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Vorwort

Die aktuelle Krise des Baukonzerns Philipp Holzmann hat das Problem der Insolvenzen wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, wenngleich die Zahl der Konkurse und Zwangsversteigerungen bereits in den vergangenen Jahren einen enormen Anstieg verzeichnet hatte. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, wie sich die neue Insolvenzordnung, die am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, bewährt hat. Erklärtes Ziel der Reform ist es, künftig mehr gefährdete Unternehmen als bisher vor dem Untergang zu retten. Die bisherige Konkurs- und Vergleichsordnung galt schon lange nicht mehr als zeitgemäß, weil sie regelmäßig zur Zerschlagung und Liquidation von Betrieben, zur Zerstörung großer volkswirtschaftlicher Werte und zum Verlust Tausender von Arbeitsplätzen führte. Bisher wurde bei rund Dreiviertel aller beantragten Konkurse das Verfahren „mangels Masse„ gar nicht erst eröffnet, weil zur Verfahrenseröffnung das Geld für eine geordnete Abwicklung des Unternehmens fehlte. Dazu trug auch das Verhalten der Banken und Gläubiger bei: Freie Vermögenswerte waren längst an die Banken abgetreten, Großlieferanten stellten ihre Waren unter Eigentumsvorbehalt.

Ein Grund für die hohe Zahl der Konkurse lag bei den verantwortlichen Unternehmenslenkern selbst, die den drohenden Konkurs meist erst viel zu spät anmeldeten, in der Hoffnung, das Unternehmen doch noch retten zu können. Nach neuem Recht kann das Insolvenzverfahren bereits dann eröffnet werden, wenn Zahlungsunfähigkeit nur droht. Damit erhöht sich die Chance, Unternehmen rechtzeitig und erfolgreich zu sanieren. Voraussetzung dafür ist, daß Unternehmer und Management auch rechtzeitig den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Eine zentrale Rolle wird dem Insolvenzverwalter zukommen, der vom „Bestatter zum Geburtshelfer„ mutieren soll.

Das neue Recht strebt auch eine bessere und gerechtere Gläubigerbefriedigung an. Einfache Konkursgläubiger, wie z.B. kleine Handwerksbetriebe, die sich vor Konkurseröffnung keinen Rechtsanspruch gesichert haben, sollen gegenüber den Großgläubigern, z.B. Banken, oder gegenüber staatlichen Ansprüchen (Steuern, Sozialbeiträge etc.) nicht mehr benachteiligt werden. Durch den Wegfall von Vorrechten bisher bevorzugter Gläubiger wird sich die Zahl der Verfahrenseröffnungen mit Sicherheit erhöhen. Das neue Verfahren hat aber auch Auswirkungen auf die Kreditvergabe der in ihren bisherigen Vorrechten beschnittenen Banken und somit auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen.

Die neue Insolvenzordnung bietet auch deshalb bessere Chancen, eine Sanierung zu Stande zu bringen als die alte Konkurs- und Vergleichsordnung, weil nach neuem Recht lediglich eine einfache Mehrheit der Gläubiger über einen Sanierungsplan entscheiden muß.

Aus der Sicht des „Normalbürgers„ dürfte die wichtigste Neuerung der Insolvenzordnung die Einführung eines speziellen Verbraucherinsolvenzverfahrens sein. Auf dessen Grundlage kann nach sieben Jahren eine Befreiung von der Restschuld erfolgen. Dieses Verfahren steht jeder natürlichen Person offen, also auch persönlich haftenden Unternehmern, zu denen viele Existenzgründer gehören.

Am 14. April 1999 veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung in Chemnitz die Fachkonferenz Die neue Insolvenzordnung - Mehr Überlebenschancen für ostdeutsche Betriebe?„, die dazu dienen sollte, über die neue Insolvenzordnung zu informieren und erste Erfahrungen mit dem neuen Verfahren und seiner Umsetzung auszutauschen. Denn die Umsetzung der InsO macht in der Praxis erhebliche Probleme und wirft eine Fülle von Einzelfragen auf. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Auswirkungen auf die Stellung der Gläubiger und der Schuldner und die zentrale Frage, ob die neue Insolvenzordnung die an sie gestellten Erwartungen erfüllen kann und tatsächlich dazu beiträgt, Zerschlagungen von Betrieben zu verhindern und mehr Unternehmen als bisher zu sanieren und damit zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen. Mit Chemnitz wurde bewußt ein Tagungsort in Ostdeutschland gewählt, denn die ostdeutschen Bundesländer verzeichneten in der Vergangenheit einen überdurchschnittlichen Anstieg von Unternehmenszusammenbrüchen.

Die vorliegende Broschüre faßt die Referate und Diskussionsbeiträge der Tagung thematisch geordnet zusammen. Für die Konzeption und Durchführung der Veranstaltung sowie für die Redaktion der Broschüre war Diplom-Ökonomin Hannelore Hausmann vom Wirtschafts- und sozialpolitischen Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung verantwortlich, mit der Organisation waren Jutta Malonek und Ilona Reuter betraut. Den Tagungsbericht verfaßte Ingo Zander,
Diplom-Sozialwissenschaftler und freier Journalist aus Kerpen.

Bonn, im Dezember 1999Hannelore Hausmann


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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