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[Seite der Druck-Ausgabe: S. 74 (Fortsetzung)]

8. Verwertung militärischer Liegenschaften



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8.1 Freigabeverfahren

Die Überführung von Flächen von der militärischen in eine zivile Nutzung erfolgt nach einem formalisierten Verfahren (vgl. Abb.1). Dabei .ist zu unterscheiden zwischen Bundeswehr- und NATO-Liegenschaften, die in die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung (Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbereichsverwaltung, Standortverwaltung) fallen, und Liegenschaften alliierter Streitkräfte einschl. WGT, für die der Bundesminister der Finanzen bzw. die Bundesvermögensverwaltung (BW) verantwortlich ist.

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Abb. 1: Freigabeverfahren für militärische Liegenschaften



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Nachdem ausländische Streitkräfte die Aufgabe der militärischen Nutzung gegenüber dem Bund erklärt haben, wird der Zustand der Flächen durch die Standortverwaltungen der Bundeswehr bzw. durch die BW festgestellt. Hierbei geht es einerseits um die Ermittlung der Schäden, die während der Benutzungszeit entstanden sind, und andererseits um die Erfassung von Investitionen der Gaststreitkräfte, die bei dem Wertausgleich im Rahmen der Rückgabe zu berücksichtigen sind. Nach der Beendigung des Überlassungsverhältnisses überprüft der Bundesminister der Verteidigung den militärischen Anschlußbedarf. Hat die Prüfung ein negatives Ergebnis, fallen die Liegenschaften in das allgemeine Grundvermögen des Bundes. Sie werden jetzt von der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) über ihre nachgeordneten Bundesvermögensämter verwaltet. Damit entscheidet letztlich die BW als Eigentümer, wer welche Liegenschaften zur Anschlußnutzung erhält. Die Bundeswehrverwaltung hat keine eigene Verwertungszuständigkeit.

Für jede Konversionsliegenschaft prüft die BW zunächst Rückerwerbsansprüche früherer Eigentümer und den zivilen Anschlußbedarf für sonstige Bundesaufgaben. Erfolgt weder ein Rückerwerb noch eine Übergabe an den Bund für eine neue Nutzung, stehen die Grundstücke bzw. Gebäude für eine wirtschaftliche Verwertung frei. Nach den Vorstellungen des Bundes soll dabei nach Möglichkeit ein Verkauf erfolgen. Für Vermietung oder Verpachtung müssen besondere Gründe vorliegen. Länder und Kommunen werden von der BW bei den Konversionsliegenschaften als vorrangige Interessenten berücksichtigt. Sie werden von der OFD bzw. von dem jeweiligen Bundesvermögensamt über die Freigabe zur Veräußerung informiert. Sonstige Interessenten kommen nur dann zum Zug, wenn Länder und Kommunen ihre prioritäre Stellung nicht nutzen.

Sonderregelungen gelten für die WGT-Liegenschaften. Nach einem Beschluß der Bundesregierung sollen diese den neuen Bundesländern geschenkt werden. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Vereinbarungen und Verwaltungsabkommen geschlossen. So hat z.B. das Land Sachsen eine Vereinbarung mit dem Bund zur Übernahme der WGT-Liegenschaften getroffen und erste städtebaulich interessante Flächen veräußert. Mit den Erlösen aus dem Verkauf sollen die Sanierung und Aufbereitung von mit Altlasten behafteten Immobilien in Stadtrandlage oder in Außenbereichen finanziert werden.

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In Thüringen konzentrierten sich die Konversionsaktivitäten frühzeitig nach dem Abzug der sowjetischen Truppen auf 12 (von insgesamt 140) Liegenschaften mit dem Ziel der Strukturverbesserung und der Entwicklung des Landes. Weiter wurden durch ein Verwaltungsabkommen mit dem Bund 3.400 Wohnungen auf den Freistaat übertragen und drei hochbelastete Liegenschaften an den Bund zurückgegeben.

Im Land Brandenburg konnte erreicht werden, daß von den stark ökologisch belasteten Einzelliegenschaften 765 ha - das sind 0,8 % der Gesamtfläche - beim Bund verbleiben. Rund 93.000 ha ehemaliger WGT-Liegenschaften gingen dagegen unentgeltlich auf das Land über. Die Verwaltung und Verwertung dieser Liegenschaften ist in einem im Mai 1994 verabschiedeten Gesetz geregelt, auf das bereits in Kapitel 5.4.1 näher eingegangen wurde.

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8.2 Verkaufspolitik im Spannungsfeld von Bundes- und Landesinteressen

An der Verwertungspraxis des Bundes bemängeln die Länder, daß dieser bei attraktiven Liegenschaften häufig ein gesteigertes Eigennutzungs- und -verwertungsinteresse durchsetzt. Dies gilt vor allem bei Wohnobjekten und Grundstücken in den Ländern mit hohem Anteil alliierter Streitkräfte und dabei primär in Groß- und Universitätsstädten. Hier kam es bei ähnlich gelagerten Nutzungsinteressen zu Konflikten zwischen dem Bund einerseits und Ländern und Standortkommunen andererseits. Aber auch der Bund ist der Ansicht, daß Länder und Kommunen bei der Verwertung bisher militärisch genutzter Liegenschaften nicht immer angemessen agieren. So verfügt die BW über eine Reihe von Liegenschaften, die für eine Ausschreibung zur Veräußerung reif wären. Diese Ausschreibung wurde jedoch oftmals dadurch behindert, daß die Länder oder Kommunen ihre vom BW eingeräumte Position als vorrangiger Erwerber zwar beanspruchen, den Kauf selbst aber über einen zu langen Zeitraum nicht vornehmen. In solchen Fällen kann das BW inzwischen Fristen für die zügige Umsetzung des angemeldeten Bedarfs setzen.

Die Kommunen sehen in den Preisvorstellungen des Bundes und in den Schwierigkeiten der Ermittlung der Kosten für Kontaminationsuntersuchungen und Altlastbeseitigungen sowie in den dadurch bedingten langwierigen Verhandlungen die Haupthindernisse für eine zügige Anschlußnutzung. Insbesondere die stark fiskalisch geprägte Verkaufspolitik des Bundes mit zum Teil sehr hohen Preisforderungen wird bemängelt, "weil der Bund mit der Not der konversionsgeschädigten Städte

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und Gemeinden noch Geschäfte machen will." Erfahrungen aus allen Bundesländern zeigen, daß die Wertvorstellungen zwischen Bund und Kaufinteressenten für freigegebene Liegenschaften häufig stark abweichen. Aus Sicht der Städte ist ein Kaufpreis nur dann angemessen, wenn folgende Aspekte beachtet werden:

  • strukturpolitische Gesichtspunkte in den Abrüstungsregionen,
  • die finanzielle Leistungsfähigkeit der betroffenen Kommunen,
  • die ortsüblichen Preise für vergleichbare Flächen und Gebäude,
  • die bis zur Nutzung oder Vermarktung anfallenden Sicherungs- und Instandhaltungsinvestitionen,
  • die für eine Vermarktung noch erforderlichen Abbruch-, Sanierungs- und Erschließungsinvestitionen (insb. Ver- und Entsorgungssysteme),
  • die Aufwendungen zur Beseitigung militärischer Anlagen und
  • die notwendige Sanierung von Altlasten. [ Fn 33: Länderarbeitskreis der Wirtschaftsministerkonferenz "Überwindung der wirtschaftlichen Nachteile der Abrüstung": Probleme und Lösungsvorschläge im Zusammenhang mit der Verwertung bisher militärisch genutzter Liegenschaften, Beschluß vom 7./8.12.1994, S.12]

Die Länder weisen auch darauf hin, daß für Flächen in abgelegenen Randlagen eine Verwertung mit hohen Erlösen nicht zu erwarten ist. Länder und Kommunen haben deshalb oftmals keine finanziellen Spielräume, um beispielsweise Sicherungsmaßnahmen und Sanierungen durchzuführen. Vielfach wird kritisiert, daß der Bund nicht bereit ist, kommunalen Planungsüberlegungen zu folgen oder diese anzuerkennen. So mußte z.B. in Frankfurt/Main ein geplantes Projekt im sozialen Wohnungsbau aufgegeben werden, weil der Bund die Verhandlungen durch die Vorgabe von zu hohen Verkaufserlösen blockierte.

In den letzten Jahren hat der Bund jedoch bei der Konversion ehemals militärisch genutzter Liegenschaften eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen. So wurde das Verfahren zur Ermittlung des Bundesbedarfs seit 1992 dadurch drastisch verkürzt, daß alle Bundesbehörden ihren Bedarf von sich aus anmelden, also nicht mehr anläßlich zusätzlicher Freigaben von der BVV um Bedarfsanmeldung gebeten werden müssen. Die Initiativlast ist also umgekehrt worden. Eine Verfahrensbeschleunigung gilt auch im Bereich der Wertermittlung der Liegenschaften. Diese kommt dadurch zustande, daß die Zuständigkeit für die Wertermittlung seit Ende 1990 von den Bausachverständigenreferaten der jeweiligen OFD auf die Bauverwaltungen des jeweiligen Bundeslandes bzw. auf freie Sachverständige verlagert

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wurde. Gleichfalls zur Beschleunigung der Verwertung wurde die Entscheidungskompetenz im Mittelbau der BW gestärkt: Die OFD dürfen mittlerweile eigenverantwortlich Liegenschaften bis zu einem Wert von 10 Mio. DM veräußern; vor der deutschen Vereinigung lag die Grenze noch bei 1 Mio. DM. Wegen der Vielzahl großer militärischer Liegenschaften halten die Länder die angehobenen finanziellen Delegationsgrenzen aber immer noch für zu niedrig. Sie haben deshalb den Bund um eine Erhöhung des Ermächtigungsspielraums der OFD auf 25 Mio. DM ersucht.

Der Bund ist außerdem dazu übergegangen, den Verkehrswert von Liegenschaften grundsätzlich nach dem Ertragswertverfahren und nicht nach dem Sachwert zu bestimmen. Hierdurch sollen auf die zukünftige Nutzung abgestellte Bewertungen gewährleistet und irreale "Mondpreise" vermieden werden. Das kann zur Konsequenz haben, daß militärische Gebäude und Anlagen, die nicht mehr für ein zivile Nutzung in Betracht kommen, bei der Ermittlung des Verkaufspreises unberücksichtigt bleiben; dies gilt z.B. für Liegenschaften, die renaturiert werden sollen. In anderen Fällen trägt das Abstellen auf die erzielbaren Mieteinnahmen der künftigen Nutzung (u.a. unter Beachtung der Reparaturbedürftigkeit) zu einer realistischen Bewertung bei. Aufgegeben hat man auch die unrealistische Berechnungsgrundlage, die für jedes militärische Gebäude eine Nutzungsdauer von z.B. 100 Jahren unterstellt. Durch die Verkürzung der angenommenen Gesamtnutzungsdauer kommt es zu erheblichen Preisnachlässen.

Für die Veräußerung von sog. "bleibenden Gemeinbedarfsflächen" - das sind u.a. Konversionsflächen, die künftig einer anderen öffentlichen Zweckbindung zugeführt und deshalb jedem privaten Gewinnstreben entzogen werden sollen, - ist an die Stelle des Ersatzbeschaffungsprinzips seit März 1994 ein neues Bewertungsprinzip getreten, das zum Abbau von Konflikten zwischen der BVV und den Ländern bzw. Kommunen beiträgt. Der Wert einer Gemeinbedarfsfläche bemißt sich dabei nach dem Entwicklungszustand, der sich aufgrund

  • der Umgebungssituation einschließlich deren Planungsrechte,
  • der Lage,
  • des Erschließungszustandes,
  • der verkehrlichen Anbindung sowie
  • der sich wirtschaftlich und städtebaulich aufdrängenden Nutzung baulicher Anlagen

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für das Grundstück ergibt. Maßgeblich für die Wertermittlung sind nach der Richtlinie des BMBau die Verhältnisse unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem das Grundstück infolge der künftigen öffentlichen Zweckbestimmung von der konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen worden ist.

Auf die zivile Nutzung ehemals militärischer Liegenschaften wirken sich auch die Verbesserungen der Preisregelungen für den Verkauf beschleunigend aus. Grundsätzlich veräußert der Bund zwar die freiwerdenden Grundstücke und Gebäude gemäß Bundeshaushaltsordnung zum vollen Verkehrswert. Unter bestimmten Voraussetzungen wird jedoch eine Reihe von Preisnachlässen gewährt, die sich der Bund auch für die Veräußerungspraxis der Länder und Kommunen gegenüber privaten Käufern wünscht, dort aber vermißt. Nach dem Ende 1991 beschlossenen Verbilligungskonzept, das im November 1992 insbesondere zugunsten der neuen Bundesländer noch erweitert wurde, können Länder, Kommunen, aber auch Private bestimmte Liegenschaften verbilligt, in manchen Fälle sogar unentgeltlich erwerben. Vorgesehen sind Preisabschläge u.a. für den sozialen Wohnungsbau, Sozialeinrichtungen, Abwasser- und Abfallbeseitigungsanlagen, überbetriebliche Umschulungseinrichtungen sowie Sportanlagen. Die Verbilligungsmöglichkeiten reichen - gestaffelt nach dem Verwendungszweck - in den alten Bundesländern bis zu 50% des Verkehrswertes und in den neuen Bundesländern bis zu 100%. So werden z.B. bundeseigene Grundstücke bei Nutzung für den sozialen Wohnungsbau oder für Studentenwohnungen bei Belegungsbindungen von mindestens fünfzehn Jahren in den alten und neuen Bundesländern bis zu 50% unter Verkehrswert verkauft. Auch für die Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum gibt es künftig Preisnachlässe bis zu 50% des vollen Wertes, wenn der Erwerber die Förderungsvoraussetzungen des sozialen Wohnungsbaus erfüllt und Mittel aus der Landesförderung nicht zur Verfügung gestellt werden können.

Der verbilligte Kaufpreis bei der Veräußerung bundeseigener Wohnungen an Gemeinden oder an kommunale Wohnungsbaugesellschaften bemißt sich nicht mehr nach der marktüblichen Miete des freifinanzierten Wohnungsbaus, sondern orientiert sich neuerdings an der üblichen Miete im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, wenn sich der Erwerber zu einer Miet- und Belegungsbindung für mindestens zwanzig Jahre verpflichtet. Eine weitere Vergünstigung für Länder und Kommunen ergibt sich aus der gewährten Stundungsregelung. Ab einer Wertgrenze von 3 Mio. DM ist lediglich eine Anzahlung von 20% des Kaufpreises beim Erwerb einer Liegenschaft sofort zu bezahlen, während der Rest in bis zu neun gleichen Jahresraten mit einer Verzinsung zu tilgen ist, die nur 2% über dem Diskontsatz der

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Deutschen Bundesbank liegt. Hier regen die Länder jedoch noch weitere Verbesserungen an (u.a. Senkung der Anzahlung auf 10%, Verlängerung des Tilgungszeitraumes auf zwanzig Jahre, Verzicht auf Verzinsung in strukturschwachen Gebieten).

Nach Einschätzung des Bundes wird von den Preisnachlässen teilweise zu exzessiv Gebrauch gemacht. Dies ist mit ein Anlaß dafür, daß die Verbilligungstatbestände ab 1996 an den Zeitpunkt der Freigabe geknüpft und degressiv gestaffelt werden: im ersten Jahr nach der Freigabe 50% des vollen Wertes, im zweiten Jahr 40%, im dritten Jahr 25% und im vierten Jahr entfallen die Verbilligungen. Da diese Regelung rückwirkend gilt, ist beispielsweise eine im Februar 1993 vollständig zurückgegebene Liegenschaft ab März 1996 nicht mehr verbilligungsfähig. Bei Liegenschaften, die erst 1996 oder später freigegeben werden, kommen dagegen die Investoren innerhalb der genannten Fristen in den Genuß der jeweiligen Verbilligung.

Aus der Perspektive des Bundes gibt es somit attraktive Angebote und Regeln für die Veräußerung von Konversionsliegenschaften, die von einer Reihe von Kommunen häufig nur für den eigenen Vorteil ausgenutzt werden. Anders stellt sich hingegen die Situation aus der Sicht der Städte, Gemeinden und Kreise dar. Viele Kommunen - vor allem in strukturschwachen Räumen - haben schon Probleme, eine Finanzierung für die Sanierung von Militärflächen aufzubringen. Hier wird deswegen in den Preisnachlässen des Bundes keine ausreichende Hilfe bei der Bewältigung der Konversionsprobleme gesehen. Insbesondere ländliche und strukturschwache Gemeinden suchen die wirtschaftlichen Folgen der Abrüstung über gewerblich/ industrielle Folgenutzungen von militärischen Liegenschaften auszugleichen. Hierfür gibt es aber in den alten Bundesländern bisher keine Verbilligung. Und bei großen Arealen müssen oft langwierige Altlastuntersuchungen und komplexe Erhebungen über wirtschaftlich sinnvolle und ökologisch verträgliche Anschlußnutzungen durch geführt werden mit der Konsequenz, daß nach der Freigabe der Liegenschaft mehrere Jahre für Planungen und die Schaffung von Planungsrecht benötigt werden. Wegen Fristüberschreitung können dann die Preisnachlässe, auf die die Kommunen i.d.R. dringend angewiesen sind, nicht mehr in Anspruch genommen werden. Hier erscheint es sinnvoll, entweder auf den gestaffelten Abbau der Verbilligung grundsätzlich zu verzichten oder mit den unterschiedlichen Fristen nicht ab der Freigabe, sondern erst nach der Vorlage der maßgeblichen Voraussetzungen (wie Abschluß der Wertermittlung, Vorliegen planungsrechtlicher Grundlagen) zu beginnen.

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 82]

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8.3 Verwertungsbedingungen aus Sicht der ExWoSt-Konversionsforschung

Die Verwertung von Konversionsliegenschaften läßt sich nicht ohne weiteres privatisieren. Zwar ist es in der Regel das Ziel, daß die eigentlichen Investitionen im wesentlichen durch Private getätigt werden sollen. Diese sind in fast allen Fällen aber nur dann bereit, in ehemalige militärische Immobilien zu investieren, wenn verschiedene Bedingungen - wie öffentliche Förderprogramme, eine intensive öffentliche Begleitberatung und eine funktionierende öffentliche Verwaltung - erfüllt sind. Notwendig ist im Regelfall eine Überplanung der ehemaligen Militärflächen, durch die neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet werden. Bei der planerischen Vorbereitung muß zugleich geklärt werden, mit welchem städtebaurechtlichen Instrumentarium das jeweils angestrebte Konversionsprojekt realisiert und letztlich auch finanziert werden soll. Es ist darauf zu achten, daß neben dem allgemeinen Bebauungsplan, dem städtebaulichen Vertrag oder dem Vorhaben- und Erschließungsplan auch städtebauliche Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen im Rahmen der Konversion umgesetzt werden können. Erforderliche Voruntersuchungen bzw. vorbereitende Untersuchungen für städtebauliche Aktivitäten sollten zum frühestmöglichen Zeitpunkt und u.U. auch vorsorglich von der Kommune beschlossen werden, weil so Wertsteigerungen im Hinblick auf den entwicklungsunbeeinflußten Grundstückswert ausgeschlossen werden können.

Nach den Ergebnissen des Forschungsfeldes Konversion, die im Rahmen des Forschungsprogramms Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundesbauministeriums gewonnen wurden, zeichnet sich die planerische Notwendigkeit für eine verwertungsorientierte Bedarfsanalyse ab. Erfahrungsgemäß kann der Markt die große Anzahl der städtebaulich relevanten Flächen nicht kurzfristig absorbieren. Deshalb ist ein etappenweises Vorgehen anzustreben, bei dem keine "Planungsleichen" entstehen sollten. Daß diese Gefahr besteht, zeigen Beispiele aus der angedachten bzw. schon praktizierten Veräußerung ehemaliger WGT-Liegenschaften, wo es einen Ausverkauf von besonders marktgängigen Immobilien gegeben hat, während schwer veräußerbare Liegenschaften übrigblieben. Zur Vermeidung dieses Problems schlägt die ExWoSt-Forschung vor, daß zunächst das vermarktungsfähige Reservoir an Konversionsliegenschaften zusammengestellt wird. Hieraus lassen sich dann zusammen mit den schwer veräußerbaren Liegenschaften "Tandemangebote" für eine Ausschreibung zusammenstellen. Angesichts der Dimensionen einzelner Konversionsflächen muß auch der Mut zur Brache aufgebracht werden, wenn dies mit den Zielen der Stadtentwicklung vereinbar ist.

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Bei der Wiederbelebung von Konversionsliegenschaften gibt es in den Gemeinden der neuen Bundesländer auch finanzielle Probleme bei der Planung und beim Flächenerwerb. Hierfür zeichnen sich bisher folgende Lösungsansätze ab:

  • Die Kommune erwirbt zunächst die Liegenschaft nicht. Auf bilateraler Ebene zwischen Eigentümer und dem Träger der Planungshoheit werden die großflächigen Liegenschaften in Teilstücken etappenweise entwickelt und veräußert.
  • Die Kommune erwirbt die Konversionsliegenschaft zu einem Preis, der mit dem Bund ausgehandelt wurde. Die Entwicklung und Vermarktung der Fläche erfolgt dann in Partnerschaften aus öffentlichen und privaten Akteuren.

Im Rahmen des ExWoSt-Forschungsfeldes Konversion wurde festgestellt, daß häufig eine Rückkoppelung der Planung zur Marktfähigkeit von Konversionsobjekten fehlt. Weiter konnte nachgewiesen werden, daß die Vermarktungsfähigkeit einer Liegenschaft nicht nur in Abhängigkeit zu deren Lage und zur Altlastensituation steht, sondern in erheblichem Maße auch vom kommunalen Engagement abhängt. Zudem hat sich gezeigt, daß es gerade in ostdeutschen Kommunen viele Risikofaktoren (wie unklare Wohnungsmarktsituation und unsichere wirtschaftliche Perspektiven) gibt, die das angesichts der Problemfülle und Aufgabendimension der Konversion als notwendig erachtete pragmatische Vorgehen erschweren. Das für die Problemlösungen erforderliche ressortübergreifende Denken ist sowohl bei den Akteuren innerhalb als auch außerhalb der Verwaltung noch nicht genügend ausgeprägt. Daß die kommunale Handlungskompetenz noch verbessert werden muß, ergibt sich auch daraus, daß Städtebauförderungsmittel teilweise wieder an den Bund zurückfließen, weil der Kassenmittelabfluß in den neuen Bundesländern nicht gewährleistet ist. Überwunden werden müssen aber auch psychologische Barrieren in der Bevölkerung. Diese bremsen eine sinnvolle Konversion, z.B. bei der Wiedernutzung ehemaliger Wohnungen und Kasernengebäude der WGT als Sozialwohnungen.

Nach den Ermittlungen des ExWoSt-Forschungsfeldes Konversion sehen die im Rahmen des Projektes untersuchten Modellstädte in den neuen Bundesländern in der notwendigen Umwidmung der Liegenschaften aufgrund der Flächendimensionen, der schlechten Bausubstanz, des Ausmaßes an Altlasten und der Überforderung der Verwaltung eher eine Belastung. In den alten Bundesländern, die über deutlich besser ausgestattete und erfahrenere Verwaltungen verfügen, wird die Liegenschaftskonversion dagegen eher als Chance für die Stadtentwicklung eingeschätzt. Die Belange der gesamtstädtischen Planungen treten allerdings oftmals in den Hintergrund, weil die Kommunen von der Konversionsentwicklung völlig über-

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 84]

rascht wurden. Deshalb besteht ein Ziel des ExWoSt-Projektes in der Entwicklung von Instrumenten, mit denen die komplexen und langfristigen Aufgaben der L.iegenschaftskonversion koordiniert und gesteuert werden können. Es werden Elemente einer Planungssteuerung konzipiert, die ein abgestimmtes Vorgehen aller beteiligten Handlungsebenen zulassen. Dies erscheint vor allem deshalb wichtig, weil anders keine sinnvollen städtebaulichen Nutzungen für Flächen von der Dimension gefunden werden können, wie sie die Konversionsliegenschaften mehrheitlich aufweisen (Größe über 20 ha).

Die Planungssteuerung umfaßt eine Vielzahl von Aufgaben. Hierzu zählt einmal eine breite Öffentlichkeitsarbeit über das Konversionsprojekt. Da die Militärflächen früher "verbotene Zonen" waren, die höchstens an Tagen der "Offenen Tür" betreten werden durften, muß jetzt mit Hilfe von umfassenden Informationen ein neues Image und eine neue Identität für die Konversionsliegenschaften hergestellt werden. Dabei setzt die Umwandlung in zukünftige Industrie- und Gewerbeflächen häufig auch das Aufzeigen von Nutzungspotentialen und -alternativen voraus. Weiter wird die Planungssteuerung als kooperativer Steuerungsprozeß verstanden, der auf personeller, fachlicher und räumlicher Ebene die Zusammenarbeit aller Akteure fördern soll; dabei geht es um

  • Kooperationen von Gutachtern, Fachleuten, Verwaltung
  • Kooperationen von Liegenschaften, Hochbau, Tiefbau, Stadtplanung, Umwelt, Stadtwerke, Private
  • Kooperationen von Region, Stadt, Nachbargemeinden, Land, Fachverwaltungen.

Schließlich soll der Konversionsprozeß durch Zwischenzielsetzungen und Zeitvorgaben vorangetrieben und seine Umsetzung u.a. durch Rechtsverfahren, Bauleitplanung, durch Fördermittel, durch Berichterstattung in Rat und in Ausschüssen sichergestellt werden.

Die praktische Umsetzung der Planungssteuerung erfolgt in den Modellvorhaben des ExWoSt-Forschungsfeldes. In den Projekten Meiningen und Neu-Ulm werden z.B. die bauplanerischen Aspekte der Liegenschaftskonversion regelmäßig auf der Umsetzungs- und Instrumentenebene (Bau-, Immissions-, Abfall-, Wasserrecht etc.) mit Belangen der Wirtschaftsförderung, der technischen Infrastruktur und der örtlichen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verknüpft. Daneben gilt es, Fördermittel aus verschiedenen Programmen einzuwerben und zu bündeln. Solche Tätigkeiten übernimmt im Auftrag der jeweils betroffenen Kommunen das Projektmanagement, das die Liegenschaftskonversion nicht nur als Abwicklungsaufgabe für den Auftraggeber

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 85]

zu bewältigen sucht, sondern als "Anstoß- und Impulsgeber" auch ökonomische sowie unternehmerische Aspekte der anstehenden Umnutzung berücksichtigt. Im Gegensatz zur rein moderierenden Funktion eines Planungssteuerers, der die Aufgaben der fachlichen Beratung, des Aufzeigens von Querbezügen und der Vorbereitung von Entscheidungen übernimmt, schließt das Planungsmanagement auch inhaltliche Einflußnahmen ein, bei der direkte investive oder privatwirtschaftliche Interessen beachtet werden. Im Land Brandenburg werden für diese projektbegleitende Aufgabe künftig Fördermittel bereitgestellt.

Im Modellvorhaben Fürstenberg/Havel in Brandenburg fungiert die Konversionsliegenschaft als Motor einer ganzheitlichen Stadtentwicklung, weil fast alle städtebaulichen Bereiche (Stadterneuerung, Verkehr, Funktionsverteilung von Handel und Dienstleistungen usw.) unmittelbar betroffen sind. Hier schließt der Planungsprozeß regelmäßige Diskussionsforen zur Stadtentwicklung unter Beteiligung von Politik, Wirtschaft und Administration sowie fachöffentliche Arbeitsgruppensitzungen ein. Örtliche Zuständigkeiten werden zusätzlich mit übergeordneten behördlichen Entscheidungsebenen verknüpft. Auf diese Weise kann ein umfassender Informationsaustausch erfolgen. Die Projektbearbeitung, die in diesem Modellvohaben durch ein externes Büro wahrgenommen wird, hat weitgehend Moderatorenaufgaben zum Inhalt. Dies trägt zur Akzeptanz des Konversionsprojektes in der Öffentlichkeit bei.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000

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