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[Seite der Druckausgabe: 50 / Fortsetzung]

7. Erfolgsfaktor Innovation

Das Wort "Innovation" spielt heute in der wirtschaftspolitischen Diskussion eine zentrale Bedeutung. Nach Josef Schumpeter beinhaltet der Terminus "Innovation" alles, was mit der Herstellung und Vermarktung neuer Produkte verbunden ist. Hierzu zählen die Erfindung neuer Produkte, die Schaffung neuer Organisationsstrukturen oder die neue Kombination von Produktionsfaktoren ebenso wie die Erschließung neuer Rohstoffe oder Absatzmärkte. Allgemeine Merkmale einer Innovation sind insofern die Neuigkeit und die Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Produkten, Verfahrensweisen oder Dienstleistungen. Dabei kommt es natürlich immer auf den Bezugspunkt an, denn was für ein Unternehmen neu in seinem Geschäftsfeld ist, kann in einer anderen Branche längst zum Standard gehören. Zudem muß zwischen Basisinnovationen und inkrementalen Innovationen unterschieden werden. Als Basisinnovationen gelten grundsätzlich neue Entwicklungen oder neue Verfahren. Inkrementale Innovationen sind Neuerungen, durch die etwas Bestehendes verändert, verbessert oder im Zeitablauf optimiert wird.

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7.1 Innovationsdefizite in Deutschland

Innovationen spielen heute vor dem Hintergrund des globalisierten Wettbewerbs und der immer kürzer werden Produktzyklen eine zentrale Bedeutung für Marktposition und Zukunftschancen der Unternehmen. Um so bedenklicher ist das Urteil der Anfang 1998 vorgelegten "SIR Europastudie Innovation" der Unternehmensberatungsgesellschaft Droege & Comp. Internationale Unternehmer-Beratung, wonach deutsche Unternehmen in puncto Innovationsfähigkeit im westeuropäischen Vergleich den letzten Platz einnehmen. Während in den Benelux-Staaten der prozentuale Anteil der Unternehmen mit erfolgreicher Innovationspolitik am Gesamtbestand der Unternehmen bei stolzen 56,2 Prozent liegt, bildet Deutschland mit lediglich 20,8 Prozent das Schlußlicht. Gerade mal jedes fünfte Unternehmen in Deutschland erwirtschaftet mehr als 20 Prozent seines Umsatzes mit Produkten, die seit maximal drei Jahren auf dem Markt sind. Besonders bedenklich stimmt die Unternehmensberater, daß die wenigsten Unternehmen bislang die Bedeutung eines systematischen Innovationsmanagements erkannt haben.

Die fast zeitgleich veröffentlichte Untersuchung der Münchener Unternehmensberatung Helbling Management Consulting beschreibt die mittelständischen Unternehmen in Deutschland als innovationsmüde. Vorhandene Produktideen würden nur selten in unternehmerische Erfolge umgewandelt. Insgesamt hatte die Beratungsgesellschaft 326 mittelständische, überwiegend technologieorientierte Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Automobil- und Bauzulieferung sowie der Elektro- und Elektronikindustrie befragt. Zwar investierten 50 Prozent der befragten Unternehmen in die Entwicklung neuer Produkte und in die Verbesserung ihrer Prozeßabläufe, doch nur rund 30 Prozent dieser Anstrengungen seien auch mit geschäftlichem Erfolg verbunden. In jedem zweiten Unternehmen fehle sogar ein systematischer Innovationsprozeß. Als Ursache für die unzureichenden und oftmals vergeblichen Anstrengungen benannten die Berater mangelndes Vertrauen in die eigene Marktposition, das Eingehen zu hoher Marktrisiken und Innovationskosten sowie die fehlende Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden. Zu häufig werde der Innovationsprozeß von den Entwicklungsabteilungen eingeleitet, ohne die Kunden zuvor befragt zu haben. Die Wirkung einer Innovation könne auf diesem Wege schnell verpuffen.

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Der Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Neue Produkte in Villingen-Schwenningen bestätigt diese negativen Urteile über die Innovationskraft mittelständischer Unternehmer. Oftmals stimmten die Voraussetzungen innerhalb der Unternehmen nicht, würden Chancen und Risiken einer Innovation nicht ausreichend beleuchtet und die falschen Entscheidungen getroffen. Dies liege nicht zuletzt daran, daß bei vielen mittelständischen Unternehmen unverändert typisches Ingenieursdenken vorherrsche. Ingenieursdenken allein sei für die erfolgreiche Plazierung einer Innovation am Markt jedoch nicht ausreichend. Vielmehr bedürfe es bei allen Innovationen stets einer klaren Orientierung am Kundennutzen.

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7.2 Marketingdenken statt Ingenieursdenken - Anforderungen an ein effizientes Innovationsmanagment

Vereinfacht lassen sich die Unterschiede zwischen einem reinen Ingenieursdenken und einem Marketingdenken mit folgenden Schaubild illustrieren:



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Beim reinen Ingenieursdenken liege eine höchst problematische Risikokonzentration im letzten Schritt, dem Vertrieb, vor. Erst dann erfolge die Überprüfung, ob der aus dem Ingenieursdenken resultierende Ideenimpuls überhaupt für eine marktgängige Innovation tauge. Für Korrekturen am Produkt sei es dann jedoch längst zu spät. Die Alternative zu diesem Szenario sei das Marketingdenken. Hier folge dem Ideenimpuls als zweiter Schritt die Beschaffung der notwendigen Informationen aus Sicht derer, die das Produkt kaufen oder realisieren sollen. Im Normalfall erhalte das Unternehmen dabei bereits alle notwendigen Informationen, um die Marktchancen der Idee sachgerecht bewerten zu können. Insofern könne aus Sicht der Unternehmensberatung nur empfohlen werden, im Bereich Innovationen etwas mehr Marketingdenken als Ingenieursdenken an den Tag zu legen.

Die zweite Anforderung an die Unternehmen lautet, nicht anhand von Einzelfaktoren zu entscheiden, sondern nach dem Ganzheitlichkeitsprinzip.



Die Produktanforderungen müßten gleichzeitig aus den Blickwinkeln der Technik, des Marktes und der Organisation gesehen werden. In der Regel werde heute in einem Unternehmen die insgesamt für ein neues Produkt aufgebrachte Energie zu 70 bis 80 Prozent auf den Bereich "Technik"

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(Antwort auf die Frage: "Was ist es?") verwendet, gefolgt vom Bereich "Organisation" (Antwort auf die Frage: "Was bringt es?"), während der Bereich "Markt" (Antwort auf die Frage: "Wem und was nützt es?") nur unzureichend berücksichtigt werde. Dies sei eine gefährliche Aufteilung, da die zentralen Risiken für den Erfolg einer Produktinnovation nicht in der Technik lägen, sondern in der Frage, ob der Kunde das neue Produkt so überhaupt wolle. Diese entscheidende Frage werde heute zu oft stark vernachlässigt. In vielen Gewerken, gerade auf der Bauseite, sei zudem die Kostenrechnung sehr schlampig. So stießen Berater bei produzierenden Dienstleistungsunternehmen immer wieder auf erhebliche Defizite bei der Frage, was kostet eigentlich ein laufendes Projekt und wann rechnet es sich.

Die dritte Anforderung klinge zwar banal, sei aber dennoch von entscheidender Bedeutung. Bei einer Innovation bedürfe es eines vernünftigen Innovationsmanagements und eines systematischen Vorgehens.


Beim Einstieg in ein neues Produkt sei die Frage entscheidend, welche Chancen es habe und welche zentralen Anforderungen zu erfüllen seien. Danach sollten die Kapazitäten insbesondere finanzieller Art geprüft wer

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den, um abzuklären, was überhaupt möglich sei. Ein Verfahrensschritt, bei dem in der alltäglichen Praxis Sorgfalt oftmals durch Hoffnung ersetzt werde. Weiterhin müsse geprüft werden, welche Wege zum Ziel führen könnten. Auf dieser Basis müsse dann ein sorgfältiger Projektplan erarbeitet werden, der aussagekräftige Zahlen einschließlich der Abläufe und der Zahlen für das kommende Jahr enthalten müsse. Erst danach erfolge die systematische Realisierung.

Die Erfahrung zeige jedoch, daß in vielen Unternehmen beim letzten Schritt begonnen werde, der Realisierung eines Projektes ohne Kenntnisse über Kosten und potentielle Käufer. Der Vorstand der PA Power Automation bestätigt, daß Innovationen nur dann sinnvoll sind, wenn auch ein entsprechender Markt dafür vorhanden ist. Ob die Innovation an diesem Markt erfolgreich sein werde, hänge jedoch nicht nur von ihrer Qualität, sondern auch entscheidend von ihrem Preis ab. Ohne Zweifel habe die PA Power Automation ein sehr gutes Produkt auf den Markt gebracht, aber der Hauptgrund für dessen Verkaufserfolg sei der ausgesprochen günstige Preis. Insofern dürfe bei aller Fixierung auf die Innovation an sich nicht vergessen werden, deren Chancen im Preiswettbewerb nüchtern zu analysieren. Generell seien klare und umfassende Marktkenntnisse die unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung von Innovationen. Die Unternehmer müßten lernen, ihren Kunden sehr gut zuhören zu können, sie ernst zu nehmen und daraus für die eigene Innovationsentwicklung optimale Schlüsse ziehen zu können. Denn häufig erwachse das Potential für eine Innovation aus Kundenproblemen, deren Lösung zunächst unmöglich erscheine.

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7.3 Die Bedeutung von Innovationen für die Unternehmen

Der Vorstandsvorsitzende der Unicor Holding AG hält eine Differenzierung in die verschiedenen Innovationsschritte für sinnvoll. Zentrale Bedeutung für eine Innovationskultur habe natürlich die Grundlagenforschung, die jedoch nicht von den Unternehmen betrieben werden müsse, sondern durch Forschungsinstitute und Universitäten. In das originäre Aufgabenfeld eines mittelständischen Unternehmens gehöre jedoch die Entwicklung. Und wenn eine solche Entwicklung besonders gut gelinge, dann sei es nicht nur eine Weiter-, sondern eine Neuentwicklung oder Innovation gewesen. Und wenn dabei nicht nur die Ingenieurleistung, sondern auch die Marktanfor-

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derung berücksichtigt wurden, könne daraus sogar ein gutes Geschäft werden. Innovationen zu vernachlässigen sei für ein Unternehmen ebenso fahrlässig wie die Entwicklung von Innovationen, ohne zuvor die Anforderungen des Marktes genau studiert zu haben.

Der Geschäftsführer von CD One, Studio für interaktive Medien gibt zu bedenken, daß Innovationen für kleine und mittlere Unternehmen neben Chancen auch Risiken bergen. So gebe es kleine Unternehmen, deren Geschäftserfolg gerade nicht auf Innovationen beruhe; statt dessen hätten sie sich in einer Marktnische eingerichtet, in der sie auch ohne Innovationen überleben könnten. Für diese Unternehmen stellten Innovationen eine potentielle Gefahr dar, weil zu befürchten sei, daß ihre Nische eines Tages beseitigt werden könnte. Dasselbe gelte für Unternehmen, die sich aufgrund einer einmaligen Innovation eine bestimmte Marktposition erarbeitet hätten, in der sie seitdem verharrten, ohne sich weiterzuentwickeln. Insofern könnten kleine und mittlere Unternehmen dauerhaft nicht überlebensfähig sein, wenn sie nicht rechtzeitig die Notwendigkeit zu Innovationen erkennen. Innovationen kosteten jedoch derart viel Zeit und Geld, daß solche Investitionen für kleine Betriebe schnell zu einem Alles-oder-nichts-Programm würden. Entweder gelängen Realisierung und Markteinführung der Innovation wie geplant oder der Firma drohten erhebliche finanzielle Verluste und im schlimmsten Fall sogar der Konkurs.

Notwendig für Innovationen sei vor allem ein entsprechendes gesellschaftliches und betriebliches Klima. Menschen, die Innovationen schaffen sollen, brauchten hierfür die nötigen innovationsfördernden Freiräume, auch finanzieller Art. Querdenken müsse erlaubt sein, stromlinienförmige Entwicklung unter dem ausschließlichen Diktat wirtschaftlicher Zwänge dürfe nicht das Endstadium technischer Entwicklung sein. Das verbreitete "Shareholder-value-Denken" stehe diesem Anspruch in der Praxis entgegen, denn wenn Entwicklung nur noch unter der Prämisse gesehen werde, möglichst viel Geld zu verdienen, bleibe den Entwicklern nicht der notwendige Freiraum, um die Konsequenzen ihrer Innovation ausreichend zu überdenken und zu analysieren.

Die Vertreterin der IG Metall bestätigt, daß Arbeit nur dann Innovationen schaffen kann, wenn die Arbeitsorganisation dies auch zuläßt. In Deutschland treffe man jedoch bei vielen Großunternehmen auf tradierte Arbeitsformen, die Weiterentwicklungen gar nicht zuließen. Es sei notwendig,

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lernträchtige Arbeitsorganisationen in allen Betrieben zu schaffen, um somit den Anforderungen von außen gerecht werden zu können.

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7.4 Das Steuersystem als zentrales Innovationshemmnis

Die Innovationskraft einer Volkswirtschaft hängt entscheidend davon ab, ob die politischen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen Innovationen fördern oder behindern. Insofern muß eine Diskussion über das Thema Innovation nach Einschätzung des Geschäftsführers der ZMM Zeitmanagement München GmbH bei der Bewertung dieser Rahmenbedingungen ansetzen. Bei dieser Analyse treffe man in Deutschland auf eine Fülle von Innovationshindernissen. Das mit Abstand gravierendste Hindernis sei das Steuersystem.



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Aufgrund seiner vollkommen überzogenen Komplexität und der Vielzahl falscher Anreize führe das Steuersystem dazu, daß Manager von Unternehmen heute ebenso wie Privatpersonen nur noch darüber nachdächten, wie sie Steuern sparen könnten, statt sich produktiven oder innovativen Fragen zu widmen. Abschreibungsvorteile belohnten heute nicht den Entrepreneur, der Zukunftsfelder erschließt und neue Arbeitsplätze schafft, sondern denjenigen, der in Beton und Boden investiert.



Die Modellrechnung geht von einem ledigen, kinderlosen Facharbeiter aus, der Mitglied einer Kirche ist und ein Bruttojahresgehalt von 73.800 DM erhält, im Jahr Fehlzeiten von 5 Prozent hat und von dessen Gesamtgehalt die Leistungen für bezahlten Urlaub, Urlaubs-, Weihnachtsgeld und 13. Monatsgehalt etwa 14 Prozent ausmachen. Aus den genannten Parametern ergebe sich ein Nettostundenlohn von 20,70 DM. Dieselbe Stunde müsse aber - ohne das der Arbeitgeber Verwaltungskosten oder gar Gewinnzuschläge berechnet hätte - am Markt für 69 DM verkauft werden. Von diesen 69 DM kassiere der Staat mit 43,70 DM fast zwei Drittel, nämlich 63 Prozent. Ein Handwerker oder Facharbeiter, der die Arbeits-

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stunde eines Kollegen mit gleichem Einkommen kaufen möchte, müsse also 3,34 eigene Nettostundenlöhne hierfür aufbringen.

Dieser Steuerbelastung könnten sich zwar die großen international operierenden Konzerne entziehen, nicht jedoch die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk und die Dienstleistungsunternehmen. Hauptbetroffen seien damit genau die Unternehmen, von denen im besonderen Maße ein Beitrag zur Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaft erwartet werde. Wenn der Faktor Arbeit dermaßen mit Steuern belegt werde, dürfe sich niemand über die Defizite im Dienstleistungsbereich wundern. Zudem werde Kaufkraft vernichtet und die Stoßrichtung der Innovationsbereitschaft in den Bereich Rationalisierung gelenkt. Denn das Signal einer solchen Belastung des Faktors Arbeit laute eindeutig: "Spart Arbeitskräfte!" Damit Deutschland jedoch nicht nur Vorreiter bei den Rationalisierungsinnovationen sei, sondern auch im Bereich der arbeitsplatzschaffenden Innovationen, bedürfe es der Abkehr von einem Steuersystem, das nur falsche Anreize setze. Insofern müsse das innovationsfeindliche und altmodische Regulierungssystem durch eine intelligente Form der Regulierung abgelöst werden. Ein Weg hierfür sei die ökologische Steuerreform, in der schrittweise der Faktor Arbeit entlastet und der Faktor Energie verteuert werden. Eine solche Umgestaltung des Steuersystems würde in den kleinen Betrieben Innovationen wieder möglich und bezahlbar machen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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