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[Seite der Druckausgabe: 29]


6. Aktuelle Herausforderungen für das gestufte Zentrensystem in Köln

6.1 Die Kölner Zentrenstruktur

Köln - mit knapp 1 Mio. Einwohner die viertgrößte Metropole in Deutschland - verfügt außer seiner dominierenden City über insgesamt 81 Nebenzentren unterschiedlicher Größe und Bedeutung. Hauptkennzeichen dieses hierarchisch gestuften Zentrensystems ist seine Integration in die Siedlungs- und Verkehrsstruktur mit einer dem Zentrentyp entsprechenden Mantelbevölkerung. Außer dem Einzelhandel als wichtigster Zentrumsfunktion sind hier zahlreiche Dienstleistungsunternehmen, Freizeit- und Kulturangebote sowie Verwaltungsfunktionen lokalisiert. Zentren stellen in Verbindung mit stadtbildprägenden Kennzeichen die wichtigsten Kommunikations- und Identifikationsmittelpunkte der Stadt und ihrer Viertel dar. Gerade in Köln spielen die Stadtviertel in diesem Zusammenhang eine große Rolle.

Die kleineren Nah- und Mittelbereichszentren mit bis zu 10.000 m² Einzelhandelsverkaufsfläche dienen überwiegend der Grundversorgung der Bevölkerung. Eine wesentlich höhere Zentralität besitzen dagegen die 12 Bezirks(-teil)zentren mit ihren teilweise spezialisierten, höherwertigen Versorgungsangeboten (bis 50.000 m² Verkaufsfläche) und zahlreichen Büronutzungen. In der Kölner City schließlich ist das gesamte oberzentrale Angebotsspektrum konzentriert - allein die Einzelhandels-Verkaufsflächen umfassen hier rund 430.000 m².

Diese Zentrenstruktur wurde von der Stadt seit den 70er Jahren durch ein räumlich-funktionales Leitbild und daraus abgeleiteten Standortkonzepten - insbesondere dem Bürostandort- und der Zentrenkonzeption sowie dem Geschäftszentrenmodell - mehr oder weniger erfolgreich gesteuert. Neuansiedlungen und Erweiterungen größerer Einzelhandels- und Dienstleistungsstandorte, die Ansiedlung von Gemeinbedarfseinrichtungen wie auch die Verkehrsplanung sollen sich grundsätzlich an diesem Leitbild orientieren. Aufgrund dieser Planungspolitik konnten bisher eine übermäßige Cityentwicklung und die Überlastung der Innenstadt vermieden bzw. die multizentrische Stadtstruktur Kölns weitgehend erhalten und gestärkt werden.

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6.2 Strukturwandel/Standortveränderungen im Kölner Einzelhandel

Das gewachsenen Zentrensystem scheint angesichts des wirtschaftlichen Strukturwandels, insbesondere aber aufgrund der veränderten Standortanforderungen des Handels - bislang eine Schlüsselfunktion städtischer Zentren - an Bedeutung zu verlieren. Auf der Angebotsseite sind diese Entwicklungen u.a. durch Unternehmenskonzentration, Filialisierung und neue Betriebsformen, auf der Nachfrageseite durch veränderte Einkaufsgewohnheiten in Verbindung mit zunehmender Verkehrsmobilität gekennzeichnet, die zu einer grundlegenden Neubewertung von Standortfaktoren führen. In räumlichen Hinsicht lassen sich drei wesentliche Entwicklungstendenzen erkennen:

  • Rückzug des Handels aus der Fläche,

  • Standortverlagerung zum Stadtrand/Umland,

  • Maßstabssprung bei den Betriebsgrößen.

Ausgelöst und verstärkt wurden diese Tendenzen durch neue Handelsgroßformen mit starker Entwicklungsdynamik - in den 70er Jahren in erster Linie SB- und Verbrauchermärkte, seit Mitte der 80er Jahre Fachmärkte vor allem des Bau-, Heimwerker- und Gartenbedarfs sowie des Möbelhandels. Insgesamt zeichnet sich eine zunehmende Differenzierung in Spezialmärkte ab (z.B. für Büromöbel, Fliesen, Tapeten, Sanitärbedarf etc.). Diese Entwicklung betrifft aufgrund zunehmender Umsatzerwartungen mittlerweile auch Branchen des klassischen Facheinzelhandel wie Sportartikel, Spielwaren, Computer, Elektrogeräte und sogar Lebensmittel, wie die außerhalb der Zentrumslagen teilweise erheblich expandierenden Filialen großer Lebensmittelketten zeigen.

Der ökonomische Erfolg dieser neuen großflächigen Vertriebsformen basiert auf ihren betrieblichen Einsparungspotentialen. Dazu gehören auf der einen Seite die Abwälzung betrieblicher Kosten auf den Kunden (Abbau von Beratungs- und anderen Serviceleistungen, Vergesellschaftung von Transport- und damit Umweltkosten), auf der anderen Seite die Erschließung erheblicher Rationalisierungspotentiele beispielsweise bei Personal- und Mietkosten. Diese Vorteile lassen sich aus unternehmerischer Sicht an Standorten außerhalb der traditionellen Zentren mit ihren vergleichsweise niedrigen Grundstücks- und Erschließungskosten, ausreichenden Flächenreserven u.a. für Parkplätze, Logistikvorteilen usw. optimieren.

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Von kommunaler Seite wurde diesen Entwicklungen bislang nur wenig entgegengesetzt, was teilweise auf die Unterschätzung der zentrenschädlichen Auswirkungen von Großprojekten auf der „Grünen Wiese", teilweise auf planungsrechtliche „Schlupflöcher" zurückzuführen ist. Daher hat während der letzten Jahre die Anzahl städtebaulich nicht-integrierter Standorte in Gewerbegebieten, entlang von Ausfallstraßen oder auf der „Grünen Wiese" stark zugenommen. Durch die Ansammlung mehrerer Betriebe an einem Standort entstehen hier oft Agglomerationseffekte, die durch die Ansiedlung weiterer Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen (Gastronomie, Kinos etc.) zusätzlich verstärkt werden.

Die traditionelle Zentrenhierarchie der Städte wird auf diese Weise allmählich durch ein „sekundäres" Handelsnetz mit gravierenden Folgen für die Kernstädte überlagert. Während der innerstädtische Einzelhandel stagniert bzw. relativ an Bedeutung verliert und in den Nebenzentren bzw. Wohngebieten sogar erhebliche Einbußen mit der Folge von Versorgungslücken bis zu Leerständen erleidet, expandieren die nicht-integrierten Standorte und tragen so verstärkt zur funktionalen und räumlichen Auflösung der traditionellen Stadt- und Zentrenstrukturen bei. In Köln beträgt die Verkaufsfläche nicht-integrierter Standorte insgesamt 350.000 m², was rund 23% der gesamtstädtischen Verkaufsfläche entspricht.

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6.3 Planungsstrategien zur Stärkung des Kölner Zentrensystems

Aus Sicht des Kölner Referenten ist es Aufgabe der kommunalen Planung, in diesen zunehmenden „Erosionsprozeß" einzugreifen und zu versuchen, raumplanerische und städtebauliche Zielsetzungen mit aktuellen ökonomischen Entwicklungen in Einklang zu bringen.

Der Einzelhandelserlaß der Landesregierung Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 1996 konkretisiert die Anwendung bestehender gesetzlicher Grundlagen zur Abwehr nicht-integrierter Standorte und gibt damit den Gebietskörperschaften eine verbesserte Planungshilfe an die Hand. Die Kommunen werden darin u.a. angehalten, stringente Einzelhandelskonzepte aufzustellen. Auf dieser Basis hat die Stadt Köln in Ergänzung ihrer Zentrenkonzeption ein Fachmarktkonzept zur Kanalisierung der Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen in städtebaulich verträglicher Weise vorgelegt. Zum einen sollen Fachmarktansiedlungen und -erweiterungen an unerwünschten Standorten durch verstärkten und vor allem konse

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quenten Einsatz des planungsrechtlichen Instrumentariums sowie in interkommunaler Abstimmung verhindert werden. Zum anderen werden sogenannte Zentrenergänzungsräume - minder- oder ehemals industriell genutzte Grundstücke im unmittelbaren Randbereich von Nebenzentren - ausgewiesen, um durch geeignete Flächenangebote in räumlicher Verbindung mit bestehenden Zentren positive Synergieeffekte erzielen zu können, die dem gesamten Geschäftszentrum und damit auch dem bereits ansässigen Einzelhandel zugute kommen. Als Beispiel hierfür nannte der Kölner Referent die Planungen für ein Investitionsprojekt auf der brachliegenden Gewerbefläche der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk (CFK), nach dessen Fertigstellung positive Ausstrahlungseffekte auf das Nebenzentrum Köln-Kalk erwartet werden.

Hinzu kommen eine Reihe flankierender Planungsmaßnahmen zur Attraktivitätssteigerung bestehender Nebenzentren, darunter gestalterische Maßnahmen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums oder Verbesserung der Erreichbarkeit auch für den Individualverkehr beispielsweise durch Schaffung zusätzlicher Parkplätze. Ebenso notwendig sind aus Sicht des Kölner Referenten allerdings vermehrte Eigenanstrengungen des Handels- und Dienstleistungsgewerbes wie die Verbesserung von Marketingstrategien.

Städtische Zentren - und insbesondere Nebenzentren - können im Wettbewerb mit Standorten auf der „Grünen Wiese" vor allem dann bestehen, wenn sie ihre spezifischen Qualitäten als Standortvorteile und Entwicklungschancen stärken. Die Wettbewerbsvorteile (inner-) städtischer Zentren liegen in

  • ihrer städtebaulichen Einbindung in den Stadtorganismus mit seinen stadtbildprägenden Elementen,

  • der unverwechselbaren Aufenthaltsqualität öffentlicher Straßen und Plätze,

  • ihrer besonders ausgeprägten Nutzungsvielfalt unter Einbeziehung von Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten und der damit einhergehenden spezifischen Erlebnisdichte und urbanen Atmosphäre („Urbanität") sowie

  • dem Zusammenwirken eines großen Ideenpotentials lokaler Akteure (kreative und innovative Betriebe, Organisationen und Einzelpersonen).

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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