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[Seite der Druckausgabe: 10]

Einleitung

Dieser Bericht faßt die Ergebnisse einer Fachkonferenz zur Wirtschaftspolitik für die Region Berlin zusammen, die das Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung am 6. Dezember 1996 in Berlin durchgeführt hat. Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung und Vertreter der Tarifparteien diskutierten die wirtschaftlichen Probleme und Perspektiven der Stadt. Ausgangspunkt war die Frage, ob es möglich ist, ein tragfähiges Leitbild zu formulieren, das Berlin ein auch international unverwechselbares Profil verleiht, aus dem sich Zielsetzungen für die Wirtschaftspolitik ableiten lassen und das in der Stadt und darüber hinaus akzeptiert wird.

Berlin wird in der wirtschaftspolitischen Debatte oft als „Werkstatt der Einheit" bezeichnet, weil in der ehemals geteilten Stadt alle Probleme des vereinigten Deutschland konzentriert auftreten. Die Verschmelzung der ehemaligen „Hauptstadt der DDR" mit dem „Schaufenster der Freien Welt" hat zu einer einzigartigen Mischung von Aufbruch und Beharrung geführt. Die beiden Stadthälften hatten sich in den Jahren der Teilung an ihre Sonderrollen in beiden Systemen und die damit verbundenen Privilegien gewöhnt. Wichtigstes Ergebnis der Tagung ist der Konsens darüber, daß diese mentale Stagnation durch die Schaffung eines sozial, politisch und wirtschaftlich freundlichen Klimas in der Stadt überwunden werden muß.

In einer Bestandsaufnahme wird die Entwicklung seit der deutschen Vereinigung 1990 und der Stand der Zusammenführung beider Stadthälften beschrieben. Daraus leitet sich eine Analyse des Reformbedarfs ab. Dieser zeigt sich vor allem in der notwendigen Straffung der Landesverwaltung, der Sanierung der Landesfinanzen und der Begrenzung der Strukturplanung vom Wünschbaren auf das Notwendige. Berlin steht vor der Aufgabe, zukunftsfähige Strukturen für seine neue Rolle als Regierungssitz aufzubauen, die gleichzeitig den besonderen Bedingungen der Region gerecht werden. Daraus ergeben sich erhöhte Anforderungen an die öffentliche Verwaltung, ihre Effizienz und Bürgernähe. Dies soll bei finanzieller Sparsamkeit erreicht werden durch ein neues Verwaltungskonzept, das die Überführung der gesamten landesunmittelbaren Verwaltung in eine neue Struktur vorsieht, die Wirtschaftsunternehmen ähnelt. Dazu werden alle Verwaltungsleistungen als „Produkte" definiert, denen ihre Erstellungskosten zugerechnet werden und die von weitgehend selbständigen Verwaltungseinheiten dem Bürger angeboten werden.

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Die nach wie vor unzureichende Wirtschaftsleistung der Stadt führt zu unzureichenden Steuereinnahmen, denen drastisch gestiegene Ausgaben gegenüber stehen. Die Reduzierung der besonderen Bundesförderung führte zu einem Absinken des Subventionsanteils im Landeshaushalt. Diese Mittel konnten bisher nicht durch eigene Erträge ersetzt werden und fehlen beim Ausbau der Infrastruktur. Mittelfristig kann das Land nur durch erhebliche strukturelle Ausgabenkürzungen zu einer ausgeglichenen Finanzlage kommen, hier wird man auch die Personalausgaben einbeziehen müssen.

Nach der gescheiterten Fusion mit Brandenburg steht Berlin vor dem Problem, einen solchen Interessenausgleich mit Brandenburg zu finden, der die mittelfristigen Entwicklungsperspektiven der Region berücksichtigt, ohne die Anpassungsfähigkeit der Stadt zu überfordern. Zumindest sollte ein Konsens über eine gemeinsame Strukturplanung in den Bereichen Verkehr, Wohnungsbau und Versorgung erreicht werden.

Im zweiten Teil dieses Berichtes werden zwei Analysen zu den mittelfristigen Perspektiven der Wirtschaftsentwicklung in der Region Berlin/Brandenburg vorgestellt und verglichen. Im Rahmen seiner laufenden Berichterstattung entwickelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in drei Szenarien mögliche gesamtwirtschaftliche Entwicklungspfade für die Stadt und diskutiert Widersprüche zwischen den Prognosen anderer Institute aufgrund abweichender Annahmen. Einen anderen Weg hat eine Forschungsgruppe am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) gewählt: sie formulierte ein Leitbild für den Wirtschaftsstandort Berlin, das die wirtschaftlichen Akteure auffordert, günstige Rahmenbedingungen für Innovationen bei Technologien und Produkten zu schaffen.

Abschließend werden zwei Lösungsansätze auf unterschiedlichen Ebenen vorgestellt. Am Fallbeispiel eines ostberliner Projektes zu Existenzgründungen wird die Erweiterung staatlicher Wirtschaftsförderung für den Aufbau lokaler Ökonomien diskutiert. Schließlich wird auf die Bedeutung des Ost-West-Handels und die Wirkungen einer Osterweiterung von EU und NATO für Berlin eingegangen. Im Ausblick werden die notwendigen Rahmenbedingungen skizziert, damit Berlin der Funktion einer Drehscheibe zwischen Ost und West gerecht werden kann.

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Was die Stadt in den nächsten schwierigen Jahren braucht, sind tatkräftige Existenzgründer, die nicht auf Hilfe von außen warten, sondern den Anspruch Berlins eine europäische Metropole zu werden, ernst nehmen und in neue Ideen, Produkte und Arbeitsplätze umsetzen. Der Staat kann helfen, gute Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen, die entscheidende Ressource bleibt die Eigeninitiative und der Einfallsreichtum der Berliner, aus welchem Land sie auch kommen mögen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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