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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
15. Sept. 1979

Auf dem Bundeskongress der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik e. V. (Bundes-SGK) in Bremen führt W. Brandt u. a. aus: Bundesinnenminister Gerhard Baum – dessen Parteifreunde in den Innenministerien der Länder ja sehr eifrig waren – habe die Frage aufgeworfen, ob man auf dem Gebiet der Gemeindereform nicht zu weit gegangen sei, ob man nicht sogar „Bürgerfreiheit vernichtet„ habe. Seine Partei, so Baum, müsse bereit sein „hier auch Irrtümer einzugestehen„. „Eine solche Aussage ergibt aus sozialdemokratischem Mund erst recht einen Sinn. Und unsere hessischen Freunde haben ja am Beispiel Lahnstadt gezeigt, dass man Übertreibungen zurücknehmen kann. Enttäuschungen, Unzufriedenheit, Ohnmacht und Kritik als Reaktion auf unglückliche Entwicklungen sind in Aktionen von Initiativgruppen gegen Parteien und Verwaltungen zum Ausdruck gekommen. Als ,Bürgerinitiativen’ haben sich manche organisiert, die an der Verbesserung ihrer unterschiedlichen Bedürfnisbereiche interessiert waren und sich nicht darauf beschränken wollten, den Instanzenweg einzuhalten.

Das Engagement von Bürgern mit einer sozialliberalen Grundhaltung sollten wir auch in Zukunft ernst nehmen und diese Bürgergruppen als Partner verstehen. Sie verlieren dann ihre zuweilen negative Funktion, wenn wir schnell und sachkundig reagieren und jene Engpässe beseitigen, auf die sie hingewiesen haben. Veränderte Verwaltungsstrukturen und Betriebsformen haben auch Auswirkungen auf unsere Partei. Die Kritik an der Verwaltung steht in engem Zusammenhang mit einem aufkommenden Misstrauen gegenüber Parlamenten und Parteien.

Die Inhalte der Arbeit von Parlamenten und Ausschüssen sind immer verwaltungsspezifischer geworden. Immer häufiger bestimmen Experten die parlamentarische Arbeit. Nicht selten entsteht dadurch für den Bürger der Eindruck, die Verwaltung herrsche über diejenigen, die gestützt auf Wahlen die politische Verantwortung tragen. Diesem Eindruck können wir nur glaubhaft begegnen, wenn wir uns noch stärker als bisher darum bemühen, Antworten auf die aktuellen Probleme zu geben, die die Interessen und Sorgen der Bürger unmittelbar berühren. Ebenso sollten wir uns verstärkt Gedanken machen darüber, was wir dazu beitragen können, um den breiten arbeitenden Schichten größere Chancen einzuräumen, politische Verantwortung in den Gemeinden zu übernehmen.

Ich bin sicher, unsere Partei ist gut beraten, wenn sie über Versäumnisse in der Kommunalpolitik der letzten Jahre auch öffentlich nachdenkt. In diesem Zusammenhang ein Wort zu ,Grünen’ oder vergleichbaren Listen: Sie haben ohne Zweifel zu einem Teil mitgeholfen, dass die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen heute klarer gesehen wird. Ich kann ihre Kritik an der sozialen Umwelt nachvollziehen, die sie als zu anonym und erlebnisarm, ja bisweilen gar als lebensfeindlich anprangern. Nur – und das wird immer deutlicher: Wer sich nicht in einer großen demokratischen Gemeinschaft wie der SPD für mehr Qualität des Lebens und den Schutz der Natur einsetzt, hat kaum Aussichten, diese Ziele auch zu verwirklichen.„


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net edition fes-library | 2003