DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

DEKORATION DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG DEKORATION


TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
17. Febr. 1975

Als Beginn der landespolitischen und kommunalpolitischen Wahlkämpfe veranstaltet die SPD eine Bundeskonferenz in Recklinghausen. Auf ihr sprechen u.a. W. Brandt, W. Arendt und H.-J. Vogel.
Für W. Brandt liegt die besondere Gefahr der gegenwärtigen politischen Situation in unserem Land in der Versuchung, allzu einfache Antworten auf äußerst komplizierte Fragen hinzunehmen. Sie liegt in der Ohnmacht, die so viele Menschen gegenüber den tiefgreifenden Veränderungen in der Welt empfinden und in der demagogischen Verunsicherung, die daraus genährt werden soll. Die Frage, die uns nicht loslassen darf, ist, warum haben wir nicht noch besser, als es bisher gelungen ist, klarmachen können, wie es wirklich aussieht?
Die Bundeskonferenz verabschiedet die Recklinghauser Erklärung als Arbeitsprogramm der Partei für 1975. Die Bundesrepublik ist wirtschaftlich, sozial und politisch stabiler als fast alle anderen Staaten der Welt. In dieser Zeit gewinnt das Gespräch mit den Bürgern und den gesellschaftlichen Gruppen eine besondere Bedeutung. Alle Mitglieder und Freunde der SPD sind aufgerufen, sich diesem Gespräch verstärkt zu widmen. Der Kampf um das Vertrauen der Wähler muß geschlossen und offensiv geführt werden. Dazu bedarf es einer leistungsfähigen Organisation. Unsere Partei braucht die innerparteiliche Diskussion. Aber sie duldet keine Zweifel an ihren Grundsätzen. Einschneidende Veränderungen hergebrachter Wirtschaftsstrukturen finden statt. Unsere Volkswirtschaft muß sich den Verschiebungen auf dem Weltmarkt anpassen. Dies kostet in einzelnen Branchen Arbeitsplätze. Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung sieht es deshalb als ihre erstrangige Aufgabe an, dazu beizutragen, daß vorhandene Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.
In dieser Zeit kommt es darauf an, ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den Staaten, die über die Rohstoffe verfügen und denen, die sie im starken Maße verbrauchen, zu schaffen.
Die von W. Brandt begründete und von H. Schmidt fortgesetzte Friedens- und Europapolitik hat uns in der ganzen Welt Achtung verschafft. Durch die Entspannungspolitik - solide verankert im atlantischen Bündnis - wurden Gräben des kalten Krieges überwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten hat die Opposition keinen vernünftigen Vorschlag zu bieten. Die CDU/CSU kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht regierungsfähig ist. Der soziale Frieden, der Bestand der sozialen Sicherheit und unser Ansehen in der Welt wären gefährdet.
Die Bereitschaft zum Ausbau der demokratischen und sozialen Bundesrepublik bleibt lebensnotwendig. Sozialdemokraten haben schon vor dem weltwirtschaftlichen Umbruch die Überbewertung des bloßen quantitativen Wachstums als falsch erkannt. Wir messen unsere langfristigen gesellschaftspolitischen Vorstellungen an den Grundwerten des demokratischen Sozialismus: Freiheit - Gerechtigkeit - Solidarität.
Sozialdemokratische Politik wird die Zukunft sichern. Die weltweite Verknappung und Verteuerung von Rohstoffen und Energie zwingt uns durch neue Anstrengungen und Verfahren unsere Abhängigkeit von Fremdquellen zu vermindern. Die Zeit des planlosen Raubbaus ist vorbei. Umweltschutz wird immer wichtiger.
Die innere Sicherheit, Recht und Ordnung sind in unserem Land gewährleistet. Sozialdemokraten wissen demokratische Freiheiten und Bürgerrechte gegen Terror und andere Kriminalität - auch gegen reaktionäre Herausforderungen - zu verteidigen.
Trotz mancher Schwierigkeiten werden wir die Entspannungspolitik fortführen. Denn zu dieser Außenpolitik gibt es keine Alternative. Bundeswehr und aktive Friedenspolitik ergänzen sich gegenseitig und sorgen gleichermaßen für unsere Sicherheit nach außen.



Vorhergehender StichtagInhaltsverzeichnisFolgender Stichtag


net edition fes-library | Juni 2001