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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
3./7. Dez. 1979

Parteitag der SPD in Berlin unter dem Motto „Sicherheit für die 80er Jahre„. Tagesordnung: Rechenschaftsbericht ( W. Brandt ); Bericht des Bundesgeschäftsführers ( E. Bahr ); Bericht des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion ( H. Wehner ); Referat ( H. Schmidt ); Bericht „Bürger und Staat„ ( H. Koschnick ); Beratung der Arbeitsgruppen zu dem Hauptthema „Festigung des Friedens„: Arbeitsgruppe I: Friedens-, Sicherheits- und Entspannungspolitik. Leiter: K. v. Dohnanyi ; Arbeitsgruppe II „Nord-Süd-Politik„. Leiterin: Katharina Focke ; zu dem Hauptthema „Verantwortung für humanes Wachstum„: Arbeitsgruppe III „Energie, Arbeitsplätze, Umwelt„. Leiter: F. Farthmann ; Arbeitsgruppe IV „Aktive Beschäftigungspolitik – Ausbau der sozialen Sicherung„. Leiterin: Anke Fuchs . Referat ( H.-J. Wischnewski ); Bericht des Schatzmeisters ( F. Halstenberg ); Bericht der Kontrollkommission ( A. Möller ); Wahlergebnisse; Referat „Verantwortung für humanes Wachstum„ ( J. Rau ).

Stimmberechtigt sind: 400 Delegierte und 35 Mitglieder des Parteivorstandes, darunter 59 Frauen.

Der Parteitag berät 951 (1977: 840) Anträge und 20 Initiativanträge, darunter 156 zum Thema Energie. Nach H. Koschnicks Berechnung genau 1937 Gramm bedrucktes Papier – seiner Meinung 1500 Gramm zuviel.

Gastredner sind u. a.: der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky , der spanische sozialdemokratische Parteivorsitzende Felipe Gonzales und der frühere israelische Außenminister Abba Eban .

Der Parteitag wird vom stellvertretenden Parteivorsitzenden H. Koschnick eröffnet. Er warnt die Delegierten davor, „dogmatisch starre Popsitionen zu beschwören„. In einem Grußwort nennt der DGB-Vorsitzende H. O. Vetter die friedliche Nutzung der Kernenergie zum gegenwärtigen Zeitpunkt unumgänglich.

W. Brandt greift in seiner Rede F. J. Strauß scharf an. „Jener Mann ist eine seltsame Mischung von Herrschendem und Aufständischem und sein Aufstand richtet sich gegen Maß, Vernunft und Toleranz. Mit all seiner unkontrollierten, sprunghaften Energie ist er zum Symbol einer Ellbogengesellschaft geworden. Er verkörpert das absolute Gegenbild einer solidarischen Gemeinschaft. Deutschland kann sich Strauß statt Schmidt nicht leisten!„ ruft W. Brandt den Delegierten zu und empfiehlt „ Straußens Machtansprüche mit Lachsalven zu ersticken„. Mit den Bürgern solle dagegen ruhig, sachlich und tolerant geredet und bewiesen werden, dass die SPD eine menschliche Partei sei und ein politisches Klima der Wärme und Freundlichkeit wolle . F. J. Strauß nennt auf Grund dieser Beschreibung W. Brandt „einen linken Schmieren-Komödianten„.

Zur Rüstungspolitik sagt W. Brandt : zwar gehörten Entspannung und militärisches Gleichgewicht zusammen, doch ebenso wahr sei, dass immer höhere Militärausgaben und immer weitere Umdrehungen der Rüstungsspirale ins Verderben führten. Die Menschheit sei in Gefahr, „sich zu Tode zu rüsten„. Grundlagen der SPD-Sicherheitspolitik seien: „Europa, Bündnis und Bundeswehr, Entspannung und Gleichgewicht, nicht auf möglichst hohem, sondern auf möglichst niedrigem Rüstungsniveau.„ Fortschritte auf dem Weg zum gesicherten Frieden würden kaum möglich sein, solange die Angst vor dem Rüstungspotential des jeweils anderen überwiege.

Zu Berlin sagt W. Brandt : „Hier haben wir gelernt: Weder darf man Gegensätze preisgeben noch vor unangenehmen Realitäten davonlaufen.„ Das sei ganz deutlich geworden am Beispiel des bescheidenen Passierschein-Abkommens, aus dem sich „unsere Ostpolitik„ entwickelt habe. Diese Politik sei nur mit der FDP und nicht mit der CDU zusammen möglich gewesen.

W. Brandt bekennt sich zur Fortsetzung der Koalition mit der FDP. W. Brandt : „Wir sind uns alle einig, dass wir die Wahlen 1980 mit Helmut Schmidt gewinnen wollen. Das sagt sich leicht, aber es verlangt viel von uns. Godesberg gilt; es bleibt die Grundlage der SPD als linke Volkspartei. Freilich gibt es auch die Pflicht zum Weiterdenken. Kritische Bürger und die eigenen Genossen erwarten geistige Orientierung und die Courage, dass wir uns offen und unvoreingenommen der Zukunft zuwenden.„

W. Brandt fordert die Delegierten immer wieder auf, „mit Hoffnung statt mit Angst in die 80er Jahre zu gehen, obwohl zur Zeit geistige Erschütterungen die Welt bewegen. Wir haben nicht nur weltpolitische Krisen und Konflikte, Wettrüsten, Energiesorgen: auch die Gefahren, die aus der Plünderung der Natur erwachsen, sind ins öffentliche Bewusstsein gedrungen: Viele plagt heute das Schreckensbild einer anonymen computergesteuerten Gesellschaft, automatisiert, medienhypnotisiert, ohne Gegenkontrolle, womöglich sogar ohne hinreichenden Datenschutz. Vielen ist bewusst, dass Abhilfe nicht von heute auf morgen parat sein wird. Der Parteitag hat die Chance, Weichen zu stellen, wenn über den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie beraten wird. Die Umweltthematik ist doch nicht gegen, sondern durch Sozialdemokraten in die deutsche Politik eingeführt worden. Es wird unsere Aufgabe sein, Gesamtzusammenhänge deutlicher zu machen.

Ich hoffe, dass unsere Antworten, der Versuch unserer Antworten zur Frage nach humanem Wachstum voranführen. Wir müssen Arbeitsplätze sichern und neu schaffen, die Vollbeschäftigung gewährleisten in einer Phase tiefgreifenden Strukturwandels – wobei die Mikroprozessoren in großer Zahl ja erst noch kommen. In dieser Situation neben den schwergewichtigen Problemen der Arbeitnehmer die Probleme der Selbständigen zu unterschätzen, wäre extrem unvernünftig. Ich möchte also die Partei bitten, neben den berechtigten Anliegen der Arbeitnehmer die der Selbständigen nicht zu kurz kommen zu lassen!„

Den Grünen wirft W. Brandt vor, die Rolle der vierten Partei im Sinne der CSU zu übernehmen. Wer sich auf eines oder zwei Themen beschränke und allen anderen Prüfsteinen der Politik ausweiche, „zaubert den Wählern Illusionen vor„. An die Jugend gewandt, äußert W. Brandt Verständnis für ihre Sorge wegen materialistischer Kälte, Konkurrenzdruck und beruflicher Unsicherheit. Er mahnt die Jungen, nicht wehleidig zu sein. Man lebe nicht in der schlechtesten aller Welten und Zeiten.

Wir werden uns viel Mühe geben, gerade die heutige Jugend davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, politisch zu arbeiten.

Bei der Kernenergie fordert W. Brandt zum „freien Abwägen des Für und Wider, ohne Disqualifizierungen„ auf. Niemand unterschätze in der SPD die energiepolitischen Probleme, die von den Sozialdemokraten stellvertretend für die ganze Gesellschaft offen debattiert würden. Man habe einen weiten Weg seit dem überschwänglichen Ja der SPD zur Kernkraft 1956 hinter sich gebracht. Sicherheit rangiere zur Zeit höher. W. Brandt verweist aber auch auf die Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern in einer Phase tiefgreifenden Strukturwandels. In der sozialen Sicherheit dürfe das Netz nicht reißen.

Zur Neuregelung des § 218 sagt W. Brandt , dass die neue gesetzliche Regelung nicht perfekt sei. Aber er betont: „Wer auch immer zurück wollte zu dem, was vorher war, dem sage ich: Er hat die überwältigende Mehrheit der Frauen in der Bundesrepublik gegen sich. Und wir deutschen Sozialdemokraten lassen sie nicht im Stich.„

W. Brandt räumt ein, dass es in der Sozialdemokratie Unsicherheiten und Stagnationen gebe. So seien auch bei der Schulreform und bei der Gebietsreform, außer entscheidenden Erfolgen, auch Schwierigkeiten aufgetreten. „Unsere etatistische Tradition, möglichst viel durch öffentliche Hände machen zu lassen, werden wir zügeln müssen. Gemeinnützige Institutionen, Selbsthilfe sind wichtig und werden noch wichtiger. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichberechtigung ist noch lange nicht zur gesellschaftlichen Wirklichkeit geworden.

Wir haben eine Republik gewollt, die sich nicht alles gefallen lässt. Dabei soll es bleiben. Widersacher von Freiheit, wirkliche Feinde der Grundordnung, Terroristen zumal, haben keinen Anspruch auf tolerante Großzügigkeit.

Das unverfrorene Treiben kleiner, aber militanter Gruppen von Neonazis müssen wir auch nicht dulden. Mancherorts sieht man deutlicher als vor zwei Jahren, dass dem deutschen Ansehen und dem inneren Frieden hier schwer Schaden zugefügt werden kann. Ich finde, es ist gut, dass sich die Bundestagsfraktion und der Bundesminister der Justiz dieses Gegenstandes angenommen haben. Mein Rat: wachsam bleiben, sich nichts gefallen lassen, wo es um Freiheit und um Selbstachtung geht, und weiterhin ernst nehmen, was wohlverstandene Sicherheit angeht, im Inneren wie nach außen.„

E. Bahr sagt in seinem Rechenschaftsbericht, beim Kampf um das private Fernsehen werde die Union – wie vor 18 Jahren unter Adenauer – abermals scheitern. Es handele sich damals wie augenblicklich um einen Anschlag gegen die Meinungsfreiheit. Die SPD aber werde den Grundgesetz-Artikel 5 verteidigen. Niemand dürfe sich Illusionen darüber machen: „Wenn wir 1980 nur die Ergebnisse der Landtagswahlen wiederholen, würden wir die Bundestagswahl verlieren.„ Es zeige sich, dass die SPD keineswegs ein Abonnement auf die absolute Mehrheit der Jugend habe. „Das muss die Partei beunruhigen.„

H. Wehner kritisiert die Überbeschäftigung der Partei mit einzelnen Sachfragen, wie etwa der Kernenergie. Aufgaben, die sie in nächster Zeit zu leisten habe, würden darüber „furchtbar vernachlässigt„. Sein Standpunkt zur Kernenergie lautet: „Weder Kernenergie um jeden Preis noch Kernenergie um keinen Preis.„ H. Wehner fordert die Partei auf, H. Schmidt , zu dem es keine Alternative gebe, auch in der Energiepolitik und in der Sicherheitspolitik zu unterstützen.

H. Wehner erklärt, die von ihm selbst im Frühjahr ausgelöste Abrüstungsdiskussion habe manches geklärt. Jetzt werde nicht nur von Nachrüstung gesprochen, sondern auch von Abrüstungsverhandlungen.

Als weiteres Thema erwähnt H. Wehner die große Reform des Sozialversicherungssystems, die laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis 1984 verwirklicht werden muss. Er ermahnt die Delegierten, sich nicht durch falsche Berichte über Rentensteuer und so weiter verrückt machen zu lassen. In den Kommissionsarbeiten sei bisher keine einzige Festlegung getroffen, sondern ein Katalog unterschiedlicher Modelle erarbeitet worden. Im Februar werde ein Papier vorgelegt, das dann allen Gliederungen der SPD zur Diskussion zugehen und auf dem Parteitag im Juni beschlossen werden solle.

Auch H. Schmidt warnt in seiner über zweistündigen Rede vor seinem „unkalkulierbaren und angsterzeugenden„ politischen Gegenspieler F. J. Strauß . Die wahre Natur „jenes Mannes aus Bayern„ gefährde den inneren und äußeren Frieden. F. J. Strauß als Bundeskanzler würde alles verspielen, was in den letzten Jahren zukunftsweisend und weltweit anerkannt von der sozial-liberalen Koalition aufgebaut und gefestigt worden sei.

H. Schmidt billigt der FDP eine gewisse Eigenprofilierung zu, lobt die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren und sieht für die Freien Demokraten bei der Bundestagswahl 1980 gute Chancen.

Die Delegierten warnt H. Schmidt , ihn nicht durch Beschlüsse oder Vertrauenskrisen in eine Lage zu bringen, tragfähige Kompromisse als verantwortungsbewusster Regierungschef nicht mehr loyal ausführen zu können. Er werde nie gegen sein eigenes Gewissen handeln. H. Schmidt : „Ich möchte keinem Kanzlerverein angehören„, aber auch: „Zur Anpasserei bin ich schlecht geeignet.„ Der Kanzler verlangt vom Parteitag ernsthafte und auch kontroverse Diskussionen, doch müssten am Ende klare Mehrheitsentscheidungen ohne Doppeldeutigkeit fallen.

Sehr deutlich und eindeutig wirbt H. Schmidt für die Auffassung der Bonner Koalitionsregierung, den in der nächsten Woche zu fassenden NATO-Nachrüstungsbeschluss und das gleichzeitige Verhandlungs-angebot an die Sowjetunion über Abrüstung vor dem Hintergrund fortdauernder Entspannungsbereitschaft Moskaus zu sehen. Allen Propaganda-Aktionen Moskaus zum Trotz schätzten die sowjetischen Führer die Notwendigkeit eines Rüstungsgleichstandes realistisch ein. Es bestehe daher weder für die NATO noch für den SPD-Parteitag Anlass, Moskaus Propaganda- und Erpressungsversuchen zu erliegen. In diesem Zusammenhang gibt der Bundeskanzler eine mit starkem Beifall aufgenommene Solidaritätserklärung für die USA ab, die für die Sicherheit der Bundesrepublik und Westberlins sowie für die gesamte Europäische Gemeinschaft nicht nur „unersetzliche Partner, sondern auch unsere Freunde sind„. Diese Solidarität erstrecke sich auch und gerade in der schwierigen Situation von US-Präsident J. Carter auf die Forderung nach unverzüglicher Freilassung der Geiseln in Iran. H. Schmidt gibt bekannt, dass er in den ersten Monaten des nächsten Jahres zu E. Honecker reisen werde.

In der Diskussion erörtern zahlreiche Redner die Ursachen eines von ihnen festgestellten schwindenden Interesses und Engagements der Bürger für sozialdemokratische Politik. Philipp Rosenthal betont, die Sozialdemokraten könnten immer noch mit dem Eintreten für Wirtschaftdemokratie einen Weg aus dem großen gesellschaftlichen Problem der Beziehungslosigkeit und Anonymität des Einzelnen in der Gemeinschaft anbieten. „Die Wirtschaftsdemokratie ist die Basis von sozialem Frieden und damit die Basis unseres Wohlstandes.„ G. Schröder weist – nachdem er die Nachrüstung abgelehnt hat – darauf hin, die Art und Weise, wie der Parteitag zur Frage der Kernenergie, zur Frage der Abrüstung und zur Frage der politischen Demokratie diskutieren und entscheiden werde, bestimme die Chancen, bei der Jugend wieder mehr Vertrauen und damit Engagement zu erreichen.

In den Arbeitsgruppen werden die Themen zum Teil – vor allem in den Arbeitsgruppen I und III - sehr kontrovers diskutiert: Die Gegner des Nachrüstungsbeschlusses halten es für „Unsinn„ erst aufzurüsten, um dann abzurüsten. Vor dem Beschluss solle erst die Verhandlungsbereitschaft der Sowjets ausgelotet werden. In der Arbeitsgruppe III stellen H. Börner und E. Eppler ihre unterschiedlichen Auffassungen in der Kernenergie in Kurzreferaten dar. Für H. Börner reichen weder eine von allen betriebene Energieeinsparung noch die Entwicklung von Alternativ-Energien aus, um eine absehbare Energielücke zu füllen.

Für E. Eppler sind vielfältige Risiken der Kernenergie noch immer zu groß. Er wehrt sich gegen angebliche Zwangsläufigkeiten von Entwicklungen, über die dann letztlich in den Chefetagen der multinationalen Konzerne entschieden werde. Delegierte aus Nordrhein-Westfalen, besonders Gewerkschafter, setzen sich für die Priorität der Kohle, aber auch eine Option für die Kernenergie zur Deckung des Restbedarfs ein. In der Gruppe IV wirft N. Gansel seiner Partei vor, sie wisse entweder nicht oder sie scheue sich zu sagen, was sie in der Rentenpolitik wolle. Unter Berufung auf das Godesberger Programm setzt sich N. Gansel für eine staatliche Mindestrente ein, die keine Einheitsrente, sondern nur eine Sockelrente – deutlich über dem Niveau der Sozialhilfe – sein solle. „Wir müssen sagen, was wir wollen, was es kostet und wie es finanziert werden soll.„ Auch die Besteuerung wird von einem Delegierten vorgeschlagen, aber von Bundesarbeitsminister H. Ehrenberg abgelehnt.

In seinem Referat „Festigung des Friedens„ betont H.-J. Wischnewski , dass für die deutsche Politik das oberste Ziel bleibe, den Frieden sicherer zu machen. Er formuliert dazu drei Grundsätze: 1. Die jetzige Friedensphase in Europa müsse „in die Unendlichkeit„ ausgedehnt werden. 2. Die Bundesrepublik müsse Beiträge leisten, um Konflikte in anderen Teilen der Welt mit friedlichen Mitteln lösen zu helfen. 3. Frieden müsse mehr sein als die Abwesenheit von Krieg.

H.-J. Wischneswki regt eine internationale Ölabgabe an – auf jede Tonne gefördertes Öl soll ein bestimmter Betrag – je 50 Prozent von den Produzenten und den Verbrauchern – gezahlt werden. Diese Beträge sollen ausschließlich der Entwicklungshilfe zugute kommen.

Der Schriftsteller Walter Jens ruft die Delegierten dazu auf, sich ihrer Tradition als Friedenspartei stärker bewusst zu sein und ermahnt die Sozialdemokraten, dafür zu sorgen, dass die Grundrechte des Einzelnen nicht weiter eingeschränkt würden. W. Jens , der als Vertreter der Sozialdemokratischen Wählerinitiative auftritt, erklärt, in Sachen Rüstung müsse die SPD nicht die erste, sondern die letzte sein.

Der Kampf für die sozialen und politischen Grundrechte des Menschen und das Bemühen um den Frieden gäben der Sozialdemokratie eine verlässliche Humanität und Glaubwürdigkeit, sagt W. Jens . Die SPD sei eine Partei, „die für die andere und bessere Geschichte der Besiegten, aber nicht Vergessenen, die Geschichte der Aufrechten, deren Namen kein Lesebuch nennt, die Geschichte der Opfer, die man, von Kenntnis so weit entfernt wie von Humanität, jüngst ihren Henkern gleichstellen wollte (Sozialismus gleich Nationalsozialismus), die Geschichte der Emigranten, die, heute durch die deutsche Unfähigkeit zu trauern verketzert, damals der Welt bewiesen haben, dass das Deutschland Bebels und das Deutschland Hitlers ein anderes ist„. W. Jens mahnt die Sozialdemokratie, ihrerseits den Auftrag des Grundgesetzes nicht zu vergessen. Die Grundrechte des einzelnen seien durch vielerlei gefährdet: „Durch die Folgen offener und geheimer Zensur und durch bürokratische Einschüchterung. In einem solchen Augenblick kommt alles darauf an, die Grund- und Freiheitsrechte nicht nur defensiv zu schützen, sondern sie in entschiedenem Gegenentwurf zu den restriktiven Auslegungen der Konservativen zu erweitern und damit der Obrigkeit-verordneten FDGO (freiheitlich-demokratischen Grundordnung) wieder den Geist einer Verfassung zu geben, deren Qualität sich nach dem Engagement der Bürger bemisst.„

F. Halstenberg teilt in seinem Rechenschaftsbericht mit, dass wegen zu großer finanzieller Verluste die Hamburger Druckerei der SPD und die „Hamburger Morgenpost„ nicht weitergeführt werden könnten. F. Halstenberg weist darauf hin, dass die SPD 58 Prozent ihrer Einnahmen durch Beiträge und 2 Prozent durch Spenden erzielt.

Nach stundenlangen Diskussionen sprechen sich rd. 80 Prozent der Delegierten für den erweiterten Leitantrag zur Sicherheitspolitik aus, nachdem auch W. Brandt „nach reiflicher Überlegung„ die Annahme empfohlen hatte. Die Bundesregierung soll einer Stationierung neuer nuklearer Mittelstreckenraketen nur unter der Bedingung zustimmen, dass auf deren Einführung verzichtet wird, wenn Rüstungskontroll-verhandlungen zu befriedigenden Ergebnissen führen„. H. Scherf und G. Schröder befürchten in der Diskussion, dass die SPD mit diesem Beschluss in den Augen der Wähler ihre Rolle als Partei der Entspannung und Abrüstung verlieren könne. E. Eppler stimmt gegen den Beschluss, ohne sich an der Diskussion zu beteiligen.

„Der Parteitag hält es für unerlässlich, auf Menschenrechtsverletzungen durch die SED aufmerksam zu machen, da Sozialdemokraten überall gegen Unterdrückung und für die Freiheit eintreten. Der Parteitag fordert dazu auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um auf individueller Ebene die Kontakte zu Bürgern der DDR aufrechtzuerhalten. Der Parteitag begrüßt die Fortsetzung der Deutschlandpolitik der Bundesregierung, die die Aufgabe hat, den Zusammenhalt der Deutschen im geteilten Deutschland zu fördern. Wir wissen, dass wir den Auftrag des Grundgesetzes nur erfüllen können in einer langen Friedensperiode und mit Zustimmung aller unserer Nachbarn.„

In einer Kampfabstimmung fordert der Parteitag, schon bis 1985 die öffentliche Entwicklungshilfe von derzeit knapp 0,3 auf einen Anteil von 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes zu erhöhen. Die Bundesregierung solle dafür einen verbindlichen Stufenplan vorlegen. Bei der Beratung des Leitantrages der Parteiführung sprechen sich die Delegierten mit 174 – u.a. W. Brandt – gegen 154 Stimmen gegen den darin enthaltenen Vorschlag aus, die Erreichung dieses Ziels erst für Ende der achtziger Jahre anzustreben. In dem Beschluss wird zugleich eine verstärkte Hilfe für die ärmsten Länder der dritten Welt – u.a. durch Abbau der Handelsbeschränkungen – gefordert. Bereits in der Arbeitsgruppe II hatte Bundesfinanzminister H. Matthöfer darauf hingewiesen, dass in der gegenwärtigen Situation keine weiteren Gelder für die Entwicklungspolitik zur Verfügung stünden. Der finanzpolitische Handlungsspielraum sei angesichts der öffentlichen Verschuldung mehr als begrenzt.

Fast 10 Stunden diskutieren die Delegierten über die Kernenergie. Kurz vor der Endabstimmung über den Antrag des Parteivorstandes kommt es noch einmal zu einer heftigen persönlichen Auseinandersetzung zwischen H. Schmidt und E. Eppler in der Frage der Entsorgung des Atommülls. E. Eppler erläutert den Initiativantrag der Kernkraftgegner, nach dem im Bau befindliche Kernkraftwerke fertiggestellt werden könnte, neue seien nicht zu verantworten, solange keine sichere Entsorgung realisiert sei. E. Eppler schließt seinen Diskussionsbeitrag mit einer sehr emotional vorgetragenen Bitte: Sie richtet sich an Helmut Schmidt . „Ich habe größtes Verständnis dafür, dass ein Bundeskanzler, vor allem von diesem Format, Wert legen muss auf die Kontinuität seiner Politik, auf die Verlässlichkeit seiner Politik. Dafür habe ich Verständnis. Aber nachdem wir wissen, dass von unseren potentiellen Wählern die eine Hälfte für neue Baugenehmigungen ist, die andere Hälfte nicht, könnte man ja auch einmal über die Genossen nachdenken, die die andere Flanke der Partei abzudecken haben. Wir können ja nicht nur nach einer Seite Stimmen verlieren. Deshalb ein Wort noch, lieber Helmut : Nicht jeder Sieg ist schließlich auch ein Gewinn!„ H. Schmidt antwortet darauf: ,es handelt sich hier nicht, Erhard , um eine Frage von Sieg oder ,Gewinn’. Sicher kann hier keiner sein, ,du nicht, die übrigen nicht, die auf deiner Seite in dieser Debatte gefochten haben, ich auch nicht. Es geht darum, dass alle Beteiligten an dieser Debatte verstehen, dass jeder, der hier eine Meinung entwickelt hat, sich innerhalb der Moral befindet. Ich darf für Erhard Eppler und für mich sagen – ich glaube, dass gilt für uns beide, Erhard : Unsere beiden Standpunkte sind innerhalb und sehr bewusst innerhalb der christlichen Moral„. Der Initiativantrag, den E. Eppler begründet hat, wird mit 243 zu 170 Stimmen abgelehnt.

Schließlich stimmt der Parteitag mit Mehrheit dem Antrag des Parteivorstandes zur Energiepolitik zu und bekräftigt die Grundsätze sozialdemokratischer Energiepolitik, wie sie der Parteitag 1977 beschlossen hat. Der nun angenommene Antrag enthält folgende wesentliche Festlegungen: Die Kohle behält Vorrang – dazu soll die heimische Steinkohleförderung auf mehr als 100 Millionen jährlich gesteigert werden. Dazu stellten die NRW-Regierungsmitglieder J. Rau und Christoph Zöpel in der Diskussion fest, dass in NRW kein neues Kernkraftwerk genehmigt werde, solange nicht die Wirtschaft mit dem Bau bereits genehmigter Kohlekraftwerke beginne; Alle alternativen Energiequellen, wie Nutzung von Abwärme, Wärmepumpen und Sonnenenergie, würden verstärkt gefördert; Energieeinsparungen müssten größeres Gewicht erhalten. In diesem Zusammenhang kritisiert V. Hauff , dass der Koalitionspartner FDP „vernünftige Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen„ und dgl. Ablehne. Bei der Kern-Energiegewinnung müsse die Sicherheit Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben. Die Entsorgung müsse für im Bau befindliche Kernkraftwerke durch ausreichende Zwischenlager gesichert sein. Vor der Baugenehmigung für neue Kernkraftwerke müsse auch die stufenweise Errichtung einer sicheren Endlagerung von Bund und Ländern vereinbart sein.

Der Parteitag spricht sich mit großer Mehrheit gegen eine Wehr- oder Dienstpflicht für Frauen aus.

Eingreifgruppen zur gewaltsamen Durchsetzung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Interessen in der Dritten Welt werden als Ausdruck kolonialistischer Gesinnung und als Gefahr für den Frieden bewertet und deshalb abgelehnt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich von derartigen Vorstellungen eindeutig und unmissverständlich zu distanzieren.

Der Parteitag beschließt zur Selbständigenpolitik: Die Existenz und die Förderung von Selbständigen ist für die SPD ein wesentliches Element zur Sicherung und zum Ausbau einer freiheitlichen Gesellschaft. Die SPD fordert eine Antikonzentrationsstrategie. Dem wettbewerbsschädigenden Aufkauf kleiner und mittlerer Unternehmen durch marktbeherrschende Unternehmen sei Einhalt zu gebieten. Marktbeherrschenden Unternehmen seien für ihr Marktverhalten Pflichten aufzuerlegen. Der Beschluss setzt sich für einen weiteren Ausbau der Politik zur Förderung von Existenzgründungen ein. Dabei sollen gezielte Zuschüsse eine regionale Differenzierung ermöglichen. Insbesondere sollen solche Existenzgründungen gefördert werden, die im Zusammenhang mit neuen Technologien stehen. Wettbewerbsnachteile und erhöhte Risiken der Selbständigen sowie der kleinen und mittleren Betriebe seien durch gezielte Maßnahmen auszugleichen, so u. a. Abschaffung des negativen Kapitalkontos für Abschreibungs-gesellschaften; Gerechtere Besteuerung vergleichbarer wirtschaftlicher Gruppen wie vor allem der Landwirtschaft; Verhinderung einseitiger Steuervorteile für Großunternehmen; Vereinfachung des Steuerrechtes. Der Beschluss befürwortet Tariffonds. Sie ermöglichten tarifvertraglich auch eine Vermögensbildung für Arbeitnehmer bei Selbständigen.

Weiter beschließt der Parteitag:

Zur Bankenstruktur: „Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, gesetzliche Initiativen zu ergreifen, die Struktur des Bankwesens und die Tätigkeit der Banken neu zu ordnen. Dabei wird unter anderem eine Reduzierung der Dauerbeteiligung der Banken an Unternehmen auf einen Satz gefordert, der den Banken keinen auf Kapitalbesitz gründenden beherrschenden Einfluss im Nichtbankenbereich erlaubt.„

Zur Umwelt: „In der Umweltpolitik soll das Verursacherprinzip verstärkt angewandt werden, das die Kosten der Beseitigung oder Verhinderung von Umweltschäden dort anlastet, wo die Entscheidungen über Investitionen, Produktionsverfahren und Konsumverhalten fallen.

Gedacht wird in diesem Zusammenhang an Umweltabgaben, die vom Verursacher erhoben werden. Marktbeherrschende Unternehmen und Versorgungsbetriebe, die diese Abgaben auf die Preise abwälzen können, sollen durch Genehmigungen, Verbote und Auflagen in die ökologische Pflicht genommen werden. Falls die Kostenbelastung unzumutbar ist, kann das Verursacherprinzip durch das Gemeinlastprinzip ergänzt werden, sind Zuschüsse oder Steuererleichterungen zu gewähren.„

Zu Antiterrorgesetzen: „Der Parteitag fordert die Bundesregierung auf, in ihren Erfahrungsbericht über die Änderung der Strafgesetzordnung, auch die Erfahrungen mit den Strafgesetzbuchbestimmungen des Paragraphen 88 a (Verfassungsfeindliche Befürwortungen von Straftaten) und 130 a (Anleitung zu Straftaten, die den öffentlichen Frieden stören) aufzunehmen.„

Zum Verfassungsschutz: „Der unscharfe Begriff der Verfassungsfeindlichkeit soll bei der Bewertung von Organisationen und Parteien in amtlichen Dokumenten nicht mehr verwendet werden.„

Zum Radikalenerlass: „Der Parteitag begrüßt die von der Bundesregierung beschlossenen Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue als ersten Schritt, von der ,massenhaften Überprüfung’ von Bewerbern für den öffentlichen Dienst abzukommen. Bewerber, die nach der bisherigen Praxis nicht eingestellt worden seien, müssten die Möglichkeit erhalten, sich unter den gleichen Bedingungen wie Erstbewerber erneut zu bewerben.„

Für Frauen: „Alle sozialdemokratisch geführten oder mitgeführten Landesregierungen sollen Gleichstellungsstellen einrichten. Der Anteil der Frauen an Parteiämtern und Mandaten soll gesteigert werden. Nachdem nun auch ein zuständiges Organ der EG festgestellt hat, dass in der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtlich gebotene Gleichheit der Frau bei der Entlohnung der Arbeit noch immer nicht hergestellt ist, werden alle maßgebenden SPD-Politiker dringend aufgefordert, beschleunigt entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts einzuleiten.„

Für Ausländer: „Das kommunale aktive und passive Wahlrecht soll wenigstens für Ausländer aus den Staaten der EG ermöglicht werden. Der Parteivorstand soll eine umfassende ausländerpolitische Gesamtkonzeption erarbeiten.„

Zu Medien: „Die SPD bestätigt ihre Auffassung, dass nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk organisatorisch in der Lage ist, als Dienstleistung für den Bürger eine optimale Mischung an Information, Meinung, Unterhaltung, Bildung und Kultur zu bieten. Auf Werbung angewiesene Profitprogramme informieren nicht den Zuschauer, sondern ködern ihn als Konsumenten. Gerade der Konsument bedarf aber in der demokratischen Wirtschaftsgesellschaft des Schutzes vor verführerischer Werbung und der Beratung durch einen verbraucherorientierten Service. Kommerziellen Rundfunk und kommerzielles Fernsehen werden wir daher grundsätzlich ablehnen.

Neue Programmverteilanlagen über Kabel oder Satellitensender ermöglichen eine Vielzahl neuer Rundfunk- und Fernsehprogramme. Ob diese – technisch ausgereiften – Anlagen realisiert werden dürfen, ist abhängig von ihrem gesellschaftlichen Nutzen und den gesellschaftlichen Kosten: Wenn die Gefahr besteht, dass die Bürger durch die Reizüberflutung mit Fernsehen mehr desorientiert werden, als dass sie informiert werden; die Programmqualität durch einen Wettbewerb mit profitorientierten Werbeprogrammen auf Kosten der Informationssendungen nivelliert wird und damit die Informationschance für den Bürger sinkt; die aktive zwischenmenschliche Kommunikation der Bürger untereinander noch weiter zurückgeht und der passive Konsum elektronischer Unterhaltung weiter ansteigt; insbesondere die Kinder dem Reiz der bewegten Bilder wie einem Rausch erlegen sind und der Fernsehkonsum ihre aktive Betätigung über die Maßen einschränkt, kann die Vermehrung der Programmzahl nur als gesellschaftlich schädlich bezeichnet werden. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Teilaspekte der neuen Technologien, so der Rückkanal oder der ,offene Kanal’, aktivere Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen ermöglichen. Die Kosten für Kabel- und Satellitenfernsehen in Höhe von 50-75 Milliarden DM sind – auch langfristig – indiskutabel.„ Der Beschluss der Bundesregierung die Verkabelung der Bundesrepublik einzustellen wird begrüßt. Ein Vorteil der vermehrten Programmzahl, die Chance zu regionalen und lokalen Programmen wie Hörfunk und Fernsehen, sollte allerdings nicht ersatzlos wegfallen. Bei der Beschränkung auf zwei nationale Fernsehprogramme sollten mehr regionale Programmteile, ein Vorabendprogramm und eine stärkere Regionalisierung in den Dritten Programmen erfolgen. Angestrebt werden daneben langfristig ein gemeinsames europäisches Rundfunk- und Fernsehprogramm, kurzfristig ein europäischer Programmaustausch.

Zum Fremdenverkehr: Der Parteitag verabschiedet umfangreiche Grundsätze und Leitlinien für eine sozialdemokratische Fremdenverkehrspolitik.

Zur Verwaltung: Politiker aller drei Ebenen und die Verwaltung sollen sich um eine bürgerfreundlichere Verwaltung bemühen.

Mit einem angenommenen Initiativantrag wird die Bundestagsfraktion aufgefordert, einen von ihr mit knapper Mehrheit gebilligten Gesetzentwurf für eine Ausweitung der Teilzeitregelung für Beamte und Richter unter Beibehaltung der vollen Pensionsansprüche neu zu verhandeln. Sichergestellt müsse werden, dass erstens eine Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung für Beamte stets mit einer prozentualen Kürzung des Ruhegehaltes verbunden bleibe. Zweitens müsse jeder Nebenerwerb für teilzeitarbeitende Beamte ausgeschlossen werden und drittens, dass die Funktionsfähigkeit der Gerichte nicht durch teilzeitarbeitende Richter weiter beeinträchtigt wird.

Aus Zeitmangel werden zahlreiche Anträge an die Führungsgremien zur weiteren Behandlung überwiesen, darunter auch ein Antrag, das Kontaktsperregesetz abzuschaffen. Die Beratung der Reform der Hinterbliebenenversorgung fällt aus Zeitgründen aus. Sie soll auf dem nächsten Parteitag 1980 geschehen.

In seinem Schlusswort beurteilt W. Brandt den Kongress als einen „Parteitag des Abwägens und der Ermutigung„. Den sowohl bei Sachabstimmungen als auch bei der Wahl zum Vorstand unterlegenen linken Flügel der SPD fordert W. Brandt auf, nicht zu resignieren, und er meint: das „Gerede von einer Zerreißprobe ist ein Wunschtraum und polemisches Geschwätz geblieben„. Zu den Schwerpunkten des Parteitages erklärt W. Brandt , die Abstimmung über die Nachrüstung der NATO habe gezeigt, dass die SPD bemüht sei, die Entspannungspolitik nicht verkommen zu lassen, sondern sie neu zu beleben; der Parteitag habe dafür gesorgt, dass Entwicklungshilfe-Politik einen höheren Stellenwert erlange.

„Anders als die Union und die Grünen haben wir versucht zu vereinen, was nicht zu trennen ist: die Sicherung der Energie und die Risiken.„ W. Brandt mahnt die Delegierten, bis zur Bundestagswahl im Oktober 1980 seien noch große Anstrengungen nötig. Keiner wisse, was bis dahin alles noch passieren könne, auch terroristische Gewalt sei nicht auszuschließen. Der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 11. Mai 1980 misst W. Brandt „entscheidende Bedeutung" zu: „Da geht es schon um drei Viertel der Wurscht vom Oktober." Mit der Aufforderung zur Geschlossenheit beendet W. Brandt den Parteitag.

Die Wahlen zum Parteivorstand bringen folgende Ergebnisse:

W. Brandt wird mit 360 von 402 Stimmen – bei 24-Nein-Stimmen, 16 Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen – als Parteivorsitzender bestätigt. Zu stellvertretenden Vorsitzenden werden H. Schmidt mit 365 von 420 Stimmen – bei 38 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen - und Hans-Jürgen Wischnewski mit 349 von 411 Stimmen – bei 39 Nein-Stimmen, 22 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme - gewählt. F. Halstenberg wird mit 304 von 409 – bei 85 Nein-Stimmen, 19 Enthaltungen und einer ungültigen Stimme – als Schatzmeister bestätigt.

Zu weiteren Mitgliedern des Parteivorstandes werden bei 421 gültigen Stimmen gewählt: H. Wehner (407); H. Koschnick (402); J. Rau (372); E. Bahr (356); Anke Fuchs (347); H. Rohde (337); H. Apel (333); K. v. Dohnanyi (308); D. Posser (301); H. Börner (306); K. Ravens (301); H. Matthöfer (292); H. Ehmke (289); D. Stobbe (289); V. Hauff (286); Inge Donnepp (285); K. Matthiesen (283); H. Heinemann (277); H.-J. Vogel (276); G. Leber (275); D. Haack (268); O. Lafontaine (265); P. v. Oertzen (260); E. Eppler (257); H. Rothemund (253); H. Junker (251); Antje Huber (250); Hermann Buschfort (242); Elfriede Hoffmann (239); B. Friedrich (233); W. Vitt (233), Harry Ristock (233). Im zweiten Wahlgang werden bei 423 gültigen Stimmen gewählt: Erika Wagner (182); Herta Däubler-Gmelin (179); Brigitte Traupe (166). Nicht gewählt werden: Dagmar Luuk (155); Wolfgang Roth (152); Ulrike Mascher (149); Henning Scherf (119) und Rudi Arndt (96).

Für den Parteivorstand haben nicht mehr kandidiert: W. Arendt , V. Gabert , H. Kühn und F. Läpple .

In die Kontrollkommission werden bei 398 gültigen Stimmen gewählt: M. Seidel (365); K. Mattick (363); K. Branner (362); Elfriede Eilers (360); Walter Behrendt (359); Luise Herklotz (359); Annemarie Renger (344); Wilhelm Geusendam (343); Karl Benke (337).


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