Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 7. Nov. 1956

Der Parteivorstand der SPD erklärt:
Mit der Einstellung des Feuers in Ägypten ist die Gefahr vorläufig gebannt, die dem Frieden der Welt aus einer Ausweitung des Nahostkonfliktes drohte.
Die SPD appelliert an alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, aus der schrecklichen Belastungsprobe alle Konsequenzen zu ziehen, um durch die Stärkung der Vereinten Nationen den Frieden und die Freiheit der Völker wirklich zu sichern.
Nach wie vor aber fließt Blut in Ungarn, und die Lage in Mitteleuropa ist durch die brutalen Handlungen der Sowjetarmee gegen das ungarische Volk aufs schwerste belastet. Es ist höchste Zeit, daß dem Blutvergießen in Ungarn Einhalt geboten wird.
Die Sowjetregierung wird sich von dem Verdacht reinigen müssen, als sei ihre Erklärung vom 30. Oktober 1956, in der sie den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn in Aussicht stellte und eine grundlegende Änderung im Verhältnis der Sowjetunion zu den sogenannten Volksdemokratien versprach, nur zum Zwecke der arglistigen Täuschung des durch die jahrelange Unterdrückung in höchste Erbitterung getriebenen ungarischen Volkes veröffentlicht worden. Die Sowjetregierung muß endlich durch die Tat bekunden, daß ihre Versicherungen, die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Nationen sollten nur auf den Grundsätzen der völligen Gleichberechtigung, der Achtung der territorialen Integrität, der staatlichen Unabhängigkeit und Souveränität sowie der gegenseitigen Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten beruhen, mehr sind als bloße Lippenbekenntnisse. Die SPD wird sich mit allen Kräften für die Unterstützung der Opfer und für die Heilung der Wunden einsetzen.