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[Seite der Druckausgabe: 57 / Fortsetzung]

3. Zielkonflikte in der regionalen Wirtschaftspolitik

3.1 Kontroverse über die Ziele regionaler Wirtschaftsförderung am Beispiel der GA (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gemäß Art. 91a GG)

Die Wirtschaftsförderungspolitik bedient sich verschiedener Instrumente, um steuernd in die bundesdeutsche Wirtschaft einzugreifen. Neben dem vorrangigen Wachstumsziel verfolgt sie dabei eine Reihe von anderen Zielen, unter anderem auch das der „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", wie es in
Art. 91a GG und durch das Gesetz zur Gemeinschaftsaufgabe (GRW) festgelegt ist. Zielsetzung der Regionalpolitik im Rahmen der GA ist es, daß strukturschwache Regionen „durch Ausgleich ihrer Standortnachteile Anschluß an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung halten können und regionale Entwicklungsunterschiede abgebaut werden." (25. Rahmenplan der GA für den Zeitraum 1996-1999, Seite 5). Zu diesem Zweck teilt der Planungsausschuß der GA (Bundeswirtschaftsminister als Vorsitzender, Bundesfinanzminister und die Landeswirtschaftsminister) das Bundesgebiet in Fördergebiete ein, deren wirtschaftliche Leistungskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder besonders durch den Strukturwandel in alten Industrien (Kohle, Stahl, Schiffbau) betroffen sind. In diesen werden aus GA-Mitteln Zuschüsse gezahlt für:

  • gewerbliche Investitionen
  • (kommunale) Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur.

Ursprünglich waren die Zuschüsse für gewerbliche Investitionen auf die Industrie konzentriert. Inzwischen wurde die Liste der förderungsfähigen Wirtschaftszweige (Positivliste) um

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4 Dienstleistungsbereiche und 21 Handwerkszweige ergänzt. Gewerbliche Investitionen werden nur gefördert, wenn durch sie zusätzliches Einkommen in der Region entsteht (sog. Primäreffekt). Dieses wird angenommen bei Unternehmen, deren Produkte/Leistungen überregional abgesetzt werden, weil diese Unternehmen internationaler Konkurrenz unterliegen und eine echte Standortentscheidung treffen können. Diese Anforderung ist für die NBL problematisch, weil sich beispielsweise in Brandenburg solche Unternehmen im „Speckgürtel" konzentrieren und damit das regionale Entwicklungsgefälle noch verstärkt wird. Die GA wird anteilig zur Hälfte vom Bund und von den Ländern finanziert, wobei diese selbst über die Schwerpunktsetzung der Mittelvergabe auf ihrem Gebiet entscheiden und das Bewilligungsverfahren durchrühren. Trotzdem hat die GA in der bundesdeutschen Strukturpolitik eine wichtige Koordinierungsfunktion, weil sie die Fördergebiete nach einem bundesweit einheitlichen Verfahren festlegt und über Förderhöchstsätze und einheitliche Fördertatbestände Rahmenbedingungen für komplementäre Landesprogramme setzt.

Alle diese Instrumente und Verfahren wurden entwickelt und angewendet in der alten Bundesrepublik unter der Bedingung einheitlicher wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen und bei einem relativ geringen Entwicklungsgefälle (von Süd nach Nord). Die wichtigsten Probleme waren der Entwicklungsrückstand ländlicher Regionen und der Strukturwandel in den Montanregionen und an der Küste. Durch die Vereinigung hat sich dies grundlegend geändert. Ostdeutschland durchlief eine Transformation der gesamten Wirtschaftsordnung, was begleitet war von einem massiven Einbruch der industriellen Basis. Dementsprechend verfolgt die staatliche Strukturpolitik in Ostdeutschland vorrangig drei Ziele:

  • Erhalt der verbliebenen industriellen Kerne als Ausgangspunkte für die Ansiedlung neuer Produzenten
  • aktive Arbeitsmarktpolitik
  • Regionalpolitik zur Verbesserung der Infrastruktur

Unter den Bedingungen der forcierten Transformation gelang es zwar bis Mitte der 90er Jahre die Infrastruktur d.h. Telekommunikations- und Verkehrsnetze, Gewerbegebäude und öffentliche Versorgungsleistungen im großen und ganzen auf westdeutschen Stand zu bringen (wichtige Ausnahme: kommunale Straßennetze, vor allem fehlende Umgehungsstraßen um Ortskerne und Ballungsgebiete), aber Industrieproduktion und -beschäftigung schrumpften dramatisch. Auch die neu entstandenen Dienstleistungsjobs boten keinen ausreichenden Ersatz. Voraussetzung für ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum als Basis für die Eigenfi-

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nanzierung der NBL bleibt eine Erhöhung des Industriebesatzes. Eine besondere Schwäche der ostdeutschen Wirtschaft ist das weitgehende Fehlen eines innovativen, überregional aktiven Mittelstandes, der in den alten Bundesländern oft der Träger von Produkt- und Prozeßinnovationen ist. Ziel der Wirtschaftsförderung muß die Schaffung von Industriearbeitsplätzen sein.

Nach Einigungsvertrag wurden alle NBL und Ostberlin Fördergebiete der GA. 1992 bis 1995 wurden in Ostdeutschland ca. 37 Mrd. DM für gewerbliche Investitionen und 21 Mrd. DM für Projekte zur Verbesserung der kommunalen wirtschaftsnahen Infrastruktur vom Bund und den neuen Ländern vergeben. Dies ist ein erheblicher Anteil der staatlichen Gesamtinvestitionen. Dabei wurden die GA-Mittel weniger als klassische Regionalförderung, sondern als 'Wiederaufbauprogramm' eingesetzt. Seit 1991 gehört ganz Ostberlin und Teile Westberlins zu den Fördergebieten durch die GA. Im Juni 1996 hat die EU-Kommission die Anhebung der Fördersätze in Westberlin rückwirkend seit Mai 1995 auf das ostberliner (ostdeutsche) Niveau genehmigt. Damit können gewerbliche Investitionen um bis zu 35 % der Gesamtsumme und die wirtschaftsnahe Infrastruktur bis zu 50 % (Ausnahmeregelung bis zu 90%) bezuschußt werden. Die Förderung Berlins durch die GA im Zeitraum 1991-95 belief sich auf 3,1 Mrd. DM. Daneben erhielt Ostberlin von 1991-93 ca. 174 Mio. ECU vom Europäischen Regionalfonds (EFRE), die in Ergänzung zur GA-Förderung eingesetzt wurden. Für den Zeitraum 1994-99 erhöhen sich diese Mittel auf 514 Mio. ECU für Ostberlin als Ziel-1-Gebiet, zuzüglich 229 Mio. aus anderen europäischen Förderprogrammen, die unabhängig von der GA vergeben werden. Damit ist die GA das mit Abstand wichtigste Förderinstrument der regionalen Wirtschaftsförderung in Berlin. Die Entwicklung dieser Förderung im Zeitraum 1996 bis 2000 ist in Teil 1.2 dargestellt:

Aus diesen Zahlen läßt sich ablesen, daß in der zweiten Phase die Förderung der kommunalen Infrastruktur gegenüber den gewerblichen Investitionen an Bedeutung verliert, also eine Anpassung an die deutsche Verteilung stattfindet. Das heißt nicht, daß es in Berlin keine förderungswürdigen öffentlichen Projekte mehr gibt, sondern daß, nachdem die gröbsten Mängel abgestellt sind, die überragende Bedeutung von gewerblichen Investitionen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze berücksichtigt wird. Ein neuer Schwerpunkt der GA-Förderung sind die KMU. In Berlin wurde dazu ein Gewerbehofprogramm mit einem Volumen von knapp 50 Mio. ECU eingeführt.

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Mit dem Beschluß des 25. Jahresprogramms im März 1996 wurde aber nicht nur Ostdeutschland in eine einheitliche Fördergebietsstruktur eingeordnet, sondern auch einige wichtige Strukturelemente der Regionalförderung im Rahmen der GA reformiert und den veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen angepaßt. Da diese Neuorientierung nicht nur für die zukünftige Funktionsweise der GA, sondern für die gesamte Regional- und Strukturpolitik in der Bundesrepublik wichtig ist, sei hier die Argumentation des 25. Rahmenprogramms zitiert:

„Für die deutsche Volkswirtschaft bedeutet dies, daß sich der internationale Wettbewerbsdruck generell und der Wettbewerb der Standorte im besonderen erheblich verschärft hat. ... Generell gilt, daß der Anpassungsdruck in Regionen besonders stark ist, in denen Wirtschaftszweige dominieren, die in direktem Wettbewerb zu Unternehmen in Niedriglohnländern stehen. ... Durch die zunehmende Möglichkeit, Produktionsprozesse auch innerhalb der Sektoren technisch wie räumlich zu trennen, könnten gerade strukturschwache Regionen in Anpassungschwierigkeiten geraten. Einerseits dürfte es eher möglich werden, technologisch hochwertige Produktionen noch stärker auf Regionen konzentrieren, die ein hohes Innovationspotential besitzen. Dies dürften vor allem die bereits jetzt wirtschaftsstarken Regionen sein. Andererseits könnte die räumliche Bindung an die Nachfrage- und Produktionszentren bei standardisierter, technologisch einfacher Fertigung noch stärker abnehmen. Davon könnten strukturschwache Regionen aber nur dann profitieren, wenn sie im Produktivitäts- und Kostenwettbewerb mit Standorten in Süd- oder Mittel- und Osteuropa bestehen können."

Dieser verschärften Konkurrenz will das Rahmenprogramm durch einen Qualitäts- und Innovationswettbewerb begegnen. Die vom Rahmenprogramm formulierte Lösungsstrategie beinhaltet:

  • Erweiterungsinvestitionen für konkurrenzfähige Produkte /Verfahren vor allem durch Existenzgründungen
  • Aufgabe von Produktionsstrecken und Produktsegmenten, die am Standort nicht mehr konkurrenzfähig produziert werden können, bis hin zur Umstrukturierung ganzer Betriebe. Das kann dazu führen, daß existierende Arbeitsplätze durch neue, qualifiziertere ersetzt werden müssen.
  • Förderung der Innovationsfähigkeit durch Investitionen in das Humankapital der Beschäftigten, mit dem Ziel die Entwicklung neuer Produkte und die Einführung neuer Produktionsverfahren zu beschleunigen.

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Solche Überlegungen sind nicht neu und beschränken sich nicht auf die Debatte in der Regionalförderung. Sie hat aber zu einer zumindest graduellen Änderung des Förderungsverständnisses geführt. Der Trend geht weg von der klassischen 'Beton-Förderung' (Fabrikhallen, Brücken, Kläranlagen), hin zur Förderung sog. „nicht-investiver Maßnahmen" von KMU, wie der Finanzierung externer Beratung und Mitarbeiterqualifizierung für Unternehmen (z.B. die sog. Innovationsassistenten-Ausbildung), angewandte F&E und die Erstellung integrierter regionaler Entwicklungskonzepte. Dies berücksichtigt die zunehmende Bedeutung „weicher Standortfaktoren" für Investitionsentscheidungen. Dieser Reform war eine jahrelange Debatte unter Experten vorausgegangen. Dabei ging es nicht nur um einen effektiveren Fördermechanismus und erweiterte Förderziele, sondern auch eine neue Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und EU. Die Kommission vertrat den Standpunkt, daß der Förderrahmen der GA zu eng sei, weil integrierte Förderkonzepte, die arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, regionale Infrastrukturförderung und Fachprogramme (Technologie o.a.) miteinander verbinden, durch die strengen Anforderungen der GA meist nicht förderungsfähig sind. Im Gegensatz dazu befürworteten die wirtschaftspolitischen Vertreter von Bund und Ländern die Beibehaltung der strikten Orientierung auf gewerbliche Investitionen. Wohl gemerkt gewerbliche Investitionen im Sinne der GA, also für die Herstellung überregional abgesetzter Produkte im Sinne der Positivliste oder durch Einzelfallnachweis des Antragstellers (vgl. Teil II, Ziffer 2.1 des Rahmenprogramms). Hier zeigt sich die Orientierung der GA auf den Weltmarkt bzw. auf international konkurrenzfähige Produzenten. Diese strenge Exportorientierung mag vor der Vereinigung sinnvoll gewesen sein, vernachlässigt aber die besonderen Anpassungsschwierigkeiten Ostdeutschlands und vor allem des Stadtstaates Berlins: Angesichts des Zusammenbruchs der ostdeutschen Industrieproduktion wird über Jahre ein Überangebot einfach qualifizierter Industriearbeiter bis zum Facharbeiterstandard bestehen. Die High-Tech-Arbeitsplätze, die über eine solche Regionalförderung mit hohem Aufwand geschaffen werden, entlasten den Arbeitsmarkt in diesem Segment nicht. Im Gegenteil sie verschärfen gerade in den Ballungsräumen die Spaltung des Arbeitsmarkes und der lokalen Sozialstruktur:

Einer kleiner Zahl hochqualifizierter Spezialisten (professionals), die in den Stammbelegschaften der großen, d.h. für den Weltmarkt produzierenden Industrieunternehmen und bei produktionsnahen Dienstleistern beschäftigt sind und hohe Einkommen aus sozial gesicherten Arbeitsverhältnissen erzielen, steht eine wachsende Zahl von gering Qualifizierten gegenüber, die in „informellen Arbeitsverhältnissen", d.h. ohne Kündigungsschutz, Sozialversicherung

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und Tariflohn gerade das Existenzminimum verdienen. Eine solche soziale Spaltung gefährdet längerfristig nicht nur die Funktionsweise unseres Sozialversicherungssystems, sie kann zu einer Destabilisierung des politischen Systems führen. Eine staatliche Wirtschaftspolitik, die diese Entwicklung zumindest abschwächen will, muß neben der Reduzierung von Arbeitskosten Strukturen schaffen, die lokale Ökonomien unabhängig vom Konkurrenzdruck des Weltmarktes möglich macht.

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3.2 Wirtschaftspolitik zwischen der Herstellung internationaler Wettbewerbsfähigkeit und dem Aufbau lokaler Ökonomien: das Konzept des Existenzgründer- und Innovationszentrums (EGIZ) in Berlin-Prenzlauer Berg

Staatliche Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, sei es als Regional-, Technologie- oder aktive Arbeitsmarktpolitik hat als übergeordnetes Ziel die Erzielung wirtschaftlichen Wachstums, um dadurch am Markt wettbewerbsfähige Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Wettbewerbsfähigkeit wird zumeist international verstanden: Ziel ist das weltmarktfähige Produkt.

Mit dieser Orientierung der Wirtschaftsförderung tun sich besonders kleine und mittlere Unternehmen in den Neuen Bundesländern schwer. Zumeist sind sie als Neugründungen oder Management-Buy-Outs aus Treuhandbetrieben entstanden. Sie verfügen oft über eine unzureichende Eigenkapitalausstattung und haben Schwierigkeiten, Marktnischen auf den abgeschotteten Märkten Westdeutschlands zu finden. Für ein internationales Marketing haben sie zumeist weder das Personal noch das Geld. Die Exportorientierung der regionalen Unternehmensförderung und die Hochtechnologielastigkeit der Förderprogramme von Bund und Ländern schließen KMU oft von der Vergabe aus.

Beispielhaft für mögliche neue Ansätze in der Wirtschaftsförderungspolitik, die auf diese Defizite reagiert, soll hier das Konzept des Existenzgründer- und Innovationszentrums (EGIZ) vorgestellt werden. Die Darstellung beruht auf einem Interview des Verfassers mit Vertretern des EGIZ und Unterlagen, die dem Verfasser von Herrn Dipl.-Ing. Dieter Burmeister zur Verfügung gestellt wurden.

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Das Konzept EGIZ:

Ausgangslage: Das Projekt eines Existenzgründerzentrums im Prenzlauer Berg geht aus von den Problemen, die in Ostberlin durch die Schließung von Industriebetrieben während der Privatisierung ab 1991 entstanden. Schlagartig verloren viele qualifizierte Industriearbeiter mit jahrelanger Berufserfahrung ihre Stelle und hatten auf einem drastisch geschrumpften Arbeitsmarkt kaum eine Chance, einen Job in ihrer alten Branche zu finden. Dies galt und gilt vor allem für die metallbearbeitende und die Elektroindustrie. Diese Potential an technischen Qualifikationen sollte genutzt werden, um im Rahmen eines EGIZ Innovationen (Erfindungen) technisch zur Fertigungsreife zu bringen und über die Markteinführung neuer Produkte neue qualifizierte Arbeitsplätze für die Entwickler und im Herstellungsbereich zu schaffen. Dabei wird entweder die Gründung eines spezialisierten Betriebes auf dem Gelände des EGIZ oder eine Kooperation mit einem berliner Handwerksbetrieb / mittelständischem Unternehmen angestrebt.

Ausdrücklich soll sich das EGIZ nicht an der etablierten High-Tech-Förderung orientieren, sondern Produkte entwickeln, die mit begrenztem Kapital- und Technologieaufwand realisierbar sind. Dabei geht EGIZ von einer Marktanalyse eines externen Experten (Patentstelle der Fraunhofer-Gesellschaft e.V.) aus, um ein existierendes Patent (Gebrauchsmuster) anzuwählen. Solche Low-Tech-Innovationen werden oft nicht gewerblich verwertet, weil sie für größere Industrieunternehmen im Fertigungsumfang unwirtschaftlich sind und KMU nicht die F&E- oder Marketing-Kapazitäten haben, um ihre Produktion auf ein möglicherweise zukunftsweisendes Produkt umzustellen. Diese Einführungslücke soll im Rahmen eines Projektkonzeptes geschlossen werden:

Ausbildungszentrum mit einer Existenzgründer- und einer Produktionsschule (EGPS) Ausgangslage: Es existieren viele patentierten Erfindungen, die nicht zum Produkt entwickelt werden, weil dem Erfinder die Mittel fehlen oder er keinen Betrieb findet, der die Herstellung und Vermarktung übernimmt. Viele Erfinder sind eher Techniker als Kaufmann und verstehen wenig von Marktanalysen, Finanzierungsstrategien und Förderanträgen. Mit der Existenzgründer/Produktionsschule (EGPS) bietet EGIZ ein Konzept, das diese Lücke schließt. Es umfaßt folgende Dienstleistungen, die EGIZ dem Patenthalter anbietet:

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Weiterentwicklung der Erfindung bis zur Fertigungsreife:

  • Modellbau eines Prototyps,
  • Nullserienfertigung,
  • Werkzeugbau,
  • Entwicklung eine vollständigen Fertigungsablaufs: Technische Zeichnungen / Software, Materialaufwand, Arbeitsvorbereitung

Formulierung eines Marketingkonzeptes:

  • Marktanalyse: Konkurrenz- und Kombinationsprodukte, Bedarf nach Preis, Qualität, Sonderausführungen, besondere Kundengruppen,
  • Produktpräsentation: Vorstellung des fertigungsreifen Produktes auf Messen, im Fachhandel usw.
  • Finanzierungs- und Vermarktungskonzept: Finanzierungsplan für Entwicklungsphase, Herstellung über Eigenfertigung im EGIZ oder berliner KMU, Vermarktung im Rahmen einer Lizenz oder gegen eine Umsatzbeteiligung, eventuell. Vertriebskonzept

Das Ausbildungszentrum umfaßt zwei getrennte Einheiten:

a) die Existenzgründerschule

In der EGS werden im Rahmen einer zweijährigen ABM arbeitslose Akademiker mit einem ingenieurtechnischen oder ökonomischen Abschluß oder besonders qualifizierte technische Fachkräfte auf die Geschäftsführung eines innovationsorientierten KMU vorbereitet. Neben einer allgemeinen Ausbildung in BWL (Unternehmens-/Personalführung, Finanzierung/Kalkulation, Marketing) und Produktentwicklung je nach den jeweiligen Vorkenntnissen entwickeln sie eine Innovation bis zur Markteinführung. Mit diesem Produktkonzept machen sie sich nach Abschluß der Ausbildung selbständig oder werden in das die Innovation verwertende Unternehmen übernommen.

b) die Produktionsschule

In der PS werden Facharbeiter und berufserfahrene Angelernte in einer ABM mit der technischen Realisierung einer Innovation vertraut gemacht. Dazu gehört neben dem Prototypen- und Werkzeugbau auch die Durchführung von Produkttests. Abhängig von ihren früheren Berufspraxis müssen neben zusätzlichen Fachkenntnissen auch Fähigkeiten der eigenständigen Problemlösung erworben werden. Durch diese Ausbildung qualifizieren sich die Teil-

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nehmer praxisnah als Produktionsteam für das neue Produkt und schaffen sich so ihre eigenen Arbeitsplätze. Der in der EGS mit der Produktentwicklung betraute fungiert als Projektleiter. Die PS umfaßt mehrere Übungswerkstätten, die dem Standard berliner KMU entsprechen, um Übergangsschwierigkeiten bei der Übernahme zu minimieren.

Entwicklung und Stand des Projektes EGPS:

Nach einer Konzeptphase 1991 wurden 1992 Verhandlungen mit dem Bezirk Prenzlauer Berg und verschiedenen Senatsverwaltungen aufgenommen, um die Chancen eines solchen Projektes zu prüfen. Erstes Ergebnis war der Auftrag des Stadtrates für Wirtschaft und Finanzen im Bezirksamt Prenzlauer Berg, ein Nutzungskonzept für einen innerstädtischen Gewerbehof als Existenzgründer- und Innovationszentrum auf dem Gewerbegelände Saarbrückerstr. 22-24 in 10405 Berlin (ehemalige Königstadt-Brauerei) zu erstellen. Es wurde finanziert aus der Fördermittellinie „Technische Hilfe" der GA durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Abt. II Wirtschaftsfördernde Strukturpolitik. Das Konzept ging von der oben skizzierten Projektstudie zu einer Existenzgründer- und Produktionsschule aus. Diese sollte von einem gemeinnützigen Träger im Rahmen eines Innovationszentrums betrieben werden, der rechtlich von der Betreibergesellschaft des Gewerbehofes unabhängig sein sollte, aber eng mit den auf dem Gelände angesiedelten Existenzgründern und KMU bei der Entwicklung und Erprobung neuer Produkte zusammenarbeiten sollte. Das Nutzungskonzept sollte die Grundlage für einen Förderantrag an die GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur/Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur" bilden.

Es konnten keine längerfristigen Nutzungsvereinbarungen abgeschlossen werden, weil auf dem Grundstück Rückübertragungsansprüche lasten, die nach ihrer Abweisung im Sommer 1995 zu einer Klage vor dem Verwaltungsgericht durch einen Antragsteller führte. Vor Abschluß dieses Rechtsstreites ist die notwendige Grundsanierung des Geländes nicht möglich, weil der Bezirk als nur begrenzt Verfügungsberechtigter nicht befugt (und bereit) ist, andere als substanzsicherende Um/Ausbauten durchzuführen bzw. zuzulassen. Es gab Kontakte zu einem gemeinnützigen Entwicklungsträger (STERN) über die Erstellung eines Sanierungskonzeptes. Alle auf dem Gelände ansässigen Betriebe haben z.Z. nur befristete Mietverträge auf ein Jahr mit dem Bezirk. 1995 schlossen sich die Betriebe zu einer Genossenschaft zusammen, die im November 1996 ins Genossenschaftsregister eingetragen wurde. Diese Ge-

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nossenschaft hat sich auf ein gemeinsames Nutzungskonzept verständigt, das ein Projekt zu Gründung einer EGPS im begrenzten Rahmen vorsieht.

Schwierigkeiten und Vorbehalte gegenüber dem Projekt EGPS

Das Konzept EGPS sieht eine bisher unübliche Kooperation von Kammern, Betrieben, Arbeitsamt und Senatsverwaltung auf lokaler und Landesebene vor. Hier entstehen Schwierigkeiten durch Vorbehalte der Akteure und die rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem durch eng definierte Projekteigenschaften staatlicher Förderprogramme. Das ursprüngliche Konzept sah eine Mischfinanzierung vor, in der die Personalkosten im Rahmen einer Sonder-ABM von der Bundesanstalt und/oder der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen übernommen werden sollte. Als entscheidendes Hindernis erwiesen sich die engen Zulässigkeitsvoraussetzungen für ABM gemäß §§ 91-99 AFG in Verbindung mit der ABM-Anordnung der BfA. Wegen der knappen Haushaltsmittel hat sich die BfA mit ihren AB-Maßnahmen immer mehr auf Problemgruppen beschränkt, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind. Darüber hinaus fordern Wirtschaftsverbände und Kammern angesichts des umfangreichen zweiten Arbeitsmarktes in Ostdeutschland eine Beschränkung von ABM, um Konkurrenz zu privaten Anbietern zu verhindern. An Stelle von ABM werden von Arbeitgeberseite Lohnkostenzuschüsse (LKZ z.B. nach §§ 242s, 249h AFG) bevorzugt, die direkt dem Betrieb zu Gute kommen, der einen schwer vermittelbaren Arbeitslosen einstellt.

Parallel dazu sollte das Gelände Saarbrückerstraße in das Förderkonzept für lokale Gewerbezentren aufgenommen werden, das die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe im Rahmen des Existenzgründerprogramms (als Teil der Regionalförderung nach GA) entwickelt hatte. Das hätte dann bedeutet, daß bis zu 90% der Gesamtkosten für Grundsanierung und Umbau als direkte Investitionshilfe förderungsfähig gewesen wären. Von 1993-95 wurden Verhandlungen mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft geführt, ausgehend von dem vorgelegten Nutzungskonzept, die jedoch zu keinem positiven Abschluß führten, nicht zuletzt, weil dafür eine rechtskräftige Entscheidung über den Eigentümer des Geländes erforderlich gewesen wäre.

Seit 1995 versucht die neu gegründete Genossenschaft, das Gelände in das Gewerbehofprogramm der Senatsverwaltung für Wirtschaft aufnehmen zu lassen. Dazu wurde ein neues Nut-

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zungskonzept erstellt, das u.a. anstrebt, Betriebe, die bei der Sanierung des Stadtgebietes Kollwitzplatz ihren Standort verlieren, hier unterzubringen. Dieses Konzept ist in Zusammenarbeit mit STERN, dem Sanierungsträger und der Senatsverwaltung Bau entstanden und sieht vor, mittelfristig Betriebe mit ca. 200 Arbeitsplätzen auf dem Gelände anzusiedeln. Dafür soll 1997 ein Investitionsvorrangentscheid erwirkt werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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