Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Der Parteivorstand der SPD beschließt in Bad Dürkheim die Richtlinien- der Politik der SPD im Bundestag (Dürkheimer 16 Punkte). 1. Überwindung der Arbeitslosigkeit durch eine Politik der Vollbeschäftigung. Dazu ist die Stärkung der Kaufkraft und die Erhöhung des Reallohnes erforderlich. Abwehr weiterer Preissteigerungen. Umbau des Steuersystems durch Entlastung der kleinen Einkommen. 2. Planung und Lenkung der Kredite und Rohstoffe für Befriedigung des volkswirtschaftlichen Bedarfs. Ablehnung einer vom bloßen Profitinteresse bestimmten Wirtschaftspolitik. 3. Sozialer Lastenausgleich durch Zugriffe auch auf die Vermögen und nicht nur auf die Erträgnisse der Vermögen. 4. Sofortige Inangriffnahme des Wohnungsbaues unter besonderer Förderung des sozialen Wohnungsbaues durch den Bund. 5. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Seßhaftmachung und Freizügigkeit für die Vertriebenen und Kriegsgeschädigten durch zentrale Maßnahmen. Schaffung eines Flüchtlingsministeriums, zusätzliche Finanzhilfe an die mit Flüchtlingen überbelegten Länder. 6. Neuordnung der Sozialversicherung, des Rentenwesens und der Versorgung der Kriegsgeschädigten mit dem Ziel der Verbesserung der Leistungen. Hilfe für die Opfer der Diktaturen. 7. Mitbestimmung der Arbeitenden in den Betrieben und gleichberechtigte Einbeziehung der Gewerkschaften in die Selbstverwaltung der Wirtschaft. 8. Politische und wirtschaftliche Entmachtung des großen Eigentums und der Manager durch Sozialisierung der Grundstoff- und Schlüsselindustrien. 9. Sicherung der freien Entfaltung des gewerblichen und bäuerlichen Mittelstandes. 10. Sicherung und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung insbesondere durch einen den Gemeindeaufgaben gerecht werdenden Bundesfinanzausgleich. 11. Beschränkung der alliierten Einwirkungen auf bestimmte und reine Kontrollmaßnahmen. Änderung des Ruhrstatuts. Abwehr der Demontage deutscher Friedensindustrien. 12. Einbeziehung Berlins als 12. Land in die Bundesrepublik. Bis dahin schnelle und wirksame Hilfe für Berlin. 13. Ablehnung der Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze. 14. Unermüdlicher Appell an die moralischen Kräfte der Welt für die Freilassung der Kriegsgefangenen und Frauen. Rückführung der Verschleppten. Kampf gegen Sklavenarbeit in jeder Form und gegen die Konzentrationslager in der sowjetischen Besatzungszone. 15. Wahrung des im Grundgesetz vorgesehenen Vorrechts des Bundestags, gegenüber partikularen Gewalten und Interessen. Die Bundesgewalt muß imstande sein, die äußeren und inneren Kriegsfolgelasten gerecht zu verteilen und die Funktionen des deutschen Staates zu erfüllen. 16. Sicherung der Freiheit der Lehre, der Verkündung und der Ausübung jeder Religion und jeder Weltanschauung. Bekämpfung des Mißbrauchs kirchlicher Einrichtungen und Personen als Instrumente des politischen Machtkampfes. Abwehr jedes Versuches, die sozialen und politischen Probleme durch Entfachung eines Kulturkampfes zu vernebeln.
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
29./30. Aug. 1949
Die SPD geht bei ihrer Politik von der Erkenntnis aus, daß eine lebenskräftige Demokratie nur auf dem Fundament sozialer Gerechtigkeit erbaut werden kann. Nur auf dieser Grundlage wird die Bundesrepublik ihre Aufgabe erfüllen, die deutsche Einheit zu schaffen und Deutschland in ein neugeordnetes Europa einzugliedern.
Das Ergebnis der Wahlen am 14. August beschwört die Gefahr herauf, daß die bisherige Wirtschaftspolitik fortgeführt, die deutsche Arbeitskraft ruiniert und die Spannungen zwischen den Klassen so gesteigert werden, daß die staatsbildenden Kräfte gelähmt und die deutsche Demokratie zerstört wird.
Die Voraussetzungen für ein gesundes deutsches Staatswesen können nur geschaffen werden, wenn das deutsche Volk folgende Grundsätze im öffentlichen Leben durchsetzt:
Verbleib des Saargebietes im deutschen Staatsverband. Abwehr neuer Gebietsabtretungen.
Die Sozialdemokratische Partei kämpft unter Ablehnung jeglicher Art von Nationalismus für die Gleichberechtigung aller Völker und für die Neuordnung Europas. Darum kämpft sie für die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage der persönlichen und staatsbürgerlichen Freiheit und Gleichheit in allen Besatzungszonen, insbesondere der sowjetischen Zone.