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[Seite der Druckausgabe: 27 / Fortsetzung]

3. Investitionsmöglichkeiten und Entwicklungsziele

3.1. Technologiezentren und Technologieparks: das Beispiel Dortmund

3.1.1. Zielsetzung und Entwicklungsstand von Technologiezentren in der Bundesrepublik

Technologiezentren sollen als Schnittstellen zwischen wissenschaftlicher Forschung und den Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in der Wirtschaft dienen. Ziel ist die Aufhebung der gegenseitigen Abschottung dieser beiden Bereiche und die

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Nutzbarmachung von Synergien. Technologiezentren sind insbesondere ausgerichtet auf die Entwicklungs- und Innovationsbedarfe in mittelständischen Betrieben, die sich eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen (FuE) nicht leisten können.

Unter dem Aspekt der regionalen Struktur- und Technologiepolitik verbindet sich mit den Technologiezentren die Grundvorstellung, daß hier innovative Aktivitäten in einer Region gebündelt werden, sich im synergetischen Sinne wechselseitig befruchten und Ausstrahlungswirkung auf die weitere Region ausüben. Dies wird als ein wichtiger Beitrag zur Umstrukturierung und Modernisierung der regionalen Wirtschaft gesehen.

Zu den konkreten Arbeitszielen gehören:

  • die Förderung von Unternehmensgründungen durch Bereitstellung einer bedarfsgerechten Infrastruktur,
  • die Forcierung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft zur Erschließung regionaler Innovationspotentiale,
  • die Informationsvermittlung und Weiterbildung in Bereichen der Unternehmensgründung und Technologieanwendung,
  • die regionale Wirtschaftsförderung durch Nutzung von unternehmerischen und technologischen Potentialen sowie
  • der Aufbau eines nationalen und internationalen Netzwerkes.

1983 wurde als erste Einrichtung dieser Art in Deutschland das Berliner Innovations- und Gründerzentrum (BIG) eröffnet. Inzwischen arbeiten in der Bundesrepublik insgesamt 98 Zentren mit zusammen 2.000 Firmen und etwa 21.000 Beschäftigten. Zudem ist es zu einem "spin-off'-Effekt in der Größe von immerhin 270 Firmen mit 3.000 Mitarbeitern gekommen. Neben dem Berliner Projekt werden erfolgreiche Ansätze vor allem in Aachen, Bremen, Münster, Nürnberg und in Dortmund gesehen.

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3.1.2. Technologiezentrum Dortmund

Das Dortmunder Technologiezentrum wurde im Jahre 1985 gegründet. Es stellt eine Antwort dar auf die Folgen des wirtschaftlichen Umbruchs, nachdem der Hoeschkonzern als das dominante Unternehmen in der Region noch Anfang der 80er Jahre gut die Hälfte seiner Belegschaft abgebaut hatte, was einen weiteren Schub zum Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Region bedeutete. - Das Technologiezentrum Dortmund ist von der Konzeption her ein reines Entwicklungs- und Versuchszentrum. Es wird also nicht selbst produziert. Im Zentrum sind z.Zt. 55 Unternehmen tätig. Das Spektrum der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten umfaßt u.a. Material-flußsysteme/Logistik, Werkstofftechnologie, Qualitätssicherung, Informatik und Um-

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welttechnologie. Dieses spezifische Profil orientiert sich an dem regionalen FuE-Potential von Wissenschaft und Wirtschaft. Es ist zugleich wesentlicher Ansatzpunkt für die Realisierung einer Marketing-Strategie zur Qualifizierung dieses Zentrums auch im interregionalen Wettbewerb.

Bei den 55 Unternehmen handelt es sich nicht nur um innovative Existenzgründungen. Darunter befinden sich auch bereits etablierte mittelständische Betriebe, die bestimmte Entwicklungsvorhaben und -abteilungen ausgelagert haben, um von dem Verbund mit den Hochschulen und anderen Unternehmen zu profitieren. Die unmittelbare Nähe von Wissenschaft und Wirtschaft ermöglicht völlig neue Formen der Zusammenarbeit. Dies kann hingehen bis zum gegenseitigen Technologie- und Personaltransfer im Rahmen gemeinsamer Projektentwicklungen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Einbindung von Universität und Fachhochschule durch ihre unmittelbar im Zentrum angesiedelten Transferstellen.

Neben dem Zentrumsmanagement umfaßt das allgemeine Dienstleistungsangebot des Technologiezentrums zwei wesentliche Komponenten:

  • Bereitstellung einer räumlichen Infrastruktur an Büros, Labors, Entwicklungsflächen sowie Service- und Gemeinschaftseinrichtungen;
  • Beratungsservice z.B. Vermittlung spezialisierter und qualifizierter Berater und ergänzender Dienstleistungen, Durchführung von Seminaren, Tagungen und sonstigen Transferveranstaltungen.

Das Technologiezentrum Dortmund betreibt zur Zeit die Realisierung einiger Sonderprojekte. Dazu gehören u.a. eine regionale Umweltagentur, das Technologiezentrum Dresden (s.u.) und ein Incubator-Center. Letzteres stellt eine Reaktion dar auf das zunehmend erkennbare Interesse innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen aus den USA an neuen Absatzmärkten im Bereich des EG-Binnenmarktes. Neben den oben genannten Infrastruktur- und Serviceleistungen wird diesen Unternehmen ein spezifischer Dienstleistungspool zur Verfügung gestellt, um sie bei ihrer Internationalisierungsstrategie aktiv zu unterstützen. Wegen der hohen Nachfrage wird z.Zt. über den Aufbau eines Netzwerkes derartiger Zentren im europäischen Raum nachgedacht.

Das Dortmunder Technologiezentrum stützt sich auf eine breite Trägerschaft. Zu den 11 Gesellschaftern gehören u.a. die Stadt Dortmund, die IHK und verschiedene Banken. Es wird Wert darauf gelegt, daß das Zentrum marktwirtschaftlich geführt wird. Das heißt, es finanziert sich weitgehend vor allem über die von den Einzel-Unternehmen zu entrichtenden Mietpreise, wobei diese mit 35 DM/qm/Monat sehr hoch liegen. Als weitere Einnahmequelle kommen noch die angebotenen Dienstleistungen (z.B. Tagungsbetreuung) hinzu. Allerdings hat es durchaus umfängliche

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Zuschüsse des Landes als Startfinanzierung zum Aufbau der vorhandenen Infrastruktur gegeben.

Zur Aufnahme eines Unternehmens in das Zentrum sind folgende Bedingungen zu erfüllen:

  • Einordnung in die vorhandenen Technologiefelder;
  • Kooperation mit der Hochschule;
  • Vorlage eines abgestimmten Unternehmensplanes;
  • technische und betriebswirtschaftliche Plausibilitätskontrolle.

Die Unternehmen erhalten grundsätzlich nur zeitlich begrenzte und projektbezogene Verträge. Dies soll sicherstellen, daß die Vorhaben auf Wachstumsorientierung angelegt sind und auf die praktische Projektentwicklung hingearbeitet wird. Die Unternehmen haben dann die Möglichkeit, sich im angrenzenden Technologiepark anzusiedeln, um dort die Produktion und Vermarktung zu betreiben.

Das Technologiezentrum Dortmund hat sein Flächenpotential nach zwei Erweiterungen von anfänglich 4.800 qm auf heute über 25.000 qm Bruttogeschoßfläche vergrößert. Dies ist ein deutliches Indiz für die Akzeptanz des Zentrums und seiner Firmen. Etwa 750 Mitarbeiter waren Ende 1991 bei den Firmen im Technologiezentrum beschäftigt.

Der angegliederte Technologiepark umfaßt ein Flächenareal von ca. 45 ha. Inzwischen haben sich dort über 100 Unternehmen mit rd. 2.000 hochqualifizierten Mitarbeitern angesiedelt, die bislang zusammen einen Umsatz von 400 Mio. DM erzielt haben. Nicht alle dieser Unternehmen sind allerdings dem Technologiezentrum entwachsen. Dies wird mit der spürbaren "Sogwirkung" des Technologiezentrums erklärt.

Im Hinblick auf die Bewältigung der wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesse in der Region und die weiterhin bestehenden Beschäftigungsprobleme (insbesondere im Bereich von Langzeitarbeitslosigkeit) ist allerdings anzumerken, daß hier keine Ersatzarbeitsplätze für jene Beschäftigten aus dem montanindustriellen Bereich entstanden sind, die Anfang der 80er Jahre in die Arbeitslosigkeit entlassen wurden.

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3.1.3. Technologiezentren in den neuen Bundesländern

Ausgehend von den Erfahrungen westdeutscher Technologiezentren hat die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Technologie- und Gründerzentren (ADT) bereits kurz nach der Wende gegenüber dem Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) eine Empfehlung zum Aufbau solcher Zentren auch in den neuen Bundes-

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ländern ausgesprochen. Inzwischen haben dort 24 Technologiezentren ihre Arbeit aufgenommen (s. Abbildung 5). 28 weitere befinden sich in der Planung. Der Aufbau von 15 Technologie- und Gründerzentren wurde in eine modellhafte Förderung des BMFT aufgenommen. Auch die EG hat sich bereits in einigen Projekten finanziell engagiert (z.B. Frankfurt/Oder, Zwickau).

Das Technologiezentrum Dresden ist nach Dortmunder Vorbild entwickelt worden. Mit insgesamt 16 Unternehmen und weiteren 16 assoziierten Betrieben ist es inzwischen mehr als voll belegt. Die Vorbereitung zur Errichtung eines komplementären Technologieparks sind inzwischen angelaufen.

Die besondere Situation in den neuen Bundesländern hat dazu geführt, daß diese Zentren in viel stärkerem Maße in ihrem jeweiligen regionalen Umfeld zu einer Infor-mations- und Beratungsstelle für Unternehmensgründer jeglicher Art geworden sind. Ihnen sind damit in wesentlich breiterem Umfang Aufgaben des Informations-, Technologie- und Know-how-Transfers sowie der Aus- und Weiterbildung zugewachsen, als dies in Westdeutschland der Fall ist. Schon jetzt läßt sich feststellen, daß die Zentren in diesem Rahmen wichtige "Pionierarbeiten" in den neuen Bundesländern geleistet haben.

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3.2. Nicht-integrierte Einkaufsstandorte: planerische Lösungen am Beispiel der Stadt Köln

3.2.1. Aktuelle Standortprobleme im Einzelhandel

Die Standortplanung von Einzelhandelsunternehmen und die kommunale Entwicklungsplanung geraten häufig in Gegensatz zueinander. Das Interesse des Handels richtet sich auf niedrige Betriebskosten und bei der Neuansiedlung auf möglichst geringe Erstellungs- und Baukosten (Grundstückspreis, Erschließung, Bauweise etc.). Er tendiert deshalb zu Standorten außerhalb der bestehenden Zentren, wo die Grundstückkosten niedrig sind, zugleich eine gute Erreichbarkeit für den motorisierten Verbraucher gegeben ist und möglichst extensive Parkmöglichkeiten geschaffen werden können.

Das Interesse von Städtebau und Stadtentwicklung hingegen orientiert sich an den Versorgungsbedarfen aller Bevölkerungsgruppen, auch der nicht-motorisierten und weniger mobilen Haushalte. Ihr Handeln ist unter dem Aspekt einer geordneten städtebaulichen Entwicklung darauf angelegt, die Entstehung von Einzelhandelsstandorten im Sinne der bestehenden Zentren- und Stadtstrukturen zu nutzen, ge-

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stalterisch mit den vorhandenen Strukturen in Einklang zu bringen und deren ökonomische Schubkraft zur Stärkung von Zentralität und Urbanität nutzbar zu machen.

Konzentrationsprozesse im Handel und die Verbreitung der "automobilen Gesellschaft" haben allerdings in den letzten Jahren vermehrt neue Einkaufsstandorte in Gewerbegebieten oder auf der "grünen Wiese" am Rande der Städte entstehen lassen. Bei ungehemmter Weiterentwicklung bedeuten sie eine Gefahr für die bestehenden Stadt- und Zentrenstrukturen, ein Problem das in den neuen Bundesländern bereits eine große Aktualität erlangt hat.

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3.2.2. Leitbild zur Funktion von Zentren

Der §1 des Baugesetzbuches (BauGB) verpflichtet die Kommunen zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung unter Berücksichtigung einer verbrauchernahen Versorgung. Bewährte Orientierungshilfe ist hier das Prinzip der zentralörtlichen Gliederung, das eine räumliche Strukturierung des Siedlungsraumes in funktionale, überschaubare und zugeordnete Versorgungsmittelpunkte vorgibt. Wegen der unterschiedlichen Nachfrage bestimmter (alltäglicher oder spezialisierter) Versorgungsleistungen ergibt sich eine Notwendigkeit zur Schaffung hierarchisch abgestufter Versorgungsbereiche und der Bündelung der vorzuhaltenden privaten und öffentlichen Leistungen an bestimmten zentralen Standorten (Zentren). Dabei ist unter stadtentwicklungspolitischen Gesichtspunkten nicht nur die Erreichbarkeit möglichst vieler verschiedener Leistungen ein wünschenswertes Ziel sondern auch die Verringerung des dabei entstehenden Verkehrsaufkommens. Hieraus ergibt sich sowohl eine erforderliche Mindestnähe zu bestehenden Wohnsiedlungsbereichen als auch eine Orientierung an vorhandenen Systemen und Knotenpunkten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

Wichtig ist hier die Bündelung möglichst vieler Versorgungsdienstleistungen mit anderen Zentrumsfunktionen, etwa im Freizeit-, Bildungs- oder Kulturbereich. So verweisen Untersuchungen über die Gründe des Aufsuchens von Stadtzentren darauf, daß neben dem Einkaufen durchaus andere Aktivitäten von Bedeutung sind. Hier ist aber auch nach außen hin, d.h. mit städtebaulich-gestalterischen Mitteln dem Bürger bzw. Verbraucher gegenüber sichtbar zu machen, daß dies Mittelpunkte der Kommunikation und Identifikation sind. In den Städten der meisten alten Bundesländer wurden auf dieser Grundlage Zentren-Konzepte aufgestellt, die als Orientierungsrahmen bei größeren Neuansiedlungsgesuchen im Bereich des Einzelhandels herangezogen werden, nicht-integrierte Standorte möglichst verhindern und so einer Aushöhlung und einem Bedeutungsverlust bestehender Zentren entgegenwirken sollen.

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Zentren- bzw. Standortkonzepte können im Rahmen einer umfassenderen Stadtentwicklungsplanung erarbeitet werden, Teil der Flächennutzungsplanung sein oder als gesondertes Planungskonzept entwickelt werden. Zur Durchsetzung ihres Zentren-Konzepts steht der Gemeinde das neuere planungsrechtliche Instrumentarium zur Verfügung, das die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben über 1.200 qm Geschloßfläche reglementiert. Dabei muß es vor allem darum gehen, vorhandenes Investitionspotential nicht zu blockieren, sondern sinnvoll entsprechend dem entwickelten Standortkonzept umzulenken. Dies setzt allerdings ausreichende Erweiterungsreserven und die gestalterische und verkehrliche Integrierbarkeit in den vorhandenen Zentren voraus. Wichtig ist dabei der erklärte politische Wille des Rates, auch einmal ein Projekt abzulehnen, wenn es für die bestehende Zentrenstruktur schädlich erscheint.

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3.2.3. Spezifische Probleme und Lösungsansätze

Die Entscheidung über die Verträglichkeit bzw. Schädlichkeit großflächiger Einzelhandelsbetriebe hängt nicht allein von der Größe und der jeweiligen Standortwahl ab. Wichtig ist auch die genaue Betrachtung des angebotenen Warensortiments, insbesondere weil sich hier auch Veränderungen einstellen können. So tendieren die in ihrem Kernsortiment eigentlich als nicht-zentrenrelevant einzustufenden Fachmarktbereiche (z.B. Möbel- und Baumärkte) dazu, ihre sog. Randsortimente ständig zu erweitern. Hinzu kommen dann häufig Elektrogeräte oder Haushalts- und Drogeriewaren. Um sich hier Einflußmöglichkeiten zu sichern, geht die Stadt Köln im Einzelfall so weit, daß sie eine Sortimentsabgrenzung vornimmt und diese zum Bestandteil der Baugenehmigung macht oder in die textlichen Ausführungen eines Bebauungsplanes hineinnimmt. Dieses Vorgehen ist mit den Kammern abgestimmt.

Zu warnen ist auch vor jenen Gewerbeprojekten mit gemischter Nutzung an nichtintegrierten Standorten, die sich klangvoll etwa Gewerbepark, Medien- und Freizeitcenter nennen. Als geplante Einzelhandelsverkaufsfläche geben sie zwecks Genehmigungsfähigkeit knapp unter 800 qm an. Um die nötige Attraktivität zu sichern, werden zusätzlich Freizeit- oder Versorgungsdienstleistungen angeboten, die im engeren Sinne keinen Einzelhandel darstellen, wie z.B. Reisebüro, Friseur, Spielhalle, Videothek, Sport- und Fitnessbetriebe. Oft sind die Neben- und Ausstellungsflächen so dimensioniert, daß die Vermutung nahe liegt, hier könnten zu einem späteren Zeitpunkt Verkaufsflächenerweiterungen bzw. -Umwandlungen stattfinden. Auch hier sind sorgfältige Prüfungen und ggfls. entsprechende Auflagen erforderlich.

Die in den letzten Jahren restriktivere Genehmigungspraxis der Kommunen hat teilweise zur Folge, daß Lebensmittelmärkte mit Verkaufsflächen bis 800 qm in nicht

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oder nur bedingt integrierte Standorte insbesondere an Hauptverkehrsstraßen und in Randlagen der Wohngebiete bzw. außerhalb gewachsener Zentren drängen. Sie können häufig nicht verhindert werden, obwohl gerade auch sie die Nahversorgungsfunktion vorhandener Zentren aushöhlen können.

Es darf aber nicht vergessen werden, daß auch andere Argumente als die Großflächigkeit herangezogen werden können, um ein Ansiedlungsgesuch abzulehnen (z.B. eine übermäßige Verkehrsbelastung oder das Nachbarrecht).

Auch die Möglichkeiten der Einflußnahme auf die städtebaulich-gestalterische Einbindung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen sind allgemein eher gering. Die oft häßliche Architektur der Gebäude sowie die zumeist aggressive Außenwerbung läßt sich nur bedingt eingrenzen.

Generell eröffnet das vorhandene Planungsinstrumentarium den Kommunen aber ausreichend Möglichkeiten zur Steuerung der Entwicklung im Bereich des großflächigen Einzelhandels. Dort wo die Umsetzung der planerischen und städtebaulichen Ziele gefährdet ist, können problematische und unerwünschte Entwicklungen weitgehend verhindert werden. Der zentrale Ansatzpunkt sollte dabei aber darin gesucht werden, die erkennbaren Entwicklungs- und Investitionspotentiale auf geeignete Standorte im Rahmen der entwickelten Zentrenstruktur zu lenken.

Wie schwer sich die Kommunen in den neuen Bundesländern trotz der vorliegenden planungsrechtlichen Instrumente zur Einflußnahme auf die Entwicklungen im Bereich großflächiger Einzelhandelsstandorte weiterhin tun, läßt sich auch am Beispiel Magdeburgs ablesen. Ein Einzelhandelsgutachten für die Stadt legt für die nächsten fünf Jahre eine Versorgungsquote von 1 qm/Einwohner zugrunde. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Stadt Magdeburg mit ihren 280.000 Einwohnern einen Einzugsbereich von etwa 600.000 potentiellen Kunden hat. Angestrebt werden je 1/3 der Fläche in der unmittelbaren City, in den Stadtgebietszentren und in nicht-integrierten Standorten am Stadtrand. Mit ihren Plänen für riesige Einzelhandelsansiedlungen unterlaufen die Umlandgemeinden aber diese Konzeption. Trotz bestehender Regionalplanung und einem Landesentwicklungsprogramm wird solchen Vorhaben zugestimmt. Hier fehlt es häufig an Mut und politischen Durchhaltevermögen, solche Entwicklungen zu verhindern.

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3.3. Beispiel Leipzig: ausgewählte Projekte der Stadtentwicklung

3.3.1. Zentrumskonzept und Einzelhandelsentwicklung

Die Entwicklung im Bereich großflächiger Einzelhandelsstandorte ist mit Macht auch auf die Stadt Leipzig zugekommen und wurde nach der Wende in der Hoffnung einer Verbesserung des Warenangebotes auch vom Bürger weitgehend so begrüßt. Sie war deshalb zunächst nur begrenzt steuerbar. Während in den neuen Bundesländern zum Zeitpunkt der Wende 0,3 qm Verkaufsfläche/Einwohner vorzufinden waren, lag der entsprechende Wert in Westdeutschland bei 1,2 qm/Einwohner. Dies verdeutlicht in etwa den Nachholbedarf.

Die Stadt Leipzig hat von Anfang an im Rahmen der Stadtentwicklungs- und der Flächennutzungsplanung Wert darauf gelegt, ein räumlich-funktionales System für die Stadt zu erarbeiten, d.h. ein Zentrenkonzept für sog. Stadtteilzentren. Diese 7 Stadtteilzentren haben ganz unterschiedliche Ausprägungen. Z.T. sind sie historisch gewachsen, teilweise sollen sie in den großen Neubaugebieten neu entstehen. Dies ist künftig die Grundlage für die Steuerung problematischer Ansiedlungsprozesse. D.h., es soll versucht werden, die eingehenden Anfragen in diese Bereichen hineinzuführen, so daß sie sich größenmäßig und auch hinsichtlich der städtebaulichen Gestaltung in die vorhandene Zentrenstruktur hineinfügen und so relativ geordnete Versorgungsstrukturen im Stadtgebiet mit einem natürlichen Schwerpunkt in der City entstehen.

Im Bereich des Regierungsbezirks Leipzig mit seinen 1,1 Mio. Einwohnern sind inzwischen 1.435.000 qm Netto-Verkaufsfläche beantragt. Damit wäre nach entsprechenden westdeutschen Zahlen bereits die komplette Ausstattung an Verkaufsfläche pro Kopf gedeckt. In der Stadt und im Land Leipzig sieht dies genauso aus. Dort sind bereits 885.609 qm Netto-Verkaufsfläche beantragt, dies entspricht 1,3 qm pro Kopf. Genehmigt sind inzwischen so viele Vorhaben, daß man auf 0,42 qm/Kopf kommt.

Die Steuerungsversuche der Kommune stellen sich wie folgt dar:

  • Es wurden zunächst Projekte als Provisorien zugelassen, um den dringendsten Bedarf zu decken und eine Atempause in der endgültigen Verteilung dieser Verkaufsflächen zu bekommen.
  • Parallel dazu wurde die angesprochene Zentrenkonzeption erarbeitet, wo bereits eine Reihe an Projekten in integrierten Standorten entwickelt werden konnten.
  • Zudem wird eine restriktive Ansiedlungspolitik im Umland und im entfernteren Umland betrieben. Das heißt dort, wo die Stadt als Träger öffentlicher Belange gefragt ist, wird negativ Stellung genommen. Mit der allmählichen Verfestigung der

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  • regionalplanerischen Instrumentarien und der intensivierten Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden (s. unter 1.4) zeigt sich auch hier eine Verbesserung der Situation.

Ein Beispiel für die Stadtteilzentren ist Grünau, das seit 1975 für etwa 100.000 Einwohner errichtet wurde und bis zur Wende im Bau befindlich war. Hier existiert eine Fläche, die von Beginn an für solche Einrichtungen vorgesehen war, die aber nicht zur Realisierung kamen. Hier wurde ein Investoren-Wettbewerb für ein Stadtteilzentrum ausgeschrieben, um sicherzustellen, daß es umgehend umgesetzt werden kann und auch in städtebaulich-gestalterischer Hinsicht verträglich ist. Im Rahmen eines zweistufigen Wettbewerbs wurden hier Investoren und Architekten zusammengebracht. Zwei Investoren werden diese 35.000 qm Verkaufsfläche erstellen. Die städtischen Grundstücke werden nur unter der Voraussetzung veräußert, daß auch eine Reihe an sozialen Einrichtungen (z.B. ein Stadtteilrathaus) entstehen. Sie sind Vertragsbestandteil. Auch hinsichtlich des ruhenden Verkehrs und der Gestaltung des Wohnumfeldes soll einiges geschehen. All dies wurde innerhalb eines Planungszeitraums von einem halben Jahr ausgehandelt.

An anderer Stelle greift die Stadt, dort, wo die Grundstücksverhältnisse geklärt sind, über Vorhaben- und Erschließungspläne steuernd ein. Dieses Verfahren - unter Einschaltung der politischen Gremien (wie Planungsausschuß, Wirtschaftsausschuß) - hat sich inzwischen eingespielt. Beim Verkauf städtischer Grundstücke werden grundsätzlich die notwendigen Auflagen eingebaut, um die in der Regel unrentierlichen, für die Stadtteilentwicklung aber sehr wichtigen Einrichtungen mitunterzubringen.

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3.3.2. Die Entwicklung der City

Die City ist mit 1,5 qkm ein räumlich sehr kleiner Bereich, der in den Strukturen und der Bausubstanz weitgehend erhalten ist. Es finden sich hier z.T. auch große Lücken (v.a. in Form großer Plätze), die ein wichtiges Entwicklungspotential darstellen. Die Einzelhandelsstruktur wurde hier inzwischen flächenmäßig beträchtlich ausgebaut. Modernisiert wurden auch große Teile der historischen Passagen und der Messe-Häuser.

Für die Innenstadt wurde bereits ein Rahmenplan erarbeitet. Auch liegt hier inzwischen ein Aufstellungsbeschluß für einen Bebauungsplan vor. Zudem wurde eine Gestaltungs- und Erhaltungssatzung für die Innenstadt als Flächendenkmal erlassen. Somit bestehen weitreichende Einflußmöglichkeiten auf die räumliche Ent-

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wicklung. Die Gestaltungs- und Erhaltungssatzung enthält eine Gleitklausel, wonach Abweichungen nur zulässig sind, wenn für das entsprechende Projekt ein Architektenwettbewerb durchgeführt wird.

Mit der City-Nord und der City-Süd gibt es für die eigentliche City zwei wichtige Ergänzungsgebiete mit zusammen etwa 16 ha Fläche. Hier wurde sehr erfolgreich mit sog. Workshops als Planungsinstrument gearbeitet. Dazu wurden Architekten, Leute aus den Verwaltungen, Investoren und interessierte Bürger eingeladen, die über 2-3 Tage im Rahmen eines "brainstormings" Ideen entwickelt haben, die in Form eines Rahmenplans weitergeführt worden sind.

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3.3.3. Planungen zur Messe

Im Oktober 1991 hat die Stadtverordnetenversammlung den Beschluß gefaßt, das alte Gelände der technischen Messe, ein ca. 60 ha großes Gelände in 2 km Entfernung zur Innenstadt, aufzugeben und eine neue Messe nördlich der Stadtgrenzen zu errichten. Die Projektplanung für die neue Messe wird mit ungeheurem Zeitdruck vorangetrieben. Dort ist innerhalb von 3 Monaten ein zweistufiger Architektenwettbewerb durchgeführt und Ende März 1992 entschieden worden. Nun steht die gesamte rechtliche Planung, aber auch die Infrastrukturplanung (S-Bahn-, Straßenbahn-, Autobahnanschluß) an. Die neue Messe soll bereits 1995 ihre Pforten öffnen.

Im einem engen Zusammenhang damit steht auch die Entwicklung des alten Messegeländes, das für die Leipziger ein äußerst wichtiger Bereich war, weil hier zweimal im Jahr eine große Messe stattfand, die in diesem Zeitraum das gesamte städtische Leben beeinflußte. Für die neue Messe ist mit 14-15 Messen pro Jahr hingegen ein kontinuierlicher Messebetrieb geplant. Die Messegesellschaft hat einen Teil der Messe-Häuser in der Innenstadt in ihrem Besitz behalten. Dort werden kleinere Ausstellungen stattfinden.

Für die Entwicklung des alten Messestandortes wurde ein kooperatives Gutachterverfahren eingeleitet. Die Gutachter kennen sich gegenseitig, arbeiten 3 Wochen lang parallel, unterbrochen von Workshop-Phasen, um von städtischer Seite Einfluß nehmen zu können und sich beraten zu können. Es gibt keine Preise sondern ein angemessenes Honorar. Auf diese Weise soll die gesamte Bandbreite möglicher städtebaulicher Entwicklungen aufgezeigt und anschließend in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Der große Handlungsdruck ergibt sich dadurch, daß die Stadt als ein Gesellschafter der neuen Messe die Summe von 300 Mio. DM als Einlage aufbringen muß. Dieses Geld kann nur über die Verwertung und Vermarktung des alten Messegeländes mobilisiert werden.

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3.3.4. Stadtteilzentrum Plagwitz

Hierbei handelt es sich um einen gründerzeitlichen, mit 300 ha Fläche sehr großen Stadtteil, der in weiten Bereichen Untersuchungsgebiet und potentielles Sanierungsgebiet ist. Er weist große strukturelle Mängel auf und ist insbesondere geprägt durch industrielle Gemengelagen. Allerdings besteht kaum einer der dort vormals produzierenden Betriebe noch in dieser Form. Der Stadtteil hat einerseits eine große Identifikationswirkung für seine Bewohner, andererseits sind die Wohnbedingungen fast durchgängig sehr schlecht.

Hier wurde eine Entwicklungsgesellschaft gegründet, die gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt und dem Stadterneuerungsamt auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen eine Konzeption für diesen Stadtteil zu entwickeln versucht. Inzwischen wurde auch ein Konzept für die dortigen in Konkurs gegangenen Buntgarnwerke, das hervorragendste Baudenkmal, erarbeitet. Vorgeschlagen wird ein Einkaufs- und Stadtteilzentrum mit einer Fläche von 19.000 qm Verkaufsfläche. Zwar erschien der Ort aus stadtentwicklungsplanerischen Gründen nicht dafür geeignet. Aus mehreren Gründen, zum einen der Sicherung des Baudenkmals wegen, zum zweiten wegen der Frage der Weiterführung der Beschäftigten in diesem Bereich und zum dritten wegen der notwendigen Entwicklung einer neuen Nutzung für diesen Standort entschied man sich dann dafür, dieses Stadtteilzentrum zuzulassen. Dies geschah auf der Grundlage des §33 (2) BauGB im Vorgriff auf einen noch aufzustellenden Bebauungsplan - ein Kompromiß, von dem noch nicht klar ist, ob er tatsächlich tragfähig ist.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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