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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
11. Nov. 1974

Parteirat, Parteivorstand und Kontrollkommission der SPD stellen fest:
Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern hat die SPD erhebliche Stimmenverluste hinnehmen müssen. Beim Kampf um das Vertrauen der Wähler ist sie weithin in die Defensive gedrängt worden. Sie muß deshalb die Voraussetzung schaffen, daß die Partei offensiv für ihre politischen Vorstellungen kämpft und ihre Leistungen deutlicher als bisher herausstellt. Dazu gehört insbesondere die aktive Vertretung der Politik der Bundesregierung unter Führung von H. Schmidt. Der größtmögliche Schutz vor den Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Strukturkrise, vor allem die Sicherung der Arbeitsplätze, bleiben Hauptaufgaben sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Die SPD wird die Bundesregierung voll darin unterstützen, die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Veränderungen auf unserem Arbeitsmarkt mit geeigneten Maßnahmen abzufangen und durch eine bewußte Strukturpolitik die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und unserer Arbeitsplätze langfristig zu sichern. In den 10 Milliarden DM Konjunkturausgleichsrücklagen liegt die Vorsorge für eine aktive Arbeitsplatzsicherung. Dank der Politik der sozial-liberalen Koalition wird die Bundesrepublik mit den Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Entwicklungen besser fertig als fast alle anderen Industriestaaten. Das gilt auch für die Beschäftigungssituation und für die Preisentwicklung, nicht zuletzt für unsere Zahlungsbilanz.
Die SPD wird ihre Reformpolitik nachdrücklich vertreten. Sie wird dabei die Realitäten beachten. Das bedeutet: Wer das heute Mögliche unterläßt, gefährdet unsere Zukunft; wer das Unmögliche will, gefährdet das heute Mögliche. Zu dem heute Möglichen und Notwendigen gehören die Ausdehnung der Mitbestimmung, die Reform des Bodenrechts und der beruflichen Bildung. Die SPD wird sich weiterhin dafür einsetzen, daß alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um die innere Sicherheit im Interesse unserer Bürger und der im Grundgesetz verankerten Demokratie zu gewährleisten.
Die Grundlagen der von uns Sozialdemokraten kontinuierlich vorangetriebenen Außenpolitik bestehen aus unserer politischen und wirtschaftlichen Partnerschaft innerhalb der westlichen Gemeinschaft und unserem Beitrag zum gemeinsamen Verteidigungsbündnis. Auf diese Grundlage gestützt, wird die SPD ihre Politik der Entspannung und Zusammenarbeit zwischen West und Ost - unbeschadet der zahlreichen, keineswegs unvorhergesehenen Schwierigkeiten auf diesem Weg - zielstrebig weiterverfolgen.
Es bleibt bei unseren eindeutigen Abgrenzungen zu kommunistischen Parteien und Ideologien. Zur Kontinuität der Außenpolitik der sozialliberalen Koalition gehört auch das Ziel, über viele einzelne Schritte und über einen längeren Zeitraum zu einem ausgewogenen Abbau der Rüstungen und Truppen in Europa zu gelangen.
Zu den aktuellen Aufgaben der Außenpolitik gehören heute insbesondere, die Probleme der Zahlungsbilanzdefizite der meisten Staaten der Welt und die Probleme der Energie- und Rohstoffpreise durch die Industriestaaten gemeinsam mit den Entwicklungs- sowie Öl- und Rohstoffländern anzugehen, um damit die Voraussetzungen für eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung aller Völker zu ermöglichen.
Die Geschlossenheit der Partei in der offensiven Vertretung ihrer Politik ist die Voraussetzung des Erfolges. Die Sozialdemokraten müssen sich bewußt sein, daß sie mit einer Stimme reden müssen, und dies ist die Stimme ihrer gemeinsamen Beschlüsse und ihrer gewählten Führung. Das bedeutet keine Einengung der innerparteilichen Diskussion, die allein durch das Godesberger Programm begrenzt ist. Die notwendige Diskussion muß jedoch in der Sache so geführt werden, daß sie nicht den Kampagnen der politischen Gegner Vorschub leistet. Das negative Votum der Wähler gilt der öffentlich dargebotenen Disziplinlosigkeit in den eigenen Reihen ebenso wie der hier und da festzustellenden Selbstgefälligkeit. Die Geschlossenheit der eigenen Partei ist zugleich ein entscheidender Beitrag zur Stabilität des sozial-liberalen Bündnisses, das gegenüber dem konservativen Block in unserem Land mehr ist als eine bloße Zweckkoalition.



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net edition fes-library | Juni 2001