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5. Sanierung und Privatisierung durch die Treuhandanstalt


Die Möglichkeiten der Treuhandanstalt, einen Beitrag zur Strukturanpassung der Unternehmen im Osten Deutschlands zu leisten, werden abgesteckt durch die zwischen Bundeskanzler und Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer vereinbarten "Grundsätze der Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Aufschwung Ost" vom 15. März 1991 (Bulletin der Bundesregierung, Nr. 29 vom 15. März 1991).

Die Grundsätze weisen insbesondere darauf hin, daß es auf eine Verzahnung zwischen den Aktivitäten der Treuhandanstalt sowie der staatlichen Regional-, Arbeitsmarkt- und Infrastrukturpolitik ankommt. Hingewiesen wird darauf, daß die Treuhandanstalt aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages gehalten ist, durch Privatisierung und Sanierung auf eine effiziente Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern hinzuwirken. (§ 2 Abs. 6 Treuhandgesetz vom 7. Juni 1990) Die Treuhand wirkt als Dienstleister im Rahmen der Verantwortung der neuen Länder für eine sozial verträgliche regionale Strukturpolitik an diesen Aufgaben mit.

Das ordnungspolitische Ziel der Treuhandanstalt ist die Privatisierung. Während sie an einem Unternehmen beteiligt ist, trägt sie die unternehmerische Verantwortung des Eigentümers und muß in dieser Funktion die Betriebsführung der Unternehmen verbessern, den Absatz von Produkten fördern, die Einrichtung neuer weltmarktgerechter Produktionslinien unterstützen und die Gewerbeansiedlung durch Bereitstellung von Grundstücken aus dem Eigentum der Treuhandanstalt-Gesellschaften fördern.

Andererseits muß sie sich darum bemühen, bei Betriebsstillegungen oder Teilstillegungen von herausragender arbeitsmarktpolitischer Bedeutung mit Bund und Ländern zusammen die nachteiligen Auswirkungen für die Beschäftigten, den Arbeitsmarkt und die gesamte Region möglichst gering zu halten und Ansätze für den Aufbau neuer Arbeitsplätze zu schaffen.

Darüber hinaus muß sie alle notwendigen Informationen zur Vorbereitung von Ausgleichsmaßnahmen bereitstellen, damit die Landesregierungen in diesen Fällen Sonderverfahren zur Ansiedlungsförderung einleiten können. Der Bund hat zugestanden, daß er bei seiner Fachaufsicht über die Treuhandanstalt deren umfassende Aufgabenstellung berücksichtigen wird. Die Treuhand wird durch sogenannte "Treuhand-Wirtschaftskabinette" in den neuen Bundesländern in die Abstimmung mit der jeweiligen Landespolitik eingebunden.

Die Opposition in Bonn hatte immer die besondere Verantwortung der Treuhandanstalt als Eigentümer der ehemaligen DDR-Kombinate im Rahmen einer aktiven Strukturpolitik betont. Sie hatte kritisiert, daß sich die Treuhandanstalt bisher schwergewichtig um die Privatisierung ihrer Betriebe bemüht hat, die sich als schwerer herausgestellt hat als ursprünglich gedacht. Besonders das Interesse privater Investoren an den in der Regel während der Planwirtschaft herabgewirtschafteten Betrieben der Treuhandanstalt erwies sich als geringer als erwartet.

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Daher dürfte die Privatisierung ohne vorherige Umstrukturierung, also Sanierung eines Großteils der Treuhandbetriebe kaum gelingen. Gefordert wurde daher, daß der Sanierungsauftrag der Treuhand aus dem Treuhandgesetz ein höheres Gewicht erhalten und gesetzlich klarer gefaßt und konkretisiert werden sollte. Zusätzlich wurde gefordert, die Gesamtverantwortung für die Treuhandanstalt dem für Strukturpolitik zuständigen Bundeswirtschaftsminister zu übertragen. Neben der Höhe der Verkaufserlöse sollten die arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Auswirkungen der Privatisierung berücksichtigt werden und in möglichst großer Zahl bestehende Arbeitsplätze erhalten oder neue geschaffen werden. Der Sanierungsauftrag der Treuhand kann dadurch konkretisiert werden, daß die Treuhand sich um aussagefähige Sanierungskonzepte für ihre Betriebe bemüht und bis dahin keine Massenentlassungen zuläßt. Sanierungsfähige Betriebe sollen zur Erreichung der Wettbewerbs- und Privatisierungsfähigkeit weitergeführt werden, dabei müßten Betriebsführung, Marketing, Produktpalette und Finanzausstattung verbessert werden. Sind Betriebe unter rein betriebswirtschaftlichen Kriterien nicht sanierungsfähig, müssen zusätzlich strukturpolitische Kriterien wie die Bedeutung des Betriebs für die regionalen Arbeitsmärkte, die regionalwirtschaftlichen Verflechtungen eines Betriebs und das regionale Angebot an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Betriebe von herausragender Bedeutung für die regionale Entwicklung sollen von der Treuhandanstalt als Eigentümer weitergeführt und saniert werden, um unvertretbare Belastungen des regionalen Arbeitsmarktes zu verhindern. Falls dennoch Betriebe sowohl unter Einbeziehung betriebswirtschaftlicher als auch strukturpolitischer Konzepte als nicht sanierungswürdig bewertet werden, muß ihre Stillegung sozial verträglich ausgestaltet werden und die Treuhandanstalt sollte sich an der Bereitstellung von Alternativen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften sowie durch Aufstellung von Sozialplänen beteiligen.

Die Alltagsarbeit der Treuhandanstalt bewegt sich auch in der Niederlassung Cottbus zwischen diesen unterschiedlichen Ansprüchen, deren Umsetzung in der Praxis sich wesentlich schwieriger und zeitraubender darstellt als politisch gewünscht. Die Belastung der Treuhandanstalt ist enorm: 440 Mitarbeiter verwalten 200 bis 220 Unternehmen.

Die Treuhandanstalt selbst sieht ihre Aufgabe nicht darin, im Sinne wirtschaftspolitischer oder strukturpolitischer Maßnahmen Strukturanpassungshilfen zu geben, sondern den Unternehmen mit dem Ziel der Umsetzung des Treuhandauftrages zu helfen. Dieser verlangt zunächst die Privatisierung der zur Treuhandanstalt gehörenden Unternehmen und zweitens die Sanierung zur Ermöglichung der Privatisierung. Nach Auffassung der Treuhand ist der beste und schnellste Weg zur Sanierung die Privatisierung.

Der erste Schritt für eine erfolgversprechende Privatisierung ist die Festlegung des Kaufpreises für ein Unternehmen. Dabei muß mit dem Marktwert eines Unternehmens gerechnet werden, der durch die Zukunftserwartungen der potentiellen Investoren und nicht aus den die Vergangenheit

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wiederspiegelnden Expertisen der Wirtschaftsprüfer bestimmt wird. Im Endeffekt orientiert sich der Übernahmepreis an folgenden Faktoren:

  • dem Unternehmenskonzept mit detaillierten Investitionsplänen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren;

  • den zu erhaltenden und neu zu schaffenden Arbeitsplätzen;

  • der DM-Eröffnungsbilanz;

  • dem Substanzwert des Unternehmens (Grund und Boden, Gebäude, maschinelle Ausstattung).

Diese Faktoren gehen in den sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Marktpreis ein.

Darüber hinaus setzt die Treuhandanstalt bei der Verwaltung der Treuhand-Unternehmen eine breite Palette von Hilfsmaßnahmen für die Betriebe ein:

  • Sie verbürgt Liquiditätskredite als Überbrückungshilfen zur Finanzierung des Umlaufvermögens, zur Einleitung von Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung und zur Finanzierung von Marketingaktivitäten;

  • Sie gibt personelle Unterstützung in allen Unternehmensbereichen durch interne und externe Treuhand-Mitarbeiter, beispielsweise durch branchenspezifische Fachleute, die der Geschäftsführung Unterstützung geben und Maßnahmen etwa zur Produktivitätssteigerung, zur Kostenminderung, zur Rationalisierung und zum Vertriebsaufbau fachlich begleiten;

  • Sie vermittelt Aufträge, beispielsweise auch reine Lohnarbeiten oder Kooperationsmöglichkeiten als Subunternehmer;

  • Sie übernimmt sowohl den Kapitaldienst für Altkredite als auch Forderungen der Betriebe.

Die Treuhandanstalt setzt diese Hilfen gezielt zur Entlastung ihrer Unternehmen in individuellen Problemlagen ein und hält eine solche maßgeschneiderte Hilfe für wesentlich effizienter als nach dem Gießkannen-Prinzip auf alle Unternehmen gleichermaßen angewandte Maßnahmen. Dadurch wird die Sanierungstätigkeit der Unternehmen unterstützt, die durch weitere Hilfen für notwendige und sinnvolle Sanierungsmaßnahmen und für Investitionen zur Umsetzung der Unternehmenskonzepte ebenfalls gefördert werden. Voraussetzung für Hilfen in dieser zweiten Phase sind vorliegende DM-Eröffnungsbilanzen und Unternehmenskonzepte, die die Prüfung der Treuhandanstalt auf Umsetzbarkeit überstehen müssen. Ist dies der Fall, kann die Treuhand Sanierungs- und Investitionskredite zur Sicherung der Produktion und der Arbeitsplätze und für andere Anlaufkosten verbürgen, aber auch auftragsbezogene Leistungsfinanzierung durch Bürgschaften absichern und auch Altkredite entschulden. Eine weitere Möglichkeit der Unter-

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stützung ist die Ausgliederung von Betriebsgelände. Diese Maßnahmen, die Sanierungsaufwendungen und dadurch bedingte Anlaufverluste, Investitionen, Arbeitsplatzsicherung, Geländesplittung sowie die Übernahme von Altkrediten durch die Treuhandanstalt gehen ebenfalls als Faktoren in den Kaufpreis ein.

Die Hilfen zur Sanierung der Unternehmen werden gewährt, solange ein Unternehmen überwiegend zur Treuhandanstalt gehört, also auch bei teilweisen Reprivatisierungen. Insbesondere bei Unternehmen, die durch das sogenannte "Management Buy Out" privatisiert worden sind, werden die Startbedingungen durch zeitliche Streckung des Kaufpreises verbessert.

Die Treuhandanstalt muß dabei insbesondere versuchen, unseriöse Angebote herauszufiltern und dadurch Gefahren für die Unternehmen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn die Übernehmer

  • Kapazitäten zur Ausschaltung lästiger Wettbewerber vernichten wollen;

  • Abhängigkeiten als verlängerte Werkbank durch die Vergabe von Lohnaufträgen schaffen wollen, um später durch Androhung von Auftragsentzug möglichst billige Übernahmen erreichen zu können;

  • durch Immobilienspekulation über den Abschluß von Mietverträgen mit Vorkaufsrecht spätere Preissteigerungen beim Verkauf der Objekte realisieren wollen.

Diese Fälle versucht die Treuhand auszuschließen. Nach ihrer Meinung hat das Inkrafttreten der ergänzenden Gesetze zur Klärung der Eigentumsfragen von Ende März 1991 ihre eigene Entscheidungsfähigkeit bei der Privatisierung verbessert. Sie kann beispielsweise im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zugunsten eines neuen Investors entscheiden, wenn dieser ein besseres Unternehmenskonzept als der Alteigentümer vorlegen kann. Auch die Rechtsunsicherheit, die die Anwendung des Art. 41 Einigungsvertrag, mit der Priorität für volkswirtschaftlich förderungswürdige Investitionen oft blockierte, ist geringer geworden. Grundstücke stehen mittlerweile schneller für neue Investitionen und damit für Arbeitsplätze zur Verfügung. In den Fällen, in denen die Kommunen Rechtsträger laut Grundbuch sind, können diese nun unabhängig von der endgültigen Vermögenszuordnung über Verkäufe entscheiden.

Allerdings existieren noch eine Reihe von Umsetzungsproblemen, die die Arbeit der Treuhandanstalt behindern:

  • Die Erstellung von DM-Eröffnungsbilanzen und fundierten Unternehmenskonzepten für die Betriebe macht erhebliche Schwierigkeiten, da die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aus den alten Bundesländern dazu nicht ausreichen. Außerdem herrscht ein Mangel an qualifizierten Unternehmensberatern;

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  • In vielen Betrieben fehlen Managementkapazitäten mit einem markt- und betriebswirtschaftlichen Hintergrund, da nicht genügend westliche Führungskräfte für die Arbeit in den neuen Bundesländern gewonnen werden können und die Anforderungen in der derzeitigen Situation sehr hoch sind;

  • Führungskräfte aus den neuen Bundesländern verfügen häufig noch nicht über die notwendigen marktwirtschaftlichen Kenntnisse und den Blick für die wirklich wichtigen zukunftsorientierten Fragen in Unternehmen.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2001

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