Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 15. April 1975

Das Präsidium der SPD erklärt zur Entwicklung in Vietnam und Kambodscha: Die Leiden der Menschen in Vietnam und Kambodscha erreichen einen neuen Höhepunkt, während die militärischen Auseinandersetzungen sich einem Abschluß zu nähern scheinen.
In dieser Situation bekräftigt das Präsidium, die deutschen Sozialdemokraten sind über die Jahre hinweg stets für einen Verhandlungsfrieden auch in Südostasien eingetreten. Wir haben uns stets für humanitäre Hilfe eingesetzt, erneuern diese Bereitschaft gerade jetzt und würden gemeinsame europäische Anstrengungen lebhaft begrüßen.
In Vietnam ging und geht es nicht allein um eine Auseinandersetzung zwischen einer kommunistischen und einer nichtkommunistischen Gesellschaftsordnung. Der Krieg hatte von Anfang an auch den Charakter eines Kampfes um nationale Unabhängigkeit. Im Lande selbst sind Gewalttätigkeiten von beiden Seiten begangen worden.
Im amerikanischen Volk hat ein schmerzhafter Prozeß des Umdenkens das eigene militärische Eingreifen zuerst in Frage gestellt und ihm dann ein Ende gesetzt. Wir deutschen Sozialdemokraten haben schon auf unserem Parteitag 1968 dem amerikanischen Verbündeten versichert, daß unser Vertrauen in die Bündnisgarantie nicht berührt werde, wenn sich die USA aus Verstrickungen in Vietnam lösten. Durch Verzicht auf moralische Zensur und durch Ablehnung jeder Parallele zwischen Vietnam und Deutschland wollen wir unseren Verbündeten den ebenso schweren wie unvermeidlichen Schritt der Herauslösung erleichtern.
Das Präsidium erklärt zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Die Stabilisierung des Trends zugunsten der SPD hat sich fortgesetzt. Die SPD erreichte das relativ beste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit April 1972. Zum ersten Male seit drei Jahren gewann das sozial-liberale Bündnis in einer Landtagswahl Stimmen und Mandate hinzu. Das Präsidium sieht in dem Wahlergebnis auch einen Vertrauensbeweis für die Politik des Aufschwungs in Stabilität, die gegen den massiven Widerstand der Opposition durch die Bundesregierung durchgesetzt wird.