgeber werde bei der Hereinnahme der Sicherheiten die von der Rechtssprechung gezogenen Übersicherungsgrenzen voll ausschöpfen.

Wenn es der Bank gelungen sei, eine anfechtungsfreie und rechtsbeständige Sicherheit zu erwerben, so treffe sie die volle Schärfe der Reform bei der Verwertung. Die Rechte des Verwalters sind unterschiedlich ausgestaltet, je nach Art des Sicherungsgegenstandes. Sicherheiten unterteilt die Insolvenzordnung in vier Gruppen, für die unterschiedliche Verwertungsregeln gelten:

  • Immobiliarsicherungsrechte (Grundpfandrechte)
  • Mobiliarpfandrechte
  • Besitzlose Sicherungsrechte
  • Sicherungseigentum unter Eigentumsvorbehalt.

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Die InsO beschränkt das Verwertungsrecht der Bank als Grundpfandrechtsgläubiger in doppelter Hinsicht. Zum einen wird es dem Insolvenzverwalter erleichtert, die von der Bank betriebene Zwangsversteigerung einzustellen. Zum andern sieht die neue Rechtslage vor, daß im Falle der Zwangsversteigerung eines Grundstücks der Insolvenzmasse die Kosten zu erstatten sind, die durch die Feststellung des mithaftendenden Grundstückszubehörs entstehen.

Der wohl kritischste Punkt für die Kreditwirtschaft in der Insolvenzrechtsreform besteht darin, daß der Insolvenzverwalter Sicherungseigentum der Bank, wenn er es im Besitz hat, verwerten kann, was bisher dem Kreditinstitut gestattet war.

Das Resümee des Bankenvertreters lautete, daß die neue Insolvenzordnung alle Beteiligten - Verwalter, Gerichte, Gläubiger und Schuldner - dazu zwinge, sich mit den Möglichkeiten einer Fortführung und Sanierungschancen intensiv zu befassen. Dies sei zu begrüßen, da das alte Konkursrecht von der Zerschlagung des Schuldnervermögens ausging. Andererseits sei zu konstatieren, daß die neue Insolvenzordnung die bisherige Rechtsposition der Kreditgeber tangiere. Dies führe zu einer sorgfältigeren Prüfung der Kreditwünsche und der Auswahl der Sicherheiten der Kreditnehmer.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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