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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
28. August 1945

K. Schumacher schickt den Parteibezirken die von ihm verfaßten »Politischen Richtlinien für die SPD in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren«.
Sie behandeln im wesentlichen die folgenden Probleme: das Verhältnis zu den Siegermächten; das Reich; die Parteien; Wahlen und Wahlrecht; das Verhältnis zu den Kommunisten.
Die Demokratie ist untrennbar von Begriff und Ethik des Sozialismus. Der Sozialismus ist in sich demokratisch, ist als Kampf um die geistige, politische und ökonomische Befreiung der arbeitenden Massen, ein Kampf um das Recht und die Freiheit gegen Vergewaltigung und Knechtung. Ein auf diktatorischem Wege erkämpfter und behaupteter >Sozialismus< ist kein Sozialismus, sondern bestenfalls Staatskapitalismus.
Das oberste Kriegsziel der Vereinten Nationen ist auch unser Ziel: Die völlige innere Wandlung der Deutschen zu einem Volk des Friedens.
Unser Verhältnis zu den Siegermächten muß loyal und anständig und vor allem absolut ehrlich sein. Aber wir müssen stets das Recht für uns in Anspruch nehmen, bei jeder Gelegenheit auch gegenüber den Siegern unsere Meinung zu sagen.
Unsere Kritik bezieht sich auf folgende Punkte:
Die russische Besatzungszone ist zu weit nach Westen gerückt. Tatsache ist, daß sich die Aufteilung in Besatzungszonen für den Bestand des Reiches auf die Dauer gefährlich auswirken kann. Die deutsche Ostgrenze ist für die Bildung eines neuen Polens zu weit westlich gelegt.
Das deutsche Volk kann und darf nicht darauf verzichten, sein Reich als nationales und staatliches Ganzes zu behaupten. Die einzige Partei, die anderes als eine ökonomische Interessenpolitik zur Grundlage hat, ist das Zentrum. Die Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit dem Zentrum ist für die Zukunft von entscheidender Bedeutung für Deutschland. Es gibt schon längst keinen echten Liberalismus mehr. Was an seinem Ideengut von bleibendem und kulturell förderndem Wert ist, das ist seit langem selbstverständlicher Bestandteil sozialdemokratischer Auffassungen geworden.
Die Kommunistische Partei ist unlösbar an Rußland gebunden. Wir wollen an Reparationen leisten, was zu leisten möglich ist, aber wir wollen keinen Selbstmord begehen.
Schon heute läßt sich feststellen, daß der politische Einfluß der Partei ihrer tatsächlichen Bedeutung und ihrer politisch-moralischen Legitimation nicht entspricht.
Wir sind in großen Teilen des Reiches einfach überrundet und beiseite gedrängt worden.
Ein ganz großer Teil des Volkes wünscht ausgesprochen die Sozialdemokratische Partei, will in unsere Hände sein Schicksal legen. Wenn wir den Führungsanspruch geltend machen, tun wir es, weil wir geschichtlich berechtigte Zweifel an der Verläßlichkeit und Uneigennützigkeit mancher anderen Richtungen und Personen haben.
Aus der Erkenntnis des Umstandes, daß es jetzt nötig ist, großen Teilen des Volkes soziale Hilfe zu bringen, bejahen wir trotzdem und ohne Vorbehalt die praktische Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei in allen sozialen Fragen und in allen Dingen der Austilgung des Faschismus. Wir gestalten aber die Zusammenarbeit so, daß die Sozialdemokratische Partei und Kommunistische Partei ihre völlige Selbständigkeit behalten.
Im Begleitschreiben heißt es: Am 5., 6 und 7. Oktober 1945 findet in Hannover eine Art »Reichskonferenz« statt.



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net edition fes-library | Juni 2001