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Erfolgsbeteiligung - ein neuer Weg zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer : Vortrag [am 4. März 1993 in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn] / Bruno Köbele. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1993. - 9 S. = 26 Kb, Text . - (Wirtschaftspolitische Diskurse). - ISBN 3-86077-171-X
Electronic ed.: Bonn: FES-Libary, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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Erfolgsbeteiligung - Ein neuer Weg zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer

Vortrag von Bruno Köbele
Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden am 4. März 1993 in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn

Sozialer Konsens und sozialer Ausgleich sind Kernelemente unserer bundesdeutschen Gesellschaftsordnung. Bislang waren sie sowohl wichtiger Standortfaktor als auch bedeutende Produktivkraft im Prozeß des Wirtschaftswachstums.

Sie können auch als Sicherung und Pflege des Humankapitals verstanden werden, das immer mehr über die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft entscheidet.

Die Fähigkeit zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit und zur Festigung demokratischer Rechte unterscheidet die soziale Marktwirtschaft vom blanken Kapitalismus.

Friedhelm Hengsbach hat auf die Bedeutung der Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivkapital für die Demokratie hingewiesen.

Er schreibt:
"Eine soziale Marktwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, daß alle am Wirtschaftsleben Beteiligten auch einen leistungsgerechten Anteil am produzierten Reichtum erwerben.

Wenn das Privateigentum in einer Marktwirtschaft durch nichts ersetzt werden kann, und wenn eine soziale Marktwirtschaft mit einer breiten Streuung des privaten Vermögens einhergeht, gelten beide Bedingungen erst recht für das Eigentum an Produktionsmitteln, also das Produktionsvermögen.

Eine Beteiligung an den Produktionsmitteln und an den wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen könnte den abhängig Beschäftigten in der Erwerbsarbeit einen Raum persönlicher Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, ein Leistungsmotiv und ein Instrument gesellschaftlicher Konfliktregelung gewährleisten. Die Mitwirkungsformen des Betriebsverfassungsgesetzes und der Mitbestimmungsgesetze sowie eine breite Beteiligung am Produktivvermögen verdeutlichen den Zusammenhang von sozialer Marktwirtschaft und Demokratie. Wirtschaftliche Beteiligungsrechte vollenden die politischen Freiheitsrechte und die sozialen Grundrechte'' [ Vgl. hierzu: Bruno Köbele/Bernd Schütt (Hrsg.): Erfolgsbeteiligung. Ein neuer Weg zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Köln 1992 (BUND - Verlag)]

Allerdings scheint dieser soziale Konsens mehr und mehr an Bedeutung zu verlieren. Immer neue Deregulierungsvorschläge werden geboren, um angeblich die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Im Kern zielen sie aber auf die Aushöhlung des Arbeits- und Sozialrechts oder gar auf die Tarifautonomie, über die sich der soziale Konsens erst einstellt.

Dies gilt z.B. für die in der Bauwirtschaft praktizierten Werkverträge mit Arbeitnehmern aus osteuropäischen Ländern. Auf 800.000 ganzjährig beschäftigte Arbeitnehmer der westdeutschen Bauwirtschaft kommen offiziell 1 00.000 Werkverträge.

Damit werden de facto für rund 12 Prozent Beschäftigte Öffnungsklauseln regierungsamtlich durchgesetzt. Sie sollen nun auch noch über den Asylkompromiß mit Hilfe der SPD festgeschrieben werden.

Die Arbeitnehmer aus diesen Ländern fallen unter das Arbeits- und Sozialrecht ihrer Heimatländer. Damit ist die Tarifautonomie über Regierungsabkommen ausgehebelt.

Durch die Aufkündigung gültiger Tarifverträge in der ostdeutschen Metallindustrie erleben wir nun in Form offenen Rechtsbruches einen weiteren Anschlag auf die Tarifautonomie.

Rechtsbruch ist der Totengräber jeder Tarifautonomie und bereitet vor für eine andere Republik.

Ob der Rückfall in die Mentalität des Klassenkampfes geeignet ist, die gegenwärtig einigungsbedingten Wirtschafts- und Sozialprobleme in diesem Lande in den Griff zu bekommen, kann nur bezweifelt werden. Zugleich sind sie aber auch Ausdruck des Regierungsversagens, den Aufbau Ost auf eine tragfähige und mittelfristig wirksame Grundlage zu stellen.

Längst dürfte sich herumgesprochen haben, daß nicht nur das einfache Rezept des hydraulischen Keynesianismus der 60er Jahre, sondern auch die angebotspolitischen Ideen einer Frau Thatcher oder eines Mister Reagan, die beide Wachstum und Beschäftigung durch eine Einkommensverteilung von unten nach oben erzielen wollten, allenfalls kurze Scheinblüten hervorgebracht haben.

Statt dessen sind soziale Innovationen gefragt, die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Beweglichkeit miteinander verbinden.

Hierzu gehört das Thema Vermögensbildung, das zwar des öfteren Konjunktur, aber kaum durchschlagende Ergebnisse vorzuweisen hat.

Bereits in den 60er Jahren stellte Professor Krelle fest, daß 1,7 Prozent der privaten Haushalte über 70 Prozent des Eigentums an gewerblichen Unternehmen verfügen. Neuere Untersuchungen dazu gibt es nicht. Doch sprechen die vorliegenden Fakten nicht für eine breitere Verteilung.

Im Gegenteil: die 80er Jahre mit ihrer Massenarbeitslosigkeit brachten in der Einkommensverteilung schwere Rückschläge - die bereinigte Lohnquote fiel auf den Stand des Jahres 1960 zurück - mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Vermögensverteilung.

Heinrich Schlomann und Richard Hauser haben errechnet, daß die Vermögenseinkommen "zwischen 1970 und 1990 sehr viel stärker angestiegen (sind), als die verfügbaren Einkommen". Die Haushalte der Arbeitnehmer haben an dieser Entwicklung nur unterdurchschnittlich teilgenommen. Bei den Selbständigen betrug der Durchschnittswert des Vermögenseinkommens das 3,3-fache des Gesamtdurchschnitts.

Ein Viertel aller Haushalte in der Bundesrepublik haben kein Vermögen oder sind sogar verschuldet.

Aber auch einigungsbedingt setzt sich die schiefe Vermögensverteilung beschleunigt fort.

War im Treuhandgesetz noch die Möglichkeit zu breiter Vermögensstreuung vorgesehen, so wurde sie bei der Novellierung zur Kann-Bestimmung verwässert und letztlich der rigorosen Privatisierungspolitik geopfert.

Zudem haben sowohl die öffentlich finanzierten Liquiditätskredite der Treuhandanstalt als auch die Investitionsförderung umverteilende Wirkung.

Die ungleiche Vermögensverteilung ist damit auch in den neuen Bundesländern nachgeholt worden.

Mein Fazit lautet darum:
Die immer wieder vorgetragene Losung, Arbeitnehmer am volkswirtschaftlichen Vermögensbildungsprozeß zu beteiligen, erweist sich im nachhinein nur als rethorische Pflichtübung.

Die fünf Vermögensbildungsgesetze sind in dem Zusammenhang nur als vermögenspolitisch ungeeignete Instrumente zu kennzeichnen.

Es dürfte unstrittig sein, daß die bisherige staatliche "Vermögensbildung" allenfalls eine Sparförderung war und nicht zu einer meßbaren Zunahme der Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen geführt hat.

Kritiker dieser staatlichen Vermögensbildungspolitik könnten sogar behaupten, daß trotz des beachtlichen fiskalischen Aufwandes nicht einmal die volkswirtschaftliche Gesamtersparnis signifikant erhöht wurde.

In erster Linie wurden bestimmte Sparformen subventioniert. Von einer zusätzlichen Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Sparvolumens und einer Veränderung der Kapitaleinkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer kann allenfalls in sehr begrenztem Maße die Rede sein.

Auch die Ergänzung des Vermögensbildungsgesetzes in Richtung einer Förderung von Beteiligung am Produktivvermögen ist nicht gerade von Erfolg gekrönt.

Denn unverändert entfällt ein nur als äußerst bescheiden zu bezeichnender Prozentsatz der Bruttogeldvermögensbildung aller privaten Haushalte auf den Erwerb von Aktien bzw. Investmentfonds.

Wenig strittig sollte sein, daß Investivlohnmodelle jedweder Gestalt vergleichsweise geringe zusätzliche Vermögensbildungseffekte haben.

Unabhängig von der Verwendung der Mittel besteht der Kerngedanke von Investivlöhnen darin, Barlöhne teilweise durch Sparlöhne zu ersetzen. Dies führt in der Tendenz dazu, die freiwilligen Ersparnisse und damit Vermögensbildung der "begünstigten" Arbeitnehmerhaushalte zurückzuführen.

Zugleich beeinflussen Investivlöhne die Bemessungsgrundlage für die Rentenversicherung negativ; führen also zu erheblichen Renteneinbußen im Alter.

Darum hat sich die IG Bau-Steine-Erden entschlossen, eigene Wege der Vermögensbildung via Tarifvertrag zu gehen. Ziele unserer Initiative sind:

- Beteiligung der Arbeitnehmer am volkswirtschaftlichen Zins- und Gewinneinkommen,

- Erweiterung der sozialen Marktwirtschaft um das ordnungspolitische Leitbild einer gerechten Vermögensbildung,

- Steigerung der Attraktivität der Bauwirtschaft,

- Solidarität mit den neuen Bundesländern

und nicht zuletzt

- Erweiterung des tarifpolitischen Gestaltungsspielraumes durch Schaffung eines zweiten Standbeins.

Entsprechend der marktwirtschaftlichen Logik wäre eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den Gewinnen ihres Betriebes die ideale Form einer erfolgsorientierten Beteiligung. Dies hätte den Vorteil, daß "Grenzbetriebe" bzw. mit Verlust abschließende Unternehmen nicht betroffen würden.

Nur läßt sich diese Bemessungsgrundlage nur für publizitätspflichtige Kapitalgesellschaften verwenden.

I n der Bauwirtschaft waren aber 1989 fast 60 Prozent der Arbeitnehmer in Betrieben unter 50 Beschäftigten tätig, lediglich knapp 15 Prozent in Betrieben mit 200 und mehr Beschäftigten. Die überwiegende Zahl der Unternehmen wird in Form eines Einzelhandelskaufmanns oder einer Personengesellschaft geführt, und damit verbietet das Steuergeheimnis den Zugriff auf den "Gewinn" als Bemessungsgrundlage.

Die Betriebsgrößenstruktur in der Bauwirtschaft macht es also notwendig, eine andere Bemessungsgrundlage für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Betriebes zu nehmen. Hier bietet sich die Nettowert-schöpfung als Indikator an.

Obwohl dieser Begriff in der Bundesstatistik ständig Anwendung findet und seine Zusammensetzung bei der Ermittlung der Mehrwertsteuer monatlich praktiziert wird, gibt es in der öffentlichen Diskussion immer noch Mißverständnisse um die Entstehung und Größenordnung der betrieblichen Wertschöpfung.

Zur Klarstellung will ich hier die Definition des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Finanzen wiedergeben:
"Die produktive Leistung eines Unternehmens kommt nicht in seinem Umsatz zum Ausdruck. Vielmehr müssen vom Umsatz diejenigen Leistungen abgezogen werden, die von anderen Unternehmen bezogen wurden (Subtraktive Methode). Die so gewonnene Größe -Umsatz minus Vorleistungen anderer Unternehmen - gibt bereits annäherungsweise den produktiven Beitrag eines Unternehmens an. Werden außerdem die Lagerbestandsveränderung, der Kapitalverschleiß und die selbsterstellten Anlagen berücksichtigt, erhält man den Wert, den ein Unternehmen netto zur Produktion beigetragen hat, nämlich seine Wertschöpfung".

Für uns ist in diesem Zusammenhang die andere Ermittlungsmethode, nämlich die auditive, leichter händelbar:

"Sie ist nämlich identisch mit der Summe der bei der Produktion entstehenden Einkommen. Infolgedessen ist es möglich, die Wertschöpfung einer Wirtschaftseinheit auch als Summe aus Löhnen, Mieten, Zinsen und Gewinnen zu erfassen".

Da sich in der Nettowertschöpfung die Leistungsfähigkeit eines Betriebes ausdrückt, stellt sich eine Begünstigung der kleineren und mittleren Unternehmen ein.

In der Bauwirtschaft schwankte im Jahre 1989 die Nettowertschöpfung je Beschäftigten von 50.000 DM in Betrieben unter 20 Beschäftigten bis zu 70.000 DM bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten.

Beim gleichen tarifvertraglich vereinbarten "Erhebungssatz" für alle Betriebsgrößenklassen - und nur das ist tarifpolitisch vernünftig - würden die großen Betriebe entsprechend ihrer größeren Wertschöpfung je Beschäftigten mehr aufzubringen haben als die kleineren.

Die Verteilung der jährlich aufgebrachten Vermögensbildungsbeiträge auf die Arbeitnehmer der Bauwirtschaft würde unabhängig von den einzelnen Größenordnungen der Nettowertschöpfung in den Betrieben nach Maßgabe der Beschäftigten in den Regionen erfolgen.

Da die Stärkung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu den vorrangigen Zielen der sozialen Marktwirtschaft gehört, entspricht unser Tarifmodell - also auch bei der vorgesehenen Bemessungsgrundlage - mehr als jede Art von Investivlohn oder betrieblicher Gewinnbeteiligung (mit allen steuerlichen Manipulationsmöglichkeiten) dem ordnungspolitischen Leitbild unserer Wirtschaftsordnung.

In einer Stellungnahme der BDA ist dies zur "Wertschöpfungssteuer" verzerrt worden. Dies ist so unpräzise wie unredlich.

Eine Steuer ist eine Zwangsabgabe ohne Anspruch auf Gegenleistung. Dies ist bei den erwogenen Wertschöpfungsbeiträgen nicht der Fall. Denn das Konzept der IG Bau-Steine-Erden sieht vor, daß die von den Tarifparteien auszuhandelnden Beitragssätze nicht nur in bar, sondern auch in Form von Aktien oder stillen Beteiligungen geleistet werden können.

Es muß also nicht zum Abfluß liquider Mittel und zu unmittelbaren Kostensteigerungen kommen.

Im übrigen weise ich darauf hin, daß relevante Teile dieser Mittel - über die regionalen Kapitalanlagengesellschaften - wieder den Unternehmen zufließen.

Ausdrücklich haben wir uns bei den Anlageformen auf das Kapitalanlagengesetz beschränkt. Unsere vier regionalen Kapitalanlagengesellschaften, die zueinander in Konkurrenz stehen, sind also keine gewerkschaftsseitig dominierten Tarif- oder Branchenfonds, die sich dem Marktwettbewerb oder der Kontrolle des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen entziehen.

Sie unterliegen gerade dieser Kontrolle, setzen professionelles Management voraus und verhindern den Einfluß auf Unternehmenspolitik via Fonds.

Ich will hier hervorheben, daß gerade das Kapitalanlagengesetz festlegt, nur soviele Anteile an einem Unternehmen ins Portefeuille zu übernehmen, wie die damit verbundenen Stimmrechte 10 Prozent nicht überschreiten.

Unsere Kapitalanlagengesellschaften wären also vergleichbar mit jeder auf dem Markt operierenden Investmentgesellschaft.

Der durch die Tarifparteien paritätisch besetzte Aufsichtsrat hat die renditeorientierte Anlagepolitik zu kontrollieren. Auch dagegen hat es "ordnungspolitische" Einwendungen gegeben. Zusammen mit den geltenden Mitbestimmungsregelungen wird von "Oberparitäten" phantasiert und ähnliches mehr.

Mit den Realitäten unserer Wirtschafts- und Sozialordnung haben diese Einwendungen nichts zu tun.
Die paritätische Selbstverwaltung bei den Sozialversicherungsträgern widerlegt diese Befürchtungen ebenso wie die jahrzehntelange Praxis der Sozialkassen im Baugewerbe.

Ich wiederhole:
Unsere Kapitalanlagengesellschaften unterscheiden sich nicht von jenen Investmentgesellschaften, die gegenwärtig auf dem Markt operieren. Es ist schon bewußte Irreführung oder der alte Griff in die ideologische Mottenkiste, wenn die BDA "Ansatzpunkte zur Einführung einer flächendeckenden, investitionslenkenden Industrie- und Strukturpolitik" hier entdecken wollen.

Bert Rürup, der Vorsitzende unserer Kommission, schreibt in einer Stellungnahme zur Arbeitgeberkritik an unserem Modell, die in den nächsten Tagen erscheint:

"Das Tariffondsmodell der IG Bau-Steine-Erden hat nichts, aber auch gar nichts mit syndikalistischen Fonds nach Maßgabe des zu keiner Zeit überzeugenden schwedischen Konzeptes einer Investitionslenkung über Fonds zu tun.

Die qualitativen Unterschiede zwischen renditeorientiert arbeitenden Tariffonds im Sinne des IG Bau-Steine-Erden-Konzeptes und investitionslenkenden, syndikalistischen Einrichtungen zu leugnen, zeugt - abgewogen formuliert - von einer selektiven Wahrnehmung der einschlägigen Publikationen oder - was bedauerlicher wäre - von einer ordnungspolitisch getarnten Diskussionsverweigerung".

Mit Recht findet sich in der Expertise zu unserem Modell von Wolfram Reiß, Professor für öffentliches Recht, über die "institutionelle und steuerrechtliche Behandlung" der Vermögensanlagen nach unserem Modell die Feststellung:
"Die sog. ordnungspolitischen Bedenken sind schlicht politischer, nicht rechtlicher Natur".

Unser Konzept der investiven Erfolgsbeteiligung sieht vor, daß auf Basis der betrieblichen Nettowertschöpfung die Vermögensbildungsbeiträge zentral von unserer Zusatzversorgungskasse eingezogen und nach Maßgabe der Beschäftigtenzahlen in den Regionen an die vier regionalen Kapitalanlagengesellschaften abgeführt werden.

Die Sperrfrist für diese Mittel beträgt sieben Jahre. Danach kann jeweils über ein Siebtel der angesparten Beiträge verfügt werden. Die Arbeitnehmer sollen durch entsprechende Anreize dazu veranlaßt werden, diese Anteile wieder anzulegen.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer entsprechend dem Vermögensbildungsgesetz für Tariffonds aufzuheben. Gerade die Praxis des Vermögensbildungsgesetzes zeigt, daß eine spürbare Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen nicht erreichbar ist.

Obwohl seit den 70er Jahren gut drei Viertel aller Arbeitnehmer Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen aus den Tarifverträgen haben, werden nur zwei Prozent dieser Leistung in Form von Beteiligungen am Produktivvermögen angelegt.

Wer die in den Vermögensbildungsgesetzen festgelegte Wahlfreiheit bei den Anlageformen für unverzichtbar hält, blockiert weiterhin die konkrete Beteiligung eines großen Teils der Arbeitnehmer am Produktivvermögen.

Sicherlich wird umstritten bleiben, ob eine staatliche Intervention gegen eine mögliche Marktentscheidung der betroffenen Arbeitnehmer zulässig ist.

Es ist aber auch zu beachten, daß gerade die Ansprüche des Staates an die Gewerkschaften auf die Teilnahme an gemeinsamen Stabilisierungsaktionen sich zunehmend steigern, ohne daß von staatlicher Seite eine verteilungswirksame Gegenleistung mit einer entsprechenden Breitenwirkung in Aussicht gestellt wird.

Weiter will ich nochmals darauf hinweisen, daß vor allem in den neuen Bundesländern der Strukturwandel und die Modernisierung der Wirtschaft mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, um nicht zuletzt die Gewinnerwartung der Unternehmen zu verbessern.

Auch die Mittel der üblichen Investitionshilfen werden letztlich aus Steuergeldern der Arbeitnehmer finanziert. Insofern ist die Forderung nach einer Förderung der Erfolgsbeteiligung angebracht.

Es widerspricht nicht dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft, wenn für den Vermögensbildungsbeitrag keine freie Wahl der Anlageentscheidung der Arbeitnehmer besteht. Dies ist bereits für § 19 a Einkommensteuergesetz nach geltendem Recht der Fall.

Dort wird die unentgeltliche oder verbilligte Zuwendung von Vermögensbeteiligung mit ihrem halben Wert von der Steuerpflicht befreit, wenn die Zuwendung im Rahmen eines bestehenden Dienstverhältnisses erfolgt.

Von einer Wahlfreiheit ist bei Zuwendung dieser Art von Vermögensbeteiligungen (Aktien, Anteilscheine an Sondervermögen einer Kapitalanlagengesellschaft, GmbH-Anteile, stille Beteiligungen u.a.) nicht die Rede.

Es ist bisher in der gängigen Rechtsauffassung noch niemand auf die Idee gekommen, dieser §19 a Einkommensteuergesetz widerspreche dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft.

Es entspricht aber nicht unserer Wirtschafts- und Sozialordnung, Leistungen aus Tarifverträgen gegenüber Ansprüchen aus Einzelarbeitsverträgen zu diskriminieren.

Natürlich wissen wir, daß Verteilungsfragen auch Machtfragen sind. Eine erfolgreiche, d.h. die Arbeitnehmer begünstigende Vermögensbildungspolitik, ist notwendigerweise mit einer Veränderung der funktionalen und personellen Einkommensverteilung zu Lasten der bisherigen Bezieher von Gewinneinkommen verbunden.

Jeder Einkommens- und Vermögenszuwachs läßt sich nur einmal verteilen.

Jedoch sprechen für eine verstärkte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand viele ordnungspolitische, verteilungspolitische und stabilitätspolitische Gründe.

Über die vorgelegten Konzepte läßt sich sicherlich diskutieren und streiten, aber im Ringen um bessere Konzepte.

Das Herausputzen alter Ideologiemuster mag vielleicht arbeitstherapeutischen Charakter haben, ist aber ein schlechtes Fundament für soziale Innovationen.

Nicht nur die Vermögenspolitik benötigt in dieser Zeit mehr denn je ein konstruktives Miteinander, als ein Verharren in "alten" Positionen und Feindbildern.

Was "verharren" bedeuten kann, das hat uns der Bischof von Hildesheim, Josef Hohmeier, 1992 ins Stammbuch geschrieben:
"Da ist zunächst die übereinstimmende Analyse, daß die Beteiligung der Bevölkerung am Produktivvermögen extrem schieflastig ist und daß diese soziale Asymmetrie, die dem Leitbild einer sozialen Marktwirtschaft widerspricht, durch den Einigungsprozeß nicht abgebaut, sondern noch verschärft wird. Es besteht die Gefahr, daß die Deutschen in einer Nation, aber in zwei Gesellschaften leben".

Dieser Gefahr wollen wir begegnen. Dazu ist die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zwar kein Patentrezept, aber ein erster Schritt in Richtung Modernisierung und Stärkung der sozialen Marktwirtschaft.


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