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1. Zur Ausgangssituation der Kommunen in der ehemaligen DDR

1.1 Probleme und Perspektiven des Aufbaus von Kommunalverwaltungen in der DDR

Die ökonomische und politische Reorganisation der ehemaligen DDR kann in besonderem Maße Schubkraft aus der kommunalen Selbstverwaltung gewinnen. Die Etablierung autonomer Gemeinden bietet zum jetzigen Zeitpunkt die Chance, basisdemokratische Strukturen durchzusetzen und auf diese Weise die Überwindung zentralistischer Entscheiungsprozesse zu forcieren.

Unter dieser Zielsetzung muß die möglichst schnelle Etablierung einer handlungsfähigen unteren gebietskörperschaftlichen Ebene auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorangetrieben werden. Mit der Kommunalwahl vom 06. Mai 1990 wurde diese Ebene demokratisch legitimiert und befindet sich seither in einem Umstrukturierungsprozeß. Ein Blick auf die gegenwärtige Situation in den ca. 7.500 Gemeinden (davon etwa 1.000 Städte) der neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg/Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt jedoch die Schwierigkeiten bei der Realisierung dieses Vorhabens. Die bislang im wesentlichen zentral regierten Kommunen sehen sich mit einer Reihe von schwerwiegenden Problemen konfrontiert. Die Tätigkeit der bisherigen dirigistisch geführten Kommunalparlamente hat auf der lokalen Ebene eher lähmend gewirkt und gesellschaftliche Apathie erzeugt. Um so schwieriger gestaltet sich jetzt der Übergangsprozeß für die neuen lokalen Entscheidungsträger. Bei der Durchsetzung basisdemokratischer Strukturen auf dieser "schwierigsten Ebene der Politik" sind die zum Großteil auf kommunalpolitischem und verwaltungsorganisatorischem Gebiet unerfahrenen Neulinge vor die schwierige Aufgabe gestellt, funktionsfähige Gemeinde- und Kreisverwaltungen aufzubauen.

Dabei sind es zum einen ideologische Hindernisse, die den Weg zur Demokratisierung bremsen, denn in vielen Verwaltungen sind die alten Personalstrukturen nur sehr schwer zu korrigieren. Zum anderen ist die häufig zu beobachtende mangelnde Effizienz in öffentlichen Betrieben und Einrichtungen im Umstellungsprozeß hinderlich, wobei in diesem Bereich mittel- bis langfristig Abhilfe nur durch die Qualifizierung des Personals geschaffen werden kann. Bei der Gesamtheit dieser schwerwiegenden organisatorischen Probleme sind die ostdeutschen Kommunalpolitiker im wesentlichen auf sich allein gestellt, da umfangreiche rechtliche Rahmenbedingungen noch weitestgehend fehlen bzw. erst in Kraft treten müssen. Die Regelungen der

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Vermögensfragen sei hier nur als ein Beispiel genannt. So ist die Kommunalverfassung der ehemaligen DDR vom Mai dieses Jahres für die Entscheidungen vor Ort bislang im wesentlichen die einzige Rechtsgrundlage.

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1.2 Das Beispiel der Stadt Frankfurt/Oder

Frankfurt an der Oder ist kreisfreie Stadt und war Sitz der Verwaltung des Bezirks Frankfurt. Die Stadt hat eine Grundfläche von ca. 148 km2 und etwa 88.000 Einwohner. Die durch die Kommunalwahl vom 6. Mai dieses Jahres gewählten neuen Entscheidungsträger fanden eine Verwaltungsstruktur vor, die weniger funktionell als vielmehr institutionell am alten Staats- und Parteiapparat ausgerichtet war. Unter Mithilfe der Partnerstadt Heilbronn, unter Zugrundelegung der Empfehlungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) in Köln und der Auswertung von Erfahrungen anderer vergleichbarer Städte wurde begonnen, eine neue Verwaltungsstruktur zu entwerfen. Dabei erschwerte die alte Struktur mit ihrer aufgeblähten Bürokratie und vielen kommunal zugeordneten Einrichtungen und Betrieben die Entwicklung eines neuen Konzepts.

Das Ergebnis ist eine Organisationsstruktur mit acht Dezernaten und in der Folgezeit gebildeten Ämtern, Abteilungen und Sachgebieten, die den neuen Anforderungen gerecht werden soll. Ein Aufgabengliederungsplan, ein Geschäftsverteilungsplan sowie ein Stellenplan wurden entworfen bzw. befinden sich in Vorbereitung. Wichtig war die Frage der Rekrutierung von Mitarbeitern für die Kommunalverwaltung. Während die führenden Positionen in Form der Dezernenten und Amtsleiter in der Regel mit neuen Kräften besetzt wurden, sind unterhalb der Amtsleiterebene eine Vielzahl von Beschäftigten übernommen worden, damit eine kontinuierliche Aufgabenerfüllung gewährleistet blieb. Qualifizierungsmaßnahmen - wie Mitarbeiterschulungen, Seminare politischer Bildungsinstitutionen und Lehrgänge - sollen die Beschäftigten auf die neuen Aufgaben vorbereiten.

Die Zahl der Mitarbeiter der Stadtverwaltung beläuft sich augenblicklich auf etwa vierhundert, was im Vergleich zu bundesdeutschen Städten gleicher Größenordnung unterdurchschnittlich sein dürfte. Im Zuge der durch die Länderparlamente in Zukunft erfolgenden Aufgabenzuweisungen und der Vielzahl der notwendigerweise bereitzustellenden kommunalen Leistungen wird sich die Beschäftigtenzahl aber sicherlich sukzessiv erhöhen. Gleichwohl ist dies aber nur möglich, wenn die Finanzierungsengpässe der Gemeinden und Städte in der ehemaligen DDR in mittelfristiger Perspektive überwunden werden können.

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Im Zusammenhang mit den durchgeführten bzw. noch durchzuführenden Umstrukturierungsmaßnahmen spielen natürlich auch beratende Tätigkeiten von Vertretern der Partnerstadt Heilbronn sowie der Stadt Mülheim/Ruhr (zurückgehend auf eine Initiative der Landesregierung Nordrhein-Westfalen) eine wichtige Rolle. Die Vorteile einer solchen Beratertätigkeit vor Ort in der "heißen Phase" der Verwaltungsumstellung wurden mehrfach betont.

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1.3 Die finanzielle Ausgangsbasis der Städte und Gemeinden

Ein Blick auf die Finanzlage der Städte und Gemeinden der ehemaligen DDR verdeutlicht, in welcher schwierigen Situation sich die Entscheidungsträger befinden. Insbesondere in den kommenden Jahren, in denen die Kommunalfinanzen erstmals auf eine weitgehend an bundesdeutschen Regelungen orientierte Basis umgestellt werden, wird mit außerordentlich großen Haushaltsproblemen gerechnet. Nach allgemeiner Einschätzung dürfte die geringe gemeindliche Steuerkraft die wesentliche Ursache dieser zu erwartenden Haushaltsprobleme sein. So läßt die Gewerbesteuer wegen der voraussichtlich zunächst geringen Besteuerungsgrundlagen - aber auch infolge der Schwierigkeiten bei der Erfassung von Gewerbeertrag und Gewerbekapital und bei der Festsetzung von Vorauszahlungen im Jahr 1991 - kein nennenswertes Aufkommen erwarten. Darüber hinaus stellt sich dieses Problem auch bei der Grundsteuer, weil die Modalitäten in bezug auf das Besteuerungsverfahren noch weitgehend unspezifiziert sind. Damit wird der prozentuale Anteil der Städte und Gemeinden am Steueraufkommen im Gebiet der ehemaligen DDR voraussichtlich nicht einmal halb so hoch sein wie im alten Bundesgebiet.

Vor dem Hintergrund dieser Probleme werden im folgenden Perspektiven und Entwicklungschancen der ostdeutschen Kommunen analysiert, indem

  • ein Überblick der übernommenen bundesdeutschen Regelungen im Bereich der Kommunalfinanzen gegeben,

  • die Rolle der Wirtschaftsförderung in Zusammenhang mit dem Ausbau der Wirtschaftsaktvitäten vor Ort betrachtet und

  • Erfahrungen und Ergebnisse kommunalpolitischer Maßnahmen am Beispiel von Wirtschaftsförderungsaktivitäten in Mecklenburg/Vorpommern sowie der Stadt Leipzig vorgestellt werden.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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