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4. Das Engagement der westdeutschen Chemieindustrie in Ostdeutschland

Während um private Investoren für die vier Großunternehmen Sachsen-Anhalts noch geworben wird, investieren Chemieunternehmen der alten Bundesländer 1991 etwa eine Milliarde DM in die Chemiebetriebe der neuen Länder. Aus den mittlerweile rund 270 bekannt gewordenen Kontakten zwischen westeuropäischen Unternehmen und Betrieben in den neuen Ländern sind 80 Vereinbarungen über Übernahmen, Beteiligungen, die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, den Aufbau von Vertriebsgesellschaften und die Vergabe von Produktionslizenzen hervorgegangen.

Eine der ersten Käufe aus dem Bestand der Treuhand führte die BASF, Ludwigshafen, durch. Im Oktober 1990 erwarb der Chemiekonzern das in Brandenburg gelegene Synthesewerk Schwarzheide im Kreis Senftenberg; im darauf folgenden Monat wurde der Neuerwerb zur BASF Schwarzheide GmbH gewandelt. Mit einem Investitionsvolumen von rund 500 Millionen DM wird dort in den nächsten Jahren die Produktion von Polyurethan und von Vorprodukten modernisiert und ausgebaut. Die dabei erforderlichen Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen, die Einstellung der Produktion von Pflanzenschutzmitteln sowie die Übertragung von Werkseinrichtungen an Institutionen des Landes, des Kreises und der Stadt führen zu einem Abbau von Arbeitsplätzen, so daß von den 4 600 Mitarbeitern im Februar 1991 Ende 1991 noch 3 300 Arbeitnehmer dem Werk angehören werden. Ein Sozialplan, Frühpensionierungen, Hilfen für den Neuanfang und Abfindungen sollen dazu beitragen, die sozialen Härten ein wenig abzufangen. So unterstützt die BASF Schwarzheide zum Beispiel Firmengründungen durch Bereitstellung von Gelände, Gebäude, Werkstätten sowie durch Vergabe von Aufträgen. Neben der Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze führt die Übernahme des Betriebes durch die BASF auch zu einer Entlastung der Umwelt. Der braunkohlebeheizte Kessel des bisher zur Energieversorgung des Werkes betriebenen Kraftwerks wurde bereits durch einen gasbefeuerten Dampferzeuger ersetzt, wodurch die Staub- und Schwefeldioxidemissionen erheblich abgenommen haben.

Die Städte Schwarzheide und Ruhland, die Gemeinde Schipkau sowie die BASF Schwarzheide gründeten außerdem eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, die für eine Übergangszeit von zwei Jahren die Aufgabe hat, durch Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Lösung der Beschäftigungsprobleme im Umfeld Schwarzheides beizutragen. Zu den Projekten der Gesellschaft zählen der Anschluß kommunaler Abwassersysteme an die Kläranlage der BASF

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Schwarzheide, Erschließungsarbeiten für Gewerbegebiete und Maßnahmen der Landschaftspflege wie die Verlegung und Sanierung der Pössnitz und die Begrünung von Wohngebieten.

Im Juni 1991 gründete auf dem Gelände der BASF Schwarzheide die ebenfalls zum Ludwigshafener Chemiekonzern gehörende Elastogran Polyurethane GmbH einen Betriebsteil, der Arbeitsplätze für 160 Mitarbeiter sichert. Vor allem osteuropäische Märkte sollen von dort in den Geschäftsbereichen Systeme, Elastomere und Maschinenbau bearbeitet werden. Vorgesehen ist der Bau von Anlagen und Einrichtungen für die Qualitätssicherung, für die Anwendungstechnik und für den Vertrieb einer Reihe von Produkten der BASF Schwarzheide, so zum Beispiel Elastomere, Klebrohstoffe und Materialien für die Beschichtung von Textilien. Außerdem hat der Vorstand der BASF Farben + Lacke GmbH beschlossen, eine bisher in Würzburg geplante Fabrik zur Herstellung von Fahrzeuglacken auf Wasserbasis am Standort Schwarzheide mit einem Investitionsvolumen von 86 Millionen DM zu errichten. Grundsätzlich hat sich die BASF bereit erklärt, bei allen Investitionsprojekten der europäischen Gesellschaften des Unternehmens zu prüfen, ob es technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, diese Investitionen am Standort Schwarzheide auszuführen.

Auch die Bayer AG, Leverkusen, hat mit ihrer Tochter Agfa ihr Engagement auf dem Gebiet der neuen Bundesländer aufgenommen. Im thüringischen Gera wurde auf dem Gelände der Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH die Agfa Laborgeräte GmbH gegründet, die 150 Mitarbeiter beschäftigen soll. Die Firma hat vor allem die Aufgabe, Geräte für Fachlabors zu entwickeln, die Aufträge von Profifotografen bearbeiten. Da die neuen Mitarbeiter High-Tech-Erfahrungen im Bereich Optik, Mechanik und Elektronik einbringen, konnte die Neugründung qualifizierten Menschen aus den neuen Ländern eine neue Aufgabe verschaffen. Bis 1994 sollen 20 Millionen DM in das neue Werk investiert werden. Agfa ist außerdem das erste Unternehmen, das sich auf dem Gelände des alten Zeiss-Areals niederläßt und somit Impulse für den dort geplanten Industrie- und Technologiepark gibt.

Einen weitaus größeren Umfang haben die von der Bayer AG geplanten Investitionen in der Region Bitterfeld-Wolfen. So verhandelt die Bayer AG mit der Treuhandanstalt über den Erwerb eines 50 Hektar großen Grundstücks, auf dem eine Reihe von Betrieben unter anderem aus dem Bereich Polymere, Industriechemikalien und Konsumprodukte geplant sind. Die dafür vorgesehene Investitionssumme liegt in den nächsten fünf Jahren bei einer Größenordnung von 500 Millionen DM. An dem

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neuen Standort sollen rund 500 Mitarbeiter eingestellt werden. Mit Serviceverträgen, zum Beispiel für die Energieversorgung und den Umweltschutz, sind in der Region außerdem mehrere hundert Arbeitsplätze zu erhalten. Bereits der Bau der neuen Einrichtungen wird einigen hundert Menschen Arbeit verschaffen. Da die neuen Betriebe in einen Industriepark eingebunden werden sollen, können sie als Kristallisationspunkt für weitere Ansiedlungen dienen.

Auch die zur Hoechst AG gehörende Firma Messer Griesheim engagiert sich in den neuen Ländern. So wurden mit der Treuhand Verträge über den Kauf von 16 Industriegasebetrieben der Technische Gase Leipzig GmbH abgeschlossen. Die Betriebe verteilen sich auf 14 Standorte in den Ländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen und haben zusammen rund 800 Mitarbeiter, die nun zur Tochtergesellschaft Messer Griesheim Industriegase GmbH, Leipzig, gehören. Für dieses und für weitere Projekte in den neuen Bundesländern ist ein Investitionsvolumen von 400 Millionen DM in den nächsten Jahren vorgesehen. Unter anderem ist auf dem Gelände der Buna AG in Schkopau die Errichtung einer Luftzerlegungsanlage für 110 Millionen DM geplant. Damit lassen sich pro Stunde 20 000 Kubikmeter Sauerstoff und 60 000 Kubikmeter Stickstoff gewinnen. Anfang des Jahres 1991 hat die Hoechst AG außerdem einen Anteil von 97 Prozent an der Firma Colorplast GmbH in Döbeln, Sachsen, übernommen. Dort produzieren 54 Mitarbeiter Pigmentpräparationen für die Einfärbung von Kunststoffen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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