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Vater, Rudolf (1913 - 1985)

Geboren am 9. Mai 1913 als Sohn süddeutscher Eltern in Magdeburg, ledig, Dissident. Der Vater arbeitete als Buchdrucker und betätigte sich schriftstellerisch für den "Verband der deutschen Buchdrucker". Hans Erwin Rudolf Vater (oft benutzte er das Kürzel H. E. R.) besuchte nacheinander die Bürgerschule in Magdeburg, die Rektoratsschule in Warstein in Westfalen, die Oberrealschule in Pössneck in Thüringen, die Bertram-Realschule in Berlin, die Industrieschule in Zürich und die Oberrealschule in Esslingen. In Esslingen legte er 1932 sein Abitur ab. Schrieb sich im gleichen Jahr an der Berliner Universität in den Fächern Kunstgeschichte und skandinavische Sprachen ein und arbeitete am zeitungswissenschaftlichen Seminar der Universität. Sein Universitätsstudium blieb ohne Abschluß. Vom 1. April 1932 bis zum Jahr 1934 Mitglied im "Deutschen Journalistenverband" (Berlin). Aus wirtschaftlichen Erwägungen - der Vater war arbeitslos - trat er [Ende 1932] als Redaktionsvolontär in die Zeitschrift "Motor und Sport" ein. Danach arbeitete er als Lokalredakteur bei thüringischen Tageszeitungen in Hildburghausen, Meiningen, Suhl und Sonneberg.

Ende 1934 für ein halbes Jahr zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Nach seiner Entlassung verdiente er sein Geld als freier Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften in Berlin, Stettin, Stuttgart und einigen thüringischen Städten. 1936 fand er eine feste Anstellung als Bildredakteur bei der "Wirtschaftsillustrierten" in Berlin. Hier war er bis zu seiner Einberufung Anfang 1940 nach Potsdam tätig. Am 6. Februar 1940 als Funker in ein Nachrichtenersatz-Bataillon einberufen. Wegen seines schweren Augenleidens zum 1. August 1940 entlassen, siedelte sofort als Feuilletonredakteur nach Wilhelmshaven über. Am 14. November 1940 wegen seiner Sprachkenntnisse nach Norwegen dienstverpflichtet, wo er mit dem Aufbau des Soldatenblattes "Polarzeitung" in Tromsö befaßt war. Von Norwegen aus weiterhin schriftstellerisch tätig ("Briefe aus dem dunklen Land". Tromso 1940). 1943 wurde er wegen antinazistischer Äußerungen und des Verdachts der Zusammenarbeit mit antifaschistischen Schweden verhaftet und in ein norwegisches Konzentrationslager eingeliefert und am 2. Februar 1945 durch das SS- und Polizeigericht in Oslo zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Erschwerend fiel ins Gewicht, daß sein Vater nach 1933 in die Schweiz emigrierte. Einkerkerung im Kriegswehrmachtsgefängnis Akershus.

Bei der Kapitulation wurde er am 11. Mai 1945 von den Alliierten befreit und erhielt von ihnen die Vertrauensmannstellung für alle politischen Gefangenen in Norwegen. Später durch Urwahl in diesem Amt bestätigt. 1946 wurde Vater die Heimreise ermöglicht; er siedelte zu seinem Bruder nach Tuttlingen über. Vom Antifaschistischen Ausschuß der Stadt zum Lokalredakteur der örtlichen Zeitung "Grenzbote" bestellt, die im gleichen Jahr ihren Namen in "Schwäbisches Tagblatt" änderte. Als Lokalredakteur verstand er sich als Sprachrohr der Bürger gegenüber der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat. Mit seinen zahllosen Lokalspitzen unter dem Pseudonym "Balduin" erzielte er beträchtliche Erfolge. Aus seiner Schule gingen eine Reihe - später sehr prominenter - Redakteure hervor. Wichtig war ihm die knappe und verständliche Nachricht. Seit 1946 Mitglied der Gewerkschaft Kunst (später Gewerkschaft Druck und Papier) innerhalb des Südwürttembergischen Gewerkschaftsbundes. Mitglied der SPD seit 1948. 1946 Gründer des ersten Jugendringes innerhalb der französischen Zone in seiner Heimatstadt, Mitbegründer einer Jugendbühne in Tuttlingen. Agierte als Regisseur und Schauspieler. Verfasser von Theaterstücken und Gedichten (u.a. "Der schmerzliche Monat. Tagebuches eines Herbstes". Tuttlingen 1946).

Im Mai 1947 vom Vorsitzenden des Südwürttembergischen Gewerkschaftsbundes und Tuttlinger Bürgermeister, Fritz Fleck, als ehrenamtlicher Redakteur der "Gewerkschafts-Zeitung für das Gebiet Südwürttemberg und Hohenzollern" gewonnen. Er trat damit die Nachfolge des Schwenninger Herbert Holtzhauer an. Auf Vaters Initiative änderte das Blatt programmatisch den Titel in "Der Schaffende" (später: "Die Schaffenden"). Vater aktualisierte das Blatt, brachte es auf das Format einer politischen Zeitung. Das Gewerkschaftsorgan sollte "den Charakter eines die Tageszeitung ergänzenden Blattes für den Arbeitnehmer sein". Auffällig war das neue Layout, die knapperen Texte, die Berücksichtigung gesamtdeutscher und europäischer Belange. Vor allem die kulturellen Beiträge stießen ins Auge. Seit der konstituierenden Sitzung am 2. Juni 1949 Mitglied des Rundfunkrates des Südwestfunks, in dessen Gremien er sich um die Berücksichtigung gewerkschaftlicher Belange bemühte. Blieb ununterbrochen Mitglied des Rundfunkrats bis zum 31. Juli 1973. Von 1965 bis 1969 hatte er die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Hörfunkausschusses des SWF-Rundfunkrats inne. Kommissarisch verwaltete er vom 20. Juni 1969 bis zum 31. Juli 1970 die Stelle des "1. Mannes" des Hörfunkausschusses, ehe er bis zu seinem Ausscheiden als ordentlich gewählter Vorsitzender fungierte.

Zum 1. Januar 1950 von der "Welt der Arbeit" als verantwortlicher Redakteur für die Regionalausgabe Baden-Württemberg übernommen. Für den Landesbezirk Baden-Württemberg des DGB leitete er die Pressestelle und war für die Rundfunkarbeit verantwortlich. Der hochgebildete, sehr belesene Rudolf Vater besaß eine riesige, nach tausenden von Bänden zählende Privatbibliothek; als Bibliophiler verwahrte er zahllose Erstausgaben in seinem Bestand. 1956 übernahm er zusätzlich die Redaktion der Angestelltenzeitschrift des DGB "Wirtschaft und Wissen", die Ende 1958 in einer Auflage von 420.000 Exemplaren vertrieben wurde. Gleichzeitig wechselte die Redaktion des Blattes nach Stuttgart. "Ansprechender Stil" und "aktueller Lesestoff" waren die Momente, die das DGB-Angestelltensekretariat als seine Stärke einschätzte. Seit 1955 betreute er als 2. Redakteur die Mai-Illustrierte des DGB, für deren Bildteil er verantwortlich zeichnete. Zum 1. Oktober 1958 stellte die "Welt der Arbeit" als Landesbeilagen ein. Aus dem Kreis frei werdender Redakteure schlug der geschäftsführende Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV dem Hauptvorstand Rudolf Vater als neuen Chefredakteur der "ÖTV-Presse" vor. Nach einstimmiger Wahl am 10. Oktober 1958 trat er zum 1. November 1958 die Nachfolge des ersten Nachkriegsredakteurs Emil Fritz an. Das Angestelltenblatt des DGB betreute der neue ÖTV-Redakteur für ein weiteres halbes Jahr. Mit beratender Stimme nahm er an allen Sitzungen des geschäftsführenden Hauptvorstandes teil. Vater reformierte in einem schnellen Schritt das Pressewesen der ÖTV, an dem in der Vergangenheit auf den Gewerkschaftstagen viel Kritik geübt worden war. Bereits im Januar 1959 erhielt die ehemalige "ÖTV-Presse" ein anderes Bild und erschien unter dem Signum der Organisation mit dem Titel "ÖTV". Vater versprach sich vom neuen Layout einen wichtigen werbepsychologischen Effekt. Vor allem wechselte er den Charakter des Blattes; es erschien künftig mit einem aufgelockerten Umbruch im typischen Magazincharakter. Im Herbst 1959 billigte der geschäftsführende Hauptvorstand den Plan, anstelle von 9 Einzelausgaben eine einzige Zeitung herauszugeben. Zum 1. Mai 1960 erschien nach Änderung der Satzung (Paragraph 35) "Das ÖTV-Magazin" im Umfang von 60 Seiten. Zunächst in fünf Druckereien hergestellt, zählte es in einer Auflage von 919.066 zu den 16 größten deutschen Zeitschriften.

Trotz des Magazincharakters legte Vater Wert auf ein ausgesprochen gewerkschaftliches Informationsorgan. Auch bei der Funktionärszeitschrift gab es nach Übernahme der Redaktion durch Rudolf Vater Veränderungen: "Der ÖTV-Vertrauensmann" trug nicht nur einen neuen Titel; in der Aufmachung und in der übersichtlichen Darbietung des Stoffes machte das Blatt die Modernisierung des Pressewesens mit. In internen Studien beobachtete Vater besorgt die Veränderung des Freizeit- und Konsumverhaltens der Gewerkschaftsmitglieder. Der unaufhaltsame Aufstieg der BILD-Zeitung veränderte die gesamte Nachkriegspublizistik nachhaltig. Hinzu kamen als Konkurrenz für die Gewerkschaftspresse das Fernsehen und der Illustriertenjournalismus. Die Gewerkschaftsliteratur, ehedem mit pädagogisch-propagandistischem Anspruch angetreten, geriet ins Hintertreffen. Vater suchte zwischen Funktionsverlust der kommunikativen Gewerkschaftspresse und ökonomischen Zwängen einen "Mittelweg" einzuschlagen und dem Blatt "den Charakter einer die Familie ansprechenden Zeitschrift" zu geben. Im Januar 1964 erfolgte die Umstellung auf Tiefdruck. Am 19. November 1962 vom geschäftsführenden Hauptvorstand der ÖTV in den Ausschuß für Gewerkschaftspresse beim DGB-Bundesvorstand delegiert. Die organisationspolitischen Diskussionen innerhalb der ÖTV blieben nicht ohne Einfluß auf die Gewerkschaftspresse. Die Beschlüsse zur Organisationsreform auf dem 5. Gewerkschaftstag 1964 in Dortmund ("Antrag 58") führten zur Konzentration und Straffung des Mitgliederblattes. Der Umfang wurde von 60 auf 36 Seiten verringert; die Auflage um 10% Prozent abgesenkt. Gleichzeitig wurde das Informationswesen neue geordnet.

Auf Beschluß des Hauptvorstandes in seiner Sitzung vom 29. September bis 1. Oktober 1964 übernahm Vater die Leitung der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit. Im Laufe der Neuordnung übernahm er auch als Leiter des Sekretariats 10 die redaktionelle Verantwortung für die Nachrichtendienste für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Außerdem fiel in sein Ressort der Auf- und Ausbau der "Report-Presse" und die Betreuung der sporadisch erscheinenden, berufsfachlichen Informationsblätter. Seit 1968 war sein Sekretariat für zentrale Ausstellungen auf Gewerkschaftstagen und -veranstaltungen verantwortlich. Auf der ersten Sitzung des Hauptvorstandes am 3. Oktober 1968 in Stuttgart zum Vorsitzenden der Kommission für gewerkschaftliches Informationswesen gewählt. Ende 1971 stand das innere Informationswesen auf drei Säulen: dem "ötv-magazin" als alles verbindende gewerkschaftspolitische Klammer, der Report-Presse, mit ihren aktuellen, berufspolitischen und berufskundlichen Beiträgen, ergänzt von einer großen Zahl an Informationsdiensten mitgliederschwacher Abteilungen und den Personengruppen-Nachrichtendiensten, die die Funktionäre ansprechen sollten. Zu einem der letzten Aufgabengebieten zählte die Mitarbeit an diversen Streik-Zeitungen des Jahres 1972. Wegen seines verschlechterten Augenleidens schied Rudolf Vater am 28. Februar 1973 aus den Diensten der ÖTV aus. Seinen Lebensabend verbrachte er in Hattingen. Nach langer und schwerer Krankheit starb H. E. R. Vater am 13. Januar 1985 in Tuttlingen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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