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3. Kommunale Wirtschaftsförderung

Kommunale Wirtschaftsförderung meint einen vielfältigen Aufgabenkreis der Gemeinden und Gemeindeverbände in der Bundesrepublik, den man auch als "Wirtschaftspolitik der Gemeinden" bezeichnet. Die Verfolgung dieser Aufgaben setzt dabei einen autonomen Handlungsspielraum der Kommunen voraus.

Die Finanzwirtschaft der Gemeinde ist auf ihrer Aufgaben- bzw. Ausgabenseite auf differenzierte Weise mit der örtlichen Wirtschaft verknüpft. Über ihre Bauleit-, Flächennutzungs-, Verkehrs- und Versorgungsplanung mit den daraus entwickelten Infrastrukturleistungen und Basisinvestitionen verteilt sie in ihrem Geltungsbereich die ökonomischen Chancen der privaten Wirtschaft. Zu dieser mehr unternehmensorientierten Infrastruktur mit Energie- und Transportanbindung sowie der Geländeerschließung tritt ein ganzes Bündel weiterer gemeindlicher Dienstleistungsangebote im Schul-, Ausbildungs-, Freizeit- und Sozialbereich. Diese sog. "weichen" Standortfaktoren - auch wenn sie primär arbeitnehmer- bzw. verbraucherorientiert sind - kommen neben den eigentlichen Standortfaktoren den ansässigen Unternehmen mehr oder weniger indirekt zugute und gewinnen in zunehmendem Maße an Bedeutung.

Der Blick auf die Einnahmestruktur zeigt, daß das Aufkommen der Grund- bzw. Gewerbesteuer sowie einiger anderer Abgaben ganz oder überwiegend den Gemeinden als Einnahmen zur Verfügung steht und zum großen Teil von den Unternehmen gezahlt wird. Hinzu treten zahlreiche erhobene Gebühren und Beiträge für kommunale Versorgungsleistungen und Einrichtungen. Diese eigenen Steuereinnahmen, Gebühren und Beiträge bilden auch heute noch das finanzielle Rückgrat des Gemeindehaushalts, vor allem, wenn man den nach dem Gemeindereformgesetz von 1969 geschaffenen Gemeindeanteil an der Einkommensteuer hinzurechnet. Auf diese Weise decken Steuern und Entgelte heute ca. 55 vH der Gemeindeausgaben.

Vor diesem Hintergrund wird erkennbar, daß kommunale Wirtschaftsförderung sich primär an gemeindlichen Interessen orientiert. Vereinfacht ausgedrückt heißt das zunächst, daß gemeindliche Wirtschaftsförderung darauf ausgerichtet ist, eine Sicherung bzw. Mehrung gemeindlicher Einnahmen zu gewährleisten. Eine erfolgreiche Wirtschaftsförderung eröffnet den Kommunen also finanzielle Spielräume zur Erbringung öffentlicher Leistungen.

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Darüber hinaus wird die Beschäftigungssituation vor Ort durch eine Förderung privater Wirtschaftsaktivität verbessert, was auf der Ausgabenseite zu merklichen Entlastungen führen kann. Die Zahlung von Sozialhilfeleistungen bei vorliegender Arbeitslosigkeit - die die Gemeindehaushalte bzw. die Budgets der Gemeindeverbände belastet - wird somit reduziert.

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3.1 Entwicklung und Erfahrungen kommunaler Wirtschaflsförderung in der Bundesrepublik Deutschland

Kommunale Wirtschaftsförderung war in den siebziger Jahren ein bedeutendes Thema, da die kommunale Finanzlage äußerst angespannt und damit der Handlungsdruck der Entscheidungsträger groß war. Vor diesem Hintergrund wurden Wege gesucht, die Einnahmenentwicklung der Gemeinden und Städte mittel- bis langfristig zu sichern, wobei man in Anbetracht der relativ starken Abhängigkeit von der ortsansässigen Wirtschaft auf deren Förderung stieß.

3.1.1 Maßnahmen gemeindlicher Wirtschaftsförderung - Ein Überblick

Die Mittel kommunaler Wirtschaftsförderung lassen sich nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit und danach unterscheiden, ob sie unmittelbar an das zu fördernde Unternehmen gerichtet sind oder nicht. Nach dem Verbindlichkeitsgrad ergibt sich eine Staffelung von reiner Information und Beratung über finanzpolitische Instrumente bis hin zu rechtsverbindlichen Erlaubnissen, Verboten und Geboten. Die finanzpolitischen Instrumente der Wirtschaftsförderung können nach indirekten und direkten Maßnahmen differenziert werden, wenngleich fließende Übergänge unvermeidlich sind. Auf dieser Basis läßt sich exemplarisch folgende Übersicht der Mittel gemeindlicher Wirtschaftsförderung erstellen:

Information und Beratung sowie Erleichterung des Kontakts mit der Verwaltung

Finanzpolitische Instrumente

1. Indirekte Instrumente

  • Vorhaltung öffentlicher Einrichtungen einschließlich gemeindlicher Erschließungsmaßnahmen

  • Bodenbevorratung

  • Allgemeine Gestaltung gemeindlicher Abgaben und Entgelte

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2. Direkte Instrumente

  • Vergabe öffentlicher Aufträge

  • Entgeltliche, verbilligte und unentgeltliche Überlassung von Grundstücken, Baulichkeiten und anderen Vermögensgegenständen

  • Gewährung normalverzinslicher, zinsverbiligter und zinsloser Kredite

  • Übernahme von Bürgschaften

  • Zuschüsse

  • Erlaß und Stundung gemeindlicher Abgaben und Entgelte

Rechtsverbindliche Erlaubnisse, Verbote und Gebote

  1. Normen, insbesondere auf dem Gebiet der Bauleitplanung

  2. Administrative Einzelakte, insbesondere Erteilung von Erlaubnissen unter Gewährung von Ausnahmen oder Befreiungen

3.1.2 Wirksamkeit und praktische Anwendung einzelner Maßnahmen gemeindlicher Wirtschaflsforderung

Als eine der Hauptfunktionen kommunaler Wirtschaftsförderung wird die administrative Betreuung der örtlichen Wirtschaft, deren Informierung und die Koordination der vielfältigen Verwaltungsaufgaben kommunaler Ämter gegenüber der Wirtschaft gesehen. Diese Lotsenaufgabe hilft Kosten zu vermindern, die sich aus den unumgänglichen Austauschbeziehungen zwischen Gemeinde und Wirtschaft ergeben.

Eine funktionale Ausdifferenzierung kommunalpolitischen Handelns hat sich in der Bildung von Wirtschaftsförderungsämtern oder Gründung privatrechtlicher Gesellschaften niedergeschlagen, deren oft einseitige Aufgabenstellung - z.B. mit dem am häufigsten genannten Schwerpunkt der mittels Arbeitsplatzerhaltung oder -schaffung beabsichtigten Förderung der Wirtschaftsaktivitäten vor Ort und der damit verbundenen langfristigen Sicherung eigener Einnahmen - mit anderen Zielen der kommunalen Entwicklung kollidieren kann, wie Umweltschutz, Erhaltung und Verbesserung des Stadtbildes, Verbesserung der Lebensqualität durch Entwicklung des Kultur-, Wohn- und Freizeitwertes. Diese Verselbständigung der Wirtschaftsförderung hat oft dazu geführt, daß kommunale Wirtschaftsförderung eher als organisierte Interessenvertretung der örtlichen Wirtschaft verstanden wird.

Die schnelleren und flexibleren Handlungsmöglichkeiten von Wirtschaftsförderungsgesellschaften müssen dann mit der Abkopplung vom vielfältigen Aufgabenvollzug der Gemeinde und der dabei zu berücksichtigenden Interessenstruktur gesehen werden. Ein dauerhafter Erfolg kommunaler Wirtschaftsförderung kann deshalb nicht allein an der Zahl erhaltener oder neuer Arbeitsplätze oder an der Inanspruchnahme eines Angebots managementorientierter Serviceleistungen der Gemeinde durch die Wirtschaftsunternehmen festgemacht werden.

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Ein anderes Aufgabengebiet der kommunalen Wirtschaftsförderung ist die sogenannte "Grundstückspolitik". Dieser Zweig zielt auf Neuansiedlung bzw. Gründungsförderung von Unternehmen, die die Wirtschaftskraft des lokalen Raumes stärken sollen. Eine solche "vorausschauende Struktur und Ansiedlungspolitik" erschien lange Zeit als das wesentliche Aufgabenfeld kommunaler Wirtschaftsförderung. Relativ bald trat jedoch in der Folgezeit der Gründung der angesprochenen Wirtschaftsförderungsgesellschaften bzw. selbständiger Wirtschaftsförderungsämter Ernüchterung ein. Zuerst wurde dies bei den Neuansiedlungen deutlich. Es setzte sich die Erkenntnis durch, daß sich Standortentscheidungen nach wie vor zwar an sogenannten "harten" Standortfaktoren, wie Verkehrsanbindung, Marktnähe oder dem Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte orientierten, daß jedoch diese Faktoren - wenn überhaupt - nur langfristig beeinflußbar waren. Auch eine Kompensation mangelnder Standortqualität durch die Betonung und Verbesserung "weicher" Faktoren (wie Wohnqualität, Kulturangebot oder unternehmensfreundliches Stadtimage) zeigte nur in seltenen Fällen schnelle Wirkung.

Als weitere Möglichkeit im interkommunalen Wettbewerb um Neuansiedlungen wird der Einsatz des finanziellen Instrumentariums gesehen. Da den Kommunen direkte Subventionen oder Steuererlasse nach der Gesetzeslage nicht möglich sind, blieb allein das Angebot preisgünstiger Grundstücke übrig. Angemerkt sei an dieser Stelle, daß die Höhe der Gewerbesteuersätze keine entscheidende Rolle bei der Standortfrage spielt. Dies haben zumindest jüngste wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Themenkomplex nachgewiesen. Aber auch beim Grundstücksangebot zeigte sich, daß sehr gute und gute Verkehrslagen gefragt und relativ preisunelastisch waren, während verkehrsungünstig gelegene Standorte trotz hoher Preiszugeständnisse nicht zum Zuge kamen.

Die für die meisten Städte und Gemeinden nicht gerade ermutigende Bilanz in bezug auf Neuansiedlungen richtete den Blick auf andere Aufgabengebiete. Konkret wandten sich städtische Wirtschaftsförderer Fragen zu wie der Förderprogrammberatung, der Kooperationsverbesserung zwischen Forschungs- bzw. Entwicklungsinstitutionen und Industrieunternehmen, der Nutzbarmachung von elektronisch gestützten Datenbankrecherchen für kleine und mittlere Unternehmen oder auch dem Erfahrungsaustausch über bestimmte Themen durch regionale Unternehmergespräche. In einigen Gemeinden führte dieser Gedanke zu kommunal initiierten Existenzgründerzentren, Technologieparks und ähnlichen Einrichtungen. Alle diese Ansätze sind von ihrer Intention und Signalwirkung her sicherlich positiv zu beurteilen. Viele der ange-

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sprochenen Maßnahmen sollten mittel- bis langfristig jedoch privater Initiative vorbehalten sein bzw. als Dienstleistungen durch die Kammern und Wirtschaftsverbände getragen werden. So ist beispielsweise nur schwer vorstellbar, daß Technologie- und Gewerbeparks auf Dauer aus den Gemeindebudgets getragen werden. Städtische Wirtschaftsförderung kann in vielen Fällen nur Vermittler, in begrenztem Umfang auch Initiator, auf Dauer aber nicht Betreiber sein.

Fazit der Erfahrungen der Wirtschaftsförderungsämter war die Feststellung, daß der direkte Einfluß der kommunalen Wirtschaftsförderung auf die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung vor Ort geringer war als vielfach angenommen. Daher stellt sich die Frage, ob die Euphorie für das Aufgabenfeld der städtischen Wirtschaftsförderung tatsächlich noch ein zukunftsweisendes und vom Mitteleinsatz her legitimierbares Feld darstellt. Ein Blick auf die derzeitige Situation in der Bundesrepublik zeigt, daß die Einschätzung der Erfolgsaussichten der Wirtschaftsförderung von diesen negativen Erfahrungen gekennzeichnet ist. Heute ist in der Bundesrepublik dieses Thema daher in den Hintergrund getreten; sicherlich auch wegen der seit Jahren relativ gut entwickelten kommunalen Finanzsituation.

Gleichwohl ist aber durchaus die Existenz von Parallelitäten der "Blütezeit" der Wirtschaftsförderung mit der heute in der DDR vorzufindenden Situation festzustellen. Daher muß die Frage nach der Notwendigkeit kommunaler Wirtschaftsförderung bejaht werden, vorausgesetzt, daß dabei wichtige Bedingungen Beachtung finden und Erfahrungen im Hinblick auf die Koordination wirtschaftsfördernder Aktivitäten, die Möglichkeiten und Grenzen der Standortpolitik, die Pflege des "endogenen Potentials" und weiterer spezieller Problembereiche genutzt werden.

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3.2 Perspektiven kommunaler Wirtschaftsförderung

3.2.1 Koordination wirtschaftsfördernder Aktivitäten

Wirtschaftsförderung sollte unter Effizienzgesichtspunkten immer auch eine Koordination mit der gesamtstaatlichen bzw. der Länderebene anstreben. Eine Aufgabe der Wirtschaftsförderung sollte also die Vertretung der Interessen der Kommune in überörtlichen Gremien und Abstimmungsprozessen im Rahmen ökonomischer Fragestellungen sein. Der Tätigkeitsbereich reicht dabei von der Einflußnahme auf Planungen zur Gebiets- und Landesentwicklung, über die Beisteuerung kommunaler Informationen für regionale Imagekampagnen bzw. Beratungsleistungen, bis hin zur Projektplanung im Rahmen verschiedener überörtlicher Förderprogramme. Diese Maßnahmen sind vor allem von Bedeutung, weil eine ausschließlich kommunale Wirtschaftsförderung nur über eine begrenzte Reichweite und begrenzte Möglichkeiten verfügt. Für den internationalen Wettbewerb der Standorte um Neuansiedlungen ist die angesprochene Koordination nicht nur sinnvoll, sondern unter Erfolgsgesichtspunkten wohl auch notwendig.

In den fünf neuen Bundesländern sind es in erster Linie die besonderen realwirtschaftlichen Bedingungen, die mögliche Wirtschaftsförderungsaktivitäten bestimmen. Infolge der existierenden Finanzierungskrise der kommunalen Haushalte kann sich ein Teufelskreis zwischen gestiegenem Handlungsbedarf auf der einen und gesunkenen Handlungsmöglichkeiten auf der anderen Seite offenbaren, der nur durch eine Orientierung an weniger ausgabeintensiven Maßnahmen überwunden werden kann. Neben der besseren Ausschöpfung rechtlicher und informationsorientierter Maßnahmen (Standortmarketing) kann es sich hierbei um ein noch nicht ausgeschöpftes Effizienzpotential kommunaler Wirtschaftsförderung in der internen und horizontalen Koordinierung bzw. Kooperation handeln. Dazu bedarf es jedoch einer Reihe innovativer und organisatorischer Anstrengungen, um die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit zu forcieren. Es müssen also rechtliche Regelungen geschaffen werden, wie es etwa in Nordrhein-Westfalen im "Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit" der Fall ist, das neben öffentlich-rechtlichen auch privatrechtliche Formen der Zusammenarbeit anbietet.

Neben der vielfältigen kommunalen Wirtschaftsförderung werden auch Bund und Länder im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" aktiv. Wirtschaftsförderungsprogramme des Bundes sind neben dem Investitionszulagengesetz das Zonenrandförderungsgesetz sowie einschlägige

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ERP-Programme. Daneben betreiben auch die Länder selbständig regionale Wirtschaftsförderung, wie das Beispiel Nordrhein-Westfalens zeigt. Im Mittelpunkt stehen hier die Richtlinien für die Gewährung von Investitionshilfen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur des Landes (regionales Wirtschaftsförderungsprogramm). Diese sehen eine Förderung von Vorhaben - die den geförderten Projekten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" und des Investitionszulagengesetzes weitgehend entsprechen - sowohl in Geltungsbereichen der Gemeinschaftsaufgabe als auch in sonstigen wirtschafts- und strukturschwachen Gebieten vor. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Programme, die eine Wirtschaftsförderung des Landes mit regionalwirtschaftlichem Bezug gestatten. Ökonomisch gesehen decken sich zwar gemeindliche und staatliche regionale Wirtschaftsförderung nicht immer, im wesentlichen kann eine geeignete Koordination jedoch sehr hilfreich sein, für breite Räume eine Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten voranzutreiben. Dies dürfte in besonderem Maße auch für das Gebiet der ehemaligen DDR gelten, für die nur eine gemeinsame Wirtschaftsförderung in Abstimmung zwischen Bund, den neuen Ländern und den Kommunen vor Ort die gewünschten Zielvorstellungen erreichen hilft.

3.2.2 Pflege des "endogenen Potentials"

Bezüglich der Erfolgsaussichten kommunaler Wirtschaftsförderung zeigte sich in der Bundesrepublik in den vergangenen fünfzehn Jahren, daß mit der geringeren wirtschaftlichen Wachstumsdynamik die Zahl der Neuansiedlungen von Unternehmen ständig zurückging. Während 1970 im Bundesgebiet noch 460 Neuerrichtungen und Verlagerungen von Industriebetrieben mit insgesamt ca. 40.000 Beschäftigten gezählt wurden, war dieses Ansiedlungspotential 1980 auf etwa ein Viertel geschrumpft. Die Gemeinden waren somit gezwungen, zur sogenannten "Bestandspflege" überzugehen. Diese sieht eine Förderung des "endogenen Potentials" vor, d.h. eine Unterstützung der Expansion ortsansässiger Firmen.

Im Zusammenhang mit der Wirtschaftsförderung wird also bei der Diskussion um geeignete Maßnahmen sehr häufig die Neuansiedlung von Unternehmen überbewertet. Dabei darf nicht übersehen werden, die Interessen der ortsansässigen Wirtschaft - das gilt auch für die Kommunen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR - zu berücksichtigen und durch die Konzentration auf Neuansiedlungen wichtiges vorhandenes lokales Potential nicht weiter zu entwickeln. Eine Unterstützung und Kooperation mit der heimischen Wirtschaft trägt zu einer Weiterentwicklung dieses vorhandenen Potentials bei, die in Form der Ansiedlung von Zulieferereinrichtungen, der möglichen

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Kooperation vorhandener Unternehmen mit anderen und die Herausbildung von Zentren für bestimmte Produktionszweige erfolgen kann. Ein weiterer Weg ist die für Produktionsunternehmen notwendige Bereitstellung von Dienstleistungsstrukturen vor Ort. Auf diese Weise kann Wirtschaftsförderung das vorhandene Potential einer Region steigern, ohne konkret großzügige Neuansiedlungen herbeigeführt zu haben.

3.2.3 Bodenbevorratung

Wichtig ist auch die Wiederbelebung der Gewerbeflächenfrage. Neue Gewerbeflächen sind infolge der langen Planungszeiten in der Regel nicht auf der Grundlage konkreter Nachfragen bereitstellbar. Notwendig ist dagegen vielmehr eine sogenannte angebotsorientierte Erschließung, die sich am langfristigen Bedarf ausrichtet. Angesichts der deutschen Vereinigung und der Verwirklichung des EG-Binnenmarktes ab 1992 wird es in naher Zukunft sicherlich zu erheblichen regionalen Verschiebungen in der Frage der Verkehrsattraktivität und Marktnähe kommen, so daß viele Kommunen eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Gewerbeflächen spüren werden. Dies wird in besonderem Maße für das Gebiet der ehemaligen DDR zutreffen. Daher spielt hier die Gewerbeflächenfrage für den Wirtschaftsförderer eine vorrangige Rolle.

Für "altindustrielle Standorte" gewinnt in diesem Zusammenhang der Aspekt des Flächenrecyclings eine zunehmende Bedeutung. Die in diesem Zusammenhang häufig notwendige Entgiftung der Böden wird sich jedoch als mehr und mehr derart teures Unterfangen darstellen, daß viele Kommunen trotz möglicher Unterstützungszahlungen übergeordneter Ebenen das Geld nicht besitzen bzw. aufbringen können, in einem überschaubaren Zeitraum auf diesem Weg genügend Gewerbeflächen bereitzustellen. Auf der anderen Seite ist unter Umweltschutzgesichtspunkten eine Weiterführung der Altlastsanierung zwingend notwendig, so daß für die Frage der Planung von Gewerbeflächen nicht nur auf die Neuerschließung von Gewerbegebieten, sondern ergänzend auch auf die Möglichkeit des Flächenrecyclings geachtet werden muß.

Die Aufgabe der kommunalen Wirtschaftsförderung besteht in der Einmischung in die lokalen Entscheidungsprozesse, denn dort spielen häufig an Wahlterminen ausgerichtete populäre Ziele eine größere Rolle als die an einem langfristigen Konzept orientierte Erschließung und Bereitstellung von Gewerbeflächen. Es bedarf zwangsläufig einer dauerhaften Werbung für die Ziele der Wirtschaftsförderung in Politik

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und Verwaltung. Als Qualifikationsmerkmal ist nicht nur ökonomischer Sachverstand gefragt, sondern in zunehmendem Maße auch ein hohes Potential an Diplomatie.

Die notwendigen Abstimmungsprozesse bei Neu- bzw. Erweiterungserschließungen sind in den vergangenen Jahren immer komplexer und langwieriger geworden. Dies liegt zum einen daran, daß ökologische Zielsetzungen eine zunehmende Bedeutung bekommen haben, zum anderen an der immer komplexeren Entscheidungssituation bei Flächennutzungs-, Bauleit- und konkreter Erschließungsplanung. So sind beispielsweise an einem Bauantrag heute bis zu siebzig Ämter und Abteilungen beteiligt. Diese Situation führt bei den betroffenen Unternehmen häufig zu Überforderungen und möglicherweise auf der Basis unzureichender Informationen zu falschen Entscheidungen.

Hier müssen die Aktivitäten der Wirtschaftsförderung einsetzen, d.h. es muß eine koordinierende Tätigkeit zwischen den ortsansässigen Unternehmen auf der einen und Verwaltungsdienststellen auf der anderen Seite betrieben werden. Dazu sind bauordnungsrechtliche und planungsrechtliche Kenntnisse genauso notwendig wie die entsprechende Verfügbarkeit politisch abgestimmter Stadtentwicklungspläne. Diese Probleme machen deutlich, daß das Herauslösen der Wirtschaftsförderung aus der Verwaltung nicht der geeignete Weg für eine effiziente Wirtschaftsförderung vor Ort darstellt, sondern im Gegensatz dazu die enge Einbindung in den Verwaltungsgang der richtige Weg ist.

3.2.4 Innenstadtsanierung

Ein weiteres Problem bei der Ansiedlung von zunächst einmal konsumnahen Unternehmenszweigen ist das Problem der Standortwahl. Problematisch wird die Ansiedlung von großen Handelsorganisationen mit ihren Verkaufs- bzw. Lagerflächen auf der "grünen Wiese" und die damit verbundene Vernachlässigung der Innenstadtentwicklung gesehen. Eine leere und unattraktive Innenstadt wird in Zusammenhang mit der Verlagerung großer Handelsorganisationen an die Peripherie befürchtet. Dieser Tatbestand erschwert die dringend notwendige Restauration der Innenstädte, deren Durchführung nur mit großzügigen privaten Finanzmitteln möglich erscheint, da die engen finanziellen Handlungsspielräume der Gemeinden infolge der vielfältigen anderen Aufgaben bereits weitestgehend ausgeschöpft sind. Lösungsmöglichkeiten, so betonen die westdeutschen Wirtschaftsförderer, sind in einer Art Arbeitsteilung zu sehen. Während das konsumtive Massenangebot mit großflächigem Bedarf eher außerhalb der Ballungsräume eine Ansiedlung erfahren muß,

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sind in den Innenstädten höherwertige und qualitativ vorrangige Produktangebote und in Verbindung damit der gesamte Dienstleistungsbereich (wie etwa Banken, Versicherungen und andere private Dienstleistungsorganisationen) anzusiedeln. Schwierigkeiten bereitet nach Auskunft der ostdeutschen Wirtschaftsförderer häufig die auseinanderklaffende Interessenposition der Kommune auf der einen und privaten Unternehmern auf der anderen Seite: In der Regel stimmen die Wünsche privater Investoren bei Gestaltung und Ausführung der Innenstadtsanierung nicht mit den gemeindlichen Interessen überein, was zu dem Dilemma führt, daß ohne private finanzielle Unterstützung Innenstadtsanierung nicht realisierbar ist, aber der Einfluß dieser privaten Geldgeber auch möglichst gering gehalten werden muß.

Solche Interessengegensätze dürfen nicht dazu führen, daß entsprechende Ansiedlungen unterbleiben, aber natürlich auch nicht dazu führen, daß sich kommunale Zielvorstellungen bezüglich Bau- und Flächennutzungsplanung nicht verwirklichen lassen. Wichtiges Instrument der Kontrolle der Privatwirtschaft ist in diesem Bereich die aus den Vorschriften der Bau- und Flächennutzungsplanung notwendige Einflußnahme auf beabsichtigte Vorhaben.

Abschließend bleibt festzuhalten, daß gemeindliche Wirtschaftsförderung auf die Vermehrung und Sicherung gemeindlicher Einnahmen abzielt. Dieses Ziel liegt nicht nur im gemeindlichen, sondern auch im gesamtwirtschaftlichen und gesamtstaatlichen Interesse. Kommunale Wirtschaftsförderung kann bei Beachtung möglicher Problembereiche über ein geeignetes Spektrum wirksamer und volkswirtschaftlich nützlicher Instrumente verfügen, die von Information und Beratung über vielfältige finanzpolitische Mittel bis zu rechtsverbindlichen Erlaubnissen, Verboten und Geboten reichen. Im Zusammenhang mit gemeindlicher Information und Beratung nimmt die Erleichterung des Kontakts zwischen Wirtschaft und Verwaltung sowie die Koordination der wirtschaftsbezogenen Verwaltungstätigkeit einen wichtigen Platz in der Palette kommunaler Wirtschaftsförderungsinstrumente ein. Ohne die Bereitstellung kommunaler öffentlicher Einrichtungen einschließlich gemeindlicher Erschließungsmaßnahmen ist wirtschaftliche Tätigkeit gegenwärtig kaum denkbar.

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3.3 Aktuelle Aufgaben kommunaler Wirtschaftsförderung am Beispiel der Stadt Leipzig

Die Stadt Leipzig hat gegenwärtig etwa 530.000 Einwohner, was bei einer Fläche von ca. 150 km2 mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte verbunden ist. Von den Einwohnern waren Ende vergangenen Jahres ca. 300.000 aktiv Beschäftigte, davon etwa 100.000 in der Industrie. Diese Zahlen verdeutlichen die zu erwartenden Auswirkungen durch den eingeleiteten Strukturwandel im Zuge des ökonomischen Umstrukturierungsprozesses.

Der Vorteil des Standorts Leipzig wird durch die Vielzahl potentieller Investoren deutlich, wobei die zentrale Lage und der Status Leipzigs als traditionelle Messestadt Begründungen für diesen Tatbestand liefern können. Der Nachteil des Standorts ist die schon angesprochene relativ enge Besiedlung und damit das nicht ausreichende Vorhandensein von Freiflächen, um allen Ansiedlungswünschen nachkommen zu können.

Damit die weitreichenden Probleme der kommunalen Wirtschaftsförderung und ihrer Anlaufschwierigkeiten in den fünf neuen Bundesländern verständlich werden, muß man sich vor Augen führen, wie Standort- und Flächenpolitik vorher betrieben worden ist. Die Zentralregierung lenkte zusammen mit der staatlichen Plankommission die Wirtschaft und die Allokation der Ressourcen im Raum. Sie war mit sehr weitreichenden Weisungsbefugnissen gegenüber den unteren Ebenen der Bezirke, Kreise und Gemeinden ausgestattet. Eine Koordination der entsprechenden Maßnahmen war zwar auf kommunaler Ebene vorgesehen, wurde jedoch faktisch unterdrückt. Die bisherige Flächennutzungs- und Ansiedlungspolitik - wenn diese Bezeichnung überhaupt zutreffend ist - stellte somit das relativ unkorrigierte Ergebnis des Planungsvermögens zentraler Einheiten auf lokaler Ebene dar.

Diese Entscheidungsstrukturen deuten an, welche Prioritäten in der Flächennutzung galten. Sie richteten sich primär an den pragmatischen Erfordernissen der volkswirtschaftlichen Planung und damit auch an den Wünschen der Kombinate und volkseigenen Betriebe aus. Die bedingt durch zentrale Entscheidungen entstandene Zersplitterung und unter ökologischen und raumordnerischen Gesichtspunkten bedenkliche Nutzung der Flächen ist rückblickend zum Nachteil der DDR-Wirtschaft gewesen. Die für zukünftige Aufgaben gegebene Ausgangslage ist also äußerst problematisch, zumal in vielen Bereichen das Problem der Altlasten und ihrer Beseitigung hinzukommt.

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Somit kristallisiert sich als schwierigste Aufgabe kommunaler Wirtschaftsförderung in Leipzig (wie auch an allen anderen Standorten der ehemaligen DDR) die Bereitstellung von Gewerbeflächen heraus. Der Engpaßfaktor für den Strukturwandel im Zuge des Einigungsprozesses ist damit die noch nicht ausreichende Verfügbarkeit von Gewerbegrundstücken. Die Stadtverordnetenversammlung ist momentan dabei, einen vorläufigen Flächennutzungsplan zu erstellen. Dieser sieht die Ausweisung von vier großen Industrie- und Gewerbegebieten in Leipzig vor. Angestrebt wird des weiteren auch die Restauration des Stadtzentrums, wobei in diesem Zusammenhang bereits eine Bauleitplanung in Zusammenarbeit mit Ansiedlungswünschen angelaufen ist. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Komplettierung der Neubauwohngebiete mit Dienstleistungseinrichtungen dar. Auch für den Bereich der sogenannten Messemagistrale, der Verbindung zwischen Stadtzentrum und Messegelände, liegt ebenfalls eine konkrete Planung in Form eines Bauleitplanes vor. Verhandlungen mit ansiedlungsinteressierten Dienstleistungsunternehmen laufen ebenfalls.

Ein großes Problem in Zusammenhang mit der Bereitstellung von Gewerbeflächen stellt die zum großen Teil noch nicht gesicherte bzw. beantwortete Eigentumsfrage dar. Für eine Ausweisung von Gewerbegebieten und den Verkauf oder die Verpachtung von Gewerbeflächen an interessierte Unternehmen ist das kommunale Eigentum eine wesentliche Voraussetzung. Da in der Vergangenheit - wie weiter oben bereits beschrieben - aber keinerlei lokale Gewerbepolitik bzw. keine sogenannte Bodenvorratspolitik betrieben wurde, ist infolge der angesprochenen ungelösten Eigentumsfrage die Gewerbeflächenbereitstellung nach wie vor ein großes Problem. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Einräumung eines kommunalen Vorkaufsrechts bei Gewerbegebieten sind zwar mittlerweile gegeben, doch beginnt der Erwerb solcher Flächen gerade und wirft weiterhin Probleme auf, weil die Gemeinden in der Regel über keine nennenswerten finanziellen Mittel verfügen. Darüber hinaus sind die organisatorischen Voraussetzungen in der Regel ebenfalls nicht gegeben (handlungsfähige Liegenschaftsämter fehlen noch bzw. befinden sich gerade in der Aufbauphase). Außerdem sehen sich die Gemeinden großen Aktivitäten privater Grundstücksmakler gegenüber, die beim Kauf von potentiellen Gewerbeflächen durch die Kommune als Interessenvertreter der Verkäufer häufig überzogene finanzielle Forderungen stellen und in Verbindung mit der Übereignung von Gewerbeflächen eine Reihe von Forderungen für die weitere Nutzung dieser Grundstücke erheben. De facto existiert also noch kein kommunales Eigentum und damit auch keine Basis für Verkäufe und Verpachtungen von Gewerbeflächen.

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Einen weiteren Problemkomplex stellen die Ansprüche ehemaliger Eigentümer dar. In Leipzig allein liegen etwa 10.000 Anträge ehemaliger Eigentümer vor; man rechnet insgesamt mit ca. 80.000 Ansprüchen. Dies hat zur Folge, daß etwa achtzig Prozent der bisher geprüften Anträge auf Erwerb von Grund und Boden durch Existenzgründer und kleinere Gewerbetreibende nicht entschieden werden können. Die aufgrund dieser Schwierigkeiten nicht mögliche Grundstücksübereignung fehlt damit als wichtige Voraussetzung für die Existenzsicherung. Einen Ausweg ermöglicht zwar die Vergabe von Bürgschaften durch die jeweilige Kommune, ein solcher Schritt kann jedoch nur eine Zwischenlösung sein.

Vorrangig ist weiterhin, an der Lösung der Eigentumsfrage zu arbeiten. Nur vorhandenes kommunales Eigentum und vorausschauende Planung der Bereitstellung von Gewerbegebieten ermöglicht eine sinnvolle kommunale Wirtschaftsförderung und damit die Ansiedlung von Unternehmen vor Ort.

Erwähnenswert sind auch die großen organisatorischen, personellen und technischen Unzulänglichkeiten im Rahmen der praktischen Wirtschaftsförderung. Hier müssen durch finanzielle, organisatorische und personelle Unterstützungen Hilfen gegeben werden, damit baldmöglichst eine effektive Arbeit aufgenommen werden kann.

Neben der Bereitstellung der Grundstücke ist deren Erschließung wesentlicher Bestandteil einer sinnvollen kommunalen Wirtschaftsförderung. Da größere erschlossene Gewerbeflächen in Leipzig nicht verfügbar sind, muß auf diesem Gebiet Neuland betreten werden. Der Erschließungsaufwand für die angesprochenen vier Gewerbestandorte beträgt dabei etwa 150 Millionen DM. Diese sollen u.a. durch die Beantragung von Fördermitteln aus dem "Programm für die wirtschaftsnahe Infrastruktur" finanziert werden. Bei der Beantragung solcher Fördermittel macht sich häufig der fehlende Vorlauf in der Planung bemerkbar. Diese Situation darf nicht dazu führen, daß infolge der Nichterfüllung aller Kriterien für das Bewilligungsverfahren analog westdeutscher Antragstellung solche Fördermittel verlorengehen; vielmehr müssen Entscheidungen über die Fördermittelvergabe nach politischer und wirtschaftlicher Notwendigkeit getroffen werden. Dies wird um so deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, daß nur über den massiven Einsatz von Finanzhilfen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine Infrastruktur aufbaubar erscheint, die Investitionsanreize für westdeutsche und westeuropäische Unternehmen schafft.

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Der hohe Investitionsbedarf bei der Bereitstellung kommunaler Infrastruktur und die voraussichtliche Finanzausstattung (die etwa bei der Hälfte der Finanzausstattung westdeutscher Kommunen anzusiedeln ist) stellen einen noch nicht gelösten Widerspruch dar. Daher wird gefordert, daß der Anteil der Kommunen infolge der immensen Aufgaben zunächst erheblich über den im Einigungsvertrag verankerten zwanzig Prozent der Landessteuereinnahmen liegen sollte. Außerdem sind schnellstmöglich die Modalitäten der Kreditaufnahme im kommunalen Bereich klar zu umreißen, damit dieses Einnahmeinstrument den Kommunen zur Finanzierung dringend notwendiger Infrastruktureinrichtungen zur Verfügung steht.

In Zusammenhang mit den Problemen, denen sich die ostdeutschen Kommunen gegenüberstehen, wird angemerkt, daß die wahren Probleme sowohl früher in Ostberlin als auch jetzt in Bonn unterschätzt werden. Aus diesem Grunde sollten die Kommunen verstärkt auf ihre Situation aufmerksam machen und des weiteren darum bemüht sein, eine breite Vermittlung von Verwaltungskenntnissen auf der Grundlage der neuen Rechtsordnung anzustreben. Dieses kann in der Regel nur über ein "learning by doing together" mit westdeutschen Kollegen geschehen.

Im Zusammenhang mit der Privatisierung ehemaliger volkseigener Betriebe wird häufig das zu geringe Tempo bemängelt. So kommt es beispielsweise durch Verzögerungen bei der Auflösung zentralistischer Strukturen im Groß- und Einzelhandel zu Versorgungsengpässen (fehlende Lager- bzw. Verkaufsflächen), die zügig gelöst werden müssen. Ähnliches läßt sich auch für den produzierenden Bereich feststellen.

Aufgrund der vorgefundenen Problemstruktur hat man sich in Leipzig bezüglich der Wirtschaftsförderungsaktivitäten einige besondere Maßnahmen erdacht. So sollen konzentriert auf Schwerpunktvorhaben Projektgruppen zur Vorbereitung schnellerer Entscheidungen gebildet werden, denen je ein Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes, des Wirtschaftsförderungsamtes und des Liegenschaftsamtes (Grundstücksverkehrsamt) angehören. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Gründung von Planungsgemeinschaften mit umliegenden Kommunen, deren Notwendigkeit sich speziell aus der besonderen Situation der Stadt Leipzig ergibt. Wie eingangs angesprochen, ist die Grundfläche relativ gering, so daß aufgrund der zahlreichen Ansiedlungswünsche nicht genügend Gewerbeflächen ausgewiesen werden können. Aus diesem Grund strebt man eine Zusammenarbeit mit umliegenden Städten an.

In einer Reihe von Diskussionsbeiträgen wird vielfach die Eigentumsproblematik in Zusammenhang mit der Gewerbeflächenbereitstellung genannt. Hier liegen offen-

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kundig die schwerwiegendsten Probleme vor, denn der Erwerb kommunalen Eigentums zum Zweck der späteren Ausweisung als Gewerbegebiet ist infolge der oft ungeklärten Voreigentumsfrage und der knappen finanziellen Mittel der Kommune kaum möglich. Der zweite Schritt, die Erschließung vorhandener kommunaler Grundstücke, wirft hauptsächlich Finanzierungsprobleme auf. Während die ostdeutschen Gemeindevertreter die nicht vorhandenen Finanzierungsspielräume betonen und auf die Inanspruchnahme möglicher Fördermittel verweisen, nannten die westdeutschen Diskussionsteilnehmer die Möglichkeit der Vorfinanzierung der Erschließungskosten - beispielsweise durch Kreditaufnahme - und ihre spätere Umlage im Rahmen der kommunalen Gebühren- und Beitragshaushalte auf die Eigentümer als Lösungsvorschlag.

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3.4 Beratung-Nord e.V. Schwerin - Ein neues Instrument zur Beratung und Förderung der Wirtschaft in Mecklenburg/Vorpommern

Das Büro "Beratung Nord" ist ein Förderprojekt des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner des Beratungsbüros sind aus Nordrhein-Westfalen das Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW), die Industrie- und Handelskammer (IHK) Wuppertal, die Handwerkskammer Dortmund, der Seniorenexpertenservice (SES), das Zentrum für Innovation und Technik (ZENIT) und die Westdeutsche Landesbank. In Mecklenburg/Vorpommern sind die Ämter für Wirtschaftsförderung, der Unternehmerverband, die Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammern und das Koordinierungsbüro Schleswig-Holstein/Mecklenburg an dem Beratungsbüro beteiligt.

Ziel des Beratungsbüros ist die Schaffung und Erhaltung einer ausgewogenen mittelständischen Wirtschaftsstruktur in Mecklenburg/Vorpommern. Aus diesem Büro heraus soll sich schließlich in der Zukunft ein Verein zur Wirtschaftsförderung und Beratung mittelständischer Unternehmen entwickeln. Die Aufgaben des Büros sind im wesentlichen:

  • direkte und konzentrierte Beratung mittelständischer Unternehmen

  • Existenzgründungsberatungen

  • Durchführung von Seminaren und Schulungen für Berater und Führungskräfte

  • Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung (Ansiedlung von Unternehmen)

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Bevorzugte Zielgruppe der Beratungsaktivitäten ist der Mittelstand. Im Beratungszentrum sind augenblicklich vier Mitarbeiter beschäftigt. Bis zum Jahresende werden Beratungsleistungen im Sinne eines Technologietransfers, vorwiegend durch Mitarbeiter des RKW, des SES und verschiedener Kammern des Landes Nordrhein-Westfalen vermittelt und durchgeführt. Ab 1991 soll das Büro selbständig als Wirtschaftsförderungseinrichtung in Mecklenburg/Vorpommern tätig werden.

Die Aufgaben des Beratungsbüros stützen sich im wesentlichen auf zwei Bereiche. Der erste sind die Beratungen, die als Leistungen des Büros anzufordern sind. Diese Beratungen sind vorwiegend kostenlos und werden jeweils im eigenen Hause durchgeführt. Das Büro hilft mit Beratungsleistungen bei der Existenzgründung, indem der Existenzgründer seine strategischen Ziele, d.h. Aufgaben und Zweck des zukünftigen Unternehmens, Markt und zukünftige Kunden, Betriebsstandort, Finanzierung, Übernahme oder Neugründung des Unternehmens u.a. erläutert. Das Beratungsbüro berät und vermittelt kompetente Wirtschaftsberater zu folgenden Problemen:

  • Rechtsform des Unternehmens

  • Standort

  • Mitarbeiter

  • Marketing

  • Buchführung

  • Gewinnermittlung

  • Steuern

  • Existenzgründungsförderung und Finanzierung

  • erforderliche Anmeldung.

Zur Zeit liegen in Schwerin 55 Anträge auf Betriebsgründung vor. Darüber hinaus wurde im Büro über zweihundert Informationsgespräche mit potentiellen Existenzgründern - insbesondere aus den Bereichen Handel und Handwerk - geführt.

Neben solchen Existenzgründungsberatungen werden Betriebsberatungen ebenfalls überwiegend kostenlos durchgeführt. Diese Beratung kann jedes Unternehmen in Mecklenburg/Vorpommern unabhängig von seiner Eigentumsform und seiner Rechtsform erhalten. Zielgruppen der Beratungen sind das Handwerk, die Bauwirtschaft, der Handel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, mittelständische Industriebetriebe sowie andere Wirtschaftszweige. Schwerpunkte des Beratungsprogramms sind in diesem Zusammenhang Vorschläge bezüglich Unternehmensstrategien, Führungs- und Organisationsstrukturen, Finanz- und Rechnungswesen, Planungs-, Informations- und Controllingsysteme, Personalwesen sowie Marketing- und Vertriebsorganisation.

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Dem Beratungsbüro "Nord" liegen zur Zeit 236 Anträge auf Betriebsberatung vor. Der Hauptanteil dieser Beratungsanträge entfällt auf die Wirtschaftszweige Maschinenbau, Bauwesen, "Elektrizität-Gas-Wasser-Wärme", Hotel- und Gaststättenwesen sowie Land- und Ernährungswirtschaft. Die meisten Interessenten kommen aus dem Bezirk Schwerin; darüber hinaus aber auch aus den Bezirken Rostock und Neubrandenburg, insbesondere nach der Veröffentlichung des Beratungsangebotes im Anzeigenteil der jeweiligen Bezirkspresse.

Große Nachfrage besteht nach kostenlosen Beratungen, da in fast allen Unternehmen Finanzierungsprobleme bestehen und die Geschäftsführer sich scheuen, Mittel für Unternehmensberatungen aufzuwenden. Fast die gesamten Beratungsanforderungen kommen aus mittelständischen Unternehmen, Produktionsgenossenschaften oder dem Handwerk. Ein großer Beratungsbedarf besteht bei Teilbetrieben und Bereichen, die sich von ihren "Stammbetrieben" lösen bzw. in die Selbständigkeit entlassen werden. Weitere Schwerpunkte bilden die Umwandlung der "volkseigenen Betriebe" und Genossenschaften in eine neue Rechtsform, die Suche nach günstigen Produktionssortimenten sowie Kooperationsmöglichkeiten mit westlichen Unternehmen.

IN der derzeitigen wirtschaftlichen situation sind Wirtschaftskooperationen für die Unternehmen in Mecklenburg/Vorpommern besonders wichtig, denn der Fortbestand vieler Betriebe hängt davon ab, möglichst schnell mit konkurrenzfähigen Produkten Marktanteile zu halten bzw. neue Märkte zu erschließen. Auf diesem Gebiet sieht das Beratungsbüro eine seiner wichtigsten Zukunftsaufgaben.

Zweites Standbein des Beratungsbüros "Nord" ist die Qualifikation und das Training von Beratern und die Schulung von Führungskräften in Unternehmen. Hintergrund dieser Maßnahmen ist die Tatsache, daß Mitarbeiter und Führungskräfte sowohl in großen Kombinaten als auch in sich zunehmend zurückbildenden kleinen und mittelständischen Betrieben Anforderungen gegenüberstehen, denen sie aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Erfahrung nur bedingt gewachsen sind. Daher sollen in kürzester Zeit "Ost-Experten" so qualifiziert werden, daß sie mittelfristig selbständig in der Lage sind, konkrete Hilfestellung zu den unterschiedlichsten Themen der Marktwirtschaft zu geben. Kerngedanke dieses Projekts ist somit die "Hilfe zur Selbsthilfe". Die Qualifizierung der DDR-Berater und Trainer muß darüber hinaus durch "training on the Job-Maßnahmen" so erfolgen, daß eine möglichst hohe Effizienz dieser Aktivitäten erreicht wird. So sollen mittelfristig im Rahmen dieses Pro-

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jekts qualifizierte und trainierte Experten die Rolle der "West-Experten" übernehmen und dann möglichst flächendeckend im Rahmen ihrer Multiplikatorenrolle handeln.

Die Zielsetzungen dieses Aufgabenfeldes kann man somit folgendermaßen zusammenfassen:

  • Vermittlung von konkretem marktwirtschaftlichen Denken und Handeln an eine ausgewählte Gruppe von Führungskräften aus ehemaligen DDR-Unternehmen und an zukünftige Trainer und Berater.

  • Erste Hilfestellung zur Produktivitätssteigerung durch Rationalisierungskurzberatungen sowie "Workshop-Maßnahmen" in ausgewählten Betrieben unter Einbeziehung der sich in der Ausbildung befindlichen Experten.

  • Praxisorientierte Berater- und Trainerqualifikation.

  • Durchführung von Informationsveranstaltungen für kleine und mittlere Unternehmen unter Leitung eines Beraters der Bundesrepublik und unter Teilnahme von in der Ausbildung befindlichen DDR-Trainern.

  • Schaffung der Voraussetzungen für die im Projekt einbezogenen Unternehmen zum intensiven Austausch mit nordrhein-westfälischen Unternehmen.

  • Durchführung der Gesamtmaßnahme unter enger Kooperation mit den Selbstverwaltungsorganisationen der DDR-Wirtschaft, damit die spätere Fortsetzung der Beratungs- und Schulungstätigkeit in eigener Regie durch Kammern und Betriebe sichergestellt wird.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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