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Kellermann, Georg (1853 - 1925)

Geboren am 8. Januar 1853 in Lauf (Bayern) als Sohn eines Maurers als drittes von fünf Kindern, evangelisch, verheiratet. Erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Brauers. Absolvierte von 1872 bis 1873 seinen Militärdienst in Nürnberg. Siedelte 1875 nach Hamburg über. Arbeitete ab Juli 1875 teils als Brauarbeiter, teils als Lagerarbeiter in verschiedenen Hamburger Brauereien. Verdingte sich ab 1878 als "weißer" Schauermann im Hamburger Hafen beim Be- und Entladen von Kornschiffen. Aufnahme in den Hamburgischen Staatsverband am 7. Dezember 1878. Mitglied der Sozialdemokratie, für die er im 1. Hamburger Wahlkreis bis in die Mitte der neunziger Jahre diverse Ehrenämter bekleidete. Mitglied des am 17. März 1886 gegründeten "Vereins der in Hamburg beschäftigten Schauerleute", in der sich der "aufgeklärte Teil" der drei- bis viertausend Hamburger Schauerleute sammelte. Am 15. Januar 1888 übernahm Kellermann eine Hamburger Zahlstelle der Schauerleute, der mit Abstand größten Gruppe im Hamburger Hafen. Mitglied der Streikkommission des Lokalvereins, die im Oktober 1889 erfolgreich einen kleineren Arbeitskampf bestand.

Einer der Aktivisten der Hamburger Maikämpfe 1890, die auch für die Hamburger Hafenarbeiter in einer schweren Niederlage mündeten, obgleich jeder zweite Hafenarbeiter sich dem Aufruf des Internationalen Arbeiterkongresses von Paris im Juli 1889 angeschlossen hatte, den 1. Mai 1890 für eine "große internationale Manifestation" zu nutzen. Engagierte sich zum Ende des Sozialistengesetzes im "Verein Hamburger Staatsangehöriger" für eine verbesserte Erziehung der Hamburger Waisenkinder und für die Abschaffung des Schulgeldes (=Kindersteuer). Der gebürtige Franke beteiligte sich intensiv an der Statutenberatung für den geplanten nationalen gewerkschaftlichen Hafenarbeiterverband, ohne ein Mandat für den 1. Kongreß deutscher Hafenarbeiter vom 8. bis 10. August 1890 in Kiel zu erlangen. Kellermann tat viel dafür, daß sich am 13. November 1890 der "Verein der in Hamburg beschäftigten Schauerleute" dem neuen "Verband der Hafenarbeiter Deutschlands" (ab 1. Januar 1891) als eigene Sektion anschloß. Am 16. Januar 1891 zum Obmann der Sektion der Hamburger Schauerleute gewählt. Delegierter auf der 1. Generalversammlung vom 11. bis 12. Mai 1891 in Hamburg, plädierte dort für einen internationalen Zusammenschluß der Berufsgenossen. Mitglied einer Kommission, die den Zusammenschluß von Hafen-und Werftarbeitern vorbereiten sollte. Lehnte eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden seiner Gewerkschaft ab. Ende 1891 schlossen die Mitglieder den Verbandsvorsitzenden Johann Schwarz wegen Diebstahls aus. Zu seinem Nachfolger kooptierte der Vorstand Georg Kellermann.

1892 gab der gelernte Brauer seinen Beruf als Schauermann auf und übernahm als Selbständiger eine Gastwirtschaft, die als "Verkehrslokal" des "Verbandes der Hafenarbeiter Deutschlands" diente. Die Anschrift "Schaarthor 7" stand für viele Jahre als Synonym der organisierten Hamburger Hafenarbeiterbewegung. Der Vorsitzende beteiligte sich nur marginal an den ausgeprägten Debatten innerhalb der Hamburger Organisation, übte indes großen informellen Einfluß aus. Kellermann gehörte zu den treibenden Kräften im Hafenarbeiterverband, die zielstrebig eine Fusion mit den organisierten Werftarbeitern anstrebten. Die 2. Generalversammlung des Verbandes sanktionierte die Fusion mit dem "Zentralverband der Werftarbeiter Deutschlands" zum "Verband der am Schiffbau und an der Schiffahrt beschäftigten Personen Deutschlands". Als ehrenamtlichen Vorsitzenden bestätigten die Delegierten Georg Kellermann.

Der Gastwirt engagierte sich gleichermaßen in Versammlungen der selbständigen Hamburger Gewerbetreibenden und des "Vereins der Gast- und Schankwirte", um Verständnis für die Forderungen der Hamburger Arbeiterbewegung zu wecken. Einstimmige Wiederwahl auf der Generalversammlung vom 18. bis 20. Juni 1893 in Bremerhaven; hier warb Kellermann für seine Person mit dem Hinweis, er sei selbständig und vom Arbeitgeber unabhängig. Choleraepedemie, Isolation des Hamburger Hafens und die folgende Wirtschaftskrise wirkten sich in Hamburg massiv auf das Organisationsverhalten der Hamburger Hafenarbeiter aus. Die Verbindung mit den Werftarbeitern erwies sich als "Mißgriff", in Hamburg splitterte 1892 eine Lokalorganisation der Schauerleute ab. Die Generalversammlung vom 22. bis 23. Juli 1894 in Lübeck annullierte die unglückselige Fusion. Wahl Kellermanns zum neuen Vorsitzenden des "Verbandes der Hafenarbeiter Deutschlands", dessen Engagement künftig der Berufung von Hafeninspektoren galt, für die er (folgenlos) beim Reichskanzler petitionierte. Im August 1894 Wahl in die Kommission für Arbeitsvermittlung. Delegierter im Hamburger Gewerkschaftskartell. Unterband dort erfolgreich den Wunsch der lokalorgansierten Schauerleute, ins Hamburger "Gewerkschaftsparlament" zu kommen. Persönliche Zwistigkeiten in Hamburg lähmten weitgehend die nationale Hafenarbeiterorganisation, der politischen Polizei galt der Verband als "verfallen". Wiederwahl zum Vorsitzenden auf der 3. Generalversammlung vom 19. bis 21. Juli 1896 in Bremen, die den Antrag sanktionierte, weibliche Arbeiterinnen in den Verband aufzunehmen. Kellermann schätzte Ende 1896 die Konjunktur günstig ein, versuchte jedoch, die drohende Arbeitsniederlegung mit Hinweis auf die Schwäche der eigenen Organisation und die geringen materiellen Mittel zu verhindern. Als im November 1896 die Lohnforderungen der Stückgut-Schauerleute in einen gewaltigen Arbeitskampf mündeten, suchte Kellermann seine internationalen Verbindungen zu Gunsten der Streikenden in die Waagschale zu werfen. Am 15. Dezember 1896 warb der deutsche Vorsitzende auf einem großen Massenmeeting der Londoner Zweige der "Dockers, Seamen and Firemen, Cool Porters and Winchmen's Unions" für die Hamburger Streikenden, gleichzeitig suchte er in Gesprächen mit dem Londoner Handelsamt, die Sendung von englischen Streikbrechern zu verhindern. Einer der Delegierten auf der "International Conference of Ship, Dock and River Workers" vom 24. bis 26. Juni 1897 in London, auf der die deutschen Teilnehmer große Reserven gegenüber einem geplanten internationalen Streik zeigten. Wiederwahl zum Vorsitzenden auf der 4. Generalversammlung vom 4. bis 8. Juli 1897 in Hamburg, die eine Bilanz des großen Hamburger Arbeitskampfes im Hafen zog. Trotz des ungenügenden Streikausgangs markierte der gewaltige Arbeitskampf einen Meilenstein auf dem Weg zu einer konsolidierten Organisation. Zu einer der "Lehren" aus dem Massenstreik zählte für Kellermann die Erkenntnis, nur verbesserte internationale gewerkschaftliche Beziehungen könnten erfolgreiche Arbeitskämpfe garantieren. Auf dem internationalen Kongreß in London im Juni 1898 - später als 2. Konferenz der Internationalen Transportarbeiter-Föderation bezeichnet - schlug Kellermann einen internationalen Kampffonds vor, ohne eine Mehrheit zu erlangen. Gleichzeitig suchte er mit seinem Vorschlag, die nächste internationale Konferenz in Berlin abzuhalten, das britisch dominierte Berufssekretariat für "kontinentale" Fragen zu sensibilisieren.

Anderthalb Jahre nach dem großen Hafenarbeiterstreik machte der Hafenarbeitergastwirt dem neuen "Hoffnungsträger" der Hafenarbeiter, dem ehemaligen Vorsitzenden des "Vereins der in Hamburg beschäftigten Schauerleute von 1892", Johann Döring, Platz. Die 5. Generalversammlung vom 20. bis 22. Juli 1898 in Hamburg setzte Kellermann auf den "2. Platz" der Organisation. Mußte nach dem Kongreß eine Haftstrafe von 6 Tagen Gefängnis wegen "Beleidigung" eines ausgeschlossenen Schauermanns absitzen. Verzichtete auf der 6. Generalversammlung vom 22. bis 26. Juli 1900 auf das Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden. Unterlag deutlich bei den Beisitzerwahlen, nachdem er sich zuvor gegen jedwede Unterstützungskassen innerhalb der Organisation ausgesprochen hatte. Kellermann leitete weiterhin eine Zahlstelle des Verbandes. 1902 wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten aus der Organisation ausgeschlossen. Verdiente sich weiterhin seinen Lebensunterhalt als selbständiger Gastwirt. Näherte sich nach der Novemberrevolution seinen ehemaligen Berufsgenossen wieder an. Georg Kellermann starb am 6. November 1925 in Hamburg.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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