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[Seite der Druckausgabe: 29 = Fortsetzung]

VIII. Überlegungen zur ökonomischen Bedeutung des Fremdenverkehrs für Kommunen

Bei der Planung und Finanzierung von Fremdenverkehrseinrichtungen durch eine Gemeinde wird die Frage eine Rolle spielen, welcher wirtschaftliche Nutzen zu erwarten ist. In Anlehnung an einen Aufsatz von Alfred Koch aus dem Jahre 1980 sollen hier Hinweise gegeben werden, wie die Einkommensarten aufgeschlüsselt werden können und der wirtschaftliche Nutzen ermittelt werden kann.

Obwohl von den Gemeinden die touristischen Angebote letztendlich unter wirtschaftlichen Aspekten bereitgestellt werden, wird ihr tatsächlicher wirtschaftlicher Wirkungsgrad nicht selten unter- oder überschätzt.

Der Grund dafür liegt in einigen Besonderheiten der Fremdenverkehrswirtschaft. So dient zum Beispiel die Gastronomie der Versorgung der einheimischen Bevölkerung ebenso wie der der Touristen; ihr Umsatz und davon abgeleitet Einkommen, Beschäftigung und Steueraufkommen können nicht ausschließlich dem Tourismus zugerechnet werden. Die Abhängigkeit der Beschäftigung und des Einkommens in der Gemeinde vom Fremdenverkehr kann von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich sein. Weit mehr Personen finden Beschäftigung und letztendlich Einkommen aus dem Fremdenverkehr, als durch die Zahl von Vollarbeitsplätzen ausgewiesen wird. Fremdenverkehr ist in nicht geringem Umfang Quelle für Nebenerwerb. Folglich ist der Anteil von Personen, die Einkommen ganz oder teilweise aus diesem Wirtschaftszweig beziehen, deutlich höher als sein Beitrag zum Einkommen insgesamt.

Die Wirkung des Fremdenverkehrs auf die wirtschaftliche Lage einer Gemeinde ist daher im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen nicht angebots-, sondern nur nachfrageseitig erfaßbar. Die geldwerten Aufwendungen von Tagesgästen sowie die Ausgaben von Feriengästen sind häufig mangels statistischer Erfassung in den einzelnen Gemeinden nur zu schätzen, wobei man sich jedoch auf statistisches

Material auf Landes- oder Bundesebene stützen kann. Die Aufschlüsselung der Ausgaben sollte möglichst differenziert erfolgen, weil sowohl Einkommen als auch Steuereinnahmen je nach der Branche, in denen die Umsätze erzielt werden, variieren.

Die Umsätze aus dem Fremdenverkehr lassen sich durch die Multiplikation des Tagesausgabewertes mit den Übernachtungen differenziert nach Unterkunftsarten berechnen. Für die Ermittlung der Tagesbesuchernachfrage gibt es Schätzwerte, die einen Anhaltspunkt bieten.

Um den Einkommensbeitrag durch den Fremdenverkehr zu ermitteln, ist für jeden Umsatzbereich (die wichtigsten sind Unterkunft, Verpflegung, Einkäufe und Unterhaltung) der Umsatzanteil zu bestimmen, der zu direktem Einkommen führt. Unter direktem Einkommen versteht man in der Regel Löhne, Gehälter und Gewinne. Die Nettowertschöpfungsquote wird für den Gaststättenbereich zum Beispiel bei etwas über 40% vom Nettoumsatz ohne Mehrwertsteuer, beim Einzelhandel bei etwa 12% angegeben. Wegen dieser Unterschiede ist eine differenzierte Erfassung der Ausgaben sinnvoll. Im Durchschnitt werden ca. 42% der Ausgaben zu direktem Einkommen. Rechnet man die Vorleistungen anderer Wirtschaftsbereiche, die von gastronomischen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, wie die ortsansässigen Lebensmittelhändler, Handwerksbetriebe, Energielieferanten und andere Dienstleistungen hinzu, so erhöht sich der Anteil des Einkommens an den Ausgaben im günstigsten Falle auf ca. 50%.

Daß hinter diesen Durchschnittszahlen Unterschiede hinsichtlich der Nachfrageverteilung, zum Beispiel Hotelgäste in Häusern der gehobenen Preisklasse, in Pensions- und Ferienwohnungsbenutzer mit sehr unterschiedlich strukturierter Nachfrage nach Dienstleistungen verschwinden, bedarf keiner weiteren Betonung. Es macht aber deutlich, daß die konkrete Nachfrage von jeder Gemeinde zugrundegelegt werden muß, soll der wirtschaftliche Nutzen für die Gemeinde ermittelt werden. Allgemein gilt, daß die prozentuale Nettowertschöpfung umso größer ist, je arbeitsintensiver das Angebot ist.

Den Beschäftigungseffekt zu ermitteln, ist schwierig. Die einfache Rechnung, nämlich das aus dem Fremdenverkehr erzielte Einkommen durch das Durchschnittseinkommen je Erwerbstätigen zu teilen, um die Zahl der Beschäftigten zu ermitteln, ist nicht ohne weiteres anwendbar. Es würde zu einer zu geringen Zahl von Beschäftigten führen, da im Fremdenverkehrsgewerbe der Anteil von Beziehern geringer Einkommen überproportional vertreten ist und viele Teilzeitbeschäftigte und Nebenerwerbstätige, wie Privatvermieter, angetroffen werden. Ferner spielt Saisonarbeit bei der Ermittlung des Beschäftigungseffekts eine nicht unbedeutende Rolle.

[Seite der Druckausgabe: 31]

Unterdurchschnittliche Einkommensmöglichkeiten und die Unsicherheit der Saisonverträge dürften eine Erklärung für die Personalprobleme in den alten Bundesländern sein. Anhand der Handels- und Gaststättenzählung von 1978/79 errechnete Koch im Durchschnitt für die Bundesrepublik je Bett 0,1 Beschäftigte. Wenn zusätzlich die Privatquartiere berücksichtigt werden und die Arbeitsplätze, die Kommunen und Organisationen für den Fremdenverkehr bieten, so läßt sich ein Beschäftigungseffekt von 0,2 pro Bett annehmen.

Das kommunale Steueraufkommen entsteht im wesentlichen aus Gewerbesteuer auf Gewerbeertrag und Gewerbekapital, aus Grundsteuer und einem Anteil an der Lohn- und Einkommenssteuer. Die Lohn- und Einkommenssteuer läßt sich mit Hilfe der Nettowertschöpfungsquote und über den durchschnittlichen Einkommenssteuersatz berechnen. Die Grundlage für die Berechnung der Gemeindesteuern bilden die Nettoumsätze der Betriebe. Die Daten der Gewerbe- und Grundsteuern liegen in den Gemeinden vor, so daß dieser Teil des ökonomischen Nutzens leicht zu ermitteln ist. In Kenntnis der Daten von Beschäftigungs- und Steuereffekt wird der Umfang des Engagements im Bereich Tourismus im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung einer Kommune von den Verantwortlichen fundiert zu entscheiden sein. Für die in diesem Bereich Tätigen ist die Kenntnis des Beitrags am Haushalt der Gemeinde ein wichtiges Argument für die Durchsetzung ihrer Forderung gegenüber der Gemeinde.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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