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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
22./23. März 1979

Die SPD veranstaltet in Lübeck - im Rahmen der Reihe „Forum Zukunft SPD„ - das Forum „Ökonomie - Ökologie - Umweltpolitik„. Ziel des Ökologie-Kongresses ist es nach den Worten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, H. Ehmke , durch „kontroverses Ausloten„ des Spannungsverhältnisses von Ökonomie und Ökologie Wegweiser für die praktische Umweltpolitik zu finden. Man müsse davon loskommen, bei der Umweltdiskussion immer nur an Kernkraftwerke und Energieeinsparung zu denken. Es sei dringend notwendig, auch die Grenzen des „Landschaftsverbrauchs„ und die durch die Chemie entstehenden Probleme zu durchdenken. Auch die Sozialdemokraten täten sich im praktischen Gespräch mit engagierten Umweltschützern nicht immer leicht, räumt H. Ehmke ein. Aber wer gerade wie die SPD „grüne„ oder „bunte„ Fluchtversuche aus der Wirklichkeit verhindern wolle, der müsse das vernünftige Gespräch suchen.

Bundeskanzler H. Schmidt schreibt in einem Grußwort, die Umweltpolitik habe die Arbeitsplätze gesamtwirtschaftlich nicht gefährdet. Es seien vielmehr neue Arbeitsplätze entstanden. Die Entwicklung von Umweltschutztechnologie und umweltfreundlichen Produkten werde auch langfristig dazu beitragen, die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. H. Schmidt erinnert daran, die bisherige Umweltpolitik der Koalition habe gegen „erhebliche Widerstände„ durchgesetzt werden müssen. Auch in Zukunft sei mit Widerstand zu rechnen, zum Beispiel wenn noch im Laufe des Jahres die Entwürfe für die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes und das Chemikaliengesetz beraten würden.

E. Eppler setzt sich entschieden für den Vorrang der politischen Entscheidung vor wissenschaftlichen Interessen ein. Ökologisch verantwortliche Entscheidungen richten sich nicht gegen die Wirtschaft, betont er. Sie bereiten allenfalls bestimmten Wirtschaftszweigen Schwierigkeiten und böten gleichzeitig Chancen für andere. Die Konflikte, die der Gesellschaft heute nicht erspart blieben, seien meist nicht Konflikte zwischen ökologischer Forderung und ökonomischer Vernunft, sondern zwischen Ökologie im Interesse aller und wirtschaftlichen Teilinteressen. Wachstumsentscheidungen, die zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen getroffen werden müssten, seien keine Entscheidungen für oder gegen Wachstum, sondern für Wachstum an der einen, gegen Wachstum an der anderen Stelle. Er tritt der Auffassung entgegen, Öl könne durch Kernenergie ersetzt werden, und stimmt Forschungsminister V. Hauff zu, die oberste Priorität müsse drastischem Energiesparen gehören.

Der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende G. Jansen fordert im Umweltbereich eine „glaubwürdige Politik„ unabhängig von Wahlterminen. Die SPD stecke da genauso in einem Dilemma wie die anderen Parteien. In einem Arbeitskreis wird festgestellt: „Auf eine weitere Heranziehung der Landschaft unter anderem für Stadtentwicklung, Industrieansiedlung und Verkehr kann nicht verzichtet werden. In einigen Gebieten der Bundesrepublik (Ballungsgebiete in Nordrhein-Westfalen und mittlerer Neckar) sind die Grenzen des Landschaftsverbrauchs erreicht oder sogar schon überschritten. Die ersten raumstrukturellen Fehlentwicklungen für den Arbeits- und Lebenszusammenhang breiter Bevölkerungsgruppen werden zunehmend zu einem politischen Konfliktpotential.„ Ein weiterer Arbeitskreis kommt zu dem Ergebnis: Die größte Belastung für Mensch und Umwelt erfolge durch nicht hinreichend geprüfte Chemieprodukte, die vermarktet werden.

In seinem Schlusswort bezeichnet es K. Matthiesen als beachtlichen Fortschritt, dass Entscheidungen über neue Großtechnologie wie zum Beispiel den Schnellen Brüter aus „einseitigen Sachverständigenzirkeln„ in den parlamentarisch-demokratischen Raum zurückgeholt würden. „Es geht darum, Politik wieder in ihr Recht einzusetzen. Dabei müssten die Politiker den Mut aufbringen, nicht alles zu realisieren, was technologisch-ökonomisch möglich ist.„


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