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[Seite der Druckausgabe: 17 = Fortsetzung]

VI. Probleme, Chancen und Erwartungen



l. Ein Überblick

Zu den Haupterholungsgebieten zählen im wesentlichen die Ostseeküste sowie die mecklenburgisch-brandenburgische Seenplatte. Anziehend sind hier die Ostseeküste sowie die Wälder- und Seenlandschaften des Hinterlandes.

1989 suchten in den Erholungsgebieten Mecklenburg-Vorpommerns ca. 4,4 Mio. Urlauber und ca. 15,4 Mio. Tages- und Wochenendausflügler Entspannung. Die höchste Zahl von Urlaubern wurde im Ostseeküstenraum verzeichnet. Die hohe Konzentration von Benutzern (im Bereich von Stolera bis Markgrafenheide standen weniger als 5 qm Strandfläche pro Urlauber zur Verfügung, in Kühlungsborn-Nienhagen, Schaabe und Boltenhagen 5,8 qm) hat besonders die Strandbereiche der Ostseeküste hohen Belastungen ausgesetzt.

Im ganzen Land gab es 144 Campingplätze mit einer Tageskapazität für 142.000 Personen, in Hotels standen ca. 5.500 Betten zur Verfügung.

Der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern hat traditionell einen ausgeprägten Saisoncharakter und ist durch eine Konzentration von Urlaubern in den Sommermonaten gekennzeichnet. Der Küstenraum, besonders die Insel Rügen, Wolgast, Ribnitz, Damgarten und Bad Doberan verzeichneten die höchste Zahl an Langzeiturlaubern.

Die Binnenregion blieb gegenüber der Küstenregion infrastrukturell benachteiligter Standortraum mit einem qualitativ geringwertigen touristischen Angebot, das allerdings in relativ ungestörter Umgebung naturnahe Erholung auf eher einfachem Niveau erlaubte. Einerseits wurde diese Möglichkeit von den Besuchern geschätzt, andererseits führte sie wegen unzureichend ausgebauter Infrastruktur zu ökologischen Schäden.

Auch wenn davon ausgegangen werden muß, daß eine wirtschaftspolitische Option, die allein auf Tourismus setzt, selbst in Regionen, die dafür besonders gute Bedingungen bieten, problematisch ist, bietet dieser Sektor in Mecklenburg-

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Vorpommern Chancen. Voraussetzung für eine zufriedenstellende Entwicklung wird jedoch ein funktionierender Kreislauf ökonomischer Reproduktionsprozesse sein (vgl. unten).

Für Mecklenburg-Vorpommern stellt der Fremdenverkehr auch zu Zeiten der ehemaligen DDR einen traditionell bedeutenden wirtschaftlichen Bereich dar. Von 4,4 Mio. Urlaubern pro Jahr (fast ausschließlich aus dem Inland) verbrachten 3,5 Mio. ihre Ferien in den Küsten- und Boddenlandschaften. Neben den Urlaubsplätzen des Feriendienstes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (ca. 40% aller Betten und 50% aller Campingplätze) und den betrieblichen Einrichtungen mit über 40% der Kapazitäten spielte das öffentliche Beherbergungsnetz eine völlig untergeordnete Rolle. Die Qualität der technischen und sozialen Infrastruktur blieb weit hinter den Anforderungen zurück.

Bis Ende 1989 war das Erholungswesen Teil der Sozialpolitik des Staates. Oft stand die quantitative Versorgung mit Ferienplätzen zu Lasten der Qualität im Vordergrund.

Durch die Mehrfachnutzung des Territoriums wurden ökologische Postulate vernachlässigt und die Umwelt vielerorts der Ökonomie untergeordnet.

Für die Entwicklung und den Ausbau von Tourismus unter marktwirtschaftlichen Bedingungen müssen völlig neue Anforderungen erfüllt werden.

Da der Reichtum des Landes und besonders der Küste Natur und Landschaft sind, hat bei der künftigen Entwicklung die Erhaltung und der Schutz der Landschaft unter besonderer Berücksichtigung der vorhandenen Landschafts-, Küsten- und Naturschutzgebiete absoluten Vorrang.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern und besonders seine Küstenregion wird ein wichtiges Erholungsgebiet bleiben. Daraus ergibt sich die Aufgabe, den Tourismus als eine Säule der Wirtschaftsstruktur des Landes zu entwickeln. Dazu wird die Stärkung der Position auf dem europäischen Markt nötig sein, d.h. die Attraktivität muß der Konkurrenz zu anderen Nord- und Ostseeanrainern und zu südeuropäischen Küsten standhalten können.

Ziel muß es sein, einen wirtschaftlich starken und zugleich sozial- und umweltverträglichen Tourismus zu entwickeln. Die typische Landschaftsform Mecklenburg-Vorpommerns als Erlebnis- und Erholungsraum ist zu erhalten und damit das natürliche Erholungspotential auf lange Sicht zu sichern.

Um die rekreativen Potentiale optimal zu nutzen, sollten die wasser- und strandgebundenen Erholungsaktivitäten durch andere ergänzt werden, z.B. durch Wanderangebote im Küstenhinterland, durch Angebote wie "Ferien auf dem Lande" sowie durch wetterunabhängige Einrichtungen wie Hallenbäder, Sportanlagen, Ferienparks und Kultureinrichtungen. Sehenswürdigkeiten wie die Städte Schwerin,

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Rostock und Güstrow, deren Kirchen und Klöster, Rat- und Bürgerhäuser, Schlösser und Parks ergänzen die Anziehungskraft der Küstenlandschaft.

Das Angebot "Ferien auf dem Bauernhof" umfasst in Deutschland mehr als 20.000 Adressen, die besonders von Familien mit Kindern und als Ziel für Zweiturlaube geschätzt werden.

Zwischen den alten und den neuen Bundesländern ist das Angebot sehr ungleich verteilt: in den neuen Bundesländern sind erst einige hundert Bauernhöfe auf den touristischen Markt getreten. In der ehemaligen DDR fehlte diese Urlaubsform völlig, da die Zahl der selbständigen Einzelbauern sehr gering war.

Seit der Wende 1989/90 versuchen ehemalige Genossenschaftsbauern - sogenannte Neu- oder Wiedereinrichter - sich als "Urlaubswirte" zu profilieren. Ein großes Hemmnis stellt dabei die schleppende Rückübertragung des in die Genossenschaften eingebrachten Grund und Bodens dar; hinderlich ist die Angelegenheit deshalb, weil die Klärung der Eigentumsfrage eine Voraussetzung für die Erlangung von Investitionskrediten ist.

Um vor Abschluß dieses langwierigen Verfahrens ein akzeptables Angebot im ländlichen Raum erstellen zu können, wird auch in Mecklenburg-Vorpommern auf Unterkünfte in kleinen Hotels, Pensionen und Betriebsferienheimen zurückgegriffen und daher von "Urlaub auf dem Lande" gesprochen. Als Träger für diese Urlaubsangebote treten neben den Fremdenverkehrsvereinen auch die Bauernverbände auf.

Die derzeitige touristische Attraktivität Mecklenburg-Vorpommerns ist für Massentourismus im internationalen Maßstab nicht konkurrenzfähig. Unter dem Postulat der landschafts- und umweltkonformen Nutzung der Naturpotentiale kann in dem von Gewässern und bewaldeten Hügeln durchzogenen Binnenland nur an kleindimensionierten Landschaftstourismus gedacht werden. Das natürliche Potential eignet sich am besten für naturnahe, aktive Erholungsformen mit ausgeprägter Sommersaison in kleinen bis mittleren Standortdimensionen sowie für ganzjährigen spezialisierten Kurbetrieb.

Nicht eine weitere Ausprägung des Massentourismus, sondern eine naturverträgliche touristische Nutzung muß Ziel und Anstrengung sein. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Qualität der Erholungsbedingungen sind hoch und werden schnell weiter zunehmen. Zu den notwendigen qualitätsverbessernden Maßnahmen gehören:

  • die Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen wie regionale und örtliche Verkehrserschließung, Trinkwasserversorgung und Abwasserableitung, Energieversorgung und Abfallbeseitigung,

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  • die Anpassung des Niveaus der Beherbergungseinrichtungen an den internationalen Standard sowie Verbesserung der sanitären Einrichtungen, Sanierung der Campingplätze, Bau von landschaftstypischen Ferieneinrichtungen,
  • eine Erweiterung des touristischen Angebots und die Schaffung vielfältiger Betätigungsmöglichkeiten (z.B. Bau von Schwimmhallen, Clubhäusern, Segelhäfen, Rad-, Reit- und Wanderwegenetzen etc.),
  • die qualitative Aufwertung des Erholungsmilieus durch landschaftspflegerische und -gestalterische Maßnahmen.

Die weitere bauliche Entwicklung sollte sich grundsätzlich innerhalb bzw. am Rande vorhandener Ortslagen vollziehen, um die weitere Zersiedlung zu verhindern. Um den unmittelbaren Strandbereich zu schonen, sollte die Erschließung des Hinterlandes verstärkt einbezogen werden.

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2. Strukturkonzept Rügen

Das Strukturkonzept für den Landkreis Rügen zieht aus der Tatsache, daß bereits 1989 und 1990 die Grenzen der Belastbarkeit der Natur sowie der sozialen und technischen Infrastruktur erreicht bzw. überschritten worden waren und zu sichtbaren Schäden geführt hatten, u.a. folgende Schlüsse:

Der Erholungswert der Ostseeküste entwickelt sich rückläufig und ist für neue Gästekreise gegenwärtig nicht ausreichend attraktiv für einen längeren Erholungsurlaub. Grundsätzlich ist in jeder Gemeinde des Kreises Rügen der Tourismus als wichtige Entwicklungsfunktion anzusehen. Eine generelle Umstrukturierung soll das Ziel der Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltgeprägten Lebensbedingungen für Einwohner und Gäste gleichermaßen haben. Sie soll durch die Schaffung von Voraussetzungen für ein erheblich qualitatives und nur moderat quantitatives Wachstum des Tourismussektors unter Wahrung der landschaftlichen und kulturellen Eigenarten des Kreises Rügen erreicht werden.

Nach erfolgter Umstrukturierung soll das Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels, Pensionen, Privatzimmern, Jugendherbergen und auf Campingplätzen von derzeit 110.000 Plätzen auf 80.-90.000 reduziert werden. Diese Zielvorstellung ergibt sich aus Erfahrungen der Altbundesländer. Regionen mit ähnlichen Bedingungen weisen eine Tourismusintensität von rund 70 Übernachtungen pro Einwohner und Jahr auf, davon 75% während der Hochsaison im Juli und August.

Für den Kreis Rügen wird kurzfristig eine durchschnittliche Auslastung in der Saison von 80% angestrebt. Die durchschnittliche jährliche Auslastung beträgt dementsprechend 18%. In der sehr niedrigen durchschnittlichen jährlichen Auslastung

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liegen Entwicklungsreserven, deren Erschließung die Rentabilität erhöhen kann. In Vergleichsregionen der Altbundesländer liegt die jährliche Durchschnittsauslastung je nach Unterkunftsart zwischen 30% und 40%.

Das Angebot soll vorrangig aus Umstrukturierung und Ersatz sowie durch Qualitätsverbesserung des Bestandes gespeist werden. Schnelles Handeln ist angezeigt, um die sozial unkontrollierte Konkurrenz von Anbietern und Betreibern touristischer Einrichtungen durch rasch entstehende Neuanlagen zu verhindern.

Das touristische Angebot soll den vielfältigen Erholungsbedürfnissen der Besucher Rechnung tragen und den wirtschaftlichen Erfordernissen des Landkreises entsprechen. Deshalb sind besonders Angebote zu entwickeln, die eine möglichst hohe ganzjährige Auslastung sichern.

Die Einrichtungen sind im Interesse der Partizipation der Einwohner und der Wirtschaftlichkeit grundsätzlich im Zusammenhang vorhandener Siedlungsräume zu entwickeln. Von der Einwohnerschaft isolierte "Tourismusinseln" sind nicht erwünscht.

Die Entwicklung eines klein- und mittelständischen Tourismusgewerbes soll vorrangig gefördert werden, Großvorhaben (mehr als 200 Betten oder Ferienwohnungen bzw. Ferienhausanlagen mit mehr als 100 Wohneinheiten oder Ferienzentren mit mehr als 1.000 Betten) bedürfen der besonders sorgfältigen Planung und sind unter Berücksichtigung ihrer Funktion mit Landschaft und Ortsbild abzustimmen.

Maximal ein Feriencenter, drei Golfplätze sowie ein Flughafen sollen im Landkreis Rügen errichtet werden.

Als Standorte für großflächige Freizeitanlagen kommen - in Übereinstimmung mit der Genehmigungspraxis der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns - infrage:

  • nicht überlastete Naherholungs- und Fremdenverkehrsgebiete,
  • ehemals militärisch genutzte Flächen (nach der vermutlich notwendigen Bodensanierung),
  • aufgegebene Industrie- und Gewerbeflächen,
  • landwirtschaftliche Flächen mit geringer Wertigkeit sowie
  • ökologisch verarmte Kulturlandschaften.

Grundsätzlich kommen nicht infrage:

  • Naturschutzgebiete,
  • Vorranggebiete etwa für Natur und Landschaft, Trinkwasserschutz und Gewinnung oberflächennaher Rohstoffe,
  • Gebiete mit einem hohen Anteil an ökologisch und landschaftlich wertvollen oder gering belastbaren Flächen,

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  • Gebiete mit besonderer Bedeutung für die extensive sowie die siedlungsnahe Erholung und
  • kulturhistorische und geomorphologisch besonders bedeutsame Gebiete.

Um die Unabhängigkeit von der Hauptsaison zu erreichen, soll der Kur- und Heilbädercharakter der Küstenorte wieder aufgebaut und entwickelt und die staatliche Anerkennung angestrebt werden.

Unterkunftsmöglichkeiten für Familienferien, wie Ferienwohnungen, Ferienhäuser und Campingplätze, sollen maßvoll angeboten werden, den Formen des gewerblichen Tourismus mit einem höheren Beschäftigungseffekt und geringeren Flächen- und Infrastrukturansprüchen sollte jedoch der Vorrang eingeräumt werden.

Die besonders empfindlichen Gewässer und Uferzonen des Kreises Rügen lassen Wassersport in vielen Bereichen nur eingeschränkt zu. Die Entwicklung kann nur auf der Grundlage sorgsam abgestimmter Konzepte erfolgen, damit Fehlentwicklungen von vornherein vermieden werden.

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3. Prekäre Beschäftigung am Beispiel FEDI

Wichtigster Effekt der Fremdenverkehrspolitik muß die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommensquellen sein. In Mecklenburg-Vorpommern unterscheidet sich die Ausgangssituation bezogen auf die Beschäftigungsverhältnisse von der in den anderen neuen Bundesländern zwar nur graduell, ist aber sozial einschneidender. Das Schicksal der im FEDI - dem ehemaligen Feriendienst des FDGB - Beschäftigten kennzeichnet die hohe Betroffenheit.

Die aus dem Feriendienst des FDGB hervorgegangene FEDI-Feriendienst GmbH verfügte landesweit über 896 sogenannte Objekte, deren Eigentumsverhältnisse meistens ungeklärt waren. Fast alle Einrichtungen haben einen großen Renovierungs- und Modernisierungsbedarf, um unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erfolgreich arbeiten zu können.

In der DDR war der Feriendienst jährlich mit 40 Mio. Mark aus dem Staatshaushalt gestützt worden, so daß die Entscheidung des Bundestages, sämtliche Investitionen einzustellen, den Konkurs unabwendbar machte.

Die Feststellung, daß der FEDI GmbH bei ihrer Gründung ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie deshalb zur Eintragung in das Handelsregister nicht zugelassen war, hatte vor allem für die Beschäftigten schwerwiegende Folgen: Es bedeutete nämlich, daß die GmbH rechtlich nicht existent und folglich nicht konkursfähig war. Von den 18.000 betroffenen Arbeitnehmern waren allein 5.000 in Mecklenburg-Vorpommern zu Hause. Sie standen plötzlich ohne Arbeitgeber und mit

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einem für sie wertlosen Sozialplan da. Ihre Kündigung hatten die meisten per 31.12.1990 erhalten, arbeiteten aber vielfach unbezahlt weiter, bis das Jahresanfangsgeschäft im Januar abgewickelt war. Die Kündigungen waren häufig unter Umgehung von gesetzlichen Kündigungsschutzvereinbarungen ausgesprochen worden - ohne Rücksicht auf Dienstjahre, Krankheit, Schwangerschaft und dergleichen. Im Dezember 1990 erhielten sie die letzten Gehälter, und mußten z. T. bis März 1991 auf die Zahlung von Arbeitslosengelder vom Arbeitsamt warten. Die Konkursausfallgelder konnten erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens erwartet werden. Der Beschluß der Treuhand, den Kommunen die Ferienobjekte zu übertragen, kam zwar erst kurz vor Beginn der Saison und damit viel zu spät, er wurde dennoch allgemein begrüßt. Er führte außerdem wegen der unklaren Einkommensverhältnisse nur zu vorläufigen Pachtverträgen, die bis zum Ende der Saison bzw. Ende des Jahres 1991 gelten, die aber immerhin zuließen, daß die Betriebe geöffnet werden konnten und ein Teil der Mitarbeiter Arbeit fand. An Renovierung oder Ausbau war allerdings angesichts der beginnenden Saison und der ungeklärten Zukunft kaum zu denken. So kam es auch in diesem Sommer verstärkt zu Klagen über die unzureichende Ausstattung der Ferienheime, vor allem im sanitären Bereich.

Für höchstens ein Drittel der ehemaligen Beschäftigten des Feriendienstes konnte auf diese Art und Weise vermutlich ein Arbeitsplatz erhalten bzw. kurzfristig wiedergeschaffen werden.

In den kleineren Betrieben, wie HO-Gaststätten, wird sich nach Einschätzung aus Kreisen der Gewerkschaft NGG die Kurzarbeiterregelung erst nach ihrem Auslaufen im kommenden Jahr bemerkbar machen: In einem Betrieb z.B. mit heute 30 Beschäftigten, von denen 10 in Arbeit, 20 als Kurzarbeiter mit Null Stunden vom Arbeitsamt finanziert werden, ist die ökonomische Situation haltlos, sobald der Betrieb die 20 Kurzarbeiter wieder aus eigener Tasche zahlen muß. Dann wird u.U. der mittelständische Unternehmer, dem man die Übernahme des Betriebes schmackhaft gemacht hatte, in Konkurs gehen müssen.

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4. Aus- und Weiterbildung - Beispiel Universität Rostock

Für das Gros des Hotel- und Gaststättenpersonals reduziert sich die nötige Aus- und Weiterbildung auf einen gewissen "Schliff, der ihnen erlaubt, in Betrieben, die nach marktwirtschaftlichen Kriterien arbeiten, erfolgreich tätig zu sein. Sie müssen zum Teil einen erheblichen Verlust ihres Sozialstatus verkraften. Der Portier eines renommierten Restaurants oder einer bekannten Bar genoß früher häufig höheres

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Ansehen als der Bürgermeister der Gemeinde, und die Praxis, Gäste vor dem Restaurant auch angesichts leerer Tische auf die gnädige Einweisung durch die Kellner warten zu lassen, hat ihr Bewußtsein sicher geprägt; von den Beschäftigten dieses Dienstleistungsektors wird heute sicher ein massives Umdenken erwartet. Problematisch ist, daß die qualifizierten Mitarbeiter mit verlockenden Angeboten in die alten Bundesländer abgeworben werden.

Managementerfahrung fehlt in den oberen Etagen der Hotellerie weitgehend und bei den Fremdenverkehrsverbänden ebenfalls. Die Nachfrage, die das Angebot stets übertroffen hatte, machte die Aneignung von Marketingkenntnissen überflüssig. Heute wäre die Beherrschung der Marketinggrundregel, daß man ein schlechtes Produkt mit gutem Service besser verkauft als ein gutes mit schlechtem Service, sicher hilfreich. In den Büros der Kurorte, der Fremdenverkehrsvereine etc. sieht die Situation prekärer aus. Hier müssen Fachhochschulen oder entsprechende Universitätseinrichtungen die Ausbildung übernehmen. Allerdings bestehen hier noch Anfangsschwierigkeiten.

Im Frühjahr dieses Jahres wurde in Rostock das Lehr- und Forschungsinstitut für Tourismus gegründet. Es wird finanziell und organisatorisch unterstützt von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns, der Universität Rostock, der Industrie- und Handelskammer und der Reisebranche. Die künftigen Aufgaben sieht man auf drei Feldern:

Bildung: In Etappen werden zunächst die Zweige Fort- und Weiterbildung und anschließend die Fachhochschulausbildung entwickelt.

Forschung: Dem Mangel an Wissen über touristische Zusammenhänge und an touristischem analytischen Material soll durch die Entwicklung von Grundlagenforschung abgeholfen werden: dadurch soll allen an der touristischen Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitenden Material für ihre Untemehmensentscheidungen an die Hand gegeben werden.

Beratung: Das Angebot an fachlicher touristischer Beratung wird sich vor allem an die Kommunen richten.

Für die Errichtung des Rostocker Institutes war die Einschätzung ausschlaggebend, daß viel Engagement, jedoch wenig Kenntnis für die konkreten Aufgaben vorhanden ist. Die Großzahl von engagierten, aber auf die Aufgaben unzureichend vorbereiteten Menschen müssen jetzt, hier und heute Entscheidungen treffen, die für ihr Arbeitsfeld folgenreich sind.

An der Universität Rostock ist für das Studienjahr 91/92 auch eine Spezialisierungsrichtung Tourismus/Betriebswirtschaft vorgesehen. Man ist von der

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Notwendigkeit der Fachausbildung überzeugt und rechnet mit einer regen Nachfrage nach diesem Studiengang.

Allerdings ist (im September 91) die künftige Struktur der universitären Ausbildungsschwerpunkte noch nicht entschieden. An die Landespolitik richtet sich die Forderung, die Pläne für die Errichtung des Fachbereiches zu unterstützen und die notwendigen Entscheidungen zu beschleunigen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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