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Lagodzinski, Franz (1877 - 1937)

Geboren am 24. Dezember 1877 in Spandau, verheiratet. Nach der Volksschule Lehre als Dreher. Trat um die Jahrhundertwende in den Dienst der Stadt Wilmersdorf als Arbeiter im Gaswerk Schmargendorf ein. Mitglied des damaligen "Verbandes der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten". [1907] Eintritt in die SPD. 1909 zum Obmann der Sektion Schmargendorf der Gasarbeiter gewählt. (1909: 334 Mitglieder). Lagodzinski, der sich stets als Angehöriger des "staatenlosen polnischen Volkes" bezeichnete, übte auf die Schmargendorfer Gasarbeiter, die zum hohen Teil aus dem Osten Deutschlands stammten (mit einem starken Anteil polnischer Arbeiter) charismatische Wirkung aus. Nach dem 6. Verbandstag des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" im Juni 1912 von der Berliner Mitgliedschaft als ehrenamtlicher Beisitzer in den Vorstand der Organisation gewählt. Am 8. November 1914 von den Wählern der III. Wahlabteilung in die Wilmersdorfer Stadtverordnetenversammlung entsandt.

Nach widerstreitenden Interessen um die beiden ersten Vorstandsmandate wurde der Gasarbeiter auf dem 7. Verbandstag vom 24. bis 30. Mai 1914 in Hamburg von einer auf dem Verbandstag eingesetzten Kommission unter Leitung von Adolf Cohen (Mitglied der Generalkommission der Gewerkschaften) als Kompromißkandidat zum unbesoldeten 2. Vorsitzenden gewählt. Von Juni 1914 bis Januar 1915 einer der drei Revisoren des Internationalen Sekretariats der "Arbeiter öffentlicher Betriebe". Ab 1914 Vorsitzender des Arbeiterausschusses des Schmargendorfer Gaswerks. Nach Ausbruch des Weltkrieges versuchte Lagodzinski, nachdem der Verbandsvorsitzende Richard Heckmann eingezogen worden war, maßgeblich die Verbandspolitik zu bestimmen, scheiterte jedoch am Widerstand der verbliebenen hauptamtlichen Vorstandsmitglieder Richard Maroke und Emil Wutzky. Nahm ab April 1915 nicht mehr an den Hauptvorstandssitzungen teil. Der Wilmersdorfer zählte früh zur Berliner Antikriegsopposition innerhalb der Sozialdemokratie. Um den sinkenden Verbandseinnahmen entgegenzusteuern, beschloß der Berliner Filialvorstand im Herbst eine wöchentliche Beitragserhöhung um 5 Pfennig. Die Erhöhung wurde in einer Urabstimmung von 87% der Berliner Mitglieder gebilligt. Im Schmargendorfer Gaswerk wurde die Anhebung indes gegen eine Stimme verworfen, weil sie in Wirklichkeit der Zeichnung von Kriegsanleihen diene. Aus Protest legten am 5. Oktober 1915 die Schmargendorfer Vertrauensmänner, bei denen stets eine radikale syndikalistische Unterströmung virulent war, ihre Ämter nieder. Ende 1915 wurde unter Lagodzinskis Leitung ein Lokalverein ("Freie Vereinigung Schmargendorf") ins Leben gerufen.

Als Reaktion beschloß am 27. Januar 1916 eine Generalversammlung der Berliner Mitgliedschaft, alle Mitglieder des Lokalvereins auszuschließen. Lagodzinskis Ausschluß nach Paragraph 37, Abs. 2 des Verbandsstatuts wurde einstimmig vom Verbandsvorstand und Ausschuß nochmals gesondert bestätigt. Die Wilmersdorfer Sozialdemokratie weigerte sich allerdings unter dem Einfluß der Kriegsopposition den Ausschluß auf die Partei zu übertragen. 1917 Mitglied der USPD von der ersten Stunde an. Kurz vor Ausbruch der Novemberrevolution kam der Berliner Filialvorstand den Ausgeschlossenen weit entgegen und nahm Rückkehrwillige gegen großzügige Konditionen wieder auf. Am 9. November 1918 löste Lagodzinski seinerseits den Lokalverein auf und wurde erneut in den "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" aufgenommen. 1919 bis 1921 Stadtverordneter der USPD in Wilmersdorf. Von der USPD/KPD-Mehrheit der Berliner Gemeinde- und Staatsarbeiter auf einer außerordentlichen Generalversammlung im September 1919 zum festbesoldeten Sekretär der Berliner Filiale gewählt. Unterlag im Januar 1920 bei den Wahlen zum 1. Bevollmächtigten Carl Polenske deutlich. Lagodzinski machte 1920 den Schritt des linken Flügels der USPD zur III. Internationale nicht mit, bezeichnete vielmehr die Gründung der KPD als ein Unglück für die deutsche Revolution. 1922 Rückkehr zur SPD; bei künftigen Abstimmungen nur gegen den erbitterten Widerstand der kommunistischen Mitglieder der Berliner Filiale gewählt. Seit 1922 auf den jährlich stattfindenden Generalversammlungen zum 2. Bevollmächtigten der Berliner Organisation gewählt. 1922 Wahl in die Berliner Gewerkschaftskommission. Ende Dezember 1920 schlossen sich diverse Verbände des öffentlichen Dienstes zur Freigewerkschaftlichen Arbeitsgemeinschaft kommunaler Arbeitnehmer (Faka) zusammen, eine Vorstufe zur Gründung des freigewerkschaftlichen "Allgemeinen deutschen Beamtenbundes". Die Vertretung der Berliner Orts-Faka wurde Lagodzinski übertragen.

Ab 1925 zuständig für den Betreuungsbereich der Berliner Müllbeseitigung. Delegierter auf dem 1. Bundeskongreß des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes vom 12. bis 14. Januar 1925 in Berlin. Zum 1. April 1926 wurde der herzkranke Lagodzinski infolge andauernder Krankheit pensioniert. Er lebte während der Zeit des Nationalsozialismus als Rentner in Berlin-Wilmersdorf. Franz Lagodzinski starb am am 19. Januar 1937 in Berlin an einem Krebsleiden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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