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Lindow, Carl (Karl) (1882 - 1954 ?)

Geboren am 29. Juni 1882 in Hamburg als Sohn eines Arbeiters, verheiratet, Dissident. Erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Ewerführers im Hamburger Hafen, der einzige Hafenarbeiterberuf, der eine mehrjährige Lehrzeit erforderte. Eintritt in den "Verband der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen Deutschlands" am 28. Juli 1901. Mitglied der SPD. Leistete [1902] seinen Militärdienst ab. Lindow arbeitete seit 1906 am SPD-Organ "Hamburger Echo" und an seinem Gewerkschaftsblatt "Hafenarbeiter" mit. Agierte innerhalb der Sozialdemokratie vehement für eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Innerhalb der Gewerkschaft tat sich der Ewerführer mit seinen Appellen für eine strikte Arbeitsniederlegung am 1. Mai hervor. Gleichzeitig plädierte Lindow publizistisch für höhere Mitgliedsbeiträge zur Stärkung des gewerkschaftlichen Kampffonds. 1906 entschiedener Fürsprecher einer Vereinigung mit den freigewerkschaftlich organisierten Handels- und Transportarbeitern. Im August 1907 zum Vorsitzenden des SPD-Distrikts 7 des 1. Hamburger Wahlkreises ("Hafenarbeiterdistrikt") gewählt; im gleichen Jahr von den Ewerführern in das Hamburger Gewerkschaftskartell entsandt.

Am 12. März 1908 zum stellvertretenden Vorsitzenden der traditionsreichen Sektion der Ewerführer und Deckschiffer der Hamburger Hafenarbeitergewerkschaft gewählt. Den gewandten Schriftsteller schickte 1907 der Vorstand des Hafenarbeiterverbandes zum ersten Unterrichtskurs der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands nach Berlin. Von den Hamburger Ewerführern zum 10. Verbandstag vom 11. bis 15. Mai 1908 in Hamburg delegiert. Votierte für die Hauskassierung als erzieherisches Mittel zur Verbesserung der Beitragsmoral. Nach dem frühzeitigen Tode des verantwortlichen Redakteurs Carl Görlitz am 28. Juli 1908 wählten Verbandsvorstand und Verbandsausschuß Carl Lindow zu einem der jüngsten hauptamtlichen Redakteure der deutschen Gewerkschaften. Lindow orientierte sich zunächst bei der redaktionellen Gestaltung des "Hafenarbeiters" am extrem radikalen Stil seines Vorgängers. 1910 wegen Majestätsbeleidigung vom Hamburger Landgericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, da er die Erhöhung der preußischen Zivilliste in ironischer Weise kommentiert hatte. Das Leipziger Reichsgericht verwarf im Januar 1911 seine Revision als unbegründet. Verteidigte im Verbandsorgan die deutsche Leitung der "Internationalen Transportarbeiter-Föderation" gegen Vorwürfe aus den Reihen romanischer und holländischer Anarchosyndikalisten.

Nach der Verschmelzung mit dem "Deutschen Transportarbeiter-Verband" Umzug von Hamburg in den Berliner Vorort Karlshorst. In der Berliner Zentrale trat Lindow als jüngster Redakteur der drei vereinigten Gewerkschaftsverbände ins zweite Glied zurück. Redaktionelle Mitarbeit am neuen Blatt "Die Schiffahrt. Organ für die Interessen der Seeleute, Binnenschiffer, Flößer und des Wasserbaupersonals Deutschlands" sowie am gewerkschaftlichen Zentralorgan "Courier". Anstelle des Österreichers Johann Dreher zeichnete Lindow zeitweise als "Sitzredakteur" für den "Courier" verantwortlich. In dieser Eigenschaft im Juli 1911 wegen Beleidigung verurteilt. Verfasser der Monographie "Die Verkehrs- und Arbeitsverhältnisse im Hamburger Hafen und die Tätigkeit der Schutz- und Verkehrskommission". Berlin 1915; für Lindow ein "Blatt, das die Leidensgeschichte der Hafenarbeiter erzählt". Der Hamburger Hafenarbeiter machte während des Weltkrieges einen deutlichen "Rechtsruck" und stand im schroffen Gegensatz zur sozialistischen Kriegsopposition. Er ritt nach der Novemberrevolution scharfe publizistische Attacken gegen kommunistische und anarchosyndikalistische Gruppierungen in- und außerhalb des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes".

Lindow übernahm 1919 zunächst hauptverantwortlich die Leitung der "Deutschen Straßen- und Kleinbahnerzeitung. Organ für die Interessen der in Straßen- und Kleinbahnbetrieben Deutschlands beschäftigten Personen" und nach dem Abschwenken des Redakteurs Paul Müller ins nationalistische Fahrwasser ab Juli 1921 ebenfalls "Die Schiffahrt". Nahm als einer von vier hauptamtlichen Redakteuren am 11. Verbandstag vom 3. bis 8. September 1922 im Gewerkschaftshaus am Engelufer teil, der den Weg zum "Deutschen Verkehrsbund" eröffnete. Im September 1923 - nach dem Tode des langjährigen Redakteurs Johann Drehers - übernahm Karl Lindow auf dem Höhepunkt der Geldentwertung die Hauptverantwortung für die Presse des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes". Der ehemalige Hamburger sah sich in Übereinstimmung mit der Bundesleitung gezwungen, sämtliche Gewerkschaftsblätter zu einem Einheitsorgan "Deutscher Verkehrsbund" zusammenzufassen, das am 15. September 1923 mit der ersten Nummer erschien und nur mit Hilfe ausländischer Bruderorganisationen im Oktober mit einer weiteren Nummer erscheinen konnte. Auf der 12. Bundestagung vom 16. bis 21. August 1925 in den Hauptvorstand des "Deutschen Verkehrsbundes" gewählt. Als Vorstandsmitglied trug Lindow die Verantwortung für das zentrale Organ "Deutscher Verkehrsbund", die "Deutsche Privat- und Straßenbahnerzeitung", die "Luft- und Kraftfahrt", die "Hausangestellten-Zeitung" und die "Post und Telegraphie".

Auf dem 13. Bundestag vom 12. bis 17. August 1928 stand Lindow als zentrale Figur im Kreuzfeuer innergewerkschaftlicher kommunistischer Kritik. Verschiedene KPD-orientierte Ortsgruppen forderten vergeblich seinen Gewerkschaftsausschluß. Seine Bekenntnisse ("Die Wesensverwandtschaft zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratischer Partei besteht nicht seit heute oder gestern...", "... der Störenfried ist die Kommunistische Partei...") entsprachen der Gefühlswelt eines Großteils der Delegierten. Wiederwahl in den Gewerkschaftsvorstand als "Hauptredakteur". Nach dem Zusammenschluß zum "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" wurde Lindow dem erfahrenen Redakteur Emil Dittmer vom ehemaligen "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" unterstellt. Der Hafenarbeiter leitete weiterhin "Die Schiffahrt" und die Ausgabe B der "Gewerkschaft" mit dem Fachorgan "Verkehrsbund". Seiner politischen und gewerkschaftlichen Linie blieb er treu: sein Kampf galt weiterhin der Revision der Seemannsordnung als"geborstene Säule" aus wilhelminischer Zeit. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, daß der deutsche Seemann mehr zu verlieren habe, als nur seine Ketten. Im Juni 1933 aus allen Ämtern entlassen. Konnte später in Berlin einen Job als kleiner Angestellter finden. Lebte 1943 in Berlin-Karlshorst, wurde 1950 auf Beschluß des geschäftsführenden Hauptvorstandes der ÖTV materiell unterstützt. Lebte im November 1953 als Rentner in Eichwalde.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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