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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
7. Mai 1979

Auf der Europäischen Nuklear-Konferenz in Hamburg erklärt Bundeskanzler H. Schmidt: Wissenschaft, Technik und Industrie stünden gegenüber der Öffentlichkeit in einer hohen „Bring-Schuld„ an umfassender und offener Information über Probleme und Risiken der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Vor den etwa 3.000 Experten aus 25 Ländern sagt der Kanzler, bisher habe die Fachwelt keineswegs ausreichend Verständnis für die Befürchtungen vieler Bürger im Zusammenhang mit der Kernenergie aufgebracht. Nur wer die Sorgen und Ängste weiter Teile der Bevölkerung ernst nehme, könne das Maß an Vertrauen zurückgewinnen, das durch die Ereignisse von Harrisburg verlorengegangen sei. Wissenschaft und Industrie dürften sich in dieser Frage nicht nur am technisch Machbaren orientieren, sondern auch am demokratischen Entscheidungsprozess. Bei diesem dringend der Verbesserung bedürftigen Dialog mit der breiten Öffentlichkeit sollten sich die Wissenschaftler und Techniker einer möglichst allgemeinverständlichen Sprache und Gedankenführung bedienen. Allerdings sollten sie zugleich aufpassen, „dass diese Art der Arbeit nicht billigen Popularisierern überlassen„ werde.

Wörtlich sagt der Bundeskanzler: „In unserer auf Mitwirkung angelegten Demokratie ist die Kernenergie auf Dauer nicht durchzusetzen ohne breite Zustimmung der Öffentlichkeit.„ Es gelte zu lernen, dass nicht alles technisch Machbare auch nützlich und daher zu machen sei. Die Bundesregierung habe der Sicherheit in der Kernkraftfrage den Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit eingeräumt, auch um den Preis langer, penibler Genehmigungsverfahren und eines hohen finanziellen Aufwands. Recht verstanden, sei der Unfall von Harrisburg vielleicht sogar als „Glücksfall„ aufzufassen, weil er dazu zwinge, die Probleme der Kernenergie erneut und vertieft zu diskutieren. H. Schmidt führt weiter aus: „Kein Rückzug aus dem Wohlstand kann unsere Probleme und die der anderen lösen.„ Kein Industrieland, ob in West oder Ost, könne es sich in den nächsten Jahrzehnten leisten, einen zusätzlichen Energieträger wie die Kernenergie auszuschließen. Ein genereller Verzicht auf Kernenergie gefährde nicht nur die technische Entwicklung und manche Grundlagen der Arbeitsplatzsicherung, sondern stelle ernsthaft auch die Möglichkeiten einer Steigerung von Entwicklungshilfe infrage. Zum weiteren Ausbau der multilateralen Kooperation hochentwickelter Staaten zum Transfer von Nukleartechnologie zwecks friedlicher Nutzung der Kernkraft in den Entwicklungsländern schlägt der Kanzler eine internationale Konferenz zur Reaktor-Sicherheit vor, unter Beteiligung des Ostens, der gleichfalls viele Kernkraftwerke betreibe.


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